OGH 7Ob539/85

OGH7Ob539/8518.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Sachwalterschaftssache der Berta A, geboren am 24.Juli 1935, Zell am See, Neue Heimat 1, vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Dr.Anton Waltl, Rechtsanwalt in Zell am See, infolge Revisionsrekurses der Berta A gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 21.Feber 1985, GZ 33 R 86/85-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 28.Dezember 1984, GZ SW 64/84-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Berta A ist nach dem am 18.12.1983 erfolgten Tod ihrer Mutter gemäß § 14 MRG Beklagte in der Rechtssache 2 C 142/82 des Bezirksgerichtes Zell am See. Gegenstand dieses Rechtsstreites ist eine Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG. Am 24.9.1984 verständigte das Prozeßgericht das Erstgericht im Sinne des § 6 a ZPO, es hätten sich bei Berta A Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf den Rechtsstreit ergeben. Mit Beschluß vom 18.10.1984, ON 3, bestellte das Erstgericht für Berta A Dr.Anton Waltl, Rechtsanwalt in Zell am See, zum einstweiligen Sachwalter. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloß das Erstgericht am 28.12.1984 (ON 10), für Berta A gemäß § 273 ABGB einen Sachwalter zu bestellen. Es sprach aus, daß der Sachwalter im Sinne des § 273 Abs 3 Z 3 ABGB alle Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen habe, mit Ausnahme jener, in denen ein mündiger Minderjähriger nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig ist. Berta A habe demnach künftig die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit eines mündigen Minderjährigen. Die Bestimmung der Person des Sachwalters behielt sich das Erstgericht - das die Verfahrenskosten dem Bund auferlegte - bis zur Rechtskraft der Entscheidung ON 10 vor. Das Erstgericht ging davon aus, daß Berta A an einer Geisteskrankheit im Sinne eines Verfolgungswahns leide und daß ihr ganzes Denken und Zielen von paranoiden Wahnvorstellungen gekennzeichnet sei, insbesondere im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen mit anderen Bewohnern jenes Hauses, in dem sie wohnt, sowie gegenüber Behörden und Gerichten. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 Abs 1 ABGB seien daher gegeben. Berta A sei jedoch trotz ihrer psychischen Störung imstande, die normalen Angelegenheiten des täglichen Lebens einschließlich der dabei auftretenden rechtsgeschäftlichen Anforderungen zu regeln und zu besorgen, sodaß ihr eine entsprechende Geschäfts- und Handlungsfähigkeit zu belassen gewesen sei. Zur Kostenentscheidung führte das Erstgericht aus, daß Berta A nach dem Tod ihres Vaters Ende 1983

S 347.000 geerbt habe, von diesem Betrag aber - nach ihrem Vorbringen im Verfahren 2 C 142/82 des Bezirksgerichtes Zell am See am 11.9.1984 - nur mehr S 50.000 besitze. Diese Summe müsse ihr als Notgroschen zugebilligt werden, da sie im übrigen nur über eine unbedeutende Rente verfüge.

Das Rekursgericht gab den von Berta A und dem einstweiligen Sachwalter Dr.Waltl erhobenen Rekursen Folge und hob den Beschluß des Erstgerichtes zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Es vertrat die Ansicht, die Bestimmung, daß die behinderte Person innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters hinsichtlich bestimmter Sachen oder ihres Einkommens oder eines bestimmten Teils davon frei verfügen und sich verpflichten könne (§ 273 a Abs 1 ABGB), dürfe nicht derart weitgehend formuliert werden, wie es durch das Erstgericht geschehen sei, zumal sich der Umfang der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen als Folge der Bestellung eines Sachwalters aus dem Gesetz ergebe. Darüber hinaus seien 'Angelegenheiten' im Sinne des § 273 ABGB, deretwegen ein Sachwalter zu bestellen sei, im wesentlichen Angelegenheiten rechtlicher Art; Streitigkeiten mit anderen Hausbewohnern fielen nicht unter diesen Begriff. Was den Umgang der Betroffenen mit Behörden und Gerichten betreffe, sei derzeit lediglich das Verfahren 2 C 142/82 des Bezirksgerichtes Zell am See anhängig, das Berta A offensichtlich nicht allein bewältigen könne. Davon abgesehen habe Berta A jedoch weitere Angelegenheiten in Form der Verwaltung eines Vermögens (etwa S 50.000 bis S 60.000) und einer Pension der Penionsversicherungsanstalt der Arbeiter von monatlich etwa S 4.000 zu besorgen. Es ergebe sich aus den Feststellungen und den vorliegenden Gutachten - in denen Berta A Grenzdebilität und Schwachsinn geringeren Umfanges bescheinigt werde - nicht, ob die Betroffene infolge ihrer geistigen Behinderung in der Lage sei, Geldangelegenheiten, die über ihren Pensionsbezug hinausgehen, ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Es sei daher keine ausreichende Grundlage dafür vorhanden, daß für Berta A zur Verwaltung eines Teils oder des gesamten Vermögens ein Sachwalter zu bestellen sei. Die Bestellung eines Sachwalters zur Verwaltung des Vermögens sei dann zulässig, wenn die Verschwendung von Geldmitteln Symptom einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Krankheit sei. Der Beschluß über die Bestellung des Sachwalters habe gemäß § 244 Z 4 AußStrG auch die Person des Sachwalters zu bezeichnen. Das Erstgericht hätte daher seine Entscheidung über die Person des Sachwalters, der für Berta A zu bestellen sei, nicht bis zur Rechtskraft des Beschlusses über den Ausspruch, daß ein Sachwalter bestellt wird, vorbehalten dürfen. Dem Erstgericht sei daher eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen gewesen. In dem von ihr selbst verfaßten Schreiben vom 7.3.1985, ON 17, führt Berta A aus, sie lege gegen diesen Beschluß (der zweiten Instanz) Rekurs ein. Sie anerkenne Dr.Waltl nicht als ihren Rechtsvertreter und bitte, daß Dr.Simmer seinen Anforderungen nachkomme und den Antrag auf Verfahrenshilfe nach Salzburg schicke (Dr.Gerald Simmer ist jener Richter des Bezirksgerichtes Zell am See, der das Verfahren 2 C 142/82 führt).

Die Eingabe ist, obwohl sie keine Anfechtungsgründe, keine Ausführungen tatsächlicher oder rechtlicher Art und keine Anträge enthält, als Rekurs zu behandeln, weil sie als solcher zu erkennen ist (1 Ob 302/75, 4 Ob 514/84 u. a.) und insbesondere auch - im Zusammenhang mit dem Vorbringen von Berta A im Verfahren vor dem Erstgericht und den Ausführungen im Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes, sie lege Rekurs ein, weil sie selbst in der Lage sei, ihre Angelegenheiten zu vertreten (ON 12) - erschlossen werden kann, wodurch und inwieweit Berta A sich beschwert erachtet (3 Ob 31/75, 1 Ob 702/82 u.a.). Im Rekursverfahren sind an die Rechtsmittelerfordernisse weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Berufungs- und Revisionsverfahren. Dies gilt insbesondere für die nach den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen zu beurteilenden Rechtsmittel, weil dieses Verfahren strengen Formerfordernissen ganz allgemein nicht jene Bedeutung beimißt wie die Zivilprozeßordnung (8 Ob 46/74; EFSlg 44.499 u.a.).

Das Rechtsmittel ist gemäß den §§ 14 und 249 AußStrG zulässig. Eine 'Änderung' im Sinne des § 14 AußStrG ist auch bei aufhebenden Beschlüssen des Rekursgerichtes gegeben (EFSlg 39.713), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dem Aufhebungsbeschluß ein Rechtskraftvorbehalt beigesetzt worden ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Da der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, kann er einem Ergänzungsauftrag des Gerichtes zweiter Instanz nicht entgegentreten, wenn dieser nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache oder einer Aktenwidrigkeit beruht, die aufgetragene Beweisergänzung also den entscheidungserheblichen Sachverhalt betrifft (EFSlg 39.717, 42.255, 44.569 u.a.; 5 Ob 539/84). Kann deshalb aus dem Verhalten von Berta A auch erschlossen werden, daß sie den Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes als überflüssig und verfehlt erachtet, weil sie der Meinung ist, sie leide weder an einer psychischen Krankheit, noch auch sei sie geistig behindert, sodaß ihr ein Sachwalter nicht zu bestellen sei, betrifft dies doch die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Tatfrage, zu der auch die Beurteilung des Geisteszustandes einer Person gehört (RZ 1979/90; 5 Ob 539/84). Eine unrichtige rechtliche Beurteilung oder eine Aktenwidrigkeit aber haftet der Entscheidung des Rekursgerichtes nicht an. Dem Revisionsrekurs mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

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