OGH 11Os33/86

OGH11Os33/8625.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider sowie Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus H*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 16.Dezember 1985, GZ U 2.273/85-4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 16. Dezember 1985, GZ U 2.273/85-4, mit der der jugendliche Beschuldigte Markus H*** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB schuldig erkannt wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 36 Abs. 1, 11 JGG.

Diese Strafverfügung wird aufgehoben und dem Bezirksgericht Bregenz die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 16. Dezember 1985, GZ U 2.273/85-4, wurde der am 11.Jänner 1968 geborene, sohin zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung noch jugendliche Beschuldigte Markus H*** auf Grund der am 13. November 1985 bei Gericht eingelangten Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Alberschwende des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und - ohne Anwendung des § 11 JGG - nach dem § 88 Abs. 4 erster Strafsatz StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, im Nichteinbringlichkeitsfall zu 25 (fünfundzwanzig) Tagen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Höhe des Tagessatzes wurde mit 70 (siebzig) S festgesetzt.

Die Strafverfügung wurde dem Beschuldigten am 21.Dezember 1985 und dem Bezirksanwalt am 18.Dezember 1985 zugestellt. Weder der Beschuldigte noch der Bezirksanwalt erhoben dagegen Einspruch, sodaß die Strafverfügung in Rechtskraft erwuchs. Markus H*** bezahlte die Geldstrafe am 8.Jänner 1986. Eine Endverfügung wurde noch nicht erlassen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Strafverfügung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach dem § 36 Abs. 1 JGG sind in Jugendstrafsachen ua die §§ 460 bis 462 StPO nicht anzuwenden. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Z 4 JGG sind Jugendstrafsachen Strafverfahren gegen Beschuldigte, die (auch) zur Zeit der Einleitung des Verfahrens das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Die Zeit der Einleitung des Verfahrens ist der Tag des Anfalles der Anzeige bei Gericht (SSt. 43/7, ÖJZ-LSK 1976/67 = EvBl. 1976/189 ua).

Markus H*** wurde am 11.Jänner 1968 geboren. Die Anzeige wegen der am 6.Oktober 1985 gesetzten Jugendstraftat (§ 1 Z 3 JGG) langte am 13.November 1985, sohin vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Beschuldigten, beim Bezirksgericht Bregenz ein. Das Strafverfahren gegen ihn ist daher ungeachtet des Umstandes, daß er nunmehr dem jugendlichen Alter im Sinn des § 1 Z 2 JGG entwachsen ist, als Jugendstrafsache zu führen. Die Erlassung der Strafverfügung vom 16.Dezember 1985 gegen den damals noch jugendlichen Markus H*** war gemäß dem § 36 Abs. 1 JGG unzulässig. Durch die Nichtanwendung des § 11 JGG (Jugendstraftat) ist der Ausspruch über die Strafe überdies mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO behaftet (12 Os 173/85, 9 Os 110/84 uam). Die Gesetzesverletzungen wirkten sich zum Nachteil des Beschuldigten aus.

Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß Folge zu geben.

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