OGH 5Ob145/86

OGH5Ob145/8621.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Erika P***, Angestellte, 2. Walter P***, Kfz-Mechanikermeister, beide Drosendorf-Stadt, Hornerstraße 13, beide vertreten durch Dr. Josef Lentschig, Rechtsanwalt in Horn, betreffend die EZ 100 KG Stadt Drosendorf infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 19. Juni 1986, GZ. 1 b R 131/86, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Horn vom 28. Mai 1985, GZ. TZ 960/85, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt.

Text

Begründung

Die Erstantragstellerin ist die Nichte, Elisabeth P*** ist die uneheliche Tochter des am 21. März 1985 verstorbenen Ernest W***. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9. Jänner 1986, A 125/85, wurde die von Elisabeth P*** aufgrund des Gesetzes zum Nachlaß des Ernest W*** bedingt abgegebene Erbserklärung zu Gericht angenommen. Der Zweitantragsteller ist der Ehegatte der Erstantragstellerin. Mit Beschluß vom 28. Mai 1985 bewilligte das Erstgericht auf Antrag der Antragsteller unter anderem aufgrund des von der Grundverkehrsbezirkskommission Geras genehmigten Übergabsvertrages, der zwischen den Antragstellern und Ernest W*** am 30. März 1981 geschlossen worden war, 1. die lastenfreie Abschreibung der Grundstücke 1019, 1070 und 564/1 je Acker vom Gutsbestand der Ernest W*** allein gehörenden Liegenschaft EZ 100 KG Stadt Drosendorf und

2. die Zuschreibung dieser Grundstücke zum Gutsbestand der Walter P*** und Erika P*** je zur Hälfte gehörenden Liegenschaft EZ 656 KG Stadt Drosendorf.

Das Rekursgericht wies den Antrag der Antragsteller auf Verbücherung des Übergabsvertrages infolge Rekurses des Nachlasses nach Ernest W***, vertreten durch Elisabeth P***, aus nachstehenden Erwägungen ab:

§ 26 GBG bestimme, daß Einverleibungen nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden könnten, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt seien. Diese Urkunden müßten, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechtes handle, einen gültigen Rechtsgrund enthalten. Die als "Übergabsvertrag" bezeichnete Urkunde vom 30. März 1981 stelle keinen tauglichen Titel dar. In dieser Urkunde sei vereinbart, daß Ernest W*** die gegenständlichen Grundstücke hiemit an die Ehegatten Erika und Walter P*** übergebe (Punkt I) und daß die Besitzübergabe bzw. Übernahme durch die Übernehmerin mit dem Tag des Ablebens des Übergebers erfolge (Punkt III), welcher sich als Gegenleistung das lebenslängliche unentgeltliche Fruchtgenußrecht an den übergebenen Grundstücken ausbedinge, wobei sich die Übernehmer verpflichteten, die von diesen Grundstücken zu entrichtenden Steuern und öffentlichen Abgaben jeder Art ab dem dem Vertragstag nachfolgenden Fälligkeitstermin zu zahlen (Punkt II). Weiters sei der Ausschluß der Vertragsanfechtung wegen laesio enormis oder Irrtums vereinbart (Punkt IV). Die Vertragspunkte I und III stünden miteinander insoweit im Widerspruch, als der Zeitpunkt der Übergabe nach Punkt I der Tag der Vertragserrichtung und nach Punkt III der Tag des Ablebens des Übergebers sei. Hinzu komme, daß nach Punkt III die Übernahme nur durch die "Übernehmerin", also offenkundig nur durch Erika P***, erfolge. Nach Punkt III solle, wie dargelegt, die tatsächliche Übergabe der Liegenschaft mit dem Ableben des Übergebers befristet sein. Inhaltlich liege somit ein Vertrag auf den Todesfall vor, und zwar eine Schenkung auf den Todesfall: Die Bezeichnung des Fruchtgenußvorbehaltes als Gegenleistung und der Ausschluß der laesio enormis könnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß nach dem erschließbaren Parteiwillen die Grundstücke ohne nennenswerte Gegenleistung übertragen we" ee sollten und es sich daher um kein entgeltliches Rechtsgeschäft handle. Auch wenn die sofortige Tragung der Steuern und öffentlichen Abgaben durch die Übernehmer vereinbart worden sei, ändere dies nichts am Charakter der Vereinbarung als Schenkung, weil die Abgaben für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke äußerst gering seien. Es liege sohin jedenfalls ein gemischter Schenkungsvertrag auf den Todesfall vor, bei welchem der unentgeltliche Vertragsteil fast das gesamte Rechtsgeschäft umfasse. Wohl herrsche im Schuldrecht das Prinzip der Typenfreiheit und es seien die Vertragsparteien auch in der Bestimmung darüber, was sie als äquivalent ansähen, frei (JBl 1978, 381), doch dürfe die Vertragsfreiheit nicht dazu benützt werden, die Schenkungsabsicht der Parteien - so etwa zum Zweck der Verkürzung des Pflichtteils der Erben oder zur Umgehung der Notariatsaktspflicht - zu verschleiern (JBl 1976, 425). § 956 Satz 2 ABGB bestimme, daß eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tod des Schenkenden erfolgen solle, nur dann als Vertrag anzusehen sei, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben habe, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten ausgehändigt worden sei. Nach § 1 Abs 1 lit d Notariatszwangsgesetz bedürfe eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe der Notariatsaktsform. Auch eine gemischte Schenkung sei bei überwiegender Unentgeltlichkeit formgebunden (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 943; SZ 50/101). Dies gelte auch für die Schenkung auf den Todesfall nach § 956 ABGB (Schubert aaO Rz 2 zu § 956). Sei die Form nicht gewahrt, so werde das Rechtsgeschäft nicht gültig begründet. Im vorliegenden Fall seien lediglich die Unterschriften der Vertragspartner notariell beglaubigt worden; dies ersetze jedoch einen Notariatsakt nicht (Feil, Grundbuchsgesetz, Rz 6 zu § 26; SZ 30/78). Des weiteren ermangle es der Vereinbarung eines ausdrücklichen Widerrufsverzichtes. Ein tauglicher Titel im Sinne des § 26 GBG liege daher nicht vor, weshalb die vom Erstgericht bewilligte Grundbuchseintragung auch aus diesem Grunde gesetzwidrig sei. Gegen den abändernden Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Das Grundbuchsgericht hat das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist (§ 94 Abs 1 Z 3 und 4 GBG). Dabei ist eine Grundbuchsurkunde in ihrer Gesamtheit - einschließlich der Aufsandungserklärung - zu beurteilen (5 Ob 12/77).

Geschieht dies im vorliegenden Fall, so sind zunächst die vom Rekursgericht zitierten Vertragspunkte I und III im Zusammenhang mit dem Vertragspunkt IX zu sehen, wonach Ernest W*** hiemit bewilligt, daß aufgrund dieses Übergabsvertrages die Grundstücke 1019 Acker, 1070 Acker und 564/1 Acker vom Gutsbestand der Ernest W*** allein gehörigen Liegenschaft EZ 100 KG Stadt Drosendorf lastenfrei abgeschrieben, hiefür eine neue EZ im selben Grundbuch eröffnet und hierauf das Eigentumsrecht für Erika P*** und Walter P*** je zur Hälfte einverleibt werden kann, bzw. daß diese Grundstücke zum Gutsbestand einer den Übernehmern bereits gehörenden Liegenschaft im Grundbuch Stadt Drosendorf zugeschrieben werden können. Aus den genannten Vertragspunkten geht zweifelsfrei hervor, daß Ernest W*** die im Vertrag bezeichneten Grundstücke beiden Antragstellern zugleich ins Eigentum übertragen wollte, während die Besitzübergabe wegen des vorbehaltenen lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes erst mit dem Tage seines Ablebens erfolgen sollte, sowie daß beide Antragsteller diese Grundstücke sogleich ins Eigentum und mit dem Tag des Ablebens des Ernest W*** in ihren Besitz übernehmen wollten. Der vom Rekursgericht angenommene Widerspruch zwischen den Vertragspunkten I und III besteht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht; daß in Punkt III von der Besitzübernahme durch die "Übernehmerin" statt richtig durch die "Übernehmer" die Rede ist, ist ein offenkundiger Schreibfehler. Ein Vertrag auf den Todesfall liegt somit nicht vor.

Was die Frage der (Un-)Entgeltlichkeit des Vertrages betrifft, so haben die Vertragsparteien vereinbart, daß sich Ernest W*** als Gegenleistung für die Übergabe der Grundstücke das lebenslängliche unentgeltliche Fruchtgenußrecht an den übergebenen Grundstücken ausbedingt, wobei sich die Antragsteller jedoch zur Zahlung der von diesen Grundstücken zu entrichtenden Steuern und öffentlichen Abgaben jeder Art ab dem dem Vertragstag nachfolgenden Fälligkeitstermin verpflichten (Punkt II iVm Punkt I). Im Vertragspunkt X wird zum Zweck der Gebührenbemessung festgestellt, daß der Einheitswert der landwirtschaftlichen Grundstücke 8.000 S beträgt und das Fruchtgenußrecht mit jährlich 1.600 S bewertet wird, der mit Rücksicht auf das Alter des Übergebers gemäß § 16 Bewertungsgesetz zugrundezulegende fünffache Jahresbetrag also 8.000 S ausmacht. Nach dem Inhalt der für das Grundbuchsverfahren maßgeblichen Vertragsurkunde handelt es sich bei dem gegenständlichen Vertrag demgemäß um einen zweiseitig verbindlichen beiderseits entgeltlichen Vertrag. Der Umstand, daß möglicherweise ein - vielleicht sogar krasses - objektives Mißverhältnis zwischen den wechselseitigen Leistungen der Vertragsparteien besteht, spielt dabei keine Rolle, weil die Vertragsparteien auch in der Bestimmung darüber, was sie als "äquivalent" ansehen, frei sind und bloß aus einem etwaigen - selbst krassen - objektiven Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein noch nicht zwingend auf das Zutreffen der für die Annahme einer reinen oder gemischten Schenkung unabdingbar notwendigen subjektiven Voraussetzung des Einverständnisses der Vertragspartner über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der beabsichtigten Vermögensverschiebung geschlossen werden kann. Im übrigen ist das Vorliegen eines Schenkungswillens eine beweisbedürftige Tatsache, die im Grundbuchsverfahren - wenn sie sich nicht zweifelsfrei aus den beigebrachten Urkunden ergibt - nicht geklärt werden kann (EvBl 1977/195 = JBl 1978, 381 mwN; vgl. ferner NZ 1983, 184 und SZ 55/91).

Da demnach die vom Rekursgericht angenommenen und auch sonstige Hinderungsgründe der beantragten grundbücherlichen Eintragung nicht entgegenstehen, war in Stattgebung des Revisionsrekurses der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.

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