OGH 7Ob625/85

OGH7Ob625/857.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B reg. Gen.m.b.H.,

Eugendorf 178, vertreten durch Dr.Karl Kindlinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Helene C, Angestellte,

2.) Helene W***, Pensionistin, beide Salzburg, Fasaneriestraße 19, beide vertreten durch Dr.Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 850.000,-- samt Anhang, infolge Rekurses beider Streitteile gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15.Jänner 1985, GZ.4 R 346/84-25, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30.August 1984, GZ.10 Cg 437/82-19, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Keinem der beiden Rekurse wird Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Für einen von der klagenden Partei dem Manfred C gewährten Kredit von S 850.000,-- übernahmen die beiden Beklagten am 3. März 1982 die selbstschuldnerische Bürgschaft. Sie unterfertigten neben dem Kreditnehmer einen Blankowechsel als Akzeptanten. Gegen den auf Grund dieses Wechsels erwirkten Wechselzahlungsauftrag über S 1,749.952,37 erhoben die Beklagten folgende Einwendungen: Es fehle an einem Grundgeschäft, das Blankoakzept sollte nicht der Begründung einer Haftung, sondern nur der Deckung der klagenden Partei im Zuge einer Revision dienen. Eine allfällige Wechsel- oder Bürgschaftsverpflichtung werde wegen List und Irrtums angefochten. Die klagende Partei habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, sie habe die Beklagten über wesentliche Umstände, insbesondere über den Geschäftsgang des Kreditnehmers und die Entwicklung auf seinem Konto nicht aufgeklärt. Im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme habe der Sollsaldo bereits über S 1 Million betragen, obwohl der Kreditrahmen mit S 150.000,-- limitiert gewesen sei. Aus der Entwicklung des Kontos habe die klagende Partei erkannt bzw. hätte sie erkennen müssen, daß die Insolvenz des Kreditnehmers nicht mehr aufzuhalten sei. Umso mehr habe die klagende Partei im Zeitpunkt, als sie von Manfred C die Bürgschaftserklärungen der Beklagten und die Wechselblankette einholte, gewußt, daß der wirtschaftliche Ruin des Manfred C bereits feststehe. Die klagende Partei habe auch gewußt oder hätte wissen müssen, daß eine derartige Verpflichtung der Beklagten außerhalb ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten liege. Sie habe leichtfertig auf mit dem Kreditnehmer vereinbarte Sicherheiten verzichtet und Pfandrechte aufgegeben.

Das Erstgericht sprach aus, daß der Wechselzahlungsauftrag hinsichtlich der Erstbeklagten im Betrage von S 850.000,-- samt Anhang und hinsichtlich der Zweitbeklagten im Betrage von S 614.121,78 samt Anhang aufrecht erhalten werde und hob den Wechselzahlungsauftrag im übrigen auf. Es verurteilte beide Beklagte zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 614.121,78 samt Anhang und die Erstbeklagte überdies zur Zahlung von S 235.878,22 samt Anhang. Nach seinen Feststellungen räumte die klagende Partei dem Manfred C für seinen Kraftfahrzeughandelsbetrieb mit Kreditvertrag vom 19. August 1980 einen Kontokorrentkredit von S 150.000,-- ein. Der Kreditsicherung diente ein vom Kreditnehmer unterfertigtes Blankoakzept und die vereinbarte Hinterlegung der Typenscheine der Kraftfahrzeuge bei der klagenden Partei. Im Falle des Verkaufes eines Kraftfahrzeuges sollte der Kaufpreis auf das Konto des Kreditnehmers bei der klagenden Partei eingezahlt und der Typenschein von der klagenden Partei herausgegeben werden. Die klagende Partei räumte in der Folge dem Manfred C eine Überziehungsmöglichkeit ein. Auf Grund der Überziehungen erreichte das Konto des Manfred C zu Beginn des Jahres 1982 einen Debetsaldo von rund S 700.000,--. Manfred C wurde daher von der klagenden Partei zur Beibringung weiterer Sicherheiten bei sonstiger Einschränkung des Kreditrahmens aufgefordert. Eine Bürgschaft eines Verwandten des Manfred C und die Verpfändung einer Liegenschaftshälfte der Zweitbeklagten kam nicht zustande. Die klagende Partei kam mit Manfred C überein, daß die Erstbeklagte, seine damalige Ehefrau, und deren Mutter, die Zweitbeklagte, eine Bürgschaft übernehmen sollten. Die klagende Partei führte darüber mit den Beklagten keine Gespräche, sondern nur Manfred C. Die Beklagten erklärten sich zur Bürgschaftsübernahme bereit. Mit Kreditvertrag vom 3.März 1982, Beilage H, räumte daraufhin die klagende Partei dem Manfred C einen Kredit von S 850.000,-- ein, wodurch der ursprüngliche Kreditrahmen auf S 1 Million erhöht wurde. Am gleichen Tag erschienen beide Beklagte bei der klagenden Partei und unterfertigten den Bürgschaftsvertrag Beilage B. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung war das Vertragsformular vollständig ausgefüllt. Nach dem Inhalt dieses Vertrages übernahmen die Beklagten zur ungeteilten Hand die Bürgschaft als Bürgen und Zahler für den dem Manfred C gewährten Kredit im Höchstbetrage von S 850.000,--. Die klagende Partei war befugt, alle Sicherheiten, die ihr für diese Schuld sonst bestellt sind oder noch bestellt werden, freizugeben oder zu verwerten. Den Erlös aus solchen Sicherheiten darf sie zunächst auf den unverbürgten Teil ihrer Forderung in Anrechnung bringen. Mit dem Bürgschaftsvertrag unterfertigten die Beklagten einen Blankowechsel als Akzeptanten und eine Wechselverpflichtungserklärung. Nach dem Inhalt dieser Erklärung diente das Wechselblankett zur Sicherstellung aller, auch künftig entstehender Forderungen der klagenden Partei gegen die Akzeptanten, insbesondere aus der übernommenen Bürgschaft. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages wies das Konto des Manfred C bei der klagenden Partei einen Debetsaldo von rund S 1 Million auf. In der Folge wurde das Kreditkonto von Manfred C mit Zustimmung der klagenden Partei überzogen und erreichte am 30.Dezember 1983 einen Debetsaldo von S 1,560.992,01.

Das Erstgericht bejahte auf Grund dieser Feststellungen eine Haftung der Beklagten als Bürgen und Zahler. Als solche käme ihnen auch nicht die Bestimmung des § 1364 letzter Satz ABGB zugute, wonach der Gläubiger dem Bürgen insoweit verantwortlich sei, als dieser wegen seiner Saumseligkeit in Einbringung der Schuld an Erholung des Ersatzes zu Schaden komme. Die Einrede im Sinne des § 1360 ABGB, die klagende Partei habe Pfandrechte zum Nachteil der Beklagten aufgegeben, sei schon deshalb verfehlt, weil eine Pfandbestellung nie erfolgt sei. Überdies sei nach der getroffenen Vereinbarung die klagende Partei berechtigt gewesen, Sicherheiten aufzugeben. Zu einer Aufklärung der Beklagten vor Abschluß des Bürgschaftsvertrages sei die klagende Partei nicht verpflichtet gewesen. Eine Irreführung scheide schon deshalb aus, weil Unterhandlungen zwischen der klagenden Partei und den Beklagten nicht stattgefunden hätten.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es bejahte eine Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen, wenn die Bank im Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages die Zahlungsunfähigkeit oder den unmittelbar drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kreditnehmers gekannt habe oder kennen hätte müssen. Zur Beurteilung der Frage, ob die klagende Partei eine solche Aufklärungspflicht verletzt habe, seien ergänzende Feststellungen insbesondere darüber erforderlich, ob die klagende Partei auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verbindung mit Manfred C, insbesondere aus der Entwicklung seines Kontostandes erkannt habe bzw. daraus erkennen hätte müssen, daß dessen Insolvenz nicht mehr aufzuhalten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurse beider Streitteile sind nicht berechtigt.

Vorvertragliche Aufklärungspflichten, deren Verletzung die Verpflichtung zum Schadenersatz oder eine Vertragsanfechtung wegen Arglist oder Irrtums zur Folge haben kann, bestehen auch für Kreditinstitute ihren Kunden gegenüber (SZ 53/13 mwN). Die Anforderungen an diese Aufklärungspflichten dürfen aber nicht überspannt werden. Primär muß dem Bankkunden zugemutet werden, daß er seine wirtschaftlichen Interessen zu wahren weiß. Dies gilt insbesondere auch bei Geschäften, mit denen Risken verbunden sind, wie etwa die Übernahme einer Bürgschaft. Die Bank ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Bürgen vor dem Abschluß eines Bürgschaftsvertrages über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären. Dies gilt auch für die selbstschuldnerische Bürgschaft (EvBl.1984/160; SZ 56/81). Hat der Bürge grundsätzlich seine wirtschaftlichen Interessen selbst zu wahren, kann er auch von der Bank eine Aufklärung darüber nicht erwarten, ob das Ausmaß der nach der von der Bank gewählten Vertragsgestaltung klaren Bürgschaftsverpflichtung seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigt. Eine Warnpflicht einer kreditgewährenden Bank gegenüber dem Bürgen ist aber dann anzunehmen, wenn die Bank schon Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder einem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kreditnehmers hat und diesem gerade wegen der vom Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem noch einen Kredit gewährt (EvBl.1984/160; SZ 56/81 u.a.). Die Behauptung der klagenden Partei, daß dieser Rechtsprechung Sachverhalte zugrundelagen, die sich vor dem Inkrafttreten des Kreditwesengesetzes ereignet hätten, sodaß auf dessen Bestimmungen nicht Bedacht genommen hätte werden können, ist unzutreffend. Im übrigen wurde ohnedies zum Ausdruck gebracht, daß eine allfällige Aufklärungspflicht der Bank ihre Grenze im Bankgeheimnis (§ 23 KWG) findet (EvBl.1984/160; SZ 53/13). Beizupflichten ist den Beklagten darin, daß es der Zweck eines Kredites ist, dem Kreditnehmer Bargeld oder ein entsprechendes Surrogat zu verschaffen (SZ 54/161). Im vorliegenden Fall diente der dem Manfred C am 3.März 1982 "eingeräumte" Kredit nicht diesem Zweck, sondern lediglich dazu, diesem die ihm von der klagenden Partei bereits eingeräumte Überziehungsmöglichkeit und demnach einen ihm bereits gewährten Kredit urkundlich festzuhalten (vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge 3 II 84 f.). Das Wesen der Bürgschaft besteht jedoch in der Sicherstellung einer Schuld (Koziol-Welser, Grundriß 7 I 279), sodaß es für den Bürgen in der Regel ohne Bedeutung ist, ob die Schuld, für die er sich verbürgt, bereits besteht oder unmittelbar mit der Bürgschaftsübernahme begründet wird. Eine Warnpflicht der Bank ist jedoch unter den oben genannten Voraussetzungen auch in einem solchen Fall gegeben. Der besondere Wissensstand der Bank kann überdies durch den Umstand aufgewogen werden, daß der dem Hauptschuldner "eingeräumte" Kredit gar nicht zu dessen wirtschaftlicher Verfügung bestimmt war und die Bürgschaft lediglich zur Sicherstellung eines bereits notleidend gewordenen Kredites bestimmt war. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten behauptet, daß im Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages der wirtschaftliche Ruin des Manfred C bereits festgestanden sei und die klagende Partei dies auch gewußt habe (AS 49). Das Erstgericht hat darüber aber keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist daher der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes gerechtfertigt. Der Wissensstand der klagenden Partei gehört dem Tatsachenbereich an. Ob mangels eines positiven Beweisergebnisses auf Grund anderer Tatumstände auf einen bestimmten Wissensstand der klagenden Partei geschlossen werden kann, ist eine Frage der Beweiswürdigung.

Von einer Verfahrensergänzung im Sinne des § 496 Abs.3 ZPO hat das Berufungsgericht zu Recht Abstand genommen, weil anzunehmen ist, daß mit Rücksicht auf die Beweisanträge der Beklagten (AS 49) dadurch ein erheblicher Mehraufwand an Kosten verursacht werden würde. Verfehlt ist jedoch der Erhebungsauftrag des Berufungsgerichtes darüber, inwieweit die Beklagten von der finanziellen Entwicklung des Unternehmens des Kreditnehmers Bescheid wußten und für sie der wirtschaftliche Zusammenbruch des Kreditnehmers vorauszusehen war, weil die klagende Partei in dieser Richtung keine Behauptungen aufgestellt hat. Es sind daher auch die Rechtsfolgen nicht zu erörtern, die eine solche Kenntnis der Beklagten allenfalls nach sich ziehen könnten.

Demgemäß ist keinem der beiden Rekurse Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Zu der vom Berufungsgericht beanstandeten Fassung des Urteilsspruches des Ersturteils ist zu bemerken, daß das im § 553 ZPO enthaltene Gebot, im Urteil auszusprechen, ob der an den Beklagten erlassene Zahlungsauftrag aufrecht erhalten bleibe oder ob und inwiefern derselbe aufgehoben werde, keine absolute Beschränkung des Gerichtes auf eine Entscheidung über die Berechtigung des Zahlungsauftrages im Zeitpunkt seiner Erlassung und an den Wortlaut des Zahlungsauftrages bedeutet (Fasching IV 588). Im vorliegenden Fall nahm das Erstgericht eine nicht nur hinsichtlich der Höhe vom begehrten Wechselzahlungsauftrag abweichende Haftung der Beklagten an. Die Neufassung des Leistungsbefehles diente nur der Verdeutlichung dieser Haftung und ist daher unbedenklich.

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