European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00650.840.0321.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Ein Zuspruch von Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs findet nicht statt.
Begründung:
Die Kläger begehrten mit ihrer am 9. 2. 1984 beim Erstgericht eingelangten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 650.120,60 s.A..
In der Klage, die von Rechtsanwalt Dr. Bernhard Stanger (Innsbruck) verfaßt wurde, ist bei der Bezeichnung der klagenden Parteien nach Aufzählung der Namen und Anschriften der 72 einzelnen Kläger angeführt „als Vermietergemeinschaft des Hauses A*****, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernhard Stanger“. Die Klage enthält auf Seite 3 rechts unten den Vermerk „Vollmacht erteilt“.
Auf Seite 8 der Akten befindet sich ein mit 13. 2. 1984 datierter Aktenvermerk des Erstrichters, der Klagevertreter habe auf telefonische Anfrage mitgeteilt, daß er sich bezüglich aller Kläger auf eine Vollmacht berufe.
Bereits in der ihr (ohne Abhaltung einer ersten Tagsatzung) aufgetragenen Klagebeantwortung führte die Beklagte aus, daß die Vermietergemeinschaft des Hauses A***** als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes nicht zur Klagsführung legitimiert sei. Sie könne auch dem Klagevertreter keine Vollmacht erteilen. Eine Vollmacht jedes einzelnen der 72 Kläger liege nicht vor.
In der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. 4. 1984 (ON 4) stellte die Beklagte zunächst den Antrag, die Frage der Vollmachtserteilung an den Klagevertreter zu erörtern. Der Klagevertreter erklärte hierauf, er könne sich nicht bezüglich aller Kläger auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen und er könne derzeit nicht angeben, von welchem der Kläger er ausdrücklich zur Klagsführung bevollmächtigt worden sei. Er beantragte, ihm eine Frist zur Beibringung der Vollmachten aller Kläger bzw. zur Einholung aller Bevollmächtigungen zu gewähren. Die Beklagte beantragte sodann die Zurückweisung, allenfalls die Abweisung der Klage, weil der Klagevertreter von den Klägern nicht bevollmächtigt sei. Anschließend legte der Klagevertreter ein Schreiben des Obmannes der Vermietergemeinschaft des Hauses A***** vom 11. 1. 1984 vor und gab dazu an, daß dieses Schreiben die Bevollmächtigung zur vorliegenden Klagsführung darstelle. Die Vermietergemeinschaft sei als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes organisiert.
Mit Beschluß vom 12. 7. 1984 (ON 5) wies das Erstgericht den Antrag des Klagevertreters, ihm eine Frist zur Beischaffung von Vollmachten zu gewähren, ab, hob das Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Mangel der Vollmacht nach § 37 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Eine Klage, die - im Anwaltsprozeß - den Nachweis einer oder die Berufung auf eine dem Rechtsanwalt erteilte Bevollmächtigung im Sinne des § 30 Abs. 2 ZPO nicht enthalte, sei nach § 37 Abs. 2 ZPO (nach einem erfolglos gebliebenen Verbesserungsversuch) zurückzuweisen. Diese Bestimmung gehe davon aus, daß das Vorliegen der Vollmacht des eine Klage einbringenden Rechtsanwaltes sicherzustellen sei, bevor ein Rechtsstreit durch Zustellung der Klage an die beklagte Partei kontradiktorisch werde. Im vorliegenden, nur durch den Wegfall des Erfordernisses des schriftlichen Nachweises der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes denkbaren Fall sei das Verfahren auf Grund einer versehentlich erfolgten und nachträglich korrigierten Berufung des die Klage einbringenden Rechtsanwaltes auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung kontradiktorisch geworden, obwohl nicht sichergestellt sei, ob der die Klage einbringende Rechtsanwalt auch tatsächlich von den Klägern dazu bevollmächtigt worden sei. Auf das Schreiben des Obmannes der Vermietergemeinschaft vom 11. 1. 1984 könne sich der Klagevertreter nicht berufen, weil nicht sichergestellt sei, ob der Obmann dieser Vermietergemeinschaft von sämtlichen Klägern diesbezüglich bevollmächtigt worden sei. Die Vermietergemeinschaft des Hauses A***** sei nach der Klagserzählung als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes organisiert, sodaß die Klage richtigerweise namens der einzelnen Gesellschafter eingebracht worden sei. Da eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes aber nicht prozeßfähig sei, könne eine von ihrem Obmann erteilte Vollmacht die Vollmachtserteilung durch sämtliche Gesellschafter nicht ersetzen. Die im § 37 Abs. 2 ZPO vorgesehene einen Spezialfall der §§ 84, 85 ZPO darstellende Verbesserungsmöglichkeit finde dort ihre Grenze, wo durch die Verbesserung unmittelbar in die prozessualen Rechte des Gegners eingegriffen werde. Nachdem im vorliegenden Fall die Beklagte bereits in das Verfahren involviert worden sei, habe sie einen Anspruch auf Zurückweisung der Klage erworben, der das vom Klagevertreter beantragte Verbesserungsverfahren unzulässig mache.
Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Kläger gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, durch die vom Klagevertreter gegenüber dem Erstrichter abgegebene Klarstellung, daß sich die in der Klage enthaltene Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung im Sinne des § 30 Abs. 2 ZPO auf alle Kläger beziehe, sei für die Klagsschrift dem Vollmachtsnachweiserfordernis nach § 37 Abs 2 ZPO Genüge getan. Die durch die ZVN 1983 eröffnete Möglichkeit des erleichterten Vollmachtsnachweises im Sinne des § 30 Abs. 2 ZPO befreie das Erstgericht nicht von der Prüfung, ob der Erklärung des einschreitenden Rechtsanwaltes gemäß tatsächlich von allen Parteien, in deren Namen er auftrete, Prozeßvollmacht erteilt worden sei, und zwar insbesondere dann nicht, wenn dies wie im vorliegenden Fall vom Prozeßgegner begründet angezweifelt werde. In diesem Fall müsse das Gericht wie bei der Prüfung jeder anderen Prozeßvoraussetzung (§ 6 Abs. 1 ZPO) vorgehen und beim Offenbarwerden eines diesbezüglichen Mangels dessen Behebung versuchen. Die vorliegende Situation könne nicht anders beurteilt werden als etwa jene, wenn in einem Anwaltsprozeß im Verlauf der Streitverhandlung Zweifel entstünden, ob die Machtgeberunterschrift auf einer Prozeßvollmachtsurkunde tatsächlich von der als Machtgeber bezeichneten Person stamme. Da in diesem wie in jenem Fall der Mangel der Vollmacht ebenso wie der Mangel anderer Prozeßvoraussetzungen in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen sei, hätte das Erstgericht, als bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. 4. 1984 ein Vollmachtsmangel auf der Klägerseite offenbar geworden sei, analog § 6 Abs. 2 ZPO die erforderlichen Aufträge zur offenbar nicht unmöglichen Beseitigung dieses Mangels zu erteilen gehabt und hätte daher weder den Antrag des Klagevertreters, ihm eine Frist zur Behebung des offenbar gewordenen Vollmachtsmangels zu gewähren, abweisen noch ohne Erteilung der erforderlichen Aufträge zur Behebung des in Rede stehenden Vollmachtsmangels im Sinne des § 6 Abs. 2 ZPO die Nichtigkeit des Verfahrens und die Zurückweisung der Klage aussprechen dürfen. Eine Behebungsmaßnahme in diesem Sinn verstoße auch nicht gegen bereits erworbene prozessuale Rechte des Gegners, wenn man bedenke, daß sich der Gegner eine derartige Maßnahme selbst im Fall des Vorliegens von Prozeßhindernissen der im § 6 Abs. 1 ZPO angeführten Art in jeder Lage des Verfahrens - auch noch im Rechtsmittelverfahren - gefallen lassen müsse, ohne daß ihm dagegen ein abgesondertes Rechtsmittel zustehe.
Das Erstgericht werde das Verfahren in der Weise fortzusetzen haben, daß es im Sinn der Bestimmungen der §§ 6, 7 ZPO den auf der Klagsseite bestehenden Vollmachtsmangel zu beseitigen trachte, womit also ein Ausspruch über die Rechtsfolgen dieses Mangels vorerst aufgeschoben bleibe. Die durch die ZVN 1983 eingeführte Vollmachtsnachweiserleichterung lasse dem einschreitenden Rechtsanwalt die Möglichkeit offen, die ihm erteilte Bevollmächtigung urkundlich nachzuweisen. Dies werde im Fall der Überprüfung der Richtigkeit einer nach § 30 Abs 2 ZPO abgegebenen Erklärung des einschreitenden Rechtsanwaltes ohnedies der einfachste und zweckmäßigste Weg sein.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern. 38 Kläger haben eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Revisionsrekurs der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Gemäß § 527 Abs. 2 ZPO kann, wenn der Beschluß des Erstgerichtes in zweiter Instanz aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, die Entscheidung des Rekursgerichtes nur im Falle eines Rechtskraftvorbehaltes angefochten werden.
Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht etwa um eine in Wahrheit abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes, sondern um eine echte aufhebende Entscheidung im Sinn der zitierten Gesetzesstelle. Denn mit der Entscheidung des Rekursgerichtes wurde über den vorliegenden Antrag der Beklagten, die Klage mangels Vorliegens der Prozeßvoraussetzung der Bevollmächtigung des für die Kläger einschreitenden Rechtsanwaltes (siehe dazu Fasching Zivilprozeßrecht Rdz. 725 ff) zurückzuweisen, keinesfalls endgültig abgespochen, sondern nur die vom Erstgericht über diesen Antrag getroffene Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht inhaltlich eine neuerliche Entscheidung über diesen Antrag nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Unter diesen Umständen liegt ein echter Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes im Sinn des § 527 Abs. 2 ZPO vor, der nur im Falle eines vom Rekursgericht angeordneten Rechtskraftvorbehaltes angefochten werden könnte (8 Ob 169/70; 3 Ob 550/77; 4 Ob 31/81; JBl. 1983, 607 ua.). Da das Rekursgericht einen solchen Rechtskraftvorbehalt nicht anordnete, ist der Revisionsrekurs der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kläger haben gleichzeitig mit ihrer Rekursbeantwortung den Versuch unternommen, eine Änderung der auf der Klagsseite einschreitenden Parteien dadurch herbeizuführen, daß sie einzelne früher angeführte Kläger wegließen. Nun kann wohl eine bloße Änderung oder Berichtigung der Parteienbezeichnung in jeder Lage des Verfahrens (auch im Rechtsmittelverfahren) von Amts wegen wie auch über Parteieninitiative erfolgen ( Fasching Kommentar III 112; SZ 23/7; SZ 38/175; SZ 42/146 ua.). Allein um eine derartige Änderung oder Berichtigung der Parteienbezeichnung handelt es sich hier nicht; die Kläger versuchen in Wahrheit zu erreichen, daß einzelne Personen, die bisher als Kläger aufgetreten sind bzw. als solche vom Klagevertreter angeführt wurden, aus dem Prozeßrechtsverhältnis ausscheiden. Dies hat mit einer Änderung oder Berichtigung der Parteienbezeichnung nichts zu tun. Für den Obersten Gerichtshof besteht daher kein Anlaß und keine Möglichkeit, irgendeine Änderung der Bezeichnung der klagenden Parteien vorzunehmen. Es wird Sache des Erstgerichtes sein über derartige Anträge der Kläger abzusprechen.
Die Beklagte hat die Kosten ihres unzulässigen Rekurses selbst zu tragen.
Den Klägern gebührt für die erstattete Rekursbeantwortung kein Kostenersatz, weil sie den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend machten (§§ 41, 50 ZPO).
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