OGH 8Ob60/84

OGH8Ob60/846.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj T***** K*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A***** N*****, vertreten durch DDr. Gert Kastner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 65.000 S sA und Feststellung (Streitwert 30.000 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Mai 1984, GZ 5 R 104/84‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 25. Jänner 1984, GZ 7 Cg 153/83‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00060.840.1206.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 4.889,40 S (darin 1.200 S Barauslagen und 335,40 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit der am 17. 3. 1983 beim Erstgericht erhobenen und pflegschaftsgerichtlichen genehmigten Klage begehrte der Kläger die unwidersprochen mit 30.000 S bewertete Feststellung, dass der Beklagte ihm für alle Folgen aus dem Unfall vom 22. 7. 1980 zu haften habe, sowie die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 65.000 S sA (65.000 S Schmerzengeld, 1.000 S unfallbedingte Spesen, zusammen 66.000 S, abzüglich 1.000 S Akontierung „laut Privatbeteiligtenzuspruch“) samt 4 % Zinsen seit 3. 10. 1981. Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, dass das Alleinverschulden am Unfall den Beklagten treffe, der den damals nur 11 Jahre alten Kläger zur Verrichtung einer gefährlichen Tätigkeit herangezogen bzw nicht verhindert habe, dass der Kläger das herausgesprungene Seil in die Umlenkrolle zu legen versuchte.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und machte geltend, dass es sich beim Unfall des Klägers um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG gehandelt habe und daher dem Beklagten gemäß § 333 Abs 4 ASVG Leistungsfreiheit zugute komme. Darüber hinaus falle dem Kläger ein mit 75 % zu bewertendes Mitverschulden zur Last, weil er bei laufender Seilwinde den für ihn als gefährlich erkennbaren Versuch unternommen habe, das Seil händisch in die Rolle zu legen. Schließlich sei das vom Kläger in Anspruch genommene Schmerzengeld überhöht und die Zinsfälligkeit nur für einen Schmerzengeldteilbetrag von 20.000 S berechtigt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 65.000 S sA zu und gab dem Feststellungsbegehren statt.

Infolge Berufung des Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichts im Sinne der Klagsabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 15.000 S nicht aber 300.000 S übersteige und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO) aber nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nur die Frage strittig, ob dem Beklagten der Haftungsausschluss nach § 333 ASVG zustatten kommt.

Diesbezüglich hat das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Da die Beziehungen zwischen den Familien des Klägers und des Beklagten sehr gut sind, hielt sich der am 12. 7. 1969 geborene Kläger im Sommer 1980 öfters auf dem Bergbauernhof der Eltern des Beklagten auf, um dem am 25. 7. 1965 geborenen Beklagten Gesellschaft zu leisten und hin und wieder im Stall „mitzuarbeiten“. Dabei kam es vor, dass der Kläger unbeaufsichtigt auf eigene Faust die Seilwinde in Betrieb nahm. Er wurde deshalb vom Beklagten mehrmals von der Winde weggejagt; der Beklagte wusste, dass das Herummanipulieren an diesem Gerät gefährlich sein konnte. Der Kläger missachtete diese Anordnungen. Nachdem die Mutter des Klägers davon Kenntnis erlangt hatte, verbot sie ihm einen Tag vor dem Unfall, die Seilwinde in Betrieb zu nehmen. Von seiner Mutter wurde dem Kläger überdies aufgetragen, nicht mehr zur Seilwinde hinzugehen. Am 22 7. 1980 arbeitete der damals 15‑jährige Beklagte auf dem Feld seiner Eltern und wollte über Anweisung seines Vaters die an der Westseite unterhalb eines Feldstadels befindliche Wiese mähen und heuen und das Heu mit Hilfe eines Holzschlittenaufzugs in einen Feldstadel befördern. Dabei sah ihm der damals 11‑jährige Kläger zu. Das als Wiese bewirtschaftete Gelände in der Umgebung des Stadels weist eine Neigung zwischen 40 und 60 Grad auf. An der Ostseite des Feldstadels befindet sich eine Seilwinde, die in Verbindung mit einem etwa zwei mal drei Meter großen Holzschlitten – „Schloapf“ genannt – zur Einbringung des gemähten Grases verwendet wird. Der „Schloapf“ wird dabei durch ein Seil bergwärts gezogen, das über die eingängige Seilwinde läuft, die ihrerseits so stationiert ist, dass unter Verwendung mehrerer Umlenkrollen die Last aus verschiedenen Richtungen herangezogen werden kann. Um die Ziehrichtung zu verändern, ist es notwendig, das Seil in eine andere fixierte Umlenkrolle zu geben oder die Umlenkrolle an einer anderen Stelle festzumachen. Die Umlenkrollen sind mit einer Kette an Holzpfosten befestigt. Die Seilwinde wird mit elektrischem Strom betrieben. Die für die Energiezufuhr verwendete Steckdose befindet sich in dem etwa drei Meter von der Seilwinde entfernten Feldstadel. Das Antriebsrad der Seilwinde kann durch einen Schalter in Gang gesetzt werden. Beim Umlegen des sich auf der Höhe des Antriebsrades befindlichen Betätigungshebels wird die Kupplung eingeschaltet und die Winde in Betrieb gesetzt. Am Umlegehebel ist ein Steingewicht angebracht, um ein Zurückschnellen des Hebels und damit ein Außerbetriebsetzen der Winde zu verhindern. Das Ausfahren des Seils erfolgt händisch durch Ziehen. Mit der Winde kann das Seil lediglich eingerollt werden. Bei der bei der Seilwinde verwendeten „Umlenkrolle“, bei der es zum Unfall kam, sind keine Sicherheitseinrichtungen angebracht; insbesondere gibt es keinen Sicherheitsbügel, sondern lediglich einen Leitbügel, der ein Herausrutschen des Seils aus der Rolle verhindern soll. Allerdings gibt es für Seilwinden und deren Zubehör bei Anlagen wie dieser, die in sehr vielen Landwirtschaften Verwendung finden, kein behördliches Prüfungsverfahren und auch keine Genehmigungspflicht. Auch die heute im Handel erhältlichen Rollen haben keine Sicherheitseinrichtungen. Der Beklagte, der trotz seines Alters bereits erfahren im Umgang mit landwirtschaftlichen Maschinen war, hatte schon am Vortag mit der Seilwinde gearbeitet, um das Heu nach oben in den Stadel zu befördern. Da beabsichtigt war, die Arbeit am nächsten Tag fortzusetzen, hatte er nach Beendigung der Arbeit den Stecker der Winde nicht aus der Steckdose gezogen. Während der Kläger in unmittelbarer Nähe der Seilwinde stand und dem Beklagten zusah, schaltete der Beklagte am Tag des Unfalls (22. 7. 1980) den Motor der vor dem Feldstadel abgestellten Mähmaschine ein und schob diese zu einem westlich des Stadels gelegenen Punkt, um die Maschine dort zu wenden. Anschließend fuhr er mit der Maschine wieder in Richtung Osten, um zu der unter dem Stadel gelegenen Wiese zu gelangen. Hiebei war eine durch den Stadel und den Holzschlittenaufzug („Schloapf“) gebildete und nur etwa ein bis zwei Meter breite Engstelle zu passieren. Der Beklagte ersuchte den Kläger durch lautes Zurufen, den etwa zwei Meter östlich des Heustadels befindlichen „Schloapf“ wegzuziehen, damit er – der Beklagte ‑ den Grasmäher am Holzschlitten vorbeiziehen könne. Der Kläger, der bereits zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte, den Mäher wendete, den Motor der Seilwinde eingeschaltet und den Kupplungshebel betätigt hatte, kam dieser Aufforderung bereitwillig und ohne Zögern nach, da er dem Beklagten behilflich sein und ihm eine Gefälligkeit erweisen wollte. Für den Kläger war es selbstverständlich, zum Wegziehen des „Schloapf“ die Seilwinde zu verwenden. Händisch hätte er den Holzschlitten nur unter großer Kraftanstrengung bewegen können. Der Kläger erfasste das laufende Seil und wollte es in die ca 15 Meter östlich des Feldstadels situierte Umlenkrolle legen; der Holzschlitten sollte auf diese Weise weiter nach Osten gezogen werden. Der Beklagte, der in einer Entfernung von etwa drei Metern vor dem „Schloapf“ mit dem Motormäher angehalten hatte, beobachtete den Kläger und sah zu, wie dieser bei laufendem Motor versuchte, das nach dem Herunterziehen des Kupplungshebels nicht einwandfrei auf der Rolle laufende Seil händisch in die Umlenkrolle zu legen. Der Beklagte bemerkte zwar, dass der Motor der Seilwinde eingeschaltet worden war, nahm aber noch nicht wahr, das vom Kläger auch der Kupplungshebel betätigt worden war und sich das Seil somit in Bewegung befand. Beim Versuch, das über die Umlenkrolle laufende Seil entsprechend zu richten, geriet der Kläger mit den Findern seiner rechten Hand zwischen die Umlenkrolle und das gespannte Seil. Während der „Schloapf“ einige Meter nach Osten gezogen wurde, waren die Finger des Klägers eingeklemmt. Auf die Hilferufe des Klägers schaltete der Beklagte die Seilwinde sofort aus. Unmittelbar nach dem Unfall wurde der Kläger in die Ambulanz des Bezirkskrankenhauses Schwaz gebracht. Er wurde operiert und befand sich vom 22. 7. 1980 bis 7. 8. 1980 in stationärer und sodann bis 29. 8. 1980 in ambulanter Behandlung.

Der Kläger erlitt an seiner rechten Hand eine offene Wunde mit Knochenverletzung, eine Verletzung des tiefen Fingerbeugers am Mittelglied des dritten Fingers, eine Verletzung der oberflächlichen Beugesehne mit einem Hautdefekt am vierten Finger und eine Knochenverletzung mit Verletzung der tiefen Beugesehne mit Hautdefekt am fünften Finger. Die Sehnen des dritten, vierten und fünften Fingers der rechten Hand wurden durchtrennt, wobei beim kleinen Finger die Sehne aufgerissen wurde. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Schwaz wurde der Beklagte des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 4 StGB schuldig erkannt und ihm gemäß § 12 JGG eine Ermahnung erteilt. Darüber hinaus wurde der Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrags von 1.000 S an den Kläger verurteilt. Für das Wegziehen des Holzschlittens und die Betätigung der Seilwinde erhielt der Kläger vom Beklagten kein Entgelt. In dem am 25. 9. 1981 an die W*****, die Haftpflichtversicherung des Beklagten, gerichteten Schreiben ersuchte der Kläger unter anderem um Akontierung eines vorläufigen Schmerzengeldbetrags von 20.000 S; dies unter ausdrücklichem Vorbehalt einer weiteren Ausdehnung. Mit Schreiben vom 2. 10. 1981 wies die genannte Versicherungsanstalt sämtliche Ansprüche des Klägers zurück.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, dass der Unfall des Klägers nicht als Arbeitsunfall beurteilt werden könne, da zwischen dem Kläger und dem Beklagten bzw dessen Eltern kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG bestanden habe und vom Kläger auch keine betriebliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung ausgeübt worden sei. Der Beklagte habe sich im Zusammenhang mit dem Unfall vom 22. 7. 1980 dem Kläger gegenüber in einer für den Unfall ursächlichen Weise rechtswidrig und schuldhaft verhalten, indem er ihn an der für Kinder gefährlichen Seilwinde hantieren ließ. Da der Kläger die Gefährlichkeit der von ihm ausgeübten Tätigkeit nicht zu erfassen vermochte, sei ein Mitverschulden des zum Unfallszeitpunkt 11‑jährigen Klägers nicht gegeben. Das vom Kläger geforderte Schmerzengeld sei zur Abgeltung der unfallbedingten Beeinträchtigung angemessen. Schließlich sei auch das rechtliche Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung zu bejahen. Da die Haftpflichtversicherung des Beklagten das vorbehaltlich einer weiteren Ausdehnung im Schreiben vom 25. 9. 1981 vorläufig begehrte Schmerzengeld von 20.000 S sowie alle weiteren Ansprüche des Klägers grundsätzlich und zur Gänze ablehnte, sei die Fälligkeit der (gesamten) Klagsforderung seit 3. 10. 1981 gegeben.

Ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts gelangte das Berufungsgericht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.

Der Bergbauernhof der Eltern des Beklagten, auf dem der Beklagte am 22. 7. 1980 über Anweisung seines Vaters mit Mäharbeiten und dem Einbringen von Heu beschäftigt war, sei ein Betrieb, in dem üblicherweise Personen tätig werden, die nach § 4 ASVG Versicherungsschutz genießen. Im Rahmen der über Aufforderung des Beklagten, den ihm im Weg stehenden „Schloapf“ wegzuziehen, vom Kläger an der Seilwinde ausgeübten Tätigkeit habe sich dieser – wenn auch nur kurzzeitig und freiwillig – in den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern des Beklagten eingegliedert und eine Arbeit verrichtet, die üblicherweise von einer gemäß § 4 ASVG versicherten und vom Betriebsunternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängigen Person durchgeführt werde. Da der Kläger zu der von ihm ausgeübten Tätigkeit von dem mit landwirtschaftlichen Arbeiten beauftragten Sohn der Betriebsinhaber ausdrücklich aufgefordert worden sei, habe seine Tätigkeit dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprochen und sei diesem dienlich gewesen. Der Unfall des Klägers sei somit als Arbeitsunfall im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG zu beurteilen. Nach § 333 Abs 1 und 4 ASVG seien der Dienstgeber und die ihm gemäß § 333 Abs 4 ASVG gleichgestellten Personen – dazu gehörte der sogenannte „Aufseher im Betrieb“ – dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls entstanden ist, nur dann verpflichtet, wenn sie den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht haben. Nach ständiger Rechtsprechung finde dieses Haftungsprivileg auch auf jene Unfälle Anwendung, die durch die Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG den Arbeitsunfällen im Sinne des § 333 ASVG gleichgestellt seien. Den im Schrifttum dagegen geäußerten Bedenken ( Steinbach in der Besprechung der Entscheidung ZAS 1981 Nr 10, Holzer in JBl 1982 Seite 348 ff, insbesondere Seite 354) sei von der Rechtsprechung bis jetzt nicht Rechnung getragen, sondern der Standpunkt vertreten worden, dass es für die Anwendbarkeit des Haftungsprivilegs im Sinne des § 333 Abs 1 und 4 ASVG nur darauf ankomme, ob dem Verletzten Ansprüche auf Leistungen nach dem ASVG zustehen. Auch in der Lehre werde teilweise die Meinung vertreten, dass die Haftungsbegünstigung des § 333 ASVG auch dann gelte, wenn den Unfall eine Person erlitten habe, die wie ein Beschäftigter, wenn auch nur vorübergehend, tätig geworden sei ( Koziol , Haftpflichtrecht II, Seite 172). Das Berufungsgericht sehe sich daher durch die von Steinbach und insbesondere von Holzer vorgetragenen Argumente nicht veranlasst, von der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abzurücken. Dem Beklagten sei für die Verrichtung, die der Kläger am 22. 7. 1980 über sein Ersuchen an der Seilwinde vorgenommen habe, die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zuzubilligen. Der Beklagte, der an diesem Tag im Auftrag seines Vaters mit der Durchführung von Feldarbeiten beschäftigt war, sei für den Ablauf dieser Arbeiten verantwortlich und hinsichtlich der dem Kläger aufgetragenen Tätigkeit – Wegziehen des „Schloapf“ – entscheidungsbefugt gewesen. Ihm komme somit im Rahmen des § 333 Abs 1 und 4 ASVG Haftungsfreiheit zugute. Da Gegenstand des Rechtsstreits nur Schäden des Klägers aus der am 22. 7. 1980 erlittenen Verletzung am Körper bilden, führe dieser Umstand zur Klagsabweisung.

In seiner Revision versucht der Kläger zunächst darzulegen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen einem Arbeitsunfall nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG gleichgestellten Unfall handle. Eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Eltern des Beklagten sei nicht erfolgt, der Kläger habe dem Beklagten spontan, völlig freiwillig und ohne jede Einordnung in den Betrieb der Eltern des Beklagten bloß aus Gefälligkeit eine einmalige kurzzeitige Hilfe geleistet. Das Haftungsprivileg des § 333 ASVG habe entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf jene Unfälle Anwendung zu finden, die durch § 176 Abs 1 Z 6 ASVG den Arbeitsunfällen gleichgestellt seien. Der Begriff „Versicherter“ bzw das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG sei als Ausnahmebestimmung zum allgemeinen Schadenersatzrecht eng auszulegen. Soweit im Rahmen der den Arbeitsunfällen gleichgestellten Unfälle Personen die nicht versichert seien, aus der Unfallversicherung Leistungen beziehen, könne sich kein an diesen Unfällen Schuldiger auf das Haftungsprivileg des § 333 ASVG berufen, weil eine Beitragsleistung von keiner Seite erfolge und daher insoweit niemand eine dem Dienstgeber „analoge“ Stellung einnehme.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegen zu halten:

Nach § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatze des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls (Berufskrankheit) entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat. Diese Haftungsbeschränkung gilt gemäß Abs 4 dieser Gesetzesstelle auch für Ersatzansprüche des Versicherten gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und gegen Aufseher im Betriebe. Voraussetzung ist somit, dass der Verletzte aufgrund seiner Tätigkeit versichert war. Versichert im Sinne der Bestimmungen der §§ 332 bis 334 ASVG ist nicht nur jemand, für den Beiträge zur Sozialversicherung geleistet werden, sondern jeder, dem Ansprüche auf eine Leistung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zustehen. Ob diese Ansprüche wegen des Bestehens eines versicherungspflichtigen Verhältnisses oder wegen einer davon losgelösten Gleichstellung mit einem Arbeitsunfall bestehen, ist nicht entscheidend (ZVR 1979/268 ua). Den Arbeitsunfällen gleichgestellt sind nach § 167 Abs 1 Z 6 ASVG Unfälle, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versichertet ausübt, auch wenn diese nur vorübergehend ausgeübt wird, ereignen. Durch die 9. Novelle zum ASVG, BGBl Nr 13/1962, sollte der Versicherungsschutz für die Personengruppe, die von der bis dahin bestehenden Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit e ASVG erfasst wurde, nicht aufgehoben, sondern nur insoferne geändert werden, als der Versicherungsschutz, der bis dahin von der in diesem Belange in der Praxis nicht bewährten Versicherungspflicht abhängig war, nunmehr unabhängig vom Bestehen einer Beitragspflicht dadurch bewirkt werden sollte, dass Unfälle, die dieser Personengruppe zustoßen, im § 176 Abs 1 Z 6 ASVG den Arbeitsunfällen gleichgestellt, werden, wobei nach § 176 Abs 2 ASVG die Leistungen der Unfallsversicherung auch dann gewährt werden sollen, wenn die tätig werdenden Personen nicht unfallsversichert sind (vgl Begründung des Initiativantrages betreffend die 9. ASVG‑Novelle, 517 der Beilage zu den sten. Protokollen des NR IX. GP; 8 Ob 35/78 ua). Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ist ein Verhältnis persönlicher und beruflicher Abhängigkeit des Tätigen zum Unternehmer nicht erforderlich. Sie muss nur nach ihrer Art sonst von Personen verrichtet werden können, die zum Unternehmer in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen, und der Verletzte muss in dem fremden Betriebe wie ein Arbeitnehmer eingegliedert sein (vgl Geigel , Der Haftpflichtprozess 15 S 1138 Anm 42; Wussow , Unfalls‑Haftpflichtrecht 12 S 919 Anm 1534a; Lauterbach , Unfallsversicherung, zu § 539 RVO, S 159 Anm 100 und S 160/1 Anm 101; SZ 42/39; SZ 48/123; BSG‑VersR 1958, 337, 2 Ob 7/80 ua). Dienstgeber, dem die Haftungsbefreiung nach § 333 Abs 1 ASVG zugute kommt, ist nach der Definition des § 35 Abs 1 ASVG nicht nur der Partner des Dienstvertrags. Es kommt vielmehr entscheidend auf die Einordnung in den Betrieb an. Die Haftungsbegünstigung gilt auch dann, wenn den Unfall nicht ein aufgrund eines Arbeits‑, Dienst‑ oder Lehrverhältnisses Beschäftigter, sondern eine Person erlitten hat, die wie ein solcher Beschäftigter, wenn auch nur vorübergehend, tätig geworden ist (vgl ZVR 1979/268, EvBl 1979/102 ua). Der Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ist von der Eingliederung des vorübergehenden Tätigen in dem Unternehmen wie ein Arbeitnehmer und dessen Bereitschaft, den Weisungen des fremden Unternehmers Folge zu leisten, abhängig. Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist es wesentlich, dass es sich um eine – wenn auch nur kurzfristige – ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Dienstgebers (Unternehmers) entspricht, die ihrer Art sowie den Umständen nach sonst von Personen verrichtet zu werden pflegt, die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und dass durch diese Tätigkeit ein enger innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird (vgl Geigel aaO 1138 Anm 42; Lauterbach aaO zu § 539 RVO S 159 Anm 100; SZ 42/39, SZ 48/123, SZ 50/156, SZ 52/66 ua). Die von Holzer in JBl 1982, 348 ff sowie von Steinbach im Rahmen einer Besprechung einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vorgebrachte Kritik, auf die sich die Revision beruft, ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht geeignet, ein Abgehen von der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu rechtfertigen. Die von diesen Autoren vertretene Lehrmeinung mag allenfalls auf der wie der ursprünglichen rechtspolitischen Zielsetzung für die Schaffung des § 333 ASVG liegen, jedoch hat die gesetzliche Regelung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG diese Zielsetzung nicht zum Ausdruck gebracht, sodass diese Regelung die von den genannten Autoren angestrebte Auslegung nicht gestattet.

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass der Bauernhof der Eltern des Beklagten, auf dem der Beklagte am 22. 7. 1980 über Anweisung seines Vaters mit Mäharbeiten und dem Einringen von Heu beschäftigt war, ein Betrieb ist, in dem üblicherweise Personen tätig werden, die nach § 4 ASVG Versicherungsschutz genießen. Im Rahmen der über Aufforderung des Beklagten den ihm im Weg stehenden „Schloapf“ wegzuziehen, vom Kläger an der Seilwinde ausgeübten Tätigkeit hat sich der Kläger, wenn auch nur kurzzeitig und freiwillig, in den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern des Beklagten eingegliedert und eine Arbeit verrichtet, die üblicherweise von einer gemäß § 4 ASVG versicherten und vom Betriebsunternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängigen Person durchgeführt würde. Da der Kläger zu der von ihm ausgeübten Tätigkeit von dem mit landwirtschaftlichen Arbeiten beauftragten Sohn der Betriebsinhaber ausdrücklich aufgefordert wurde, entsprach seine Tätigkeit auch dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers und war dem Unternehmen dienlich. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG beurteilt. Auch soweit die Revision die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten komme im vorliegenden Fall gegenüber dem Kläger die Stellung eines Aufsehers im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG zu, bekämpft, kann ihr nicht gefolgt werden. Aufseher im Betrieb ist derjenige, der für das Zusammenwirken mehrerer Betriebsangehöriger oder von Betriebseinrichtungen zu sorgen hat und dafür verantwortlich ist, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen Teil des Betriebs überwacht und den ganzen Arbeitsgang einer bestimmten Arbeitspartie leitet und der damit eine mit einem gewissen Pflichtkreis und mit Selbständigkeit verbundenen Stellung zur Zeit des Unfalls tatsächlich innehatte (vgl Entscheidungen Nr 28, 31 und 32 zu § 333 ASVG in MGA 30 des ABGB). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Aufsehertätigkeit als Dauerfunktion ausgeübt wird, oder dass der Aufseher im Betrieb gemäß § 333 Abs 4 ASVG eine Person ist, der in der Betriebshierarchie an und für sich eine gehobene Stellung zukommt (vgl Arb 7520, EvBl 1980/24, 2 Ob 40/79, 2 Ob 7/80 ua). Bei einer Zwei‑Mann Arbeitspartie ist derjenige, der nur bezüglich einer bestimmten ihm aufgetragenen Arbeit entscheidungsbefugt ist, in diesem Umfang Aufseher im Betrieb (vgl SZ 52/66 ua).

Nach den Feststellungen hat der Beklagte im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern über Auftrag seines Vaters selbständig Heuarbeiten verrichtet, wobei er den Kläger aufforderte, den Holzschlitten („Schloapf“) beiseite zu ziehen; dabei kam es zu dem Unfall. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls ist dem Berufungsgericht im Sinne der zitierten neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, insbesondere zur „Zwei Mann Partie“ beizupflichten, dass dem Beklagten die Stellung eines Aufsehers im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG zukam. Der in der Revision zitierten Entscheidung EvBl 1968/8 lag insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort ein landwirtschaftlicher Lehrling, der immer unter Aufsicht seines Lehrherrn gearbeitet hatte, unbeaufsichtigt eine Arbeit verrichtet hatte, die ihm nicht aufgetragen worden war.

Soweit die Revision aus dem gegen den Beklagten ergangenen verurteilenden Straferkenntnis und dem Ausspruch in Adhäsionsverfahren eine Bindung des Zivilrichters nach § 268 ZPO ableiten will, womit sie in Wahrheit einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen eine Verfahrensbestimmung geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass in der Frage der Anwendbarkeit der Haftungseinschränkung nach § 333 ASVG jedenfalls keine Bindung des Zivilrichters nach § 268 ZPO an einen Ausspruch im Adhäsionsverfahren besteht, weil der Zivilrichter selbständig zu beurteilen hat, ob die dem Beklagten zur Last fallende strafbare Handlung dessen Schadenersatzpflicht begründet (vgl SZ 41/8 ua).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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