OGH 5Ob72/85

OGH5Ob72/856.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1.) Karl A, Finanzbeamter,

2.) Veronika B, Hausfrau, 3.) Maria C,

Postbeamtin, und 4.) Herta A, Finanzbeamtin, alle in 6250 Breitenbach Nr. 196 wohnhaft und alle durch Dr. Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Hall in Tirol vertreten, wegen Einverleibung der Löschung, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 7. Juni 1985, GZ 2 b R 74/85-6, womit der Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Rattenburg vom 21. Februar 1985, TZ 322/85-2, und der im Nachhang zu dem Rekurs von den Antragstellern eingebrachte Schriftsatz ON 5 zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Dem Rekursgericht wird aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund über den Rekurs und über den im Nachhang dazu eingebrachten Schriftsatz ON 5 der Antragsteller sachlich zu entscheiden.

Text

Begründung

Das Rekursgericht hat seine Entscheidung mit dem Mangel des Nachweises der Einschreiterbefugnis (Vollmacht) des für die Antragsteller eingeschrittenen Rechtsanwaltes begründet; es äußerte in Ablehnung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes NZ 1984, 33 die Ansicht, daß § 30 Abs. 2 ZPO in Grundbuchsachen unanwendbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von den Antragstellern eingebrachte Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Auffassung des Rekursgerichtes, daß § 30 Abs. 2 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 BGBl. 135 im Grundbuchsverfahren unanwendbar sei, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen.

§ 77 Abs. 1 GBG normiert, daß dann, wenn jemand im Namen eines anderen einschreitet, dargetan sein muß, daß er zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen befugt sei. Wie diese Einschreiterbefugnis darzutun ist, wird im Grundbuchsgesetz nicht näher geregelt. Davon ausgehend, daß für das Verfahren in Grundbuchssachen, soweit für dieses keine ausdrücklichen Bestimmungen bestehen, die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen gelten (so etwa in Ansehung der Rekurslegitimation SZ 10/195, SZ 20/35, SZ 45/74 uva; in Ansehung der Einschreitervollmacht Goldschmidt in NZ 1937, 131 sowie Schuppich in NBlRA 1965, 113) und daß bei Fehlen genauerer Bestimmungen für das Verfahren außer Streitsachen sinngemäß die Vorschriften der ZPO, soweit diese für das außerstreitige Verfahren in Betracht kommen, heranzuziehen sind (so etwa hinsichtlich des Nullitätsbegriffes SZ 22/107, SZ 28/11, SZ 45/31 und 50, EvBl. 1975/111; hinsichtlich der Vorschriften über die Vollmacht EvBl. 1975/110; siehe auch Feil, Verfahren außer Streitsachen 53), wurde zur Rechtslage vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 angesichts dessen, daß das Außerstreitgesetz von Vollmachten nur in seinem

§ 2 Abs. 2 Z 3 handelt (wonach das Gericht die Vollmachten und Legitimationsurkunden der Personen, die nicht im eigenen Namen handeln, genau prüfen und nötigenfalls bei den Akten zurückbehalten soll) und § 30 Abs. 1 ZPO in der Fassung vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 ausdrücklich normierte, daß Rechtsanwälte und sonstige Bevollmächtigte bei der ersten von ihnen in einer Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlung ihre Bevollmächtigung durch eine Urkunde (Vollmacht) darzutun haben, welche in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen ist und bei Gericht zurückbehalten werden kann, - worauf das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat - allgemein die Auffassung vertreten, daß die Einschreitervollmacht im Grundbuchsverfahren urkundlich nachgewiesen werden muß (siehe die bereits vom Rekursgericht zitierten Belegstellen Feil, Österr.

Grundbuchsrecht 289 sowie Landesgericht für ZRS Wien in EvBl. 1947/280; für das Verfahren außer Streitsachen siehe Stagel, Grundzüge der österr. Zivilgerichtsverfassung und des Verfahrens außer Streitsachen 43; Müller im Rechtslexikon, Vertreter !Verfahren außer Streitsachen Blatt 3 verso und Blatt 4; Feil, Verfahren außer Streitsachen 101 je mit dem Hinweis, daß auch § 30 Abs. 3 ZPO anwendbar sei).

Die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 geschaffene und gemäß § 78 EO sowie § 171 KO, §§ 76 und 91 AO auch im Exekutionsverfahren und in den Insolvenzverfahren unmittelbar anwendbare Bestimmung des § 30 Abs. 2 ZPO, wonach dann, wenn ein Rechtsanwalt oder Notar einschreitet, die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, verdankt ihre Entstehung der vorgesehenen Automation im Bereich des Mahnverfahrens; sie beruht darauf, daß dem Rechtsanwalt oder Notar grundsätzlich vertraut wird, wenn er ein Vollmachtsverhältnis behauptet (Bericht des Justizausschusses zur Zivilverfahrensnovelle 1983, 1337 BlgNR 15.GP 8; 2 Ob 42/84), zumal der genannte Personenkreis einer strengen standesrechtlichen Verantwortung unterliegt und ein Einschreiten ohne Bevollmächtigung schwere disziplinäre Folgen hätte, und dient gleichzeitig der vom Gesetzgeber mit der Zivilverfahrensnovelle 1983 ganz allgemein angestrebten Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung. Hält man sich die der Zivilverfahrensnovelle 1983 zugrundeliegenden Wertungen und Zwecke vor Augen, die keineswegs auf deren unmittelbaren Anwendungsbereich beschränkt sind, so erkennt man, daß im Bereich des Grundbuchsverfahrens (und wohl auch - entgegen 6 Ob 657/84 - im Bereich des Verfahrens außer Streitsachen) im bezug auf die Frage, ob die Berufung eines Rechtsanwaltes oder Notars auf die ihm erteilte Bevollmächtigung den urkundlichen Nachweis seiner Einschreitervollmacht ersetze, eine nachträgliche teleologische Gesetzeslücke (vgl. dazu Bydlinski in Rummel, ABGB, RN 2 zu § 7) entstanden ist, die durch eine sinngemäße Anwendung des § 30 Abs. 2 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 zu schließen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum den Rechtsanwälten und Notaren nicht auch im Grundbuchsverfahren vertraut werden sollte, wenn sie sich auf die ihnen erteilte Bevollmächtigung zum Einschreiten berufen; gerade das Mahnverfahren, dessen vorgesehener Automation die in Rede stehende Bestimmung ihre Entstehung verdankt, ist gleichfalls ein Urkundenverfahren.

Diese Argumentation war offenbar Rechberger in seiner Kritik in der NZ 1985 Heft 7 S 123 ff nicht bekannt.

Der erkennende Senat hält daher an seiner bereits am 20.12.1983, zu 5 Ob 79/83 (NZ 1984, 33/4) ausgesprochenen Rechtsansicht fest, daß § 30 Abs. 2 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 hinsichtlich der Einschreitervollmacht auch in Grundbuchssachen sinngemäß anzuwenden ist. Auf die Frage, ob die Berufung auf die erteilte Bevollmächtigung in den Fällen, in denen die beantragte Eintragung dem Vertretenen nicht zum Vorteil gereicht, im Hinblick auf § 77 Abs. 2 GBG und die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auch einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen des dann vorgeschriebenen besonderen Inhaltes (Umfanges) der Bevollmächtigung zu enthalten hat (so - in übereinstimmung mit dem Bericht des Justizausschusses a.a.O. - Fasching, Lehr- und Handbuch des Zivilprozeßrechtes RZ 428 und Schalich in ÖJZ 1983, 287 für den unmittelbaren Anwendungsbereich der in Rede stehenden Bestimmung; ebenso Glosse von Auer in NZ 1984, 34 und Anm. von Hofmeister in NZ 1984, 35 zu 5 Ob 79/83 für das Grundbuchsverfahren), brauchte hier ebensowenig eingegangen zu werden wie in 5 Ob 79/83, weil in beiden Fällen zum Vorteil des Vertretenen eingeschritten wurde, sodaß hiezu eine allgemeine Vollmacht genügte.

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.

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