European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00068.85.1127.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 1.305,48 (darin Barauslagen von S 203,14 und Umsatzsteuer von S 100,25) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 27. 8. 1981 ereignete sich gegen 19 Uhr auf der Bundesstraße 137 bei Km 12,8 (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem Wilhelm M* als Lenker des Mopeds des Klägers mit dem Kennzeichen O * und die Erstbeklagte als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen O * beteiligt waren. Der Zweitbeklagte ist der Halter, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die in Richtung Wels fahrende Erstbeklagte kollidierte mit dem von ihr gelenkten Fahrzeug im Zuge eines Überholmanövers mit dem entgegenkommenden Moped, dessen Lenker nach links abzubiegen beabsichtigte. Dabei wurde der am Soziussitz seines Mopeds mitfahrende Kläger schwer verletzt; sein Fahrzeug wurde beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurden in dem zu 1 U 474/81 des Bezirksgerichtes Wels durchgeführten Strafverfahren Wilhelm M* und die Erstbeklagte rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 (1. Fall) StGB schuldig erkannt. M* wurde zur Last gelegt, daß er im Zuge eines Abbiegemanövers vorerst über der Fahrbahnmitte auf der Gegenfahrbahn gefahren sei; der Erstbeklagten wurde angelastet, daß sie im Zuge eines Überholmanövers mit überhöhter Geschwindigkeit über die Fahrbahnmitte geraten sei. In diesem Strafverfahren wurde die Erstbeklagte verurteilt, dem Kläger, der sich als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, einen Betrag von S 2.000,‑‑ an Schmerzengeld zu bezahlen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 760.530,‑‑ s.A.; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren, wobei die Drittbeklagte nur im Rahmen des den PKW des Zweitbeklagten betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages zu haften habe. Das Leistungsbegehren des Klägers umfaßt unter anderem den Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 478.000,‑‑ (dabei wurde der im Strafverfahren erfolgte Zuspruch von S 2.000,‑‑ berücksichtigt) und einer Verunstaltungsentschädigung von S 140.000,‑‑. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß die Erstbeklagte den Unfall allein verschuldet habe. Sie habe im Zuge eines von ihr durchgeführten Überholmanövers mit überhöhter Geschwindigkeit die Fahrbahnmitte überfahren und dabei das entgegenkommende Moped übersehen. Der Kläger habe bei dem Unfall so schwere Verletzungen erlitten, daß er Anspruch auf ein Schmerzengeld von insgesamt S 480.000,‑‑ habe. Er sei durch die Unfallverletzungen (traumatische Amputation des linken Oberschenkels) verunstaltet worden; diese Verunstaltung behindere sein besseres Fortkommen.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Lenker des Mopeds des Klägers, der trotz Gegenverkehrs nach links zu einer Tankstelle abgebogen und dabei auf die linke Fahrbahnhälfte gefahren sei. Die Höhe des vom Kläger verlangten Schmerzengeldes und der von ihm geforderten Verunstaltungsentschädigung wurde bestritten. Sein Feststellungsinteresse ist unbestritten.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 470.822,50 s.A. und gab dem Feststellungsbegehren des Klägers in Ansehung von drei Vierteln seiner künftigen Unfallschäden statt; das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 289.707,50 s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren wies es ab. Bei dieser Entscheidung ging das Erstgericht von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten aus; es erachtete ein Schmerzengeld von (insgesamt) S 350.000,‑‑ und eine Verunstaltungsentschädigung von S 140.000,‑‑ als angemessen.
Dieses Urteil wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers keine Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes, die es in Ansehung des Feststellungsbegehrens bestätigte, in Ansehung des Leistungsbegehrens dahin ab, daß es dem Kläger nur einen Betrag von S 428.822,50 s.A. zusprach und sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 331.707,50 s.A. gerichtetes Leistungsmehrbegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung eine Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommene Schadensteilung und die Bemessung der Verunstaltungsentschädigung des Klägers mit S 140.000,‑‑; es erachtete aber nur ein Schmerzengeld von S 320.000,‑‑ für angemessen. Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß im Rahmen seiner abändernden Entscheidung keine Rechtsfrage zu klären gewesen seien, die über den vorliegenden Fall hinaus Bedeutung hätten.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile. Der Kläger bekämpft es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihm ein weiterer Betrag von S 243.607,50 s.A. zugesprochen und seinem Feststellungsbegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus den gleichen Revisionsgründen mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Kläger nur ein Betrag von S 205.215,‑‑ s.A. zugesprochen und seinem Feststellungsbegehren nur in Ansehung von 50 % seiner künftigen Schäden stattgegeben, sein Mehrbegehren aber abgewiesen werde; hilfsweise stellen auch sie einen Aufhebungsantrag.
Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben.
Vorwegzunehmen ist, daß beide Revisionen im vollen Umfang und ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig sind, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 300.000,‑‑ übersteigt. Dieser Wert ist jener des gesamten Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, gleichgültig, ob diese Entscheidung zur Gänze oder zum Teil bestätigend oder abändernd oder zum Teil auch aufhebend ist (Petrasch in ÖJZ 1983, 173, 175; Fasching Lehrbuch Rdz. 1880). Da somit die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO jedenfalls zulässig ist, hatte das Berufungsgericht auch nicht auszusprechen, ob die Revision gegen einen Teil seines Urteiles nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist (§ 500 Abs. 3 ZPO). Der im vorliegenden Fall erfolgte Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung nicht zulässig sei, war daher verfehlt und ist als nicht beigesetzt anzusehen (Petrasch in ÖJZ 1983, 201).
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind nicht berechtigt.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Schadensteilung und die Angemessenheit der Ansprüche des Klägers auf Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung.
Diesbezüglich gingen die Vorinstanzen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Fahrbahn der Bundesstraße 137 ist an der Unfallstelle 12,5 m breit; die Fahrbahnmitte ist 6,25 m von beiden Fahrbahnrändern entfernt. Durch Leitlinien sind 4 Fahrstreifen gekennzeichnet, die eine Breite von je 3,1 m haben.
Die Erstbeklagte überholte mit einer Geschwindigkeit von 115 km/h einen auf der rechten Fahrspur fahrenden LKW, dessen linke Begrenzung 10 cm von der Leitlinie zwischen der ersten und der zweiten in Richtung Wels führenden Fahrspur entfernt war. Sie hielt dabei einen Seitenabstand von 2,35 m zum LKW ein, sodaß sie mindestens 74 cm über die Fahrbahnmitte geriet; die rechte Begrenzung des PKW war 90 cm von der Fahrbahnmitte entfernt.
Wilhelm M* fuhr ursprünglich auf seinem rechten Fahrstreifen in Richtung Grieskirchen, wobei im näheren Bereich vor ihm kein LKW fuhr, der die Sicht der Erstbeklagten auf das Moped bzw. die Sicht des M* auf den PKW behindert hätte. Kurz vor der Unfallstelle fuhr M*, weil er nach links zur Tankstelle zufahren wollte, ohne ein Handzeichen und ohne zu blinken in einem Winkel von 10 bis 15 Grad nach links über den zweiten Fahrstreifen und kam ca. 0,5 m über die Fahrbahnmitte. In dieser Position fuhr er mit der von ihm nach wie vor eingehaltenen Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h über eine Strecke von 25 ‑ 37,5 m in einer Zeitspanne von 2 bis 3 Sekunden. 1,5 bis 2 Sekunden vor dem Zusammenstoß (20 bis 25 m vor der Unfallstelle) lenkte er wieder auf die rechte Straßenseite zurück. Bis zum Zusammenstoß gelang ihm ein Seitenversatz nach rechts von ca. einer halben PKW‑Breite; im Zusammenstoßzeitpunkt war M* somit wieder rechts von der Fahrbahnmitte. Bei der Kollision hielt M* nach wie vor eine Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h ein; seine Reaktion bestand somit nur in einem Zurücklenken nach rechts und nicht auch in einer Bremsung. Die Erstbeklagte leitete als Abwehrhandlung nur eine Bremsung ein; sie reagierte auf diese Weise 2,2 Sekunden vor dem Zusammenstoß (62 m vor der Zusammenstoßstelle). Beim Zusammenstoß hatte sie eine Restgeschwindigkeit von 85 km/h. Wenn sich eines der beiden Fahrzeuge nur 25 cm weiter rechts befunden hätte, wäre es zu keiner Kontaktnahme mehr gekommen. Wenn die Erstbeklagte nur eine Geschwindigkeit von 100 km/h eingehalten hätte, wäre es zu keiner oder zu einer leichteren Kollision (Kollision mit leichteren Folgen) gekommen.
Bei diesem Unfall erlitt der am Soziussitz seines Mopeds mitfahrende Kläger eine traumatische Amputation des linken Beines im Oberschenkelbereich, eine Zerreißung der Schamfuge und des linken Kreuzdarmbeingelenks und einen schweren Unfallschock. Die Verletzung war vorübergehend lebensbedrohlich. Der Kläger wurde nach dem Unfall in die Unfallabteilung des Krankenhauses Wels gebracht, wo sofort mit der Schockbekämpfung begonnen wurde. Das traumatisch amputierte linke Bein konnte nicht wieder angenäht werden, weil es gequetscht war und die Weichteilwunden zu ausgedehnt waren. Nach Beherrschung des schweren Unfallschocks wurde der Kläger operiert; der linke Oberschenkel wurde etwa in Schaftmitte nachamputiert. Die Operationswunden wurden drainiert; zur Flüssigkeitsbilanzierung wurden ein Venen‑ und ein Blasenkatheder eingebracht. Zur weiteren Behandlung wurde der Kläger auf die Intensivpflegestation gelegt, wo er auch einen Beckengürtel angelegt erhielt. Der Kläger wurde auch noch gegen Wundstarrkrampf schutzgeimpft und erhielt dann während seines Aufenthaltes in der Intensivpflegestation Infusionen und Transfusionen; er musste mehrmals erbrechen. Nach Besserung des Allgemeinbefindens und Aufhören des Erbrechens wurde er am 29. 8. 1981 auf die Normalstation verlegt, wo am 31. 8. 1981 die Drainagen entfernt wurden. Zur weiteren Behandlung der Beckenverletzung erhielt er (wiederum) einen Beckengürtel angelegt. Nach reaktionsloser Wundheilung wurden die Hautnähte am Stumpf am 16. 9. 1981 entfernt; dann wurde mit der Mobilisierung des Klägers begonnen. Er wurde mit Stützkrücken mobilisiert und am 29. 10. 1981 in häusliche Pflege entlassen. Am 13. 11. 1981 und 3. 12. 1981 erfolgten noch ambulante Kontrollen in der Unfallabteilung des Krankenhauses Wels. Am 9. 12. 1981 wurde der Kläger zur weiteren Mobilisierung und Rehabilitation im Rehabilitationszentrum S* bei K* stationär aufgenommen. Dort hielt er sich ‑ mit Ausnahme einer Unterbrechung vom 27. 12. 1981 bis 7. 1. 1982 ‑ bis 15. 4. 1982 auf. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes in diesem Rehabilitationszentrum wurde der Kläger mit einem Oberschenkelkunstbein versorgt. Bei der Entlassung aus dem Rehabilitationszentrum wurde der Kläger arbeitsfähig geschrieben; er konnte jedoch seine zum Unfallzeitpunkt ausgeübte berufliche Tätigkeit als Maschinenschlosserlehrling nicht wieder aufnehmen, sondern mußte sich im berufsbildenden Rehabilitationszentrum in Linz einer Umschulung (Elektromechaniker für Schwachstrom) unterziehen.
Der Kläger litt und leidet nach wie vor relativ häufig an Phantomschmerzen; außerdem klagt er über eine schwere Behinderung durch den Teilverlust des linken Beines. Bei weiterhin normalem Heilungsverlauf werden die Schmerzen (Phantomschmerzen) spätestens 5 Jahre nach der Amputation aufhören. In geraffter Darstellung hat der Kläger folgende Schmerzen erlitten bzw. wird er noch folgende überschaubare Schmerzen erleiden: Sehr starke Schmerzen durch 1 ‑ 2 Tage, starke Schmerzen durch 2 ‑ 3 Wochen, mittlere Schmerzen durch 8 ‑ 10 Wochen und leichte Schmerzen durch 5 ‑ 6 Monate. Dazu kommen noch gelegentliche leichte Schmerzen, die auf ein Wundreiben der Haut des Beinstumpfes durch die Prothese zurückzuführen sind; dieses Wundwerden des Beinstumpfes tritt manchmal auf, obwohl die Beinprothese an sich gut paßt.
Objektiv besteht eine Bewegungseinschränkung der linken Hüfte und eine deutliche Muskelschwäche des Oberschenkelstumpfes gegenüber dem unverletzten rechten Bein; weiters besteht auch eine mäßige Durchblutungsstörung des Stumpfes. Dauerfolgen sind gegeben; es liegt für dauernd eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 % vor. Spätfolgen sind möglich; es kann zum Auftreten eines Überlastungsschadens an der Wirbelsäule kommen oder zu Sekundärschäden durch Prothesendruck. Außerdem sind Spätfolgen im Zusammenhang mit der Beckenverletzung möglich, da die linke Beckenhälfte mit Verschiebung gegenüber der rechten Beckenhälfte geheilt ist.
Diese Unfallsfolgen stellen für den Kläger, bei dem es sich um einen jungen Mann handelt, eine Verunstaltung dar. Es gelingt zwar dem Kläger, mit der Beinprothese annähernd normal zu gehen; dabei ist aber dennoch deutlich zu bemerken, daß er behindert ist. Der am 21. 2. 1964 geborene Kläger, der unverheiratet ist, kann einige Sportarten, die er früher ausgeübt hat, nicht mehr betreiben, so z.B. Radfahren, Skatebordfahren und Laufen. Auch bringt es Probleme mit sich, wenn er zum Tanz geht. Neben der erkennbaren Entstellung durch den Verlust des linken Beines sind auch mit diesen verschiedenartigen Auswirkungen des Verlustes des linken Beines schwere psychische Beeinträchtigungen für den Kläger verbunden.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß sich der Kläger als Halter des Mopeds ein den Lenker seines Fahrzeuges treffendes Mitverschulden anrechnen lassen müsse. Das Verschulden der Erstbeklagten bestehe in einem Verstoß gegen § 7 Abs. 2 StVO bzw. gegen § 20 Abs. 2 StVO. Das Verschulden des M* bestehe darin, daß er dadurch gegen § 12 Abs. 1 StVO verstoßen habe, daß er ‑ vorübergehend ‑ ebenfalls über die Fahrbahnmitte gefahren sei. Auch eine geringfügige Überschreitung der für Motorfahrräder zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei ihm anzulasten. Außerdem hätten beide Fahrzeuglenker verspätet reagiert. Bei der Abwägung des Mitverschuldens des Beteiligten sei es von besonderer Bedeutung, daß im Kollisionszeitpunkt nur die Erstbeklagte über der Fahrbahnmitte gewesen sei, nicht aber M*. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes erscheine eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten angebracht. Im Hinblick auf die Verletzungsfolgen erscheine ein Schmerzengeld von S 350.000,-- angemessen; die Verunstaltungsentschädigung sei in der vom Kläger begehrten Höhe von S 140.000,‑‑ angemessen.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich im wesentlichen aus, das Überfahren der Mittellinie um einen halben Meter durch den Mopedlenker stehe in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Kollision und könne nicht vom unmittelbar darauf folgenden Geschehen getrennt werden. Diese Fahrweise habe selbst für einen aufmerksamen entgegenkommenden Lenker verwirrend und geradezu die gefährliche Situation provozierend wirken müssen. Bei ordnungsgemäßer Fahrweise hätte der Mopedlenker ein weiteres Zur‑Mitte‑Lenken im Hinblick auf den entgegenkommenden PKW der Erstbeklagten vermeiden müssen. Das Gewicht dieses Fahrfehlers sei sowohl in einer Verletzung der Vorschrift des § 12 Abs. 1 StVO als auch des § 19 Abs. 5 StVO zu sehen.
Die Erstbeklagte habe unter Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit den Überholvorgang auch mit nur mangelhafter Beobachtung des Gegenverkehrs durchgeführt. Im Unfallbereich sei jederzeit mit schnellem Gegen‑ und Überholverkehr zu rechnen gewesen. Der von der Erstbeklagten zum überholten LKW eingehaltene Abstand vom 2,35 m sei überhöht, zumal die Erstbeklagte damit 74 cm über die Mittellinie auf die Gegenfahrbahn geraten sei, wodurch die Gefahrensituation für den Gegenverkehr bedeutend erhöht worden sei. Die Erstbeklagte hätte die zweite Fahrspur beibehalten müssen und die Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten dürfen. Eine solche Fahrweise hätte den Unfall verhindert, denn M* habe immerhin das Moped wieder auf seine Fahrbahnhälfte zurückgelenkt. Hingegen habe die Erstbeklagte mit ihrer verspäteten Reaktion nur eine Geschwindigkeitsreduktion auf 85 km/h zustandegebracht, sodaß es zum Anstoß links der Fahrbahnmitte gekommen sei. Es liege daher eindeutig das überwiegende Verschulden bei der Erstbeklagten; die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensaufteilung sei zu billigen.
Das vom Erstgericht für angemessen erachtete Schmerzengeld von S 350.000,‑‑ sei etwas überhöht; dem Kläger stehe nur ein Schmerzengeldanspruch von S 320.000,‑‑ zu. Die Verunstaltungsentschädigung habe das Erstgericht zutreffend mit S 140.000,‑‑ ausgemessen.
I) Zur Schadensteilung:
Der nur in diesem Zusammenhang in den Rechtsmitteln beider Streitteile geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Der Kläger versucht in seinem Rechtsmittel darzutun, daß das dem Lenker seines Mopeds anzulastende Verschulden gegenüber dem der Erstbeklagten anzulastenden Fehlverhalten derart in den Hintergrund trete, daß es zu vernachlässigen sei. Dem gegenüber stellen sich die Beklagten in ihrer Rechtsrüge auf den Standpunkt, daß, wenn man schon nicht von einem überwiegenden Mitverschulden des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers ausgehe, das Verschulden beider am Unfall beteiligter Lenker als gleich schwerwiegend beurteilt werden müsse.
Beidem kann nicht gefolgt werden.
Vorwegzunehmen ist, daß sich der Kläger als Halter des Mopeds bei seinem Ersatzanspruch gegen die Beklagten ein Mitverschulden des Lenkers seines Fahrzeuges anrechnen lassen muß (JBl. 1956, 621; ZVR 1958/180 ua.).
Nach ständiger Rechtsprechung bildet eine zahlenmäßige Gegenüberstellung der jedem an einem Unfall Beteiligten anzulastenden Verstöße gegen Verkehrsvorschriften keine brauchbare Grundlage für die Verschuldensteilung. Entscheidend ist vielmehr die Wichtigkeit der verletzten Verkehrsvorschriften für den Straßenverkehr im allgemeinen und im konkreten Fall sowie das Ausmaß des Verschuldens und der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers (ZVR 1982/257; ZVR 1983/235; ZVR 1984/31 uva.).
Im vorliegenden Fall ist dem Lenker des Mopeds des Klägers sicher anzulasten, daß sein vor dem beabsichtigten Linksabbiegen durchgeführtes Einordnungsmanöver nicht der Vorschrift des § 12 Abs. 1 StVO entsprach, weil er dabei die Fahrbahnmitte überfuhr. Die Kausalität dieses Fehlverhaltens für den eingetretenen Unfall kann im Hinblick auf die Vorschrift des § 268 ZPO infolge der strafgerichtlichen Verurteilung des M* nicht in Frage gestellt werden. Hingegen liegt eine dem Lenker des Mopeds anzulastende Vorrangverletzung im Sinne des § 19 Abs. 5 StVO nicht vor, weil er bis zur Kollision nicht nach links einbog, sondern sich noch in Geradeausfahrt und damit im Verhältnis zur Erstbeklagten immer noch im Begegnungsverkehr befand. Eine allfällige andere rechtliche Beurteilung durch das Strafgericht bindet den Zivilrichter nicht (SZ 55/154 ua.).
Seiner aus § 10 Abs. 1 StVO abzuleitenden Verpflichtung, einem entgegenkommenden Fahrzeug rechtzeitig und ausreichend nach rechts auszuweichen, ist M* nicht nachgekommen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die festgestellte Fahrweise des M* auch für einen aufmerksamen entgegenkommenden Fahrzeuglenker verwirrend wirken mußte und damit in hohem Maße geeignet war, eine gefährliche Situation zu provozieren. Unter diesen Umständen kommt dem festgestellten schuldhaften Fehlverhalten des Lenkers des Mopeds des Klägers aber jedenfalls solches Gewicht zu, daß es bei der Beurteilung der gegenseitigen Ersatzpflicht nicht vernachlässigt werden kann.
Die Erstbeklagte hat ihr Überholmanöver entgegen der Vorschrift des § 16 Abs. 1 lit. a StVO unter Gefährdung entgegenkommender Straßenbenützer durchgeführt, wobei sie die Fahrbahnmitte beträchtlich überfuhr. Ihr zum überholten LKW eingehaltener Sicherheitsabstand entsprach nicht der Vorschrift des § 15 Abs. 4 StVO. Denn auch beim Überholen darf der Seitenabstand das nach dieser Gesetzesstelle erforderliche Ausmaß nicht überschreiten, weil der Überholende an die Grundregel des § 7 StVO gebunden bleibt (ZVR 1978/274). Auch die Erstbeklagte kam ihrer aus § 10 Abs. 1 StVO abzuleitenden Verpflichtung, dem entgegenkommenden Moped rechtzeitig und ausreichend nach rechts auszuweichen, nicht nach. Zieht man dazu noch in Betracht, daß die Erstbeklagte ihr Überholmanöver mit einer der Vorschrift des § 20 Abs. 2 StVO widersprechenden Geschwindigkeit durchführte und schließlich mit dem entgegenkommenden Moped auf der diesem Fahrzeug zukommenden Fahrbahnhälfte zusammenstieß, dann kann bei Gegenüberstellung des dargestellten Fehlverhaltens beider Beteiligter kein Zweifel daran bestehen, daß das der Erstbeklagten anzulastende Fehlverhalten das des Mopedlenkers M* bei weitem überwiegt. Unter diesen Umständen ist in der von den Vorinstanzen vorgenommenen Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.
II) Zur Höhe des Schmerzengeldes:
Hier versucht der Kläger in seiner Rechtsrüge darzutun, daß ihm ein Schmerzengeld von (ungekürzt) S 420.000,‑‑ gebühre; dem gegenüber vertreten die Beklagten die Ansicht, daß der Kläger nur Anspruch auf ein Schmerzengeld von (ungekürzt) S 250.000,‑‑ habe.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Bemessung des Schmerzengeldes der Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen des Verletzten unter Bedachtnahme auf die Dauer der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes zu berücksichtigen (ZVR 1984/319; 8 Ob 194/83; ZVR 1985/102 uva.). Im vorliegenden Fall steht im Vordergrund, daß der Kläger bei dem Unfall zwar eine schwere und zunächst lebensbedrohende Verletzung erlitten hat, die zu schwerwiegenden Dauerfolgen (Amputation des linken Beines im Oberschenkelbereich) führte, dass aber andererseits die Heilung dieser Verletzungsfolgen in erfreulicher Weise komplikationslos erfolgte und die verbleibenden Folgen im Vergleich zu anderen Fällen nicht als außergewöhnlich schwerwiegend bezeichnet werden müssen. Geht man unter diesen Umständen vom Gesamtbild der von den Vorinstanzen festgestellten Verletzungsfolgen aus und berücksichtigt man Grad und Ausmaß der vom Kläger zu erduldenden Schmerzen und seiner bleibenden gesundheitlichen Beeinträchtigung, dann kann unter Bedachtnahme auf Schmerzengeldzusprüche in anderen Fällen (ZVR 1984/266; 8 Ob 34/85) in der Schmerzengeldbemessung des Berufungsgerichtes ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden.
III) Zur Höhe der Verunstaltungsentschädigung:
Die Beklagten führen in ihrer Rechtsrüge aus, daß dem Kläger nur eine Verunstaltungsentschädigung von (ungekürzt) S 50.000,‑‑ gebühre.
Maßgebend für die Höhe der Entschädigung nach § 1326 ABGB ist das Ausmaß der Entstellung des Verletzten und die Größe der Wahrscheinlichkeit der durch die Verunstaltung bedingten Behinderung seines besseren Fortkommens (8 Ob 209/82; 8 Ob 200/83; 8 Ob 11/85 uva.). Im vorliegenden Fall kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Verunstaltung des Klägers durch die Unfallsfolgen (Verlust des linken Beines) als schwerwiegend angesehen werden muß und daß diese Verunstaltung zumindest eine erhebliche Minderung der Heiratschancen des unverheirateten Klägers bewirkt. Auch hier kann unter Bedachtnahme auf Zusprüche in anderen Fällen (2 Ob 183/83) in der Bemessung der dem Kläger zustehenden Verunstaltungsentschädigung durch die Vorinstanzen ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden.
Es mußte daher beiden Revisionen ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kosten ihrer erfolglosen Revisionen haben beide Streitteile selbst zu tragen. Im Hinblick auf den von beiden Rechtsmitteln betroffenen unterschiedlichen Streitwert gebührt den Beklagten die Differenz der Kosten der erstatteten Revisionsbeantwortungen.
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