Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat dem Kläger die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte die Scheidung seiner mit der Beklagten am 19.11.1955 geschlossenen Ehe im wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte behaupte grundlos, er habe die Ehe gebrochen und sei der leibliche Vater von zwei in den Jahren 1958 und 1959 von verheirateten Frauen geborenen Kindern. Die Beklagte verbreite diese üble Nachrede in ganz Fußach. Die Beklagte habe die Intimbeziehungen mit dem Kläger abgebrochen und sei aus dem Schlafzimmer ausgezogen. Die Situation sei für den Kläger derart unerträglich geworden, daß er die Ehewohnung im Einverständnis mit der Beklagten verlassen habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte vor, sie habe ihre Behauptungen, der Kläger habe mit anderen Frauen Kinder gezeugt, im guten Glauben gemacht. Für den Fall der Scheidung begehrt sie, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen. Dieser habe sich jahrelang gegenüber der Beklagten lieblos verhalten und habe die Beklagte geschlagen. Ein derartiges Verhalten habe er auch gegenüber den Kindern gesetzt. Außerdem habe der Beklagte die Familie finanziell "kurz gehalten". Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Es ging dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Die Ehe der Streitteile "klappte" bis zum Jahr 1977. Es fanden zwar öfters heftige Auseinandersetzungen aus verschiedenen Gründen statt, in deren Verlauf es wechselseitig zu Beschimpfungen kam. Bei einer dieser Auseinandersetzungen ging die Beklagte auf den Kläger los. Dieser setzte sich zur Wehr, faßte die Beklagte am Genick und drückte sie zu Boden. Geschlagen hat der Kläger die Beklagte nie. Diese Streitigkeiten gefährdeten für sich allein den Bestand der Ehe jedoch nicht. Schwerwiegende Streitigkeiten, die schließlich zur Trennung führten, ergaben sich indes ab 1977. Nachdem ein Bekannter der Streitteile erzählt hatte, er habe beim Autofahren Elsbeth M***, die einen entgegenkommenden PKW gelenkt hatte, beinahe mit der Tochter der Streitteile verwechselt, sah sich die Beklagte ein Klassenfoto an, auf dem beide Mädchen, die dieselbe Klasse besucht hatten, abgebildet waren. Die Beklagte nahm eine "eklatante Ähnlichkeit" zwischen den beiden Mädchen wahr und war überzeugt, der Beklagte habe die im Jahre 1958 geborene Elsbeth M*** gezeugt. Mit diesem Vorwurf konfrontierte sie den Kläger ständig. Tatsächlich hatten zwischen dem Kläger und Elsa M***, der Mutter der Elsbeth M***, nie nähere Beziehungen oder intime Kontakte bestanden. Die Beklagte erzählte dennoch im ganzen Dorf, der Kläger sei der Vater Elsbeth Metzlers. In einem von Elsa M*** eingeleiteten Strafverfahren gegen die Beklagte wegen übler Nachrede gemäß § 111 StGB gab die Beklagte eine Ehrenerklärung ab, warf dem Kläger aber auch weiterhin in für diesen nerienzermürbender Weise vor, der Vater von Elsbeth M*** zu sein. Außerdem lastete sie dem Kläger unbegründet weitere Frauenbekanntschaften an. Die Beklagte zog aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus und brach einseitig die Intimbeziehungen mit dem Kläger ab. Sie begründete dies mit dem behaupteten Ehebruch des Klägers mit Elsa M***. Die Versuche des Klägers, die Beklagte zur Rückkehr in das Schlafzimmer und zur Wiederaufnahme intimer Beziehungen zu bewegen, blieben erfolglos. Die ständigen unbegründeten Vorwürfe, der Kläger sei der Vater von Elsbeth M***, ließen ein normales Eheleben nicht mehr zu. Für den Kläger wurde die Situation so unerträglich, daß er im Sommer 1981 die Wohnung verließ und in eine Eigentumswohnung nach Lauterach zog. Diese Wohnung hatte er aus Mitteln eines Bausparvertrages gekauft, ohne daß er ursprünglich die Absicht gehabt hätte, dort selbst einzuziehen. Er hatte zunächst den Vorschlag gemacht, daß die eheliche Tochter Edith in diese Wohnung ziehe, die Beklagte war damit aber nicht einverstanden, wohl aber damit, daß der Kläger auszog. Die Unterhaltsfrage wurde im Korrespondenzweg der Rechtsanwälte geklärt. Der Kläger bezahlte ab seinem Auszug monatlich S 8.000 für die Beklagte und den noch nicht selbsterhaltungsfähigen Sohn. Die Beklagte besorgte weiterhin die Wäsche des Klägers. Im Jahr 1984 glaubte die Erstbeklagte eine Ähnlichkeit zwischen dem Kläger und Karl T***, dem am 21.5.1959 geborenen Sohn der (geschiedenen) Ehegatten Josefa und Georg T***, zu sehen und gewann die Überzeugung, daß der Kläger Karlheinz T*** gezeugt habe. Zwischen dem Kläger und Josefa T*** bestanden jedoch nie intime Beziehungen. Wie im Fall M*** verbreitete die Beklagte in ganz Fußach das Gerücht, der Kläger sei der Vater des Karlheinz T***. Sie veranlaßte Georg T***, gegen seinen Sohn die Klage auf Bestreitung der ehelichen Abstammung einzubringen. Auf Grund des serologischen Gutachtens mußte T*** die Klage jedoch zurückziehen. Über die von Josefa T*** gegen die Beklagte eingebrachte Privatanklage wegen übler Nachrede nach § 111 StGB ist noch nicht rechtskräftig entschieden.
Im Herbst 1984 kam es anläßlich eines Besuches des Klägers bei der Beklagten zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Beklagte ein Messer ergriff und Anstalten machte, auf den Kläger loszugehen. Der Kläger veließ das Haus, die Beklagte lief ihm aber nach und ging mit einer Gartenhaue auf ihn los. Der Kläger konnte ihr dieses Werkzeug entwinden. Während der ehelichen Gemeinschaft stellte der Kläger der Beklagten stets ausreichend Haushaltsgeld zur Verfügung. Differenzen gab es zwischen den Streitteilen erst, als der Kläger Ende 1984 die Unterhaltszahlungen einschränkte, weil die Beklagte seine Wäsche nicht mehr besorgte. Die Beklagte hält ihre Vorwürfe, der Kläger sei Vater von Elsbeth M*** und Karlheinz T***, nach wie vor aufrecht. Der Kläger ist zur Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr bereit. Auch die Beklagte hält eine Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft für nicht mehr denkbar. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der unbegründete ständig wiederholte nervenzermürbende Vorwurf des Ehebruches, verbunden mit dem einseitigen Abbruch der sexuellen Beziehungen, stelle eine schwere Eheverfehlung der Beklagten dar. Wörtliche Auseinandersetzungen in mehr oder weniger heftiger Form kämen fast in jeder Ehe vor, ohne daß von schweren Eheverfehlungen gesprochen werden könne. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß sich der Kläger im Zuge solcher Streitigkeiten gröberer Beschimpfungen schuldig gemacht habe als die Beklagte. Der Beklagten sei es nicht gelungen, Eheverfehlungen des Klägers, die eine Verschuldensteilung rechtfertigen könnten, nachzuweisen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erachtete die Mängel- und Beweisrüge nicht als berechtigt und führte zur Rechtsfrage aus, die über Jahre dauernden, ständig wiederholten Vorwürfe des Ehebruches und der Zeugung unehelicher Kinder, der grundlos erfolgte einseitige Abbruch der sexuellen Beziehungen und das uneinsichtige Verhalten gegenüber den gutgemeinten Versuchen des Klägers, eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft wieder herzustellen, seien als schwere Eheverfehlungen zu werten. Verfehlungen des Klägers, die eine Verschuldensteilung rechtfertigen würden, seien nicht festgestellt worden.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, allenfalls, daß das überwiegende Verschulden des Klägers festgestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Mit den Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wiederholt die Beklagte die bereits in der Berufung gerügten Mängel, daß keine erbbiologischen Gutachten hinsichtlich Elsbeth M*** und Karlheiz T*** eingeholt worden und der Ausgang des von Josefa T*** eingeleiteten Strafverfahrens nicht abgewartet worden sei. Darauf ist aber nicht einzugehen, weil das Ehescheidungsverfahren seit der Novelle BGBl.1983, 566 nicht mehr der Offizialmaxime unterliegt und die Wiederholung einer von der zweiten Instanz verworfenen Mängelrüge daher unzulässig ist (1 Ob 669, 670/85, 6 Ob 503/86, 1 Ob 538/86).
Zum Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führte die Beklagte aus, es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, ob ihre Verhaltensweisen subjektiv zurechenbar seien. Aus dem Beweisverfahren gehe hervor, daß die Beklagte nach wie vor der Meinung sei, der Kläger habe ehebrecherische Beziehungen unterhalten. Die Möglichkeit, daß sich bei der Beklagten eine subjektiv nicht mehr steuerbare Idee manifestiert habe, welche ein Verschulden und somit auch das Vorliegen eines Scheidungsgrundes gemäß § 49 EheG ausschließe, sei nicht geprüft worden. Überdies stünden zumindest in gleichem Maß schwerwiegende Eheverfehlungen des Klägers fest.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß die Beklagte außer der ihrer Meinung nach bestehenden Ähnlichkeit zwischen ihrer Tochter Edith und Elsbeth M*** sowie zwischen dem Kläger und Karlheinz T*** keinen Anhaltspunkt für ihre Annahme hatte, der Kläger habe Ehebruch begangen und diese beiden Kinder gezeugt. Der Kläger gab auch der Beklagten durch sein Verhalten keinerlei Anlaß, ihn ehewidriger Beziehungen zu anderen Frauen zu verdächtigen. Daß sie ihn trotzdem durch Jahre hindurch des Ehebruches bezichtigte, den sexuellen Kontakt abbrach und auch immer wieder öffentlich behauptete, der Kläger sei der Vater Elsbeth M*** und Karlheinz T***, ist ihr als Verschulden anzulasten. Mangels entsprechender begründeter Verdachtsmomente kann ihr nicht zugebilligt werden, im guten Glauben gehandelt zu haben. Einen Anhaltspunkt dafür, daß sich in der Beklagten eine subjektiv nicht mehr steuerbare Idee manifestierte, die ein Verschulden ausschließen würde, hat das Verfahren nicht ergeben, die Beklagte hat in erster Instanz auch keine diesbezügliche Behauptung aufgestellt.
Daß das Verhalten der Beklagten als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu qualifizieren ist, bedarf keiner weiteren Erörterung, weshalb die Vorinstanzen mit Recht die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten aussprachen. Hingegen wurden Eheverfehlungen des Klägers im Sinne des § 49 EheG nicht festgestellt, weder, daß der Kläger die Beklagte mißhandelte, noch daß er sich zu schwerwiegenden Beschimpfungen hinreißen ließ. Der Auszug aus der Ehewohnung kann dem Kläger deshalb nicht als Verfehlung angelastet werden, weil die Beklagte, abgesehen davon, daß sie ihm das Zusammenleben unerträglich gemacht hatte, damit einverstanden war. Zurecht nahmen daher die Vorinstanzen eine Mitschuld des Klägers nicht an.
Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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