European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00071.85.1218.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Graz mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil durch die erforderlichen Aussprüche nach § 500 Abs. 2 Z 2 bzw. 3 ZPO und allenfalls nach § 500 Abs. 3 ZPO hinsichtlich aller drei dem Klagebegehren zugrundeliegenden Ansprüche zu ergänzen.
Begründung:
A*, ein Dienstnehmer der Firma S*gesellschaft mbH, verschuldete als Lenker eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kombikraftwagens dieser Baugesellschaft am 6. 7. 1981 auf der E*straße bei W* allein einen Verkehrsunfall, indem er gegen einen von N* gelenkten und bei der Klägerin haftpflichtversicherten LKW‑Zug des J* stieß. Die im Kombi mitfahrenden Arbeitskollegen M*s I*, F* und A*, allesamt Dienstnehmer der Firma S*, wurden hiebei verletzt. Sie machten ihre Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin als Haftpflichtversicherer des LKW‑Zuges klagsweise geltend, und diese bezahlte auf Grund von Urteilen des KG Leoben: An I* (9 Cg 479/82) S 40.000,‑‑ Kapital, S 1.894,16 Zinsen und S 15.381,77 Prozeßkosten; an F* (9 Cg 478/82) S 52.500,‑‑ Kapital, S 2.328,‑‑ Zinsen und S 19.374,84 Prozeßkosten; an A* (9 Cg 480/82) S 154.000,‑‑ Kapital, S 8.295,47 Zinsen und S 38.046,76 Prozeßkosten. A* erwirkte gegen die Klägerin auch ein Urteil auf Feststellung der Haftung für seine künftigen Unfallsschäden im Rahmen des Versicherungsvertrages über den LKW‑Zug.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Rückersatz dieser Beträge und der ihr selbst in den drei Verfahren erwachsenen Prozeßkosten von S 70.996,‑‑ im Gesamtbetrag von S 402.617,‑‑ s.A. (rechnerisch richtig S 402.817,‑‑) sowie im Hinblick auf das von K* erwirkte Feststellungsurteil die Feststellung, daß ihr die Beklagte im Rahmen des hinsichtlich des Kombifahrzeuges abgeschlossenen Versicherungsvertrages „für alle Schäden aus dem Unfallsereignis vom 6. 7. 1981 hafte und ersatzpflichtig sei“. Sie habe unabhängig vom Verschulden am Zustandekommen des Unfalles für diese Schäden im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des EKHG gehaftet und stütze ihren Anspruch auf diese Bestimmungen (§ 11 EKHG) sowie auf die des ABGB und des KFG, hilfsweise auf § 1042 ABGB und auf den Titel der Bereicherung.
Die Beklagte wendete ein, daß ihr der Haftungsausschluß nach § 333 Abs. 1 und 4 ASVG zustatten käme, da der Lenker des Kombifahrzeuges A* gegenüber den Verletzten „Aufseher im Betrieb“ gewesen sei. Er habe seine verletzten Arbeitskollegen auf Grund dienstlicher Weisung im Firmenfahrzeug befördert, sei ihnen gegenüber als Vorarbeiter übergeordnet und weisungsberechtigt gewesen und habe für die ordnungsgemäße Ablieferung der Arbeiter an den Baustellen die Verantwortung getragen. Für die Leistungen sei er auch zusätzlich entlohnt worden. Überdies wäre die Klägerin zu Leistungen an die Verletzte nicht verpflichtet gewesen, da den LKW‑Lenker kein Verschulden getroffen und er auch jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt angewendet habe. Die begehrten Zinsen und Prozeßkosten seien überhaupt nicht regreßfähig.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren hinsichtlich eines Betrages von S 389.387,84 s.A. und dem Feststellungsbegehren statt und wies das Mehrbegehren von S 13.229,16 s.A. sowie ein Zinsenmehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten insoweit teilweise Folge, als es sie nur zur Zahlung von S 352.108,40 s.A. verurteilte und ein Mehrbegehren von S 50.508.86 s.A. (inklusive einem unangefochten gebliebenen Teil) abwies. Den Feststellungsausspruch des Erstgerichtes bestätigte das Gericht zweiter Instanz. Es sprach außerdem aus, daß die Revision gegen den abändernden Teil der Entscheidung (S 37.279,60 s.A.) zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin und der Beklagten je aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO. Die Klägerin beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß ihr statt S 352.108,14 s.A. S 389.387,84 s.A. zugesprochen werden. Die Beklagte stellte ihren Abänderungsantrag dahin, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.
In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Auf diese Rechtsmittel ist derzeit meritorisch noch nicht einzugehen, weil das Berufungsgericht vorerst aus nachstehenden Gründen seinen Urteilsspruch zu ergänzen hat:
Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision sind nach Lehre und ständiger Rechtsprechung mehrere, wie hier in einer Klage geltend gemachte Ansprüche unter der Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 ZPO zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (Fasching Kommentar IV 282 und Lehrbuch Rdz. 1831; Jud. 56 neu = SZ 24/335 uva.). Trifft dies nicht zu, dann muß die Revisionszulässigkeit hinsichtlich jedes einzelnen Anspruches gesondert beurteilt werden. Dabei reicht nicht jede Verknüpfung zweier Sachverhaltsbilder schlechthin aus, um die Zusammenrechnung von Ansprüchen nach § 55 JN zu bewirken. Während der rechtliche Zusammenhang von Ansprüchen dann zu bejahen ist, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer einheitlichen Rechtsvorschrift abgeleitet werden, ist der tatsächliche Zusammenhang zu bejahen, wenn die Ansprüche zwar nach verschiedenen rechtlichen Kriterien, aber aus ein und demselben Sachverhalt ableitbar sind, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (siehe dazu Fasching Kommentar I 344 ff; 6 Ob 221/60; EvBl. 1969/163; 1 Ob 103/70; 1 Ob 554/81; 2 Ob 64/84; 8 Ob 540/85 ua.). Nach ständiger Rechtsprechung sind Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis nicht zusammenzurechnen, weil es sich bei ihnen nur um formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO handelt (ZVR 1972/135; ZVR 1973/194 uva.). Auch wenn die Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis durch Zession auf einen Kläger übergehen, sind sie nicht zusammenzurechnen. Tritt ein Sozialversicherungsträger, der an mehrere bei einem Unfall verletzte Personen Leistungen erbracht hat und dafür mit einer einheitlichen Klage Ersatz begehrt, als Legalzessionar auf, so werden die von den einzelnen Versicherten auf ihn übergegangenen Ansprüche bei der Beurteilung der Revisionszulässigkeit nicht zusammengerechnet (zuletzt JBl. 1985, 111 mit weiteren Nachweisen, vgl. auch 8 Ob 540/85 ua.). Das gleiche muß aber auch hier gelten, wenn der Haftpflichtversicherer auf Grund von Zahlungen an verschiedene Geschädigte, mit denen er überdies jeweils gesonderte Prozesse führte, nunmehr den schuldigen Kraftfahrzeuglenker bzw. dessen Haftpflichtversicherer auf Rückersatz in Anspruch nimmt. Die prozessuale Lage ist hier nicht anders, als ob diese Forderungen von den ursprünglichen Berechtigten geltend gemacht worden wären (Arb. 7295; 1 Ob 45/83; 2 Ob 197/83; 1 Ob 637/84 ua.). Es muß daher im vorliegenden Fall die Revisionszulässigkeit hinsichtlich eines jeden der oben angeführten, bloß rechnerisch zusammengezogenen Ansprüche, beurteilt werden.
Nach der sich aus dem Berufungsurteils S 3/4 ergebenden Sachlage liegen sämtliche Leistungsansprüche, die die Klägerin von H*, R* und K* ableitet – selbst wenn man die ihr in den Verfahren gegen die drei genannten erwachsenen Prozeßkosten von global geltend gemachten S 70.996,‑‑ dem höchsten Anspruch (K* S 200.342,23) zuordnete – unter S 300.000,‑‑.
Da aber der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestand (siehe Feststellungsbegehren), wird das Gericht zweiter Instanz – das bisher lediglich einen Ausspruch nach § 500 Abs. 3 hinsichtlich des zwei Ansprüche betreffenden abändernden Teiles machte – hinsichtlich aller drei dem Klagebegehren zugrundeliegenden Ansprüche auch Aussprüche im Sinne des § 500 Abs. 2 Z 2 bzw. 3 ZPO zu fassen haben. Danach wird sich ergeben, ob weitere Aussprüche nach § 500 Abs. 3 ZPO erforderlich sind. Als Richtlinie hat dabei im Sinne der obigen Ausführungen zu dienen, daß jeder bezogene Anspruchsteil im Sinne der hiefür maßgeblichen Bewertungsvorschriften gesondert zu behandeln ist. Somit allenfalls eine Revision im dargestellten Belang nicht für zulässig erklärt werden sollte, wird die angebrachte Revision zur erforderlichen Ergänzung iS des § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO zu übermitteln sein.
Da das Berufungsgericht die entsprechenden Aussprüche unterlassen hat, ist ihm seine Nachholung durch Berichtigung (Ergänzung) des Spruches seiner Entscheidung und durch Nachtrag der erforderlichen Begründung aufzutragen (1 Ob 731/83; 8 Ob 505/84; 8 Ob 535, 536/84 uza.).
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