Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Martin A bekämpft den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 StGB mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO
Inhaltlich der Urteilsgründe rüstete sich der Angeklagte, der einige Monate vorher zwei Mädchen zur Unzucht zu nötigen getrachtet hatte (unangefochtener Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 15, 204 Abs 1 StGB), am 3.November 1982 mit einem Strick und einem Klebeband aus und beschloß, sich an diesem Abend 'noch mit einem Mädchen einzulassen'. Nachdem er in Flaurling und später in Telfs-Pfaffenhofen vorerst keine ihm günstig erscheinende Gelegenheit vorgefunden hatte, begegnete er der damals zwanzigjährigen Irene B. Er folgte ihr in einem Abstand von 30 m und überholte sie dann mit kurzem Gruß. Etwa 100 m weiter an einer Kreuzung, sah Irene B den Angeklagten wieder auf sich zukommen. Sie entschloß sich zur Flucht und lief - vom Angeklagten verfolgt - über ein Gebüsch zum Haus des Hans C. Der Beschwerdeführer, der B kurz aus den Augen verloren hatte, suchte das Gebüsch ab, gab sein Vorhaben dann aber auf, weil er sich von C beobachtet fühlte.
Martin A hatte es nach den Urteilskonstatierungen darauf abgesehen, an Irene B den außerehelichen Beischlaf zu vollziehen, und zwar unter Einsatz von solcher Gewalt, daß ihr Widerstand gebrochen wird. Hiebei beabsichtigte er auch, sie mit dem Strick zu fesseln und ihr mit dem Klebeband den Mund zu verkleben (S. 227).
Rechtliche Beurteilung
Letztere Urteilskonstatierungen übergeht der Beschwerdeführer, wenn er behauptet (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO), dem Urteil seien Feststellungen darüber nicht zu entnehmen, daß er bereits entschlossen war, B zu notzüchtigen. Er ist aber auch mit dem Einwand nicht im Recht, die Urteilsfeststellungen reichten mangels einer Ausführungsnähe nicht zur Annahme eines strafbaren Versuchs. Die Tat ist versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (§ 15 Abs 2 StGB). Ausführungsnah in diesem Sinn ist das Verhalten, wenn es einerseits im nahen Vorfeld der Erfolgsverwirklichung liegt und wenn anderseits der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Verwirklichung des verpönten Erfolgs überwunden hat (LSK. 1982/22).
Diese Kriterien liegen vor. Der auf gewaltsame Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit und den Vollzug des außerehelichen Beischlafs gerichtete Vorsatz des Angeklagten fand in dem konstatierten äußeren Verhalten, wie dem Mitführen eines Stricks und eines Klebebands, der Verfolgung der flüchtenden Frau und dem Absuchen des Gebüschs nach dem Verbrechensopfer eine klar erkennbare, in unmittelbarer sinnfälliger Beziehung zum tatbestandsmäßigen Unrecht stehende Darstellung. Da die Ausführung der Tat ohne Zwischenschaltung weiterer örtlicher, zeitlicher oder manipulativer Etappen unmittelbar darauf geschehen sollte, ist dem Erfordernis der Ausführungsnähe auch in zeitlicher, örtlicher und aktionsmäßiger Relation entsprochen und die inkriminierte Handlungsweise als eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Betätigung des - nach der überwindung der entscheidenden Hemmstufe - gefaßten Tatentschlusses zu werten.
Die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers als Versuch der Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 StGB ist darum irrtumsfrei. Schließlich versagt auch die Mängelrüge, mit der die Urteilsannahme, der Nichtigkeitswerber habe an Irene B den außerehelichen Beischlaf vollziehen wollen, als unzureichend begründet bezeichnet wird. Der Schöffensenat gelangte zu dieser Urteilsannahme in freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) vor allem auf Grund der eigenen Angaben des Angeklagten vor der Gendarmerie (S. 25 ff.) und vor dem Untersuchungsrichter (S. 31 verso) und versagte seiner späteren leugnenden Verantwortung den Glauben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Die Berufung war zurückzuweisen, weil der Angeklagte bei deren Anmeldung (ON 36) keinen Punkt (§ 283, 493 StPO) des Strafausspruchs bezeichnet hat, durch den er sich beschwert findet und eine Berufungsausführung unterblieb (§ 294, 296 StPO). Das Begehren, im Fall eines Teilfreispruchs die Strafe dementsprechend herabzusetzen (S. 243), ist sachlich kein Berufungsantrag, sondern der überflüssige Hinweis auf die bei Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde ex lege notwendige Kassierung des Strafausspruchs und Strafneubemessung. Die Verwerfung der Beschwerde macht dieses Vorbringen überhaupt gegenstandslos.
Der Angeklagte hat am 10.November 1982 DDr. Hubert D, Rechtsanwalt in Innsbruck, in dieser Strafsache Vollmacht erteilt. DDr. D hat den Angeklagten in erster Instanz verteidigt und die Rechtsmittelschrift eingebracht. Sowohl dem Angeklagten als auch seinem Verteidiger wurde die Ladung zum Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof (18.April 1985) laut den beiden Rückscheinen am 3.April 1985 zugestellt.
Am 16.April 1985, also zwei Tage vor dem Termin der Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung, langte beim Obersten Gerichtshof ein Antrag des Angeklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein. Daß etwa das Vollmachtsverhältnis aufgelöst worden wäre, wurde nicht bekanntgegeben. Sonach war davon auszugehen, daß der bevollmächtigte Verteidiger kraft § 11 Abs 1 RAO. nach wie zuvor verpflichtet war, seinen Klienten zu vertreten. Ein allfälliger Zweifel, ob der Antrag auf Verfahrenshilfe den Bestand des Vollmachtsverhältnisses beeinflusse, war unter sinngemäßer Heranziehung des § 11 Abs 2 RAO. und des § 44 Abs 2, insbesonders letzter Satz, StPO zu bereinigen. Mit diesem Bedeuten wurden sowohl DDr. D als auch der Angeklagte schriftlich verständigt. Ungefähr eine Stunde vor dem anberaumten Beginn des Gerichtstags (18.April 1985, 11 Uhr) langte beim Obersten Gerichtshof ein Telegramm des Verteidigers DDr. D ein, worin er mitteilte, daß das Vollmachtsverhältnis bereits am 10.April 1985 einvernehmlich gelöst worden und er (im übrigen) der Ansicht sei, daß § 11 Abs 2 RAO. auf die hiedurch geschaffene Rechtslage keine Anwendung finde. Dem Angeklagten habe er Rechtsbelehrung gemäß der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 30.Jänner 1975 (siehe unten) erteilt. Im Gerichtstag erschien der Angeklagte, nicht aber sein Verteidiger.
Indes war auch dann, wenn man den Telegramminhalt zugrundelegt, der Verteidiger DDr. Fuchshuber gemäß § 11 Abs 2 RAO. verpflichtet, seine Partei noch durch vierzehn Tage (d.i. bis zum 24.April 1985) insoweit zu vertreten, als nötig, um die Partei vor Rechtsnachteilen zu schützen. Dazu kommt die kategorische Anordnung des § 44 Abs 2, letzter Satz, StPO, wonach durch einen Wechsel in der Person des Verteidigers das Verfahren nicht aufgehalten werden darf (12 Os 171/73, EvBl 1981 Nr. 166, 13 Os 189/84).
Andererseits war der - auf Grund des Gesagten bis zum Gerichtstag am 18. April 1985 noch nicht entpflichtete - Verteidiger zufolge der grundsätzlichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 30.Jänner 1975, SSt. XLVI/5 = JBl 1975 S. 269 = RiZ. 1975 S. 42, 91 = LSK. 1975/17, im Rahmen seines selbst zu verantwortenden Ermessens nicht gehalten, im Gerichtstag zu erscheinen oder einen Substituten zu entsenden (13 Os 154/81).
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