OGH 8Ob512/85

OGH8Ob512/8518.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Melber und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ingrid P*, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwältin in Wien, wider den Antragsgegner Karl P*, wegen Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 7. November 1984, GZ 43 R 1291/84‑5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 14. Juni 1984, GZ 2 F 5/84‑2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00512.85.0418.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 15. März 1984, 3 Cg 244/83‑18, geschieden.

Mit ihrem am 30. 5. 1984 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin, die von ihr und dem Antragsgegner eingegangenen Schulden im Umfang von S 1,298.138,18 derart zu teilen, daß der Antragsgegner verpflichtet sei, die Verbindlichkeiten gegenüber bestimmten Gläubigern zur alleinigen Rückzahlung zu übernehmen und die Antragstellerin für den Fall der Inanspruchnahme durch diese Gläubiger schad‑ und klaglos zu halten, während die Antragstellerin die Verbindlichkeiten gegenüber bestimmten anderen Gläubigern zur alleinigen Rückzahlung zu übernehmen und den Antragsgegner für den Fall einer Inanspruchnahme durch diese Gläubiger schad‑ und klaglos zu halten habe.

Die Antragstellerin brachte dazu im wesentlichen vor, anläßlich der Scheidung sei ein Vergleich geschlossen worden, in dem die Streitteile wechselseitig auf Unterhalt verzichtet hätten. Im Ehescheidungsverfahren sei von beiden Parteien festgestellt worden, daß keine Ehewohnung, kein eheliches Gebrauchsvermögen und keine ehelichen Ersparnisse vorhanden seien, sondern nur gemeinsame Schulden. Deren Aufteilung sei einer Regelung vor dem Bezirksgericht nach den §§ 81 ff EheG vorbehalten geblieben.

Die Streitteile hätten seit 20. 7. 1981 gemeinsam in P* eine Gemischtwarenhandlung betrieben. Da nur die Antragstellerin über die gewerberechtlichen Voraussetzungen verfügt habe, sei sie nach außen hin als Eigentümerin des Geschäftes aufgetreten. Tatsächlich sei das Geschäft jedoch vom Antragsgegner geführt worden; die Antragstellerin sei während der gesamten Zeit als Beamte im Polizeidienst beschäftigt gewesen. Der Geschäftserfolg sei äußerst schlecht gewesen; aus dem Geschäftsbetrieb bestünden Verbindlichkeiten in einer Höhe von S 1,298.138,18. Der Antragsgegner habe sich noch im Jahr 1983 schriftlich bereit erklärt, die Hälfte der Verbindlichkeiten zu übernehmen. Da beide Streitteile aus den Erträgnissen des Geschäftsbetriebes den Lebensunterhalt bezogen hätten, begehre die Antragstellerin die Teilung der vorhandenen Schulden in der von ihr im einzelnen dargestellten Weise.

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin zurück.

Es begründete seine Entscheidung damit, daß nach § 82 Abs. 1 Z 3 EheG Sachen, die zu einem Unternehmen gehörten, nicht der Teilung nach den §§ 81 ff EheG unterworfen seien. Aus den Ausführungen im Antrag folge eindeutig, daß es sich bei den aufzuteilenden Schulden um solche handle, die im Zusammenhang mit der Führung der Gemischtwarenhandlung in P* entstanden seien. Es handle sich somit um Schulden, die zu diesem Unternehmen gehörten, weshalb ihre Aufteilung im außerstreitigen Verfahren nach den §§ 81 ff EheG unzulässig sei.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge. Es sprach aus, daß gegen diese Entscheidung der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, aus § 81 EheG ergebe sich, daß nicht schlechthin alle Schulden der Ehegatten Gegenstand eines Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG seien, sondern nur jene Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stünden. Die Schulden, die aus dem gemeinsamen Betrieb des Gemischtwarengeschäftes stammten, stünden mit ehelichem Gebrauchsvermögen und ehelichen Ersparnissen nicht in einem inneren Zusammenhang; sie seien nicht zur Anschaffung von Wohnung, Hausrat oder ähnlichem eingegangen worden, sondern zur Fortführung des Geschäftsbetriebes. Daß der schlechte Geschäftsgang die Schaffung ehelicher Ersparnisse und nennenswerten ehelichen Gebrauchsvermögens verhindert habe, werde zutreffend sein, stelle aber keinen inneren Zusammenhang her. Die im § 82 EheG angeführten Sachen, die zu einem Unternehmen gehörten oder Anteile an einem Unternehmen seien, gehörten wohl schon auf Grund der Umschreibung des § 81 EheG in der Regel nicht zur Aufteilungsmasse. Daß das Unternehmen ausdrücklich aus der Aufteilungsmasse herausgenommen worden sei, möge seinen Grund darin gehabt haben, daß, wie im Bericht des Justizausschusses ausgeführt, während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft einem Ehegatten die Vermögenswerte eines dem anderen Ehegatten gehörenden Unternehmens im allgemeinen nur insoweit von Nutzen seien, als er aus dem Unternehmensertrag Unterhaltsleistungen erhalte. Daraus sei aber nicht abzuleiten, daß sich der Charakter der Unternehmensschulden, für die in vielen Fällen beide Ehegatten haften könnten, verändere, wenn das Unternehmen noch während des Bestandes der Ehe liquidiert werde. Schulden, die aus dem Geschäftsbetrieb resultierten, seien Sachen, die zu einem Unternehmen gehörten, auch wenn der Geschäftsbetrieb mittlerweile eingestellt worden sei. Solche Unternehmensschulden könnten auch nicht Gegenstand einer Aufteilung in einem außerstreitigen Verfahren nach den §§ 81 ff Ehe sein.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung der beantragten Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Vorschriften des § 231 Abs. 2 AußStrG und die Rechtsmittelbeschränkungen des § 232 AußStrG nur auf im Verfahren nach den §§ 229 ff AußStrG ergangene Sachentscheidungen anzuwenden; eine in einem solchen Verfahren ergangene Formalentscheidung unterliegt den Rechtsmittelbeschränkungen des § 232 AußStrG nicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Rekursgericht gegen seine Entscheidung den Rekurs gemäß § 232 Abs. 1 AußStrG zugelassen hat (EvBl. 1980/52; SZ 53/178; 6 Ob 576/82 uva).

Im vorliegenden Fall ist daher, da es sich um konforme Entscheidungen der Vorinstanzen handelt, das Rechtsmittel der Antragstellerin nach § 16 Abs. 1 AußStrG zu beurteilen. Danach findet im Verfahren außer Streitsachen gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes nur im Falle einer offenbaren Gesetz‑ oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.

Die Antragstellerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, daß die Vorinstanzen ihren Aufteilungsantrag zu Unrecht wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens zurückgewiesen hätten. Damit macht die Antragstellerin einen Verstoß gegen die zwingende Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren und damit eine Nichtigkeit geltend. Die Entscheidung über eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung – so auch über die Zulässigkeit des Außerstreitweges – kann zwar grundsätzlich nicht schon deshalb als nichtig qualifiziert werden, weil diese Verfahrensfrage sachlich unrichtig gelöst wurde (vgl. EvBl. 1980/78). Führt aber die verfahrensrechtliche Entscheidung im Ergebnis dazu, daß die Verfolgung eines materiellen Anspruches in ein Verfahren gewiesen wird (hier auf den ordentlichen Rechtsweg), in dem die Möglichkeiten zu der materiellrechtlich vorausgesetzten Rechtsgestaltung (hier Aufteilung nach Billigkeit unter Neubegründung und Übertragung von Rechten) fehlen, dann kommt einer Verweigerung der Anspruchsverfolgung in dem hiefür vorgesehenen Verfahren der Charakter einer Rechtsverweigerung und damit das Gewicht einer Nullität zu (SZ 53/178).

Diesen Rechtsmittelgrund der Nullität im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG macht die Antragstellerin in dem vorliegenden Rechtsmittel inhaltlich geltend, allerdings zu Unrecht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dann, wenn eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse überhaupt nicht vorhanden sind, die Aufteilung von Schulden der geschiedenen Ehegatten im außerstreitigen Verfahren nach den Vorschriften der §§ 81 ff EheG erfolgen kann. In der Rechtsprechung wurde die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens dann bejaht, wenn die geschiedenen Ehegatten vorhandenes eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse einvernehmlich geteilt haben und nur mehr über die Aufteilung damit im Zusammenhang stehender Schulden zu befinden ist (EFSlg. 36.471). Der Wortlaut des § 81 Abs. 1 EheG, nach dem das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse unter den Ehegatten aufzuteilen sind, wobei die Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen sind, spricht eher dafür, daß in einem Fall, in dem im Zeitpunkt der Ehescheidung eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse nicht vorhanden sind, sondern nur im Zusammenhang damit stehende Schulden, die Aufteilung dieser Schulden nicht im außerstreitigen Verfahren nach den Bestimmungen der §§ 229 ff AußStrG erfolgen kann, weil derartige Schulden weder dem Begriff des ehelichen Gebrauchsvermögens noch dem der ehelichen Ersparnisse unterstellt werden können. Im einzelnen kann diese Frage aber ununtersucht bleiben, weil jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall nach den Behauptungen der Antragstellerin im Zeitpunkt der Ehescheidung eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse nicht vorhanden waren, sondern nur Schulden aus einem von den Ehegatten gemeinsam betriebenen Unternehmen, die Aufteilung dieser Schulden im außerstreitigen Verfahren nach den §§ 229 ff AußStrG nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 82 Abs. 1 Z 3 EheG, nach dem zu einem Unternehmen gehörende Sachen nicht dieser Aufteilung unterliegen. Der Aufteilung sind alle (auch kleinste) Unternehmen entzogen. Läßt die Ausscheidung der zum Unternehmen gehörenden Sachen keine Restmasse zurück, dann kommt eine Aufteilung nach den Grundsätzen der §§ 81 ff EheG nicht in Betracht (vgl. JBl. 1984, 606). Die Antragstellerin behauptet nicht, daß die von ihr und ihrem Ehemann eingegangenen Schulden mit ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stünden; nach ihrer Darstellung handelt es sich um Schulden, die im Rahmen des gemeinsamen Betriebes eines Unternehmens eingegangen wurden. Derartige Schulden müssen aber, weil sie den im Gesetz genannten Zusammenhang mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder den ehelichen Ersparnissen nicht haben, bei der Entscheidung der Frage, welches Vermögen der Aufteilung unterliegt und in welchem Verhältnis aufgeteilt werden soll, jedenfalls unberücksichtigt bleiben (vgl. Pichler in Rummel ABGB Rdz. 2 zu den §§ 81, 82 EheG und Rdz. 6 zu §§ 83, 84 EheG; 6 Ob 601/84). Sie können daher auch keinesfalls für sich allein Gegenstand eines Aufteilungsverfahrens nach den Bestimmungen der §§ 229 ff AußStrG sein. Daß das von ihr gemeinsam mit dem Antragsgegner geführte Unternehmen nach den Behauptungen der Antragstellerin noch während aufrechter Ehe liquidiert wurde, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil auch damit der nach dem Gesetz erforderliche Zusammenhang der aus dem Unternehmensbetrieb bestehenden Schulden mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen im Sinne des § 81 Abs. 1 EheG jedenfalls nicht hergestellt wird.

Die Vorinstanzen haben unter diesen Umständen mit Recht die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens für die von der Antragstellerin begehrte Regelung verneint; der im Revisionsrekurs der Antragstellerin sinngemäß geltend gemachte Rechtsmittelgrund der Nullität im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG liegt somit nicht vor. Andere Rechtsmittelgründe im Sinne dieser Gesetzestelle werden von der Antragstellerin nicht geltend gemacht.

Ihr außerordentlicher Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kosten ihres unzulässigen Revisionsrekurses hat die Antragstellerin selbst zu tragen (§ 234 AußStrG).

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