OGH 2Ob67/55

OGH2Ob67/559.2.1955

SZ 28/35

Normen

ABGB §297
ABGB §418
ABGB §297
ABGB §418

 

Spruch:

Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Gründeigentümer und Bauführer über die Bauführung hindert den Gründerwerb des redlichen Bauführers nicht, wenn sich der Gründeigentümer an eine Vereinbarung, betreffend die Überlassung des Baugrundes an den Bauführer, nicht hält.

Entscheidung vom 9. Februar 1955, 2 Ob 67/55.

I. Instanz: Bezirksgericht St. Veit/Glan; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Das Erstgericht hat das Begehren der Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin den Teilungsplan der Grundparzelle, 1041 Weide der Katastralgemeinde L. in ein Trennstück im Ausmaß von 1200 m2 mehr oder weniger und in einen restlichen Teil herauszugeben oder in die Neuvermessung es Teilstückes, auf dem das von der Klägerin gebaute Haus steht, und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an dem Teilstück zu willigen abgewiesen.

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen, daß im Frühjahr 1947 zwischen den Streitteilen eine Vereinbarung zustande gekommen sei, daß der Beklagte der Klägerin zum Bau eines Hauses ein Grundstück aus der Grundparzelle 1041 Katastralgemeinde L. zur Verfügung stelle, daß aber nähere Abmachungen über das hiefür zu entrichtende Entgelt nicht getroffen worden seien. Die Klägerin hat in der Zeit von 1947 bis Sommer 1949 das Haus aufbauen lassen und hat es im Februar 1950 bezogen. Der Beklagte hat die für den Hausbau bestimmte Fläche ausgezeigt, sie im Jahre 1950 durch einen Geometer vermessen und vermarken lassen. Am 27. März 1951 ließ der Beklagte durch seinen Anwalt der Klägerin schreiben, daß er ihr keinen Grund für das von ihr erbaute Haus abtrete, für sich in Anspruch nehme, zu gegebener Zeit die Freiheit seines Eigentums durchzusetzen, und daß er einen jährlichen Anerkennungszins verlange, womit die Klägerin zugebe, daß der Beklagte jederzeit berechtigt sei, die Freiheit seines Eigentums geltend zu machen.

Das Erstgericht nahm an, daß die Bauführung der Klägerin auf dem Grund des Beklagten auf einem Übereinkommen beruhe, weshalb die Klägerin den Übergang des Eigentums an der Baufläche nicht auf den kraft Gesetzes eingetretenen Eigentumsübergang gemäß § 418 ABGB. stützen könne.

Das Berufungsgericht hat das abweisende Urteil des Erstgerichtes bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob das Berufungsurteil auf und trug dem Berufungsgericht, eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist als redlicher Bauführer nicht nur jemand anzusehen, der sich aus plausiblen Gründen über die Eigentumsverhältnisse des verbauten Gründes irrt, sondern auch derjenige, der glaubt, daß er auf Grund einer erhaltenen Erlaubnis dort, wo er baut, auch bauen dürfe (vgl. Ehrenzweig I. Aufl. I/2. 236, Klang 1 Aufl. I/2 S. 144 zu § 418, GlU. 15116, SZ. XX 131). Es kann keine Zweifel unterliegen, daß die Klägerin im Sinne des § 418 ABGB. nicht als unredlich qualifiziert werden kann. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (vgl. aus jüngerer Zeit 1 Ob 538/51, 1 Ob 554/53), daß § 418 ABGB. über den Gründerwerb des redlichen Bauführers nicht Anwendnung finde, wenn über die Bauführung eine Vereinbarung zwischen Gründeigentümer und Bauführer stattgefunden hat; in diesem Falle sei es Sache der Vertragsauslegung, welchem von ihnen das Eigentum am Gebäude zufällt. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Entscheidung 1 Ob 554/53 ausgesprochen, daß § 297 ABGB. nicht durchschlage, wenn der Gründeigentümer sich verpflichtete, früher oder später das Eigentum an dem Grund und dem Haus dem Erbauer des Hauses abzutreten. Eine solche den Eigentumserwerb kraft Gesetzes ausschließende Vereinbarung kann aber nur dann als vorhanden angesehen werden, wenn diese Vereinbarung auch durchgesetzt werden kann oder der Gründeigentümer sich an diese Vereinbarung ohne Rücksicht darauf, ob ihre Einhaltung erzwungen werden kann oder nicht, hält. Verhält sich der Gründeigentümer abredewidrig und will er den Bauführer an dem Erwerb des Eigentumes des mit Zustimmung des Gründeigentümers erbauten Hauses hindern, so ist ihm der Einwand, daß eine den gesetzlichen Eigentumserwerb hindernde Vereinbarung vorläge, zu versagen und es ist der redliche Bauführer so zu behandeln, als ob keine Abrede vorläge.

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