OGH 7Ob542/86

OGH7Ob542/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alexander S*** & S*** Gesellschaft m.b.H., Kaffeemaschinen, Wiener Neustadt, Industriegelände Nord, Alexander Schärf-Straße 2, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Reinhard B***, Gastwirt, Sieding, Siedinger Straße 35, vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen S 20.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 25.September 1985, GZ R 347/85-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 30. April 1985, GZ 2 C 55/84-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 2.422,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 160,-- Barauslagen und S 205,-- Umsatzsteuer) sowie die mit S 3.029,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 480,-- Barauslagen und S 231,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahre 1983 beabsichtigte der Beklagte, in Sieding eine Diskothek zu eröffnen. Zwecks Anschaffung verschiedener für die Führung der Diskothek erforderlicher Geräte, darunter auch eines Gläserspülers, holte er verschiedene Anbote ein, darunter auch ein solches der Klägerin, zu der er über deren Vertreter Herbert P*** in Kontakt trat. Dieser suchte im Mai 1983 den Beklagten in den Räumen der Diskothek auf. Zu diesem Zeitpunkt war das Lokal eine Baustelle. Einen Wasseranschluß für den Gläserspüler gab es noch nicht. Andere Wasserleitungsanschlüsse waren vorhanden, weshalb am Ausfließen des Wassers hätte festgestellt werden können, daß der Versorgungsdruck offensichtlich zu gering ist. Über den Wasserdruck, der für den Betrieb des Gläserspülers benötigt wird, wurde ebensowenig gesprochen wie über den Härtegrad des Wassers. Weder der Beklagte noch Hebert P*** wußten, daß in dem Gebiet, wo die Diskothek liegt und das Gerät installiert werden sollte, der Wasserdruck allgemein zu niedrig ist, d.h. unter der Norm liegt. Bei der vorerwähnten Besprechung wurden nur die Dimensionen für die Zu- und Abflußrohre geklärt. Sonst wurde über die Wasserversorgung nicht gesprochen. Eine Garantiezusage für die Einsatzfähigkeit des Gerätes wurde weder bei dieser Besprechung noch später abgegeben. Zur Sicherstellung der Kaufpreisforderung übergab der Beklagte der Klägerin bei Vertragsabschluß einen Blankowechsel, der später von dieser vervollständigt und schließlich die Grundlage für den vorliegenden Wechselzahlungsauftrag wurde.

Auch bei der Besprechung, die im Zuge der Unterfertigung des Kaufvertrages im Lokal des Beklagten stattfand, wurde über den notwendigen Versorgungsdruck und über den Härtegrad des Wassers nicht gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war ebenfalls noch kein Anschluß für den gekauften Gläserspüler vorhanden. P*** und dem Beklagten war noch immer nicht der besonders niedrige Wasserdruck bekannt. Der Gläserspüler allein kostet netto S 20.500,--. Da der Beklagte mit dem Ausbau der Diskothek nicht fertig wurde, konnte er den vereinbarten Abruftermin nicht einhalten, so daß die tatsächliche Lieferung des Gläserspülers erst am 18.Oktober 1983 erfolgte. Nach der Aufstellung des Gerätes wurde bei Probewaschvorgängen der mangelhafte Wascherfolg bemerkt. Dieser ist hauptsächlich auf den zu geringen Wasserdruck zurückzuführen. Dazu kommt noch, daß das Wasser in Sieding sehr hart ist. Durch die Errichtung einer Drucksteigerungspumpe und einer Enthärtungsanlage läßt sich ein normaler Wascherfolg herbeiführen, wobei die Drucksteigerungspumpe von größerer Bedeutung ist. Die Zusatzgeräte inklusive Einbaukosten belaufen sich auf etwa S 20.000,--. Das Erstgericht hat den auf S 20.000,-- gerichteten Wechselzahlungsauftrag (betreffend den restlichen Kaufpreis für den Gläserspülautomaten) aufrechterhalten und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, mit dem außergewöhnlich niederen Wasserdruck hätte auch der Vertreter der Klägerin nicht rechnen können. Demnach hätte eine Aufklärungspflicht nicht bestanden, weshalb die Klägerin den Irrtum des Beklagten über das Funktionieren des Gerätes nicht zu vertreten habe. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlagen könne deshalb keine Rede sein, weil es sich um Umstände handle, die ausschließlich im Bereich des Beklagten gelegen seien.

Das Berufungsgericht hat den Wechselzahlungsautrag aufgehoben. Es hat die erstrichterlichen Feststellungen übernommen und das Vorliegen von Verfahrensmängeln verneint. Rechtlich billigte es die Ausführungen des Erstgerichtes bezüglich der Unanfechtbarkeit des Kaufvertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Allerdings sei die Irrtumsanfechtung gerechtfertigt. Werde der Irrtum vom Vertragspartner veranlaßt, so sei es unerheblich, ob diesen ein Verschulden an dieser Veranlassung trifft. Veranlaßt sei ein Irrtum, wenn die erforderliche Aufklärungspflicht verletzt worden sei. Dies sei dann der Fall, wenn einen Vertragspartner infolge seines überlegenen Fachwissens die Pflicht treffe, den anderen auf bestimmte Umstände hinzuweisen. Im vorliegenden Fall wäre eine solche Pflicht des Vertreters der Klägerin gegeben gewesen, weil sich dieser im Klaren darüber hätte sein müssen, daß das klaglose Funktionieren des Gläserspülers einen entsprechenden Wasserdruck voraussetzt. Das Fehlen dieses Wasserdruckes hätte der Vertreter der Klägerin an Ort und Stelle leicht feststellen können. Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Die Revision geht allerdings insoweit von einem nicht festgestellten Sachverhalt aus, als sie vorbringt, der Vertreter der Klägerin hätte mangels Anwesenheit am Aufstellungsort des Gerätes keine Möglichkeit, zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit gehabt. Geht man allerdings von dem festgestellten Sachverhalt aus, muß der Rechtsansicht des Erstgerichtes beigepflichtet werden. Richtig ist, daß ein Irrtum auch durch die Unterlassung einer nach der Verkehrsauffassung erforderlichen Aufklärung verursacht werden kann (SZ 47/148, SZ 28/103 u.a.). Hiebei hat der Vertretene für das Verhalten des Vertreters einzustehen (SZ 44/59, SZ 42/112 u.a.). Kann der Vertragspartner nach der Verkehrsauffassung mit dem Vorhandensein bestimmter, den Geschäftsinhalt betreffender Umstände rechnen, solange ihm der andere nicht das Gegenteil mitteilt, dann begründet schon das Unterlassen einer solchen Mitteilung ein "Veranlassen" des Irrtums im Sinne des § 871 ABGB (SZ 46/84, EvBl 1971/117 u.a.). Der Irrtum eines Vertragspartners muß dem Gegner offenbar auffallen, wenn dieser den Irrtum objektiv bei der im Verkehr üblichen, nach Treu und Glauben vorausgesetzten Aufmerksamkeit hätte bemerken oder wenn er wenigstens den Verdacht auf das Vorliegen eines Irrtums hätte schöpfen müssen (SZ 51/144 u.a.). Bei der Irrtumsveranlassung durch Nichtaufklärung stellt sich die Frage nach Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten, die man wohl am Verkehrsüblichen orientieren muß (Rummel, Rdz 15 zu § 871 ABGB, SZ 46/84 u.a.).

Eine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung Einfluß haben können, besteht nicht, sondern nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten konnte (SZ 52/22 u.a.). Bei einem Kaufvertrag unter Kaufleuten wird eine Aufklärungspflicht durch den Verkäufer in der Regel nur anzunehmen sein, wenn der Käufer durch Nachfrage zum Ausdruck bringt, daß er auf einen bestimmten Punkt besonderen Wert legt und daher informiert werden will, oder wenn der Verkäufer wegen seiner überlegenen Fachkenntnisse zugleich als Berater des Käufers auftritt. Er muß dann den Käufer über solche Umstände aufklären, deren Bedeutung dieser mangels Fachkenntnis nicht erkennt, deren Kenntnis aber für seine Entscheidung zum Vertragsabschluß von maßgeblichem Einfluß sein muß (SZ 55/51, SZ 43/220 u.a.). Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Gläserspülautomat an sich in Ordnung war und bei dem zu erwartenden normalen Wasserdruck klaglos funktioniert hätte. Dessen Nichtfunktionieren ist ausschließlich darauf zurückzuführen, daß am Aufstellungsort ein außergewöhnlich niederer Wasserdruck herrscht. Daß ein mit Wasser betriebener Gläserspülautomat das Vorhandensein eines entsprechenden Wasserdruckes voraussetzt, müssen selbstverständlich Vertreter der Klägerin wissen. Ein derartiges Wissen ist aber bei jedermann, der im Geschäftsleben tätig ist, vorauszusetzen. Demnach bedurfte es, falls dem Vertreter der Klägerin die allenfalls fehlende Kenntnis des Beklagten auf dem Gebiete des Wasserdruckes nicht auffallen hätte müssen, keiner diesbezüglichen Aufklärung. Daß dem Beklagten grundsätzlich die Kenntnis dieses Umstandes gefehlt hätte, wurde nicht festgestellt. Insbesondere ergibt sich aus den Feststellungen kein Umstand, aus dem geschlossen werden könnte, daß der Vertreter der Klägerin einen entsprechenden Verdacht schöpfen hätte müssen. Eine Aufklärungspflicht hätte also nur dann bestanden, wenn dem Vertreter der Klägerin der außergewöhnlich niedere Wasserdruck aufgefallen wäre oder auffallen hätte müssen. Daß dem Vertreter der Klägerin dieser niedere Wasserdruck aufgefallen ist, wurde nicht festgestellt. Nach der Verkehrsauffassung kann bei den gegebenen Verhältnissen auch von einem Auffallenmüssen nicht ausgegangen werden. In der Regel kann damit gerechnet werden, daß der Wasserdruck in einem Gebiet in Österreich dem Durchschnitt entspricht. Hiezu kommt, daß der für die Aufstellung des Gerätes erforderliche Anschluß zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages noch gar nicht vorhanden war. Den konkreten Wasserdruck dieses Anschlusses konnte daher der Vertreter der Klägerin nicht prüfen. Zu einer Prüfung des allgemeinen Wasserdrucks bei anderen Wasserentnahmestellen bestand aber für den Vertreter der Klägerin keine Veranlassung, weil er ohne einen entsprechenden Hinweis mit einem außergewöhnlich niederen Wasserdruck nicht rechnen mußte.

Da somit nach der Verkehrsauffassung eine Überprüfungspflicht des Vertreters des Klägers nicht bestanden, ohne eine solche Überprüfung aber der besonders niedere Wasserdruck und damit verbunden die Funktionsunfähigkeit des Gerätes nicht feststellbar war, die Kenntnis der Notwendigkeit eines entsprechenden Wasserdruckes aber auch beim Vertragspartner der Klägerin vorausgesetzt werden durfte, kann von einer Veranlassung des Irrtums des Beklagten durch den Vertreter der Klägerin nicht gesprochen werden.

Zutreffend haben beide Vorinstanzen auch einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht angenommen. Jeder Vertragspartner hat die Gefahr aller Umstände auf sich zu nehmen, die sich in seinem Bereich ereignen (SZ 52/189, EvBl 1978/137, SZ 43/63 u.a.). Das Risiko, daß der Kaufgegenstand wie geplant verwendet werden kann, trägt, sofern vertraglich nichts anders vereinbart wurde, grundsätzlich der Käufer (Rummel Rdz 4 zu § 901, SZ 55/51, JBl 1976, 145 u.a.). Eine Vereinbarung über eine andere Tragung des Risikos wurde nicht festgestellt. Auf das ohnedies nur als letztes Mittel heranzuziehende Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (SZ 55/51 u.a.) kann sich der Beklagte also nicht stützen. Auf die ursprünglich behauptete Gewährleistung kommt der Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr zurück, weshalb diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden kann. Einen gemeinsamen Irrtum hat der Beklagte nicht eingewendet, sodaß es sich erübrigt, auf die diesbezügliche, von der Lehre mit beachtlichen Argumenten kritisierte Judikatur (Rummel, Rdz 18 zu § 871) einzugehen.

Es erweist sich sohin das Begehren der Klägerin auf Zahlung des restlichen Kaufpreises als gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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