OGH 3Ob68/78

OGH3Ob68/7820.6.1978

SZ 51/94

Normen

ABGB §1370 Abs1
ABGB §1370 Abs2
ABGB §1393 Abs1
ABGB §1393 Abs2
EO §296 Abs1
EO §296 Abs2
ABGB §1370 Abs1
ABGB §1370 Abs2
ABGB §1393 Abs1
ABGB §1393 Abs2
EO §296 Abs1
EO §296 Abs2

 

Spruch:

Pfandscheine sind Legitimationspapiere

Legitimationspapiere nehmen eine Mittelstellung zwischen Inhaber- und Namenspapieren ein. Ein "Übernahmsschein" einer Pfandleihstelle ist lediglich eine Beweisurkunde

OGH 20. Juni 1978, 3 Ob 68/78 (LGZ Graz 2 R 77/78: BGZ Graz 10 E 11.156/77)

Text

Das Erstgericht stellte die Exekution hinsichtlich der im (besonderen) Pfändungsprotokoll des Erstgerichtes 10 E 11 156/77 unter PZ 1 und 2 als Pfandscheine verzeichneten und beschriebenen Übernahmsscheine der Pfandleihstelle E in Graz von Amts wegen gemäß § 39 Abs. 1 Z. 8 EO mit dem Begründung ein, daß das Gesetz nur die Verwertung von Pfandscheinen, nicht aber von Übernahmsscheinen kenne und daher kein Erlös zu erzielen sein werde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Gläubigerin dahin Folge, daß es den Beschluß des Erstgerichtes "in dessen Abänderung" behob. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Rekursgericht aus, daß der nach § 1370 ABGB auszustellende Pfandschein nicht nur eine Beweisurkunde, sondern auch ein Legitimationspapier sei. Der Pfandgläubiger sei berechtigt, das Pfand dem Inhaber des Pfandscheines auszufolgen, ohne dessen Legitimation zu prüfen.

Dadurch erhalte der Pfandschein einen gewissen Wert; er könne veräußert, verpfändet und gepfändet werden. Wenn der Pfandgeber den Pfandgegenstand nicht unmittelbar dem Darlehensgeber, sondern einem Dritten zur Belehnung durch den Darlehensgeber übergebe und darüber eine Bestätigung erhalte, die in der Folge gegen den Pfandschein einzutauschen sei, so stelle auch diese Übernahmsbestätigung ein Legitimationspapier und nicht bloß eine Beweisurkunde dar. Mit ihrer Hilfe könne der Originalpfandschein behoben und das Pfand ausgelöst werden. Der Übernahmsschein repräsentiere den gleichen Wert wie der Pfandschein und unterliege somit auch der gleichen rechtlichen Behandlung. Er könne daher gleichfalls veräußert, verpfändet oder gepfändet werden. Mangels jeder Feststellung über den voraussichtlich erzielbaren Erlös der beiden Übernahmsscheine sei dem erstinstanzlichen Beschluß nicht zu entnehmen, ob die Voraussetzungen für die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs. 1 Z. 8 EO gegeben seien. Darüber werde erst nach Ermittlung des Wertes verläßlich entschieden werden können.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionskurs des Verpflichteten Folge.

Der angefochtene Beschluß wurde dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionskurs ist zulässig.

Nach § 527 Abs. 2 ZPO ist der Rekurs gegen die zweitinstanzliche Entscheidung, durch die der angefochtene Beschluß aufgehoben und der ersten Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, nur dann zulässig, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung ausgesprochen hat, daß erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft mit dem Vollzug des der ersten Instanz erteilten Auftrages vorzugehen sei. Die Bestimmung des § 527 Abs. 2 ZPO kommt in Verbindung mit § 78 EO im Exekutionsverfahren auch dann zur Anwendung, wenn dem Erstgericht lediglich die neuerliche Entscheidung ohne Verfahrensergänzung aufgetragen wurde. Es genügt, daß der Aufhebungsbeschluß inhaltlich nicht als ein abändernder Beschluß zu qualifizieren ist (Heller - Berger - Stix, 663; SZ 23/398; EvBl. 1969/310; 3 Ob 125/65 u. v. a.) Auf die Gründe der Aufhebung kommt es nicht an. Wesentlich für die Anwendung des § 527 Abs. 2 ZPO ist lediglich, daß eine neuerliche, dieselbe Frage betreffende Entscheidung aufgetragen wird das Rekursgericht also selbst nicht sachlich entscheidet (5 Ob 161/72 u. a.). Einen solchen Auftrag hat das Rekursgericht nicht, und zwar mit Recht nicht erteilt, da der Einstellungsbeschluß des Erstgerichtes nicht auf Grund eines Antrages einer Partei erging und es zu einer neuerlichen förmlichen Beschlußfassung des Erstgerichtes gar nicht kommen kann, wenn die Voraussetzungen für die amtswegige Einstellung der Exekution fehlen sollten. Die Ausführungen des Rekursgerichtes in den Gründen seiner Entscheidung, daß erst nach Ermittlung und Feststellung des Wertes der Übernahmsscheine über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Exekutionseinstellung nach § 39 Abs. 1 Z. 8 EO getroffen werden könne, sind nicht als Auftrag für entsprechende Erhebungen und Feststellungen sowie zu einer neuerlichen Entscheidung zu verstehen. Das Rekursgericht hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß nach der Aktenlage kein Grund zur Einstellung der Exekution nach der zitierten Gesetzesstelle bestehe. Der angefochtene Beschluß ist daher kein echter Aufhebungsbeschluß im Sinne des § 527 Abs. 2 ZPO. Der Revisionsrekurs ist sohin zulässig.

Er ist auch gerechtfertigt.

Die Auffassung des Rekursgerichtes, daß Pfandscheine Legitimationspapiere sind, steht mit Lehre und Rechtsprechung im Einklang (Wolff in Klang[2] VI, 255 zu § 1370 ABGB; Heller - Berger - Stix, 468; SZ 8/185 u. a.). Die überwiegende Meinung geht dahin, daß der Pfandschein als solcher Exekutionsobjekt und nach § 253 EO zu pfänden ist. Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß auch die gepfändeten Übernahmsscheine als Legitimationspapiere anzusehen seien, kann nicht gefolgt werden. Legitimationspapiere nehmen eine Mittelstellung zwischen Inhaber- und Namenspapieren ein. Sie teilen mit ersteren, daß der Schuldner sich durch die Leistung an den Wertpapierinhaber befreien kann, wenn er nur den Mangel von dessen Papiereigentum bzw. Ermächtigung nicht kannte. Mit letzteren haben sie gemeinsam, daß der Schuldner den Nachweis des Papiereigentums und damit der Gläubigerschaft auf gleiche Weise wie beim Namenspapier verlangen kann, widrigenfalls er die Leistung zu verweigern berechtigt ist (Wolff in Klang[2] VI, 300). Die Wertpapiereigenschaft wird dadurch begrundet, daß der Schuldner nur an den Papierinhaber zu leisten braucht. Diese Eigenschaften treffen auf die gepfändeten Übernahmsscheine der Pfandleihstelle Frank nicht zu. Der Verpflichtete übergab dieser Pfandleihstelle Fahrnisse zur Belehnung durch einen Dritten und erhielt auf seinen Namen lautende Übernahmsscheine, in welchen die zu belehnenden Gegenstände kurz beschrieben sind. Sowohl die Bezeichnung des Papiers als "Übernahmsschein" als auch dessen Text ("zur Belehnung ...") deuten darauf hin, daß es sich um Übernahmsbestätigungen handelt, die lediglich als Beweisurkunde für die Übergabe der Fahrnisse zur Belehnung dienen sollen. Aus dem Hinweis des Ausstellers der Übernahmsscheine, daß ohne Rückgabe des Scheines kein Pfandschein ausgefolgt werde, kann noch nicht auf den Willen des Ausstellers zur Begründung der Wertpapiereigenschaft geschlossen werden, zumal im Zeitpunkt der Ausstellung des Übernahmsscheines ein Pfandschein noch gar nicht existiert und es ungewiß bleibt, ob es überhaupt zur Verpfändung der übernommenen Fahrnisse kommt. Die Übernahmsscheine sind daher keine Wertpapiere und somit praktisch wertlos, da der Papierwert völlig bedeutungslos ist. Es ist daher dem Erstgericht beizupflichten, daß ein Erlös für diese Übernahmsscheine nicht zu erzielen ist. Stellen aber diese Übernahmsscheine kein verwertbares Pfandobjekt dar, so ist die Einstellung der Exekution hinsichtlich dieser Gegenstände in sinngemäßer Anwendung des § 39 Abs. 1 Z. 8 EO gerechtfertigt.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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