OGH 8Ob661/85 (8Ob662/85)

OGH8Ob661/85 (8Ob662/85)9.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dipl.Ing.Manfred Josef K***, Magistratsbeamter, Alte Schulgasse 4, 6064 Rum, vertreten durch Dr.Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagende Partei Jean Ann K***, geborene H***, Sängerin, 30302 Woodbridge Drive, SE Apt 102, Kentwood, Michigan 49508, USA, vertreten durch Dr.Harald Burmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung infolge Rekurses der klagenden und widerbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 7.Oktober 1985, GZ 6 R 288, 289/85-65, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27.Juni 1985, GZ 8 Cg 598/81-58, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile haben am 24.Juni 1967 vor dem als Standesbeamten fungierenden katholischen Priester der Pfarrkirche Greenville in Michigan, USA, die Ehe geschlossen. Der Ehemann ist österreichischer Staatsbürger, die Ehefrau Staatsbürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Streitteile war in Rum bei Innsbruck. Der Ehe entstammen zwei mj. Kinder.

Dipl.Ing.Josef K*** begehrte mit seiner am 10.November 1981 erhobenen Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden seiner Frau, wobei er als schwere Eheverfehlungen u.a. böswilliges Verlassen geltend machte.

Jean Ann K*** beantragte die Abweisung der Klage und erhob selbst am 30.März 1982 Widerklage, in der sie ihrem Mann - von diesem bestritten - liebloses und unerträgliches Verhalten ihr gegenüber zum Vorwurf machte.

In der Tagsatzung vom 27.Juni 1985 (ON 57 d.A.) zog der Kläger und Widerbeklagte (in der Folge: Kläger) das im Zuge des Verfahrens hilfsweise auch auf § 55 EheG gestützte Scheidungsbegehren zurück; "im Hinblick darauf, daß die Zerrüttung der Ehe unzweifelhaft sei" beantragte der Kläger mit Teilurteil über das Scheidungsbegehren zu erkennen. Die beklagte und widerklagende Partei (in der Folge: Beklagte) sprach sich nicht dagegen aus. Hierauf verkündete der Erstrichter folgendes "Teilurteil":

"Die zwischen den Parteien am 24.6.1967 vor dem als Standesbeamten handelnden katholischen Priester der Pfarrkirche in Greenville, Michigan, USA, geschlossene Ehe wird mit der Wirkung geschieden, daß sie mit der Rechtskraft dieses Teilurteiles aufgelöst ist.

Die Entscheidung über den Ausspruch des Verschuldens und über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Beide Parteien erklärten hierauf, auf Rechtsmittel gegen dieses Teilurteil zu verzichten und hinsichtlich des unerledigten Teiles der beiderseitigen Begehren vorläufig Ruhen des Verfahrens zu vereinbaren.

Die Ausfertigung des in der Tagsatzung vom 27.Juni 1985 verkündeten Teilurteiles (ONr. 58) weist folgenden Urteilsspruch auf:

"Die zwischen den Parteien am 24.6.1967 vor dem als Standesbeamten fungierenden katholischen Priester der Pfarrkirche Greenville in Michigan, USA, geschlossene Ehe wird aus beiderseitigem Verschulden mit der Wirkung geschieden, daß sie mit der Rechtskraft dieses Urteils aufgelöst ist.

Die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls welchen Teil ein überwiegendes Verschulden trifft und die Kostenentscheidung bleiben der Endentscheidung vorbehalten."

Zur Begründung der Abweichung des Spruches dieser Entscheidung vom mündlich verkündeten Urteil führte das Erstgericht im wesentlichen aus, es sei im Wortlaut der verkündeten Entscheidung nicht zum Ausdruck gekommen, daß das vorliegende Teilurteil eine Verschuldensscheidung sei und nur die Frage eines allenfalls überwiegenden Verschuldens eines der Teile vorbehalten bleibe. Insofern sei die Ausfertigung des Urteils gegenüber dem verkündeten Wortlaut gemäß § 419 ZPO zu präzisieren.

Zum Ausspruch über die Scheidung und das beiderseitige Verschulden führte das Erstgericht aus, daß die endgültige Zerrüttung der Ehe der Parteien im Hinblick auf die bereits langjährige Auflösung der ehelichen Gemeinschaft einerseits und das beiderseitige Scheidungsbegehren andererseits unzweifelhaft sei. Nach dem bisherigen bereits Jahre dauernden umfangreichen Verfahren sei auch unzweifelhaft, daß ein beiderseitiges Verschulden zu dieser Zerrüttung der Ehe geführt habe. Dieses bestehe in der Summe der Verhaltensweisen, die zur endgültigen Beendigung der ehelichen Gemeinschaft geführt hätten und an denen beide Parteien Anteil hätten. Durch ihre abschließende Antragstellung hätten die Parteien dies auch zugegeben, denn eine Verschuldensscheidung ohne Verschulden sei nicht denkbar.

Den von der klagenden Partei zugleich mit der Berufung eingebrachten Antrag auf Berichtigung des Spruches der schriftlichen Urteilsausfertigung, sodaß dieser in seinem vollen Wortlaut mit dem am 27.Juni 1985 verkündeten Urteil übereinstimme, wurde vom Erstgericht mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 5.August 1985 (ONr. 62) abgewiesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab den von beiden Teilen gegen das Teilurteil erhobenen Berufungen Folge; es hob das angefochtene Urteil des Erstgerichtes in vollem Umfang auf und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes zurück. Es billigte im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 20 Abs 1 und 18 Abs 1 Z 2 IPRG die Anwendung österreichischen Sachrechts durch das Erstgericht, weil die Streitteile ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Rum gehabt hätten; auch im Falle des Wechsels des Aufenthaltsortes des Klägers wäre im Hinblick auf dessen österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs 2 IPRG österreichisches Recht anzuwenden. Zutreffend rügten beide Teile den Mangel der Übereinstimmung der schriftlichen Urteilsausfertigung mit dem mündlich verkündeten Urteil. Dies begründe zwar keinen der im § 477 ZPO ausdrücklich angeführten Nichtigkeitsgründe, stelle aber jedenfalls einen erheblichen Verfahrensmangel dar. Nach § 416 Abs 2 ZPO sei das Gericht an seine Entscheidung gebunden, sobald dieselbe verkündet oder im Falle des § 415 in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung abgegeben sei. Damit könne aber ein Urteilsspruch in der Hauptsache, sobald er verkündet sei, vom Richter nicht mehr geändert werden (Fasching III 794). An ein verkündetes Urteil sei der Richter selbst dann gebunden, wenn die verkündete Entscheidung unrichtig oder fehlerhaft gewesen sei (Fasching III 808). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur dann, wenn das verkündete Urteil Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten aufweise, die eine Berichtigung nach § 419 ZPO erlaubten. Eine solche Berichtigung sei aber dann unzulässig, wenn der Wille des Erstrichters darauf gerichtet gewesen sei, dem Antrag des Klägers entsprechend - gegen den sich auch die Beklagte nicht ausgesprochen hätte - die Ehe der Streitteile mit Teilurteil zu scheiden und den Ausspruch über das Verschulden der Endentscheidung vorzubehalten.

Wenn auch der Grundsatz der "Einheitlichkeit des Eheverfahrens" in Österreich nur in sehr eingeschränktem Maße anerkannt sei und seine Grenzen vor allem im Grundsatz der Teilrechtskraft finde, so werde doch in Lehre und Rechtsprechung (Fasching, Lehrbuch Rz 2365; Fasching Komm. III 571 f; SZ 25/331 = Judikat 57 neu u.a.) anerkannt, daß eine Trennung der Entscheidung über die Eheauflösung von der Entscheidung über das Verschulden an der Eheauflösung unzulässig sei. Hätten - wie hier - beide Parteien die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des jeweiligen Gegners beantragt, so könne eine Entscheidung über das Scheidungsbegehren nicht ergehen, solange nicht feststehe, daß zumindest eine der Parteien durch eine schwere Eheverfehlung die Zerrüttung der Ehe verschuldet habe. Solange nämlich dies nicht eindeutig feststehe, sei (zumindest theoretisch) die Möglichkeit gegeben, daß bei keinem der Ehegatten ein Verschulden vorliege und deshalb sowohl Klage als auch Widerklage abzuweisen seien. Im Falle einer Klage auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Gegners sei daher eine Scheidung der Ehe ohne Verschuldensausspruch auch im Wege eines Teilurteiles nicht zulässig. Mit Teilurteil könne in einem solchen Fall nur dann entschieden werden, wenn feststehe, daß das Scheidungsbegehren des einen Ehegatten aus dem Verschulden des anderen auf jeden Fall gerechtfertigt und nur noch das Mitverschulden des anderen Teiles noch zu klären sei (EvBl. 1973/199; SZ 25/231). Die Erlassung eines diesen Grundsätzen widersprechenden Teilurteiles sei auf eine unrichtige Rechtsanwendung durch das Gericht zurückzuführen und könne jedenfalls nicht im Wege einer Berichtigung nach § 419 ZPO oder der Erlassung eines vom verkündeten Urteilsspruch abweichenden schriftlichen Urteiles korrigiert werden.

Abgesehen davon könnte das vom Erstgericht erlassene Urteil in der Fassung der schriftlichen Urteilsausfertigung auch deshalb einer Überprüfung nicht standhalten, weil das darin ausgesprochene beiderseitige Verschulden in den erstgerichtlichen Feststellungen keine ausreichende Deckung finde. Keiner der Streitteile habe ein Verschulden zugestanden. Aus der Stellung des Antrages auf Erlassung eines Teilurteiles über das Scheidungsbegehren könne ein solches Zugeständnis nicht abgeleitet werden, weil die Streitteile, wie sich auch aus den Berufungen ergebe, offensichtlich davon ausgegangen seien, daß eine Entscheidung über das Scheidungsbegehren allein ohne Ausspruch eines Verschuldens im Wege eines Teilurteiles zulässig sei. Konkrete Feststellungen über Eheverfehlungen der Streitteile, aus denen ein Verschulden abgeleitet werden könnte, habe das Erstgericht jedoch nicht getroffen. Die Ausführungen des Erstgerichtes, wonach das beiderseitige Verschulden in der "Summe der Verhaltensweisen" bestehe, die zur endgültigen Beendigung der ehelichen Gemeinschaft geführt hätten, und an denen beide Parteien Anteil hätten, seien zu allgemein gehalten, um dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Verschuldensausspruches zu ermöglichen. Damit seien jedoch die Aufhebungsgründe des § 496 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO gegeben.

Da beide Parteien das Urteil nur im Ausspruch über das Verschulden bekämpft und überdies in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.Juni 1985 einen Verzicht auf Rechtsmittel gegen das verkündete Teilurteil erklärt hätten, ergebe sich die Frage, ob die mit dem verkündeten Teilurteil ausgesprochene Scheidung der Ehe der Streitteile in Teilrechtskraft erwachsen sei und daher nur mehr der im schriftlichen Urteil enthaltene Ausspruch über das Verschulden aufgehoben werden könne. Der Grundsatz der "Einheitlichkeit des Eheverfahrens" finde seine Grenzen im Grundsatz der Teilrechtskraft; ein in erster Instanz ergangenes Ehescheidungsurteil erwachse daher grundsätzlich insoweit in Rechtskraft, als es nicht angefochten worden sei (EFSlg. 43.644). Jedoch könne im Falle einer Klage auf Scheidung der Ehe zufolge eines bestimmten ehewidrigen Verhaltens im Sinne des § 49 EheG ein Teilurteil auf Scheidung allein nicht ergehen, weil der Verschuldensausspruch einen notwendigen Teil des Erkenntnisses bilde (EFSlg. 43.645; EvBl. 1973/199). In einem solchen Fall könne aber auch der Ausspruch über die Scheidung für sich allein nicht in Teilrechtskraft erwachsen, wenn die Parteien allein den Ausspruch über das Verschulden bekämpft hätten. Nur wenn gesagt werden könne, daß der Beklagte oder Widerbeklagte im Rahmen der vorgebrachten Behauptungen und geltend gemachten Scheidungsgründe bei Überprüfung des streitverfangenen Gesamtverhaltens der Ehegatten jedenfalls eine schwere Eheverfehlung begangen habe, könne die Ehe mit Teilurteil aus dem Verschulden des Beklagten oder Widerbeklagten nach § 49 EheG geschieden werden (EFSlg. 43.645; EvBl. 1973/199). Wenn aber in einer Berufung von der beklagten Partei - oder bei Scheidung der Ehe aus beiderseitigem Verschulden von beiden Parteien - jegliches Verschulden bekämpft werde - wie dies hier zutreffe -, so umfasse diese Bekämpfung jeglichen Verschuldens - wie vom Obersten Gerichtshof in seinem Judikat 57 neu (= SZ 25/331) ausdrücklich ausgesprochen worden sei - immer auch die Bekämpfung des Scheidungsausspruches mit, soweit er auf diesem Verschulden beruhe. In einem solchen Fall könne der Ausspruch über die Scheidung für sich allein nicht in Teilrechtskraft erwachsen, er gelte durch die Bekämpfung des Verschuldens durch die Berufungswerber ebenfalls als bekämpft. Da insoweit ein Eintritt der Teilrechtskraft auf Grund des engen Zusammenhanges zwischen Verschuldens- und Scheidungsausspruch, wobei letzterer durch ersteren bedingt sei, gar nicht möglich sei, könne auch der von den Streitteilen in der Tagsatzung vom 27.Juni 1985 abgegebene Rechtsmittelverzicht, der sich lediglich auf den Ausspruch über die Scheidung ohne Verschuldensausspruch beziehe, nicht wirksam sein.

Damit sei aber im vorliegenden Fall nicht nur der Verschuldensausspruch, sondern auch der Ausspruch über die Scheidung aufzuheben, da die Bekämpfung jeglichen sie treffenden Verschuldens durch beide Parteien im Sinne des Judikats 57 neu auch die Bekämpfung des Scheidungsanspruches, der auf einem Verschulden eines oder beider Streitteile beruht, mitumfasse. Soweit in der Entscheidung EFSlg. 10.543/16 die Auffassung vertreten werde, daß in einem solchen Falle der nicht ausdrücklich angefochtene Ausspruch über die Scheidung zwar aufrecht zu bleiben habe, jedoch erst mit der Entscheidung über die Verschuldensfrage in Rechtskraft erwachsen könne, stehe diese Entscheidung im Widerspruch mit dem Judikat 57 neu. Gehe man davon aus, daß bisher noch nicht feststehe, ob eine der beiden Parteien überhaupt ein Verschulden im Sinne des § 49 EheG zu vertreten habe, so könne auch noch nicht gesagt werden, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Scheidung nach § 49 EheG gegeben seien. Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Verschuldens- und Scheidungsausspruch sei in jenen Fällen, in denen von den Streitteilen jegliches eigene Verschulden bestritten werde, eine Aufrechterhaltung des Scheidungsausspruches allein auch dann nicht zulässig, wenn der Scheidungsausspruch von den Parteien nicht ausdrücklich bekämpft werde. Eine eindeutige und widerspruchsfreie Lösung der damit verbundenen Probleme könne eben nur durch Anwendung des Judikates 57 neu gefunden werden.

Im Hinblick auf die davon abweichende, in der Entscheidung zu EFSlg. 10.543/16 vertretene Meinung und auf die besondere Bedeutung des Umfanges der Rechtskraft für das weitere Verfahren sei im Interesse der Rechtssicherheit und zur Wahrung der Rechtseinheit gemäß §§ 519 Abs 2, 502 Abs 4 Z 1 ZPO ein Rechtskraftvorbehalt auszusprechen gewesen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs des Klägers, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß "zu beheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung" aufzutragen.

Die Beklagte beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist ungeachtet der vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, weil die vom Berufungsgericht herangezogenen Bestimmungen für Streitigkeiten über Ehescheidungen nicht gelten (§ 502 Abs 5 ZPO), er ist aber nicht berechtigt.

Der Rekurswerber vertritt in seinem Rechtsmittel den Standpunkt, die gänzliche Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht stelle einen Verstoß gegen die Rechtskraft dar, weil sie über den Umfang der Anfechtung der erstgerichtlichen Entscheidung durch die Parteien hinausgehe. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes könnte sich im fortgesetzten Verfahren nicht herausstellen, daß keinen der beiden Streitteile ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe; es sei nämlich aktenkundig, daß die Beklagte sich bereits vor Jahren mit den Kindern ohne seine Zustimmung in die USA abgesetzt habe und durch Gerichtsentscheidung rechtskräftig festgestellt worden sei, daß diese getrennte Wohnungsnahme rechtswidrig gewesen sei. Es habe somit jedenfalls die Beklagte eine äußerst schwere Eheverfehlung gesetzt. Selbst wenn sich im Zuge des Verfahrens herausstellen sollte, daß darin keine schwere Eheverfehlung der Beklagten erblickt werden könnte, weil er ihr etwa durch sein Verhalten dazu Anlaß gegeben hätte, so müßte sein diesbezügliches Verhalten erst recht als schwere Eheverfehlung angesehen werden, da das Verhalten der Beklagten sonst nicht entschuldbar wäre. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Rekursausführungen lassen erkennen, daß der Kläger die vom Berufungsgericht im Sinne der im Jud. 57 (neu) zum Ausdruck gebrachten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretene Ansicht über die rechtlichen Wirkungen der bloß den Ausspruch über das Verschulden der Eheleute bekämpfenden Berufung in jenen Fällen, in denen die Ehe - wie hier - unter Ausklammerung jeglichen Verschuldens der Ehegatten an der Scheidung der Ehe nach § 49 EheG geschieden wird, in Wahrheit gar nicht bekämpft, er vielmehr im Sinne dieser Rechtsprechung nur meint, der Ausspruch über die Scheidung der Ehe sei in Rechtskraft erwachsen, weil das Berufungsgericht auf Grund der Aktenlage zu Unrecht in Zweifel gezogen habe, ob einer der beiden Parteien überhaupt ein Verschulden im Sinne des § 49 EheG anzulasten sei und ob damit die Voraussetzungen für die von beiden Teilen angestrebte Ehescheidung gegeben seien. Der Rekurswerber übersieht dabei, daß der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, es ihm daher verwehrt ist, der Ansicht des Berufungsgerichtes, die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen reichten zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung der Frage, ob die Beklagte oder den Widerbeklagten ein Verschulden an der Scheidung treffe, nicht aus, entgegenzutreten. Das Berufungsgericht hat die Ausführungen des Erstgerichtes zur Frage des Scheidungsverschuldens der Streitteile wiedergegeben und zum Ausdruck gebracht, daß der Hinweis des Erstgerichtes auf die "Summe der" - gar nicht festgestellten - "Verhaltensweisen der Parteien, die zur endgültigen Beendigung der ehelichen Gemeinschaft geführt haben", zu allgemein gehalten seien, um dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Verschuldensausspruches zu ermöglichen. Unter diesen Umständen ist auch aus dem Hinweis des Rekurswerbers auf die zur Frage der Rechtswidrigkeit der gesonderten Wohnungsnahme der Beklagten ergangenen Entscheidung (vgl. 3 Ob 680/82) nichts zu gewinnen, weil die festgestellte Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens der Beklagten allein im Hinblick auf die dem Kläger in der Widerklage vorgeworfenen Eheverfehlungen zur Beurteilung des Vorliegens einer schweren Eheverfehlung der Beklagten oder einer solchen des Klägers als Widerbeklagten im Sinne des § 49 EheG nicht ausreicht. Mangels geeigneter Feststellungen der Vorinstanzen stellen auch die vom Rekurswerber diesbezüglich angestellten Überlegungen über ein Verschulden der Beklagten oder sein eigenes Verschulden an der Scheidung der Ehe keine taugliche Entscheidungsgrundlage dar.

Da das Gericht zweiter Instanz die Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Frage, ob einer der Ehegatten im Sinne der geltend gemachten Scheidungsgründe jedenfalls eine schwere Eheverfehlung begangen hat, als notwendig erachtet hat und dabei im Hinblick darauf, daß das Erstgericht die Verschuldensfrage bei Fällung seines Teilurteiles völlig ausgeklammert hat, zutreffend - im Sinne des Jud. 57 neu - von der mangelnden Rechtskraft des Ausspruches des Erstgerichtes über die Scheidung der Ehe der Streitteile selbst ausgegangen ist, erweist sich der Rekurs des Klägers als unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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