OGH 2Ob43/85

OGH2Ob43/8526.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga A, Hausfrau, 5020 Salzburg, Josef-Ressl-Straße 23, vertreten durch Dr.Norbert Ropper, Rechtsanwalt in Salzburg, als Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe, wider die beklagte Partei B C D, 5021 Salzburg, Auerspergstraße 9, vertreten durch Dr.Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, wegen S 234.791,-- s.A. und Feststellung (Streitwert S 200.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13.Mai 1985, GZ 1 R 80/85-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18.Oktober 1984, GZ 14 Cg 561/82-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 11.901,45 (darin keine Barauslagen und S 1.081,95 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12.3.1981 ereignete sich in Salzburg im Bereich der Einmündung der Schmiedingerstraße in die Münchner-Bundesstraße ein Verkehrsunfall, an dem ein Omnibus der Marke Daimler-Benz mit dem Überstellungskennzeichen S-2.730, der von Hussainshah E gelenkt wurde, sowie die Klägerin als Radfahrerin, welche dabei schwer verletzt wurde, beteiligt waren. Der genannte Omnibus war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Hussainshah E wurde vom Bezirksgericht Salzburg mit Urteil vom 13.3.1981, 29 U 652/81 rechtskräftig schuldig erkannt, er habe als Lenker dieses Omnibusses infolge einer defekten Betriebsbremse sein Fahrzeug nicht rechtzeitig anhalten können, wodurch er bei Gelblicht in den oben genannten Einmündungsbereich eingefahren sei und die Klägerin, welche die Bundesstraße mit dem Fahrrad in Richtung Schmiedingerstraße überquert habe, niedergestoßen sowie durch daraus entstandene zahlreiche Knochenbrüche, wie einen Schlüsselbeinbruch, Rippenbrüche und einen Beckenbruch fahrlässig am Körper verletzt habe.

Die Klägerin forderte zuletzt unter Anrechnung eines Mitverschuldens von einem Drittel an Schadenersatz S 234.791 und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Unfallsschäden der Klägerin im Ausmaß von zwei Drittel. Sie brachte vor, das Alleinverschulden des Lenkers des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Omnibusses sei darin begründet, daß sich der Omnibus in Bezug auf die Bremsanlage in keinem betriebssicheren Zustand befunden habe. Überdies habe der Lenker dem Straßenverkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt, sodaß er verspätet reagiert habe, wodurch es zum Zusammenstoß zwischen ihr und dem Omnibus gekommen sei. Sie habe beim Unfall einen Schädelbasisbruch, eine schwere Gehirnerschütterung und Hirnprellung mit Hirnblutungen sowie einen Bruch des linken Schlüsselbeines, einen Bruch der 3. und 4. Rippe links und einen Bruch der beiden oberen Schambeinäste sowie zahlreiche Blutergüsse erlitten. Wegen dieser Verletzungen habe sie sich vom 12.3.1981 bis 7.4.1981 in stationärer Krankenhausbehandlung und vom 13.4.1981 bis 26.6.1981 in der Rehabilitationsabteilung des Arbeitsunfallkrankenhauses Salzburg befunden. Vom 16.7.1981 bis 3.9.1981 sei ein Aufenthalt im Rehabilitationszentrum Bad Häring gefolgt. Dort sei eine Blicklähmung nach links, eine Sprachstörung sowie die Lähmung sämtlicher Extremitäten rechts und links festgestellt worden. In der Folge seien auch epileptische Anfälle aufgetreten, die einen weiteren Aufenthalt in der neurochirurgischen Abteilung in Salzburg vom 7.9.1981 bis 9.9.1981 erforderlich gemacht hätten. Unfallsbedingt leide sie an einer hirnorganischen Wesensveränderung, einer Störung der Bewegungskoordination sämtlicher Extremitäten und an einer ausgeprägten Hirnleistungsschwäche. An eine völlige Wiederherstellung des Gesundheitszustandes sei nicht zu denken. Da mit Sicherheit auch in Hinkunft auf Grund des vorliegenden Dauerschadens weitere Unfallsfolgen zu erwarten seien, sei ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden gegeben.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß die Klägerin zu 3/4 das Verschulden am streitgegenständlichen Verkehrsunfall treffe, weil sie vorerst den Anschein erweckt habe, daß sie im Begegnungsverkehr das Fahrrad schiebe und sodann, ohne auf den Vorrang des stadtauswärts fahrenden Omnibusses zu achten, schräg die Fahrbahn der Münchner Bundesstraße überquert habe. Dem Grund und der Höhe nach anerkannte die beklagte Partei unter Zugrundelegung des von ihr zu vertretenden Mitverschuldens von 1/4 einen Schmerzengeldbetrag von S 100.000,-- und einen Sachschadensbetrag von S 875,-- sowie das Feststellungsbegehren bezüglich einer Haftung der Beklagten zu 25 % hinsichtlich der künftigen Schäden. Im Umfang des anerkannten Leistungsbegehrens erging ein Anerkenntnisurteil, sodaß die Beklagte vorbrachte, der Klägerin stehe darüber hinaus kein weiterer Leistungsanspruch zu. Das Erstgericht sprach der Klägerin S 150.875 s.A. zu und stellte die Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden der Klägerin im Ausmaß von 50 % fest; das Mehrbegehren nach weiteren S

93.916 s.A. und das Feststellungsbegehren wurden abgewiesen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos; das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 60.000 und S 300.000 übersteigt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Leistungsbegehrens sowie des die Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden der Klägerin im Ausmaß von 25 % übersteigenden Feststellungsbegehrens.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Schmiedingerstraße mündet, stadtauswärts gesehen, also in Fahrtrichtung des Autobusses, von rechts unter einem Winkel von etwa 90 Grad in die Münchner-Bundesstraße ein. Die Fahrbahn des letztgenannten Straßenzuges war vor der Kreuzung mit der Schmiedingerstraße zwischen den Randsteinen 10,65 m breit. Die Münchner-Bundesstraße war als Vorrangstraße gekennzeichnet und auf mindestens 80 m vor und 80 m nach der Kreuzung übersichtlich. Die Fahrbahn der Schmiedingerstraße war etwa 4 m außerhalb der Münchner-Bundesstraße etwa 8,3 m breit. Die gegenständliche Einmündung verfügte über keine Ampelregelung. In einer Entfernung von 3,7 m nach der Einmündung der Schmiedingerstraße stadtauswärts begann in der Münchner-Bundesstraße ein 2,7 m breiter Schutzweg, für welchen eine Ampelregelung installiert war. Es handelte sich dabei um eine von den Fußgängern zu bedienende dreifache Ampelanlage. Stadtauswärts gesehen, befand sich eine Standampel rechts außerhalb des Gehsteiges und links auf dem Gehsteig; über dem Schutzweg hing etwa in Straßenmitte eine Ampel. Die Ampelanlage begann etwa 40 sec nach der Betätigung viermal grün zu blinken, leuchtete dann etwa vier Sekunden gelb und schaltete sodann auf rot um. Gleichzeitig wechselte die Ampel für den Fußgängerverkehr auf grün und verblieb ca 10 sec in dieser Stellung. Die zur Ampelregelung gehörende Haltelinie für den stadtauswärts sich bewegenden Verkehr auf der Münchner-Bundesstraße befand sich soweit vor dem Schutzweg, daß nicht nur der Schutzweg, sondern auch die Einmündung der Schmiedingerstraße in die Münchner-Bundesstraße freiblieb. Die Haltelinie war zum Unfallszeitpunkt stark abgefahren. Sie befand sich, stadtauswärts gesehen, etwa 20 m vor dem Schutzweg. In der Fortsetzung des, stadtauswärts gesehen, rechten Gehsteiges befand sich nach der Kreuzung eine etwa 2 m breite Haltestellenbucht, an die anschließend rechts der Gehsteig verlief. Zur Unfallszeit herrschte Tageslicht; es bestand keine Sichtbehinderung. Die aus Rauhasphalt bestehende Fahrbahnoberfläche war trocken. Der 9,2 m lange und 2,5 m breite Omnibus fuhr auf der Münchner-Bundesstraße stadtauswärts mit einer Geschwindigkeit von etwas über 35 km/h auf die Unfallstelle zu. Die Klägerin stand zunächst neben ihrem Fahrrad auf dem, stadtauswärts gesehen, linksseitigen Gehsteig oder am linken Fahrbahnrand. Sie schob dann das Fahrrad und stieg schließlich auf. Sie versuchte aus einer Position etwa 11 m stadteinwärts des Schutzweges die Bundesstraße leicht schräg stadtauswärts zu überqueren bzw vor dem Omnibus den rechten Fahrbahnrand zu erreichen. Die Klägerin begann etwa 4 - 5 sec vor der späteren Kollision mit dem Überqueren der Bundesstraße; zu diesem Zeitpunkt war der Omnibus noch etwa 35 - 45 m von der späteren Kontaktstelle entfernt. Sie legte im Zuge ihrer schrägen Bewegungslinie eine Wegstrecke von etwa 12 m innerhalb der Münchner-Bundesstraße zurück, davon etwa 10 - 11 m im Auffälligkeitsbereich des Omnibuslenkers. Aus der Bewegung der Klägerin war erkennbar, daß sie die Bundesstraße noch vor dem Omnibus überqueren, und nicht dessen Vorbeifahren abwarten werde.

Sie wollte möglichst rasch und in einem Zug die Überquerung vornehmen. In einer Entfernung von etwa 24 m vor der Unfallstelle bzw 2,8 sec vor der Kollision 'nahm der Lenker des Omnibusses eine Reaktionsaufforderung an' und faßte den Entschluß zur Vollbremsung. Die Klägerin benötigte für das Zurücklegen der im Auffälligkeitsbereich des Omnibuslenkers gelegenen Wegstrecke eine Zeit von etwa 3,3 - 3,7 sec. Ein Vergleich dieser Zeit mit jener, die vom Reaktionsbeginn des Lenkers bis zur Kollision vergangen ist, ergibt eine Reaktionsverspätung des Lenkers von 0,5 - 1,0 sec. In einer Entfernung von etwa 6,5 m stadteinwärts des Schutzweges kam es etwa einen Meter rechts von der Fahrbahnmitte zur Kollision zwischen der Klägerin und dem Omnibus. Im Zusammenstoßzeitpunkt betrug die Geschwindigkeit des Omnibusses etwa 15 - 20 km/h. Die Klägerin wurde mit der Frontpartie des Omnibusses bei voller Überdeckung erfaßt. Es lag 'ein Vollstoß' vor, bei dem sie samt dem Fahrrad in kürzester Zeit auf die Geschwindigkeit des Omnibusses beschleunigt wurde. Der Omnibus legte vom Augenblick der Kollision bis zum Erreichen der Endstellung noch eine Wegstrecke von 3 m zurück. Das Fahrrad befand sich in der Endlage etwa 1 m unter dem Vorderteil des Omnibusses. Der Autobus kam in einer leichten Schrägposition nach rechts zum Stillstand; er war mit der rechten vorderen Ecke 4,5 m vom Schutzweg entfernt; der Seitenabstand nach rechts betrug 0,3 m. Auf der Fahrbahn waren 2 Verzögerungsspuren sichtbar, die jeweils bis zu den Vorderrädern reichten. Die rechte Spur war 9 m, die linke 12,2 m lang. Der Omnibus befand sich bis zum Abschluß der Unfallsaufnahme durch die Polizei in der Endlage. Da bei einem Omnibus mit ordnungsgemäß funktionierender Bremseinrichtung unter den gegebenen Verhältnissen eine mittlere Bremsverzögerung von etwa 7/s 2 bei Vollbremsung erzielt werden kann, würde bei einer Geschwindigkeit von knapp über 35 km/h die Bremsstrecke 7 m betragen. Daher hätte der Omnibus bei einer ordnungsgemäß funktionierenden Bremseinrichtung ungefähr 2 vor der tatsächlichen Unfallstelle angehalten werden können. Die Kollision mit der Klägerin wäre dann unterblieben. Auch der Wegfall der Reaktionsverspätung hätte, trotz der nicht einwandfrei funktionierenden Bremseinrichtungen, zu einer Vermeidung des Unfalles geführt. Der Omnibus wurde durch den gegenständlichen Unfall nicht beschädigt, das Fahrrad verhältnismäßig leicht, insbesondere durch seine Bewegung auf der Fahrbahn unterhalb des Omnibusses.

Die Klägerin erlitt durch den Unfall einen Schädelbasisbruch links mit Flüssigkeitsaustritt aus dem linken Gehärgang, eine schwere Gehirnerschütterung und Hirnprellung mit Blutung im rechten Schläfenhirn sowie zwischen Gehirn und harter Hirnhaut rechts, einen Bruch des linken Schlüsselbeines, einen Bruch der dritten und vierten Rippe links sowie einen Bruch der oberen Schambeinäste beiderseits. Sie befand sich vom Unfallstag bis zum 23.3.1981 auf der neurochirurgischen Abteilung in stationärer Behandlung. Es wurden der Schädel geöffnet, die Blutung gestillt und Blutergüsse sowohl aus dem Gehirn als auch zwischen Hirn und Hirnhaut entfernt. Es bestand eine langanhaltende Bewußtseinsstörung und Unruhe. Vom 23.3.1981 bis 1.4.1981 befand sie sich wegen ungeklärter Bauchbeschwerden auf der Zweiten chirurgischen Abteilung. Jedoch wurde keine schwerwiegende Verletzung des Bauchraumes festgestellt. Sie war dann wieder bis 7.4.1981 auf der neurochirurgischen Abteilung und vom 13.4.1981 bis 26.6.1981 zur Rehabilitationsbehandlung im Unfallkrankenhaus in Salzburg. Dort wurden heilgymnastische sowie Bewegungsübungen und dergleichen vorgenommen. Am 15.4.1981 wurde ein Druckgeschwür am Außenknächel links versorgt und in einer weiteren Operation vom 22.4.1981 eine Hautplastik zur Abdeckung dieses Druckgeschwürs vorgenommen. Die Klägerin erhielt auch Sprechunterricht. Zur weiteren Rehabilitationsbehandlung war sie vom 16.7.1981 bis 3.9.1981 in Bad Höring. Dort stellte man eine Blicklähmung nach links, eine Sprachstörung sowie Lähmungen an sämtlichen Extremitäten fest. auch traten epileptische Anfälle auf. Vom 2.9.1981 bis 9.9.1981 war die Klägerin wieder auf der neurochirurgischen Abteilung, wo sie auf Tabletten gegen Anfälle eingestellt wurde. Eine Räntgenuntersuchung ergab einen Substanzschwund des Gehirns, links ausgeprägter als rechts. Die Klägerin litt zunächst häufig an heftigen Kopfschmerzen, insbesondere bei Wetterumschwung, und ermüdete rasch. Sie hatte Schwierigkeiten beim Gehen und Arbeiten mit den Händen. In der Folge verbesserte sich die Gehfähigkeit und die sonstige motorische Leistung mit den Armen und Händen. Im September 1981 konnte sie alle täglichen Verrichtungen selbst durchführen, jedoch wesentlich langsamer als früher, und hatte keine erheblichen Kopfschmerzen mehr. Die eingetretenen Verletzungen führten zu folgenden Dauerfolgen: Operationsnarben im Bereich der rechten Schläfe unter den Haaren, 'Geruchslosigkeit', Einschränkung des Gesichtskreises links, geringe beiderseitige neurologische Ausfälle, die eine leichte Gangstörung und eine leichte Reduzierung der Muskelkraft sämtlicher Extremitäten herbeiführen, sowie eine hirnorganische Wesensveränderung und Hirnleistungsschwäche. Eine Sprachstörung ist nicht mehr nachweisbar; die Knochenbrüche sind ohne wesentliche Dauerfolgen abgeheilt; epileptische Anfälle sind seit 1981 nicht mehr aufgetreten. Die Klägerin kann den Haushalt wieder einigermaßen versorgen, ist aber nur gering belastbar. sie muß z.B. nach 2 Stunden Arbeit rasten. Es besteht eine Neigung zu Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Die Klägerin wird nie völlig beschwerdefrei sein. Das Wiederauftreten von epileptischen Anfällen ist möglich. Die Klägerin bezieht derzeit eine Berufsunfähigkeitspension von der PVA der Angestellten sowie eine Unfallrente im Ausmaß von 70 % der Vollrente von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die unter Umständen noch reduziert werden wird. Sie ist jedenfalls um fünfzig Prozent erwerbsgemindert. Die Klägerin hatte unfallsbedingt einen Monat starke, 2 Monate mittelstarke sowie 4 - 5 Monate leichte, an Intensität abnehmende Schmerzen zu erleiden. Dabei handelt es sich um das Minimum aller bisherigen, wie auch der voraussehbaren weiteren, nur körperlichen Schmerzen in geraffter Bemessung. Einen Teil der leichten bzw abnehmenden Schmerzen wird die Klägerin voraussichtlich in der Zukunft erleiden. Darüber hinaus leidet sie an seelischen Schmerzen wegen der dramatischen Verschlechterung der allgemeinen Lebensqualität und der Behinderung im Alltag. In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zu einer Verschuldensund Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1, wobei es den von der Beklagten zu vertretenden Mitverschuldensanteil auf die Bindung an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Omnibuslenkers in Bezug auf die defekte Betriebsbremse sowie außerdem auf eine verspätete Reaktion in der Gräßenordnung von 0,5 - 1,0 Sekunden stützte und andererseits der Klägerin vorwarf, daß sie den Vorrang des im fließenden Verkehr befindlichen Omnibusses nicht beachtet habe. Für die von ihr unfallsbedingt erlittenen Verletzungen, Leiden und Schmerzen erachtete es ein Schmerzengeld von insgesamt S 500.000,-- der Höhe nach als angemessen.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. Der von der Beklagten geltend gemachte Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge wirft die Beklagte dem Berufungsgericht zunächst eine unrichtige Anwendung des § 268 ZPO vor. Damit wird aber die Verletzung einer Verfahrensvorschrift und nicht einer Vorschrift des materiellen Rechtes geltend gemacht, sodaß in diesem Umfang ein Mangel des Berufungsverfahrens (§ 503 Abs 1 Z 2 ZPO) gerügt wird, der aber nicht vorliegt. Die Revisionswerberin führt dazu aus, eine Bindungswirkung des § 268 ZPO könne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht eintreten, weil die strafgerichtliche Verurteilung des Lenkers mittels Urteilsvermerk erfolgt sei.

Darüberhinaus enthalte der vom Strafgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegte Schuldvorwurf des Fahrens mit einer 'defekten Betriebsbremse' auch eine rechtliche Beurteilung, an die der Zivilrichter nicht gebunden sei. Die vom Sachverständigen festgestellte Bremsverzögerung von 4 m sec 2 entspreche der gesetzlich zulässigen Mindestverzögerung nach § 6 Abs 3 KFG, § 3 d

KDV.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Es ist herrschende Ansicht, daß die im § 268 ZPO geschaffene Bindung eigener Art an den Inhalt eines über die Zurechnung einer strafbaren Handlung ergangenen rechtskräftigen verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes (Fasching III 250; Holzhammer, Zivilprozeßrecht 2, 18), nur für Tatsachen gilt, nicht aber für deren rechtliche Qualifikation, und daß nur die Feststellung solcher Tatsachen bindet, die den Beweis oder die Zurechnung der strafbaren Handlung betreffen, soweit sie im Spruch des Strafurteiles genannt oder in den Entscheidungsgründen erwähnt werden und Tatbestandsmerkmal der Straftat bilden oder zu deren Konkretisierung erforderlich sind (Fasching, Handbuch, Rz 861; EvBl 1974/84;

ZVR 1976/177; SZ 54/150; SZ 55/154). Die Vorschrift des § 268 ZPO soll sicherstellen, daß die vom Gesetzgeber als weiterreichend angesehenen (Richtigkeits-)Garantien des offiziosen Strafprozesses bezüglich seiner Wahrheitsforschung dem Zivilgericht zugute kommen (Fasching III 252); sie wirkt nicht nur gegen den Verurteilten, sondern auch gegen jeden Dritten, gegen den im Zusammenhang mit der dem Strafurteil zugrunde gelegenen Handlung Ansprüche geltend gemacht werden. Die Bindung nach § 268 ZPO bewirkt, daß der Zivilrichter keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen darf (SZ 55/154; SZ 42/84; SZ 23/385 ua). Daß das rechtskräftige verurteilende Erkenntnis des Strafgerichtes durch einen Vermerk nach § 488 Z 7 und § 458 Abs 2 StPO ersetzt wurde, der im vorliegenden Fall unter anderem das Erkenntnis über die Schuldfrage enthielt und aussprach, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden wurde und welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden wurde, begründet wird (§ 458 Abs 2 Z 1, § 270 Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO), wenn auch diese Angaben ganz oder teilweise durch Verweisung auf den Strafantrag ersetzt werden können (§ 488 Z 7 StPO), ändert nichts an der bindenden Wirkung des Strafurteils nach § 268 ZPO. Der gegenteiligen Ansicht von Fasching (Handbuch Rz 860) kann nicht gefolgt werden, weil auch der Protokolls- und Urteilsvermerk alle für die Beurteilung der dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatumstände erforderlichen Angaben enthalten muß und enthält, mag auch die Bezugnahme auf in den Entscheidungsgründen angeführte Tatsachen ausscheiden, weil die Entscheidungsgründe nicht beizufügen sind (3 Ob 577/85 ua). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, hatte das Berufungsgericht gemäß der Vorschrift des § 268 ZPO seiner rechtlichen Beurteilung das Verschulden des Omnibuslenkers dadurch, daß dieser infolge defekter Betriebsbremse sein Fahrzeug nicht rechtzeitig anhalten konnte, wodurch er fahrlässig eine schwere Körperverletzung der Klägerin verursachte, zugrunde zu legen, ohne daß es einer weiteren Prüfung hinsichtlich der Mindestbremsverzögerung der Bremsvorrichtung des Omnibusses bedurfte. Eine Verletzung der genannten Bestimmung durch das Berufungsgericht liegt daher nicht vor.

Die Beklagte bekämpft weiter die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das Verschulden des Omnibuslenkers und jenes der Klägerin, welcher eine Vorrangverletzung zur Last falle, einander die Waage hielten. Die 'defekte Bremsanlage' habe den gesetzlichen Vorschriften über die Mindestbremsverzögerung entsprochen, der Reaktionsverzug des Lenkers von 0,5 bis 1 Sekunde falle nicht ins Gewicht. Demgegenüber habe die als Radfahrerin zu qualifizierende Klägerin im Bewußtsein ihres Nachranges die Überquerung der Fahrbahn der Münchner-Bundesstraße erzwingen wollen.

Es sei daher eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Klägerin gerechtfertigt.

Zu diesem Vorbringen sind die Beklagten zunächst hinsichtlich des Vorliegens einer defekten Bremsanlage des Omnibusses auf die Ausführungen des Revisionsgerichtes zur Bindungswirkung des § 268 ZPO zu verweisen. Das Lenken eines nicht betriebs- und verkehrssicheren Omnibusses im öffentlichen Straßenverkehr der Stadt Salzburg ist jedenfalls geeignet, eine besondere Gefahrenlage zu schaffen. Hiezu kommt noch, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, daß der Fahrer des nicht verkehrssicheren Omnibusses, der diesen umsomehr mit ganz besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit hätte lenken müssen, zumindest 0,5 sec verspätet reagierte, wobei nach den Feststellungen sowohl eine technisch einwandfrei funktionierende Betriebsbremsanlage einerseits wie auch eine prompte Reaktion des Lenkers andererseits je für sich allein schon genügt hätten, um den Unfall zu verhindern. Gewiß stellt eine Verletzung der Vorrangbestimmung, wie sie der Klägerin anzulasten ist, einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften dar, der in der Regel gegenüber anderen Verstößen vergleichsweise schwerer wiegt. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles kann aber entgegen der Auffassung der Revision bei Gegenüberstellung der dem Omnibuslenker der Klägerin zur Last fallenden Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften ein deutliches Übergewicht des Fehlverhaltens auf seiten der Klägerin oder des Kfz-Lenkers nicht angenommen werden. In der Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 kann daher keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.

Zur Höhe des Schmerzengeldes führte die Beklagte aus, der vom Berufungsgericht zuerkannte Gesamtbetrag von rechnerisch S 500.000 sei überhöht. Der gräßte Teil der Unfallfolgen habe sich soweit gebessert, daß für die Zukunft keine Behinderungen bestünden; die ursprüngliche Sprachstörung habe sich gegeben, die Knochenbrüche seien ohne Dauerfolgen ausgeheilt, neurologische Ausfälle seien zwar teilweise geblieben, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß wie ursprünglich angenommen wurde. Die epileptischen Anfälle, die in Zukunft zwar nicht ganz ausgeschlossen sind, seien seit 1981 nicht mehr aufgetreten, was zu einer günstigen Prognose hinsichtlich der Dauerfolgen berechtige. Der von der Beklagten anerkannte Betrag aus dem Titel des Schmerzengeldes in Höhe von insgesamt S 400.000,-- berücksichtige nicht nur die physischen, sondern weitgehend auch die psychischen Beeinträchtigungen.

Demgegenüber hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß die Klägerin unfallsbedingt den Geruchssinn verlor, eine Einschränkung des Gesichtsfeldes links erlitt, geringe beiderseitige neurologische Ausfälle auftraten, die eine leichte Gangstörung und eine leichte Reduzierung der Muskelkraft sämtlicher Extremitäten herbeiführten, sowie daß insbesondere eine hirnorganisch begründete Wesensveränderung als Dauerfolge verbleibt.

Werden darüberhinaus die Mehrzahl der schweren Verletzungen, der komplizierte Heilungsverlauf, der mehrere Operationen und stationäre Krankenhausaufenthalte erforderte, die beträchtlichen Schmerzperioden und die doch erheblichen Dauerfolgen berücksichtigt, die eine einschneidende Beeinträchtigung der allgemeinen Lebensqualität ergeben und eine bleibende Behinderung der Klägerin im Alltag bewirken, kann in der Bemessung des Schmerzengeldes mit einem Gesamtbetrag von rechnerisch S 500.000 keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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