Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Leopold S*** des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall und 15 StGB (Schuldspruchfakten A und B), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Schuldspruchfaktum C), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (Schuldspruchfaktum D) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Schuldspruchfakten E 1 bis 3) schuldig erkannt. Von weiteren Anklagepunkten wurde er (rechtskräftig) freigesprochen.
Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er in Ansehung der Punkte A, B, D und E auf die Z 5 - der Sache nach auch auf die Z 3 - und in Ansehung des Punktes C auf die Z 9 lit c des § 281 Abs 1 StPO stützt. Gegen den Strafausspruch wendet er sich mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Die Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten richten sich vorerst dagegen, daß das Erstgericht in der Hauptverhandlung die vor der Gendarmerie abgelegten Aussagen der Zeugen Brigitta R*** und Dagmar K*** verlas und sich in seinen Urteilsfeststellungen darauf stützte, obgleich sich Brigitta R*** als Lebensgefährtin des Angeklagten und Dagmar K*** als deren Tochter in der Hauptverhandlung gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO der Aussage entschlagen hatten; dies verletze das Unmittelbarkeitsprinzip.
Damit wird kein Begründungsmangel aufgezeigt. In diesem Vorbringen wird zunächst der Sache nach der Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht. Dieses Vorbringen vermag aber nicht durchzugreifen, weil das Schöffengericht nicht nur berechtigt, sondern gemäß § 252 Abs 2 StPO sogar verpflichtet ist, Schriftstücke, die für die Sache von Bedeutung sind, wozu auch Protokolle über die Vernehmung von Zeugen vor der Polizei oder der Gendarmerie als Bestandteil der Anzeige gehören, mangels entsprechenden Verzichtes der Prozeßparteien in der Hauptverhandlung zu verlesen. Wenn sich Angehörige des Angeklagten in der Hauptverhandlung gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO der Aussage entschlagen, hindert nach ständiger und gesicherter Rechtsprechung, von der abzugehen der vorliegende Fall keinen Anlaß bietet, das Gericht nicht, deren Angaben vor der Polizei oder der Gendarmerie in der Hauptverhandlung zu verlesen (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , E 24 bis 26 zu § 152, E 86, 89 und 90 zu § 252, E 17 zu § 281 Z 3). Soweit der Angeklagte die Bezugnahme auf diese Protokolle jedoch als Begründungsmangel (Z 5) rügt, ist dies nach dem Vorgesagten unberechtigt.
Das weitere Vorbringen in der Mängelrüge, daß "die bloße Wiedergabe von einem Gendarmerieprotokoll eine unzureichende Beweiswürdigung" darstelle, übergeht, daß sich das Erstgericht nicht nur auf die Aussagen der Zeugen R*** und K*** stützte, sondern auch auf die Erwägung, daß die Taten mit dem aus sonstigen Beweisquellen, nämlich den Vorstrafakten, gewonnenen Bild der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in Einklang stehen (US 11).
Das weitere Vorbringen in der Mängelrüge des Angeklagten, das Erstgericht habe sich "konkreter mit den gegenteiligen Ausführungen des Angeklagten nicht auseinandergesetzt" und dadurch "Verfahrensgrundsätze zum Nachteil des Angeklagten hintangesetzt", bleibt völlig unsubstantiiert und ist damit einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich. Soferne damit - was aus der Verwendung der verba legalia der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO abgeleitet werden könnte - eine Verfahrensrüge geltend gemacht werden soll, ist darauf zu verweisen, daß im Verfahren erster Instanz ein auf eine zusätzliche Beweisaufnahme abzielender Antrag nicht gestellt wurde und der Angeklagte daher keine Legitimation zu einer Verfahrensrüge hätte.
Mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit c) bekämpft der Angeklagte den Punkt C des Schuldspruches, wonach ihm zur Last liegt, das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB dadurch begangen zu haben, daß er am 10.November 1985 in Stockerau vorsätzlich eine fremde Sache beschädigte, indem er das Kabel des Telefonanschlusses der Brigitta R*** aus dem Schalterkasten riß. Der Angeklagte meint, im Hinblick darauf, daß das Erstgericht in der Hauptverhandlung vom 25.Februar 1986 die Zeugin R*** als Lebensgefährtin des Angeklagten und damit als Angehörige (§ 72 Abs 2 StGB) anerkannte (S 176) und ihr demgemäß das Zeugnisentschlagungsrecht des § 152 Abs 1 Z 1 StPO zubilligte, es "ermangle des berechtigten Anklägers", weil die Sachbeschädigung "zugunsten" (gemeint wohl: zum Nachteil) eines Angehörigen gemäß § 166 Abs 1 StGB (zu ergänzen: in Verbindung mit Abs 3) nur auf - hier nicht vorliegendes - Verlangen des Verletzten zu verfolgen sei, also ein Privatanklagedelikt darstelle. Diese Meinung trifft nicht zu.
Aus den Bestimmungen des Fernmeldegesetzes, BGBl. 1949/170, in der geltenden Fassung sowie aus jenen der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und verstaatlichte Unternehmungen vom 10.November 1966, BGBl. 1966/276, über die Benützung der für den öffentlichen Verkehr bestimmten Fernsprechanlagen (Fernsprechordnung), insbesondere aus dem Inhalt des das Teilnehmerverhältnis regelnden Abschnittes V der Fernsprechordnung (vgl. insbesondere §§ 38, 40, 51 und 56) geht hervor, daß Fernsprecheinrichtungen - worunter gemäß § 16 Abs 1 Fernsprechordnung Sprechapparate, Vermittlungseinrichtungen, Leitungen und Zusatzeinrichtungen zu verstehen sind, welche die Post- und Telegrafenverwaltung dem Fernsprechteilnehmer zur Benützung überläßt oder deren Anschließung an das öffentliche Fernsprechnetz sie gestattet - grundsätzlich posteigen sind und den Teilnehmern nur zur Benützung überlassen werden. Darüber hinausgehende Ansprüche des Fernsprechteilnehmers sind nicht gegeben (Schaginger-Vavra, Das Fernmelderecht, S 128).
Zwar können "Nebenstellenanlagen", das sind weitere Sprechstellen zu Einzelanschlüssen (§ 19 Abs 1 und 2 Fernsprechordnung) auch teilnehmereigen oder privat errichtet werden (§§ 23, 25 Fernsprechordnung), doch handelt es sich vorliegend nach der Aktenlage jedenfalls nicht um eine derartige Nebenstellenanlage. Damit ist davon auszugehen, daß die Republik Österreich (Post- und Telegrafenverwaltung) Eigentümerin des bei Brigitta R*** installierten Telefonanschlusses und der Bestandteile dieser Anlage ist.
Für die Anwendbarkeit des § 166 StGB ist aber maßgebend, daß die Tat "zum Nachteil" eines der dort bezeichneten Angehörigen begangen wurde, wobei es nicht auf das Angehörigenverhältnis des Täters zum Besitzer oder Gewahrsamsinhaber der beschädigten Sache ankommt, sondern zum Eigentümer. Die beschädigte Sache muß objektiv im Eigentum des Angehörigen des Täters stehen (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2 , RN 7 zu § 166; Liebscher im WK, RZ 19 zu § 166; Kienapfel, BT II RN 17 zu § 166). Diese Voraussetzung trifft aber hier nicht zu.
Daran ändert auch nichts die Regelung des § 22 Abs 3 Fernmeldegesetz, wonach der Teilnehmer am Fernmeldeverkehr Post- und Telegrafenverwaltung den Schaden zu ersetzen hat, den sie durch Verlust oder Beschädigung ihrer Fernmeldeanlage in Gebäuden oder Räumen erleidet, die der Aufsicht des Teilnehmers oder bei Überlassung von Fernmeldeanlagen an Dritte der Aufsicht des Inhabers unterstehen. Denn abgesehen davon, daß eine solche Ersatzpflicht nicht in jedem Fall eintritt, sondern nach dem letzten Satz des § 22 Abs 3 Fernmeldegesetz dann wegfällt, wenn der Teilnehmer oder Inhaber jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat, entfällt die Privilegierung des § 166 StGB grundsätzlich, wenn der Angehörige nicht Eigentümer der beschädigten Sache ist, sondern nur in anderer Weise - weil er etwa schadenersatzpflichtig wurde - betroffen oder mitbetroffen ist (Kienapfel, BT II, RN 16 und 17 zu § 166).
Der Angeklagte wurde daher rechtsrichtig auch des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 106 Abs 1, 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die einschlägigen Vorverurteilungen sowie einen raschen Rückfall nach Verbüßung der letzten Strafhaft, als mildernd ein Teilgeständnis des Angeklagten sowie die anzunehmende teilweise Verzeihung durch Brigitta R***. Der Berufung des Angeklagten, der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Zutreffend wird zwar vom Angeklagten aufgezeigt, daß dem Angeklagten auch der Milderungsgrund des § 34 Z 13 StGB zugute kommt, weil die im Schuldspruchfaktum B umschriebene Tat beim Versuch blieb. Diesem Milderungsgrund kommt jedoch angesichts des äußerst raschen Rückfalles des einschlägig schwer vorbestraften Angeklagten und des Gewichtes der ihm zur Last fallenden strafbaren Handlungen kein entscheidendes Gewicht zu.
Auch die Tatsache, daß ein erheblicher Teil der Taten des Angeklagten gegen seine Lebensgefährtin gerichtet war, führt zu keiner für den Angeklagten günstigeren Betrachtung. Dem steht die vielfache Wiederholung entgegen.
Das Strafausmaß von 2 1/2 Jahren erscheint demnach keinesfalls überhöht, weshalb auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)