Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das pflegebefohlene Mädchen wurde am 29. Mai 1968 geboren. Es ist ein eheliches Kind. Bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres lebte es im Haushalt der Eltern. Das Kind hat die Reifeprüfung bestanden und beabsichtigt, im Wintersemester 1986/87 ein Hochschulstudium zu beginnen.
Am 25. Juni 1986 erklärte das Mädchen einen Antrag auf Verkürzung der Minderjährigkeit zu gerichtlichem Protokoll. Nach den Antragsbehauptungen war die Antragstellerin fünf Tage vorher aus der ehelichen Wohnung zu einem von ihren Eltern nicht akzeptierten Mann gezogen; sie erklärte ihre Absicht, im Sommer 1986 zwei Monate als Ferialpraktikantin arbeiten und Nachhilfestunden erteilen zu wollen; sie sprach die Erwartung aus, daß im übrigen ihr Freund für ihren Unterhalt aufkommen würde. Sie gab an, ein Sparguthaben in nicht genannter Höhe zu besitzen. Die Antragstellerin erachtet sich für befähigt, ihre Angelegenheiten gehörig selbst zu besorgen. Beide Elternteile sprachen sich gegen den Antrag ihrer Tochter aus; sie vertraten die Ansicht, daß das Mädchen nach ihrer bisherigen Lebenserfahrung als Schülerin im elterlichen Haushalt noch nicht zur selbständigen und gehörigen Besorgung ihrer Angelegenheiten reif wäre.
Das Pflegschaftsgericht erklärte das Mädchen ihrem Antrag gemäß
für volljährig.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß.
Der Vater ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit dem erkennbaren Abänderungsantrag im Sinne einer Abweisung des Antrages auf Volljährigerklärung an, weil die Vorinstanzen ihre Einschätzung der Reife des Kindes zur selbständigen und gehörigen Besorgung seiner Angelegenheiten ohne Einholung eines psychologischen Gutachtens bloß auf Grund eines kurzen Gespräches mit der Pflegschaftsrichterin und damit auf unzureichender Sachverhaltsgrundlage entgegen dem wohlverstandenen Interesse des Kindes getroffen hätten.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel des Vaters ist unzulässig.
Gegen eine bestätigende Rekursentscheidung findet im Verfahren außer Streitsachen gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG "nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt."
Im Revisionsrekurs wird keiner der nach dieser zitierten Gesetzesstelle beachtlichen Anfechtungsgründe schlüssig ausgeführt.
§ 174 ABGB ordnet an, daß das Gericht auf Antrag des Kindes selbst dessen Minderjährigkeit zu verkürzen hat, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und zur selbständigen und gehörigen Besorgung seiner Angelegenheiten reif erscheint. Den Eltern ist im Falle eines vom Kind gestellten Antrages ein Anhörungsrecht eingeräumt. § 266 AußStrG bestimmt, daß das Gericht im Verfahren auf Verkürzung der Minderjährigkeit "den Minderjährigen persönlich zu vernehmen und sich über alle maßgebenden Umstände ausreichende Kenntnis zu verschaffen" hat. Inhaltlich stellt die Verfahrensregelung des § 266 AußStrG eine besondere Hervorhebung des im § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG umschriebenen Untersuchungsgrundsatzes dar. Weder § 266 noch § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG, noch eine sonstige Gesetzesbestimmung schreiben aber allgemein oder für bestimmte Fälle (etwa für den Fall der Meinungsverschiedenheit zwischen Kind und Eltern) die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor, sondern überlassen die Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auskunftsmittel im Einzelfall der Beurteilung des Gerichtes. Dabei läßt es § 174 Abs. 1 ABGB für die vom pflegebefohlenen Kind selbst oder doch mit dessen Zustimmung beantragte Verkürzung der Minderjährigkeit hinreichen, daß das Kind im Sinne dieser Gesetzesstelle reif "erscheint". In der vom Revisionsrekurswerber vermißten Einholung eines Sachverständigengutachtens kann kein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit (Nullität) gelegen sein.
Den Entscheidungen der Vorinstanzen liegt der Sache nach offenkundig die Auffassung zugrunde, daß Personen bis zur Vollendung ihres 19. Lebensjahres als Minderjährige zwar unter dem besonderen Schutz des Gesetzes stehen (§ 21 Abs. 1 ABGB), daß aber der Wille des Minderjährigen, der bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat, dieses besonderen Schutzes zu entsagen, für das Gericht unter der (von Amts wegen zu ermittelnden) Voraussetzung, daß das Kind zur selbständigen und gehörigen Besorgung seiner (konkret zu erwartenden) Angelegenheiten reif erscheine, bindend sei. Eine solche mit den Denkgesetzen keinesfalls im Widerspruch stehende Gesetzesauslegung entzieht sich dem Vorwurf einer offenbaren Gesetzwidrigkeit.
Kein Teil der Rechtsmittelausführungen läßt sich als Rüge einer Aktenwidrigkeit verstehen.
Mangels schlüssiger Ausführung eines gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG zulässigen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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