Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.597,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer und 1.200 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rudolf und Maria P*** waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 858 KG Werndorf, bestehend aus dem Grundstück Nr. 38/84. Mit ihrer Zustimmung errichteten ihr Sohn Manfred P*** und die Beklagte, dessen damalige Lebensgefährtin, auf diesem Grundstück etwa in der Zeit von 1965 bis 1970 gemeinsam das Haus Werndorf, Mühlweg 32, wobei auch die Beklagte eigene Mittel beisteuerte. Gemäß einer schriftlichen Vereinbarung vom September 1965 räumten die Eigentümer ihrem Sohn und der Beklagten den immerwährenden Zutritt zu diesem Grundstück ein und bestätigten, daß das Haus Eigentum ihres Sohnes und der Beklagten sei und bleibe. Im Falle ihres Ablebens würden sie einen Teil der Parzelle als Erbteil erhalten. In den Jahren 1973, 1974, hob Manfred P*** die Lebensgemeinschaft mit der Beklagten auf und heiratete in der Folge Juliane P***. Mit Schenkungsvertrag vom 27.4.1978 schenkten Rudolf und Maria P*** die Liegenschaft der Juliane P***. Das Haus wurde aber auch weiterhin von der Beklagten und ihren aus der Lebensgemeinschaft mit Manfred P*** stammenden Kindern bewohnt. Verhandlungen zwischen Juliane P*** und der Beklagten, welche die Liegenschaft von ihr käuflich erwerben wollte, scheiterten mangels Einigung über einen Kaufpreis. Anfangs 1983 bot die Beklagte in einem Inserat die Liegenschaft zum Verkauf an, worauf sich bei ihr die Klägerin meldete. Sie teilte der Klägerin mit, sie sei Eigentümerin, wobei sie auf eine Schachtel mit Belegen hinwies, müßte aber zum Verkauf die Zustimmung der Juliane P*** einholen, weil diese Eigentümerin des Grundes sei. Es kam zum Abschluß eines Vorvertrages zwischen den Streitteilen. Beim Verlassen des Hauses Mühlweg 32 erklärte aber Maria P*** der Klägerin, daß in Wahrheit Juliane P*** die Eigentümerin sei. Die Klägerin erkundigte sich beim Bürgermeister, der ihr erklärte, die Beklagte habe das Haus gebaut und behaupte Ansprüche auf das Eigentum des Hauses. Als die Klägerin der Juliane P*** mitteilte, der Bürgermeister behaupte, das Haus gehöre der Beklagten, meinte diese, sie sei alleinige Eigentümerin des Hauses und der Liegenschaft. Ursprünglich war der Abschluß eines Kaufvertrages mit Zuziehung der Beklagten vorgesehen, welche sich aber dazu nicht bereit fand.
Daraufhin schloß die Klägerin mit Juliane P*** den Kaufvertrag vom 28.4.1983 ab, in dem diese der Klägerin die Liegenschaft "mit denselben Rechten..... und Verbindlichkeiten, mit denen die Verkäuferin es bisher besessen und benützt habe oder doch hiezu berechtigt gewesen wäre", verkaufte. Im Vertrag nimmt die Klägerin zur Kenntnis, daß das Wohnhaus derzeit von der Beklagten mit ihrer Familie bewohnt werde. Juliane P*** übernehme keinerlei Haftung für die Räumung der Liegenschaft durch die Beklagte und ihre Familie, stelle aber hiezu fest, daß ihrer Ansicht nach die Beklagte ohne jeden Rechtstitel das Haus bewohne. Weiters wird festgehalten, daß die Klägerin in Kenntnis sei, daß die Beklagte gegenüber Juliane P*** Ansprüche für Investitionen am Wohnhaus gestellt habe, und Juliane P*** verpflichtete sich, die Klägerin bezüglich dieser Forderungen, so sie als zu Recht anerkannt werden sollten, klag- und schadlos zu halten. Im Jänner 1984 wurde dieser Kaufvertrag verbüchert.
Auf Grund dieses von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltes begehrt die Klägerin von der Beklagten die Räumung der Liegenschaft, weil sie diese titellos benütze.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage mit der Einwendung, sie sei gemeinsam mit Manfred P*** Eigentümerin des Gebäudes und sei daher nicht zur Räumung verpflichtet. Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Beide Vorinstanzen waren, kurz zusammengefaßt, der Ansicht, daß die Beklagte zusammen mit ihrem seinerzeitigen Lebensgefährten gemäß § 418 ABGB Eigentum erworben habe, welche Bestimmung auch dann anzuwenden sei, wenn die Parteien zwar eine Vereinbarung getroffen hätten, der Grundeigentümer sich aber dann abredewidrig nicht mehr an die Vereinbarung halte. Der Klägerin mangle es an der Gutgläubigkeit, so daß sie sich nicht auf den Buchstand berufen könne.
Die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob einer auf § 366 ABGB gestützte Räumungsklage eines schlechtgläubigen Erwerbers auch ein außerbücherliches Miteigentum der beklagten Partei als Bauführerin entgegengesetzt werden könne. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde. Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben und macht in den Ausführungen selbst auch die Unzulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO geltend.
Rechtliche Beurteilung
Da zu der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung beachtliche Gegenstimmen im Schrifttum vorliegen, zu denen der Oberste Gerichtshof bisher, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, erscheint die Revision zulässig, weil der Entscheidung erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung zukommt. Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin kann sich nicht auf ein Vertrauen auf das Grundbuch im Sinne des § 1500 ABGB berufen. Daß die Beklagte bezüglich der strittigen Liegenschaft bestimmte Rechte geltend mache, war nämlich der Klägerin bekannt. Ihr war auch bekannt, daß die Verkäuferin einen abweichenden Rechtsstandpunkt einnehme. Wer in diesem Sinn in Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtslage eine Liegenschaft erwirbt, kann sich nicht mit Erfolg auf den Grundbuchstand berufen, sondern muß durch zumutbare Nachforschungen versuchen, eine Klärung der von Dritten behaupteten Rechte herbeizuführen. Im vorliegenden Fall wäre hier insbesondere die Beischaffung der Vereinbarung vom September 1965 erforderlich gewesen. Die Klägerin hat nicht einmal behauptet, dies versucht zu haben, und es hat das Verfahren auch keine Anhaltspunkte für solche Nachforschungen ergeben. Der Klägerin kommt damit kein guter Glaube beim Eigentumserwerb zugute (SZ 55/46 ua).
Die Errichtung der Vertragsurkunde durch einen Notar kann hieran nichts ändern, zumal auch in der schriftlichen Urkunde auf die Rechte der Beklagten ausdrücklich Bezug genommen wurde. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die Beklagte hätte immer nur Ersatz für ihre Investitionen begehrt, wird nicht von den getroffenen Feststellungen ausgegangen, nach welchen die Beklagte sich immer auch als Eigentümerin des Hauses betrachtete und dieses ja auch der Klägerin zum Verkauf anbot. Und daß ihr der Vertragserrichter solches bestätigt habe, wurde gleichfalls nicht festgestellt. Feststeht wohl, daß im Vertrag auf die Forderung des Ersatzes von Investitionen hingewiesen wird, keineswegs aber, daß dies die einzige Forderung der Beklagten sei. Vielmehr wollte der Notar nach den getroffenen Feststellungen die Beklagte in den Vertrag einbinden, was diese aber ablehnte, so daß die Klägerin nicht davon ausgehen konnte, sie beanspruche keine Rechte an der Liegenschaft.
Im Verhältnis zwischen der Beklagten (und ihrem früheren Lebensgefährten) und den Rechtsvorgängern der Klägerin im Eigentum der strittigen Liegenschaft liegt folgender Fall vor:
Ein Bauführer führt im Sinne des § 418 ABGB "mit eigenen Materialien" "auf fremdem Grunde" ein Gebäude auf. Er ist einerseits in Kenntnis, daß er auf fremdem Grunde baut, und weiß anderseits, daß dies mit Wissen und Willen des Grundeigentümers geschieht, und die Vereinbarung zwischen Bauführer und Grundeigentümer beinhaltet nicht nur die Erteilung der Zustimmung zur Bauführung an sich, sondern sieht vor, daß der Bauführer zu einem späteren Zeitpunkt (Tod des Grundeigentümers) Eigentum am Grund erwerben soll. Trotz dieser Vereinbarung übereignet jedoch der bisherige Grundeigentümer (noch zu seinen Lebzeiten) die Liegenschaft nicht dem Bauführer, sondern einem Dritten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind die Regeln über den Eigentumserwerb des Bauführers im Sinne des § 418 dritter Satz ABGB, im Falle eines vorherigen (wirksamen) Übereinkommens zwischen Bauführer und Grundeigentümer nicht anzuwenden (SZ 50/123, MietSlg.36.031).
Für den Fall, als nach einem solchen Übereinkommen vorgesehen wäre, daß der Grund dem Bauführer zufallen solle, der Grundeigentümer sich aber in der Folge nicht mehr an die Vereinbarung über die Überlassung des Grundes an den Bauführer hält, wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß dann der Bauführer so zu behandeln sei, als ob kein Übereinkommen vorläge (SZ 28/35, SZ 32/137, JBl 1956, 365 u.a. nichtveröffentlichte Entscheidungen; vgl. auch SZ 50/123). Diese Judikatur wird, wie schon oben angedeutet wurde, im Schrifttum teilweise als mit den Grundsätzen des österreichischen Sachenrechtes unvereinbar in Zweifel gezogen (Ostheim, Zum Eigentumserwerb durch Bauführung 54 ff, Spielbüchler in Rummel RZ 7 zu § 418 ABGB).
Der erkennende Senat hält jedoch an dieser Rechtsprechung aus folgenden Gründen fest:
Das rechtlich entscheidende Moment für den originären Eigentumserwerb durch einen redlichen Bauführer ist im Normalfall die Unredlichkeit des Grundeigentümers, der den Bauführer bauen läßt, obwohl er weiß, daß dieser auf fremden Grund baut.
§ 418 dritter Satz ABGB ist in diesem Sinn vor allem als Sanktion gegen ein unredliches Verhalten des Grundeigentümers gedacht (siehe dazu JBl 1976,43; MietSlg. 36.031). Für die Verwirkung des Eigentumsrechtes am Grund ist also das Verhalten des Grundeigentümers wesentlich, der in Kenntnis seines eigenen Rechtes zusieht, wie dem Bauführer aus Unkenntnis dieses Rechtes Vermögensnachteile zu erwachsen drohen (Bydlinski, Privatautonomie 192, Jabornegg FS Eichler (1977), 287 f, dort 292 bzw. Anm. 8). Von der Wertung her nicht anders ist das Verhalten desjenigen Grundeigentümers zu beurteilen, der dem "Irrtum" des Bauführers, er werde einmal Eigentümer des Hauses samt Grund sein, nicht nur durch eigene Passivität begegnet (Unterlassung der Untersagung der Bauführung), sondern der gleichsam diesen "Irrtum" des Bauführers im Nachhinein dadurch durch eigene Aktivität herbeiführt, daß er dem Bauführer zuerst einen Erwerb des Grundes zusagt, diesen Erwerb aber dann in der Folge vereinbarungswidrig vereitelt. Auch in diesem Fall eine Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes und einen originären Eigentumserwerb anzunehmen, ist nicht problematischer wie beim gewöhnlichen Fall des § 418 dritter Satz ABGB an und für sich.
Der Wortlaut der Bestimmung des § 418 Satz 3 ABGB deckt auch diesen Fall, wenn man im Sinne allgemeiner und herrschender Auffassung zu anderen Fällen die Redlichkeit des Bauführers nicht nur dann bejaht, wenn er nicht weiß oder wissen müßte, daß der Grund, auf dem er baut, nicht in seinem Eigentum steht, sondern sie auch dann annimmt, wenn er zwar nicht über die Eigentumsverhältnisse irrt, wohl aber auf Grund irgend welcher Umstände mit Grund darauf vertrauen darf, dort bauen zu dürfen, wo er baut (Spielbüchler in Rummel RZ 5 zu § 415 ABGB und RZ 5 zu § 418 ABGB, Entscheidungen wie NZ 1981, 76). Redlich ist also in diesem Sinne auch ein Bauführer, der mit dem ihm bekannten Grundeigentümer eine Vereinbarung über den späteren Erwerb des Grundes abgeschlossen hatte, deren Erfüllung dieser dann in der Folge unmöglich machte. Der außerbücherliche Eigentumserwerb tritt in einem solchen Fall allerdings wohl noch nicht im Zeitpunkt der Bauführung, sondern erst im Zeitpunkt der Vereitelung der ursprünglich geplanten Vereinbarung ein. Im vorliegenden Fall gingen daher die Vorinstanzen mit Recht davon aus, daß die Beklagte gemeinsam mit ihrem früheren Lebensgefährten Miteigentümerin (dazu Spielbüchler in Rummel RZ 8 zu § 418 ABGB) des Grundes, auf dem das strittige Haus steht, nebst der zur bestimmungsgemäßen Benützung des Gebäudes unentbehrlichen und mitbeanspruchten Grundfläche (vgl. dazu die bei Spielbüchler in Rummel RZ 4 angeführte Rechtsprechung) ist.
Übrigens würde es der klagenden Partei auch nichts nützen, wenn man im vorliegenden Fall nicht von einem originären Eigentumserwerb ausginge, sondern lediglich einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechtes am Grund durch den Grundeigentümer oder ein der Klägerin bekanntes dingliches Benützungsrecht annähme; denn auch ein solches Recht hätte die Klägerin dann zu beachten und könnte nicht mit einer Räumungsklage durchdringen, weil die Beklagte auch in einem solchen Fall die Liegenschaft nicht titellos benützen würde.
Eine "Verschweigung" des (Mit)-Eigentumsrechtes der Beklagten könnte, abgesehen vom Ausschluß einer Verjährung des Eigentumsrechtes gemäß § 1459 ABGB nur eintreten, wenn die klagende Partei durch Ersitzung Eigentümerin geworden wäre, was vor Ablauf von 30 Jahren schon wegen der fehlenden Ersitzungszeit nicht möglich ist. Die früheren Bestimmungen der §§ 1467, 1469 ABGB sind durch § 201 der dritten Teilnovelle zum ABGB aufgehoben worden. Und für die Annahme eines konkludent zustandegekommenen Verzichtsvertrages zwischen den Streitteilen fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt. Auch wenn die Beklagte seit Jahren wußte, daß Rudolf und Maria P*** ihre Liegenschaft der Juliane P*** geschenkt hatten und diese dann die Liegenschaft an die Klägerin verkaufte, mußte sie nichts unternehmen, weil von diesen Vorgängen ihr außerbücherliches Eigentumsrecht - abgesehen von den Gefahren des § 1500 ABGB - nicht berührt wurde. Und im Ergebnis nichts anderes würde für den Fall gelten, als man nicht von einem Eigentumsrecht, sondern nur von einem mit einem gültigen Titel zum Erwerb des Eigentums verbundenen Benützungsrecht der Beklagten ausgehen wollte.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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