OGH 1Ob652/85

OGH1Ob652/8528.8.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel (Vorsitz) und Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Wurz und Dr. Hofmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter A, Baumaschinenschlosser, Auweg 2, Pottenstein, vertreten durch Dr. Rudolf Hubalek und Dr. Johann Mayerhofer, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Peter B, Tischler, Pottenstein, Augasse 2/7/8, vertreten durch Dr. Herbert Handl, Rechtsanwalt in Berndorf, wegen S 235.000,-- s.A. infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. März 1985, GZ. 15 R 14/85-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. November 1984, GZ. 2 Cg 1129/83-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.415,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 772,35 Umsatzsteuer und S 1.920,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 27. Feber 1962 geborene Harald C war Eigentümer eines Luftdruckgewehres Marke Weihrauch, Kaliber 4,5 mm, das er bei seinem Großvater Leopold D in einer nicht versperrten Abstellkammer ohne Munition aufbewahrte. Sein am 2. August 1966

geborener Bruder Roland C hatte ihn schon öfter ersucht, das Gewehr benützen zu dürfen, was ihm jedoch immer untersagt wurde; lediglich einmal durfte Roland C das Gewehr im Beisein seines älteren Bruders benützen. Am 6. Juni 1980 kam Roland C zu seinem Großvater und fragte ihn, ob er das Luftdruckgewehr seines Bruders haben könne. Leopold D sagte zu ihm, daß er es nicht nehmen dürfe, kümmerte sich aber in weiterer Folge nicht darum, was Roland C tat. Dieser nahm das Luftdruckgewehr aus der unversperrten Abstellkammer und ging gemeinsam mit dem Kläger auf eine Wiese in der Nähe des Hauses. Dort hängten sie Dosen an Bäume und schossen mit dem Luftdruckgewehr auf diese Dosen. Der am 29. August 1963 geborene Kläger hatte bereits am Vortag Munition für das Luftdruckgewehr gekauft. Dem Kläger war nicht bekannt, daß Harald C und Leopold D dem Roland C verboten hatten, mit dem Gewehr zu schießen.

Der am 20. März 1964 geborene Beklagte folgte dem Kläger und Roland C und fragte sie, ob er ebenfalls schießen dürfe. Der Kläger übergab ihm ohne irgendwelche Anweisungen das geladene Gewehr. Der Beklagte zielte im Stehen auf eine Dose, während der Kläger und Roland C auf einer Bank Platz nahmen. Der Beklagte stand etwa einen halben Meter von der Bank entfernt. Er zielte längere Zeit auf eine Dose, was Roland C zu der spaßhaft gemeinten Bemerkung veranlaßte, 'jetzt sind wir in Lebensgefahr'.

Gleichzeitig sagte der Kläger, der Beklagte möge sich mit dem Schießen beeilen. Der Beklagte, der beim Zielen mit dem Rücken zum Kläger und zu Roland C stand, nahm das Gewehr vom Anschlag und drehte sich zum Kläger und zu Roland C um; dabei war der Lauf des Gewehres auf den Kopf des Klägers gerichtet. In dieser Position betätigte der Beklagte versehentlich den Abzug des Luftdruckgewehres, so daß sich ein Schuß löste und den Kläger ins rechte Auge traf. Dem Kläger mußte das rechte Auge entfernt und ein Glasauge eingesetzt werden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 11. Mai 1982, U 314/80-19 wurden der Beklagte, Harald C und Leopold D des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Der Kläger, der sich dem Verfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, wurde mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. In der Hauptverhandlung meldete der Beklagte Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld an. Dem Vertreter des Privatbeteiligten, Rechtsanwalt Dr. Johann E, wurde das Urteil am 30. Juni 1982 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 23. Juli 1982 zog der Beklagte, der auch im Strafverfahren durch seinen nunmehrigen Rechtsanwalt Dr. Herbert F vertreten war, die angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld zurück. Dr. Johann E wartete nach Erlassung des Strafurteiles auf die Anberaumung der mündlichen Berufungsverhandlung und legte den Akt kanzleiintern auf Fristenvormerk; der Akt wurde ihm im November 1982

wieder vorgelegt. Durch einen Anruf am 23. November 1982 in der Kanzlei Dris. Herbert F erfuhr er, daß das Strafurteil zufolge Rückziehung der Berufung rechtskräftig geworden war. Bei dieser Gelegenheit wurde Dr. Johann E ersucht, im Falle der Einbringung einer Klage Dr. Herbert F als Vertreter des Beklagten namhaft zu machen, damit ihm die Klage zugestellt werde.

Es wurde erklärt, Dr. Herbert F werde eine Vollmacht schicken, was aber nicht geschehen ist. Bei einem zufälligen Zusammentreffen der Parteienvertreter, die auch private Kontakte zueinander unterhalten, zwischen November 1982 und Jänner 1983 wurde vereinbart, daß der Vertreter des Klägers zunächst die Krankengeschichte einhole, bevor geklagt werde. Im Jänner oder Anfang Feber 1983 kam der Kläger in die Kanzlei seines Vertreters, um seine Forderungen zu beziffern. Am 17. Feber 1983 ersuchte der Vertreter des Klägers das Krankenhaus Wiener Neustadt um übersendung der Krankengeschichte. Ende April oder Anfang Mai 1983 fand ein Gespräch zwischen Dr. Johann E und Dr. Herbert F statt, bei dem letzterer ersuchte, man möge ihm die Krankengeschichte übersenden, damit er zu den Forderungen des Klägers im einzelnen Stellung nehmen könne. Es war auch davon die Rede, daß das Leistungsbegehren möglicherweise verglichen werden könne, zum Feststellungsbegehren jedoch die Klage einzubringen sei. Am 3. Mai 1983 urgierte Dr. Johann E beim Krankenhaus Wiener Neustadt die Beischaffung der Krankengeschichte. Eine Rückfrage beim Krankenhaus Wiener Neustadt ergab, daß das Anforderungsschreiben um übersendung der Krankengeschichte dort nicht eingelangt oder in Verstoß geraten war. Am 28. Juli 1983

übersandte der Vertreter des Klägers ein neuerliches Ersuchen um übersendung der Krankengeschichte, die am 4. August 1983 in seiner Kanzlei einlangte. Am 29. Juli 1983 wurde die gegenständliche Klage überreicht. Am 24. August 1983 kam es in der Kanzlei Dris. Johann E zu einem Gespräch, bei dem Dr. Herbert F mitteilte, daß der Beklagte eine Haushaltsversicherung abgeschlossen habe. Es wurde über die Möglichkeit eines Vergleiches gesprochen; der Vertreter des Beklagten ging dabei von einem Mitverschulden des Klägers von einem Drittel aus. Daraufhin erklärte der Vertreter des Klägers, er akzeptiere höchstens ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Viertel. Der eingeklagte Schmerzengeldbetrag sei der Höhe nach angemessen, eine Entschädigungsleistung gemäß § 1326 ABGB im Betrag von ca. S 75.000,-- erscheine ihm berechtigt. Dr. Herbert F erklärte, er werde in diesem Sinne einen Brief an die G, den Versicherer des Beklagten, absenden. Bei diesem Gespräch war den Parteienvertretern nicht bewußt, daß die Ansprüche des Klägers möglicherweise verjährt waren. Der Käger begehrt vom Beklagten die Zahlung des Betrages von S 182.000,-- s.A. (S 80.000,-- Schmerzengeld, S 100.000,-Entschädigung für Verunstaltung, S 2.000,-- Fahrtkosten) sowie die Feststellung, daß der Beklagte ihm für alle Folgen aus dem Schadensereignis vom 6. Juni 1980 zur Gänze hafte.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und machte Verjährung des Anspruchs geltend. Der Unfall habe sich am 6. Juni 1980 ereignet, die Schadenersatzklage sei erst am 29. Juli 1983 bei Gericht eingelangt. Auf eine Unterbrechung der Verjährung durch Anschluß als Privatbeteiligter könne sich der Kläger nicht berufen, weil er nach Verweisung auf den Zivilrechtsweg die Rechtsverfolgung nicht gehörig fortgesetzt habe.

Vergleichsgespräche hätten nicht stattgefunden.

Der Erstrichter sprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, daß der Beklagte dem Kläger für alle Folgen aus dem Unfall vom 6. Juni 1980 im Ausmaß von drei Vierteln hafte. Die auf Leistung gerichteten Klagsansprüche bestünden zu drei Viertel dem Grunde nach zu Recht. Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt. Die prozessuale Untätigkeit des Klägers in der Zeit von Juni 1982 (Zustellung des Urteils des Strafgerichtes) bis November 1982 gereiche ihm nicht zum Nachteil, weil er auf die Anberaumung einer Berufungsverhandlung in angemessener Frist warten durfte. Das weitere Zuwarten habe seinen Grund in der Zusage Dris. Herbert F, eine Vollmacht seines Mandanten zu übersenden, und im Bemühen des Vertreters des Klägers, die Krankengeschichte beizuschaffen, um deren übersendung Dr. Herbert F ersucht hatte. Der Grund für die Verzögerung der Einbringung der Klage liege im Verhältnis zwischen den Streitteilen begründet, so daß die Rechtsverfolgung als gehörig fortgesetzt erachtet werden könne und die Verjährung des Anspruchs nicht eingetreten sei. Am Vorfall vom 6. Juni 1980 sei dem Kläger jedoch ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Viertel anzulasten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands S 300.000,-- nicht übersteigt; die Revision ließ es nicht zu. Der Erhebung der Klage komme Unterbrechungswirkung nur dann zu, wenn das Verfahren gehörig fortgesetzt werde und zu einem klagsstattgebenden Urteil führe; der Anschluß als Privatbeteiligter habe dieselbe Wirkung wie die Klage, sofern nur der Anspruch nach Beendigung des Strafverfahrens in angemessener Frist im streitigen Verfahren geltend gemacht werde. Unterbleibe die Verständigung von der Beendigung des Strafverfahrens, so sei die Frage der gehörigen Fortsetzung grundsätzlich von dem Zeitpunkt an zu beurteilen, von dem der Kläger hievon Kenntnis erlangte. Im Zuwarten bis November 1982 könne im Hinblick auf den in den Sommermonaten auch in Strafsachen erfahrungsgemäß eingeschränkten Gerichtsbetrieb keine ungewöhnliche Untätigkeit des Klägers erblickt werden. In den folgenden Monaten hätten jedoch keine Vergleichsgespräche stattgefunden, die die Verjährungsfrist gehemmt hätten. Dr. Herbert F habe sich zu Vergleichsverhandlungen bereit erklärt, wenn ihm entsprechende Unterlagen vorgelegt werden. Der Vertreter des Beklagten habe nicht klargestellt, auf die Verjährungseinrede bis zum Einlangen entsprechender Unterlagen zu verzichten. Daß die Beischaffung der Krankengeschichte Monate in Anspruch genommen habe, sei eine im Bereich des Klägers liegende Schwierigkeit und damit kein seine Untätigkeit rechtfertigender Grund. Aufgabe des Vertreters des Klägers wäre es gewesen, einen Verzicht des Beklagten auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu begehren oder gegebenenfalls Feststellungsklage zu erheben. Das Klagebegehren sei wegen Verjährung abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zwar zulässig, ihr kommt jedoch Berechtigung nicht zu.

Dem Berufungsgericht ist dahin zu folgen, daß der Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren in Ansehung der Verjährung dieselbe Wirkung wie die Klage hat (JBl. 1976, 590; ZVR 1960/52; SZ 29/72), sofern der Anspruch nach Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg in angemessener Zeit mittels Klage geltend gemacht wird (8 Ob 515/83; EvBl. 1974/63; ZVR 1972/201; Klang in Klang Komm. 2 VI 659). Unterbleibt die Verständigung von der Beendigung des Strafverfahrens, ist die Frage der gehörigen Fortsetzung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Geschädigte hievon Kenntnis erlangt (ZVR 1963/50); falls eine Verständigung durch das Strafgericht unterbleibt, sind dem Geschädigten aber nach Verstreichen einer angemessenen Frist Nachforschungen zuzumuten. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß der Kläger im Hinblick auf den in den Sommermonaten auch in Strafsachen vielfach eingeschränkten Gerichtsbetrieb mit Nachforschungen bis November 1982 zuwarten durfte. In den folgenden Monaten versuchte der Vertreter des Klägers die Krankengeschichte vom Krankenhaus Wiener Neustadt beizuschaffen, um Vergleichsgespräche mit dem Vertreter des Beklagten führen zu können. Die Krankengeschichte langte erst am 4. August 1983 in der Kanzlei des Vertreters des Klägers ein. Schwierigkeiten in der Beischaffung von Beweismitteln stellen aber keinen die Untätigkeit des Klägers rechtfertigenden Grund dar (EvBl. 1976/6; EvBl. 1963/248 u. a.). Da die Klage erst am 29. Juli 1983 bei Gericht einlangte, liegt eine 'gehörige Fortsetzung' des Verfahrens (§ 1497 ABGB) nicht vor.

Der Revisionswerber widerspricht dem nicht, macht aber geltend, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß es am 24. August 1983 in der Kanzlei des Vertreters des Beklagten zu Vergleichsgesprächen gekommen sei, bei denen der Vertreter des Beklagten ein Mitverschulden des Beklagten im Ausmaß von einem Viertel akzeptiert, den geltend gemachten Schmerzengeldbetrag zur Gänze und den Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung mit S 75.000,-- als berechtigt anerkannt habe. Vergleichsgesprächen, die nach Ablauf der Verjährungsfrist bzw. über diese hinausgeführt werden, komme nach ständiger Rechtsprechung die Bedeutung zu, daß der Beklagte, sollten die Vergleichsverhandlungen scheitern, nach Treu und Glauben dem Anspruch des Klägers nur mehr mit sachlichen Einwendungen entgegentreten dürfe.

Nach Lehre und Rechtsprechung steht § 1502 ABGB dem Verzicht auf die bereits eingetretene, also in ihrem vollen Umfang erkennbare Verjährung nicht entgegen (SZ 48/79; SZ 47/104; SZ 47/28; Ehrenzweig, System 2 I/1, 297; Klang a.a.O. 654). Ein solcher Verzicht wird in der nach Eintritt der Verjährung abgegebenen Zusage, eine Schuld bezahlen zu wollen, wenn sie noch offen sein sollte, erblickt (SZ 50/110). Wird die Einrede der Verjährung dennoch erhoben, kann dem dann mit der Replik der Arglist begegnet werden. Im vorliegenden Fall wurde aber, dem Vertreter des Klägers erkennbar, die verjährte Forderung vom Beklagtenvertreter nicht anerkannt. Dieser erklärte nur, daß ihm die Forderung des Klägers teilweise gerechtfertigt erscheine und daß er in diesem Sinne ein Schreiben an den Versicherer des Beklagten richten werde. Mehr als daß er dem Versicherer berichten und ihm seine Vorstellungen über das Ausmaß der berechtigten Ansprüche des Klägers mitteilen werde, sagte der Beklagtenvertreter nicht zu. Erkennbar wurde aber keine Erklärung für den Beklagten abgegeben, sondern die Entscheidung über ein allfälliges Anerkenntnis dem Versicherer überlassen. Ein Anerkenntnis der Forderung des Klägers und damit ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann darin nicht erblickt werden. Demzufolge ist der außerordentlichen Revision der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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