OGH 2Ob24/86

OGH2Ob24/868.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann G***, Fabriksarbeiter, Kamperkogel 14, 9413 St.Gertraud, vertreten durch Dr. Paul Meyer, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagten Parteien 1. Heinrich R***, Werksarbeiter, Griess 99, 9400 Wolfsberg, 2. Z***und P*** F*** AG,

Parkgasse 7, 1090 Wien, beide vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 470.999,85 und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24.Februar 1986, GZ 2 R 24/86-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25.Oktober 1985, GZ 27 Cg 293/84-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat den Beklagten die mit S 20.079,91 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.400,-- Barauslagen und S 1.607,26 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ca. 15 Jahre bei Johann M*** als LKW-Fahrer beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand überwiegend darin, zur Zweitbeklagten Holz zu transportieren. Das Abladen des Holzes gehörte zu den Pflichten der Zweitbeklagten, es erfolgte mit einem stationären Kran. Der Erstbeklagte ist bei der Zweitbeklagten als Kranführer beschäftigt. Nach Weisung der Zweitbeklagten soll das Abladen von Holzfuhren mit Hilfe von Einweisern erfolgen, ist jedoch gerade kein Einweiser vorhanden, kann der Entladebetrieb ausnahmsweise auch ohne einen solchen erfolgen. LKW-Fahrer, die der Zweitbeklagten viel Holz liefern, helfen immer wieder als Einweiser mit, wenn ein betriebsinterner Einweiser nicht zur Stelle ist. Auch der Kläger gehörte zu diesen Fahrern, die fallweise als Einweiser mitwirkten. War ein betriebsinterner Einweiser vorhanden, hielt sich der Kläger meist im Führerhaus oder in einer größeren Entfernung vom LKW auf. Ein Einweiser wird vom Kranführer vor allem deshalb benötigt, weil dieser aus seiner Sitzposition 10 bis 15 m über den zu bewegenden Lasten die Entfernungen bzw. Abstände nicht genau übersehen konnte. Der Einweiser steht bei seiner Tätigkeit meist neben dem Fahrzeug, nur in Ausnahmefällen, etwa wenn der Greifer nicht fassen sollte, steigt er auf die Ladefläche oder die Ladung. Die Kranführerätigkeit wird erheblich höher eingeschäzt als die des Einweisers, die betriebsinternen Einweiser sind immer Hilfsarbeiter. Der Kranführer trägt alle Verantwortung für den Kraneinsatz, der Einweiser "lotst" lediglich durch Zeichen das Ladegut. Beim Zusammenwirken von Kranführer und Einweiser "führt" der Kranführer. LKW-Lenker stiegen häufiger auf die Ladefläche als betriebsinterne Einweiser, weil sie meist in Eile sind und auch deshalb, um Pendelbewegungen des Greifers, die zu einem Anschlagen an die Rungen oder Ladeflächenstirnwand führen könnten, zu verhindern. Als der Kläger am 1.September 1982 mit einem beladenen LKW zur Zweitbeklagten kam, war kein Einweiser verfügbar. Aus diesem Grund entschloß sich der Kläger zu helfen, damit das Abladen schneller vor sich gehe. Weil der Greifer verdreht war, stieg der Kläger auf die Ladefläche. Er drehte den Greifer in die richtige Lage und schob ihn zur Stirnwand der Ladefläche, weil dort zwei kurze Bloche lagen. Als sich der Kläger gerade am hinteren Ende der Ladefläche befand, um diese zu verlassen, senkte der Erstbeklagte den Greifer. Dadurch wurde ein Schleifholzstück, das der Erstbeklagte über den beiden Kurzblochen zunächst nicht gesehen hatte, derart in Bewegung gesetzt, daß es dem Kläger einen starken Schlag in Brusthöhe versetzte. Der Kläger stürzte vom LKW und erlitt schwere Verletzungen. Der Beklagte wurde wegen dieses Vorfalls vom Strafgericht des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Der Kläger begehrt Schadenersatz sowie die Feststellung, daß ihm die Beklagten zur ungeteilten Hand für alle in Hinkunft entstehenden Folgen aus dem Unfall haften.

Die Beklagten beriefen sich insbesondere auf den Haftungsausschluß nach § 333 ASVG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß sich der Unfall bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignet habe; es lägen alle Voraussetzungen für einen Haftungsausschluß nach § 333 ASVG vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger habe im Betrieb der Zweitbeklagten in einer Weise mitgeholfen, daß daraus eine, wenn auch nur vorübergehende Eingliederung in den Aufgabenbereich der Zweitbeklagten angenommen werden müsse. Der Kläger habe durch seine Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfall gezeigt, daß er sich an dem von der Zweitbeklagten durchzuführenden und konzipierten Arbeitsvorgang beteilige und sich daher in den Arbeitsfortgang und Arbeitsprozeß eingeschaltet habe. Er sei nicht mehr in der Spähre des eigenen Betriebes tätig, sondern in den Arbeitsfortgang und Arbeitsprozeß der Zweitbeklagten eingegliedert gewesen. Der Erstbeklagte sei als "Aufseher im Betrieb" anzusehen. Die Haftung der Beklagten sei somit gemäß § 333 ASVG ausgeschlossen.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision. Er macht die Revisionsgründe des § 502 Abs 1 Z.3 und 4 ZPO geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit den Ausführungen zum Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit versucht der Kläger in Wahrheit in unzulässiger Weise, die vom Erstgericht betroffenen Festellungen, deren wesentliche Teile oben wiedergegeben wurden, zu bekämpfen. Nach diesen Feststellungen wirkte der Kläger deshalb beim Entladen mit, weil kein Einweiser der Zweitbeklagten zur Stelle war. Die Behauptung, er habe lediglich den LKW vor Schaden bewahren wollen, steht mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang.

Soweit der Kläger auch im Rahmen der Rechtsrüge davon ausgeht, daß er zur Vermeidung von Beschädigungen des LKWs dessen Ladefläche betreten habe, ist der Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 1 Z.4 ZPO nicht gesetzmäßig ausgeführt. Im übrigen macht der Kläger im Rahmen dieses Revisionsgrundes geltend, es entspreche nicht den Feststellungen, daß dem Kranführer gegenüber dem Kläger eine Leitungs- und Weisungsfunktion zugekommen wäre. Der Kläger sei aus dem Betrieb seines Dienstgebers nicht ausgegliedert gewesen, man habe nicht zu einem gemeinsamen Zweck zusammengewirkt und der Kläger sei nur für seinen Dienstgeber tätig gewesen. Selbst wenn er aber in den Betrieb der Zweitbeklagten eingegliedert gewesen sein sollte, wäre er zur Zeit des Unfalles wieder ausgegliedert gewesen, weil er bereits im Begriffe gewesen sei, die Ladefläche zu verlassen.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Gemäß § 333 ASVG sind Dienstgeber und ihnen gemäß Abs 4 gleichgestellte Personen dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls entstanden ist, nur dann verpflichtet, wenn sie den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht haben. Nach ständiger Rechtsprechung findet dieses Haftungsprivileg auch auf jene Unfälle Anwendung, die durch die Bestimmung des § 176 Abs 1 Z.6 ASVG den Arbeitsunfällen im Sinne des § 333 ASVG gleichgestellt sind. Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs 1 Z.6 ASVG ist es wesentlich, daß es sich um eine - wenn auch nur kurzfristige - ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Dienstgebers (Unternehmers) entspricht, die ihrer Art sowie den Umständen nach sonst von Personen verrichtet zu werden pflegt, die auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und daß durch diese Tätigkeit ein enger innerer, ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmer hergestellt wird (SZ 42/39; SZ 52/66; 8 Ob 60/84 u.v.a.). Der Kläger fuhr im Auftrag seines Dienstgebers Holz zur Zweitbeklagten, das Abladen war von der Zweitbeklagten vorzunehmen. Zum Abladen des Holzes bedient sich diese eines Kranführers und im allgemeinen eines betriebseigenen Einweisers. Der Entladevorgang wird in der Regel also von zwei Beschäftigten der Zweitbeklagten vorgenommen. Hiebei leitete der Kranführer den Arbeitsvorgang, der betriebszugehörige Einweiser ist stets ein Hilfsarbeiter. Daß bei einer Schädigung eines betriebsinternen Einweisers der Zweitbeklagten das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zukäme, bedarf keiner weiteren Erörterung. Es träfe auch den Kranführer keine Haftung, weil dieser als "Aufseher im Betrieb" im Sinne des Abs 4 dieser Gesetzesstelle anzusehen ist. Beim gegenständlichen Vorfall war kein betriebseigener Einweiser der Zweitbeklagten verfügbar. Aus diesem Grund sprang der Kläger als Einweiser ein. Er übernahm also eine Tätigkeit, die sonst von einem Betriebsangehörigen der Zweitbeklagten verrichtet wird. Hätte anstelle des Klägers ein Dritter, der weder bei der Zweitbeklagten noch beim Dienstgeber des Klägers beschäftigt ist, diese Tätigkeit ausgeführt, könnte am Vorliegen der Voraussetzungen des § 176 Abs 1 Z.6 ASVG nicht ernstlich gezweifelt werden. Zu prüfen bleibt hier noch, ob den Beklagten das Haftungsprivileg des § 333 ASVG auch gegenüber dem Kläger zukommt, der als LKW-Fahrer in den Betrieb des Transportunternehmers eingegliedert war. Nach ständiger Rechtsprechung ist in Fällen, in denen zwei Betriebsunternehmer als Vertragskontrahenten einander gegenüberstehen, die Haftung des einen bei Verletzung eines Betriebsangehörigen des anderen durch § 333 ASVG solange nicht ausgeschlossen, als jeder Unternehmer innerhalb der Sphäre seines eigenen Betriebes tätig bleibt. Zum Haftungsausschluß kommt es aber dann, wenn der Verletzte die Sphäre seines eigenen Betriebes verläßt und sich dem Aufgabenbereich des anderen Unternehmers, wenn auch nur kurzfristig, einordnet (SZ 52/66; 8 Ob 76/80 u.a.). Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der Kläger, der sich im Regelfall, in welchem ein betriebsinterner Einweiser vorhanden war, während des Entladevorganges meist im Führerhaus oder in einer größeren Entfernung vom LKW aufhielt, übernahm vor dem Unfall die Tätigkeit, die sonst ein Betriebsangehöriger der Zweitbeklagten ausübte, und stieg auf den LKW, um den Greifer in eine andere Lage zu bringen. Damit verließ er aber die Spähre seines Dienstgebers und gliederte sich kurzfristig in den Aufgabenbereich der Zweitbeklagten ein. Der Grund hiefür, nämlich den Entladegang zu beschleunigen, weil sonst auf einen Einweiser hätte gewartet werden müssen, ist ohne Bedeutung, denn auf die Beweggründe für die Tätigkeit des § 176 Abs 1 Z.6 ASVG kommt es nicht an (SZ 48/123; SZ 50/156 u.a.). Davon, daß der Kläger seine Tätigkeit für die Zweitbeklagte bereits beendet gehabt habe, kann keine Rede sein, weil der Ladevorgang, bei dem er als Einweiser fungierte, noch im Gange war.

Auch der Umstand, daß der Kläger grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen wäre, Weisungen des Kranführers zu befolgen, vermag kein für ihn günstigeres Ergebnis herbeizuführen. Der Kläger wirkte freiwillig beim Entladevorgang mit und zeigte damit seine Bereitschaft, sich der den Arbeitsvorgang bestimmenden Leitung zu unterstellen (SZ 52/66, 8 Ob 76/80). Bei der "Zwei-Mann-Partie" war der Erstbeklagte als Kranführer entscheidungsbefugt, es kam ihm daher gegenüber dem Kläger die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zu (SZ 52/66).

Die vom Revisionswerber zur Stützung seiner Ansicht angeführte Entscheidung 8 Ob 22/84 betraf einen anders gelagerten Fall, in dem der Fahrer die Ladefläche des LKW insbesondere deshalb betrat, um die ordnungsgemäße Beladung seines Fahrzeuges zu beaufsichtigen. Er verrichtete beim Beladevorgang keine Tätigkeit, die sonst von einem Angehörigen des anderen Unternehmens ausgeübt wurde. Den Ersatzansprüchen des Klägers gegen beide Beklagte steht daher die Vorschrift des § 333 ASVG entgegen, weshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren mit Recht abgewiesen haben. Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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