European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00302.75.1119.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Eltern des * 1970 geborenen minderjährigen H* wurde mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 7. Februar 1972, AZ. 2 Cg 187/71, aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden. Der Minderjährige verblieb auf Grund eines im Zuge des Scheidungsverfahrens abgeschlossenen und pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleiches in Pflege und Erziehung der Mutter. Auf Grund eines weiteren Vergleiches vom 30. Juni 1972 (ON. 9) einigten sich die Kindeseltern hinsichtlich des Besuchsrechtes des Vaters dahin, daß dieser seinen Sohn zweimal in der Woche zwischen 13 Uhr und 18 Uhr zu sich nehmen könne, wobei als Besuchstage der Samstag oder der Sonntag und der Mittwoch in Aussicht genommen wurden.
Mit der Begründung, daß es bei Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater zu Unzukömmlichkeiten gekommen sei, beantragte die Mutter in Abänderung der bisherigen Regelung dem Vater das Besuchsrecht nur einmal wöchentlich zwischen Montag und Freitag in der Zeit von 13 Uhr bis 18 Uhr einzuräumen. Der Vater sprach sich dagegen aus und beantragte seinerseits, das Besuchsrecht auf jeden Sonntag von 7 Uhr bis 12 Uhr festzulegen.
Der Erstrichter regelte mit Beschluß vom 8. Juli 1975 (ON. 31) das Besuchsrecht dahin, daß der Vater nunmehr berechtigt sei, das Kind an jedem Sonntag um 8.30 Uhr von der Wohnung der Kindesmutter abzuholen, um 13.30 Uhr zurückzubringen und die Zwischenzeit allein mit dem Kind zu verbringen. In seiner Begründung führte der Erstrichter aus, daß er nach Vernehmung der Eltern ein Gutachten des Sachverständigen UnivProf. Dr. Asperger eingeholt habe, dem er sich vollinhaltlich anschließe. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstrichters.
Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der ehelichen Mutter.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Zunächst ist darauf zu. verweisen, daß der Beschluß des Rekursgerichtes der Kindesmutter am 21. August 1975 zugestellt wurde. Am 1. September 1975, also noch innerhalb der Rechtsmittelfrist und damit fristgerecht, gab sie die Eingabe vom 29. August 1975 (ON. 35), gerichtet an das Erstgericht zur Post, in der sie sinngemäß zum Ausdruck brachte, daß sie die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht anerkenne. Über Ladung des Erstrichters für den 16. September 1975 gab sie weitere Argumente zu ihrem Rechtsmittel zu Protokoll. Dieses Protokollarvorbringen ist aber nicht nur verspätet, sondern auch unzulässig, weil auch im Verfahren Außerstreitsachen dieselbe Person gegen eine Entscheidung nicht mehr als einen Schriftsatz aber auch keine Nachträge anbringen darf. Mit der Einbringung eines Schriftsatzes ist das Recht auf Bekämpfung der angefochtenen Entscheidung konsumiert, jedes später einlangende Rechtsmittel ist unzulässig (JBl 1972, 274 uva). Es konnte daher auf das – überdies verspätete – Protokollarvorbringen nicht Bedacht genommen werden.
Andererseits ist jede Eingabe, insbesondere im Verfahren Außerstreitsachen, auch wenn sie keine Anfechtungsgründe, keine Ausführungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, keine Beweismittel oder Anträge enthält, als Rekurs zu behandeln, sofern die Eingabe nur als Rekurs zu erkennen ist (EvBl 1935/404 uva). Wendet man diese Grundsätze auf die Eingabe der Kindesmutter ON. 35 an, dann ist diese als Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz zu behandeln, weil sie als solcher zu erkennen ist und aus dem ursprünglichen Antrag der Kindesmutter auch hervorgeht, in welcher Richtung sie eine Abänderung der ergangenen Entscheidung anstrebt.
Da es sich diesfalls um eine den erstrichterlichen Beschluß bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes handelt, ist diese nur aus den im § 16 Abs. 1 AußStrG taxativ aufgezählten Gründen der Nullität, Aktenwidrigkeit oder offenbaren Gesetzwidrigkeit anfechtbar. Eine Nullität oder Aktenwidrigkeit werden weder behauptet noch sind solche dem Akteninhalt zu entnehmen. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt aber nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Nun handelt es sich bei der Frage, welche pflegschaftsbehördlichen Maßnahmen gemäß § 142 ABGB im Zusammenhang mit der Regelung des Besuchsrechtes im Einzelfall zu treffen sind, um eine solche des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens, deren Beantwortung nur dann mit Aussicht auf Erfolg bekämpft werden könnte, wenn die Vorinstanzen dabei willkürlich vorgegangen wären. Davon kann aber gegenständlich keine Rede sein, haben doch die Untergerichte ihre Entscheidung unter Zugrundelegung des Gutachtens eines Sachverständigen getroffen, und dabei keineswegs das Wohl des pflegebefohlenen Kindes als Grundprinzip des Pflegschaftsverfahrens unbeachtet gelassen.
Mangels Vorliegens eines Anfechtungsgrundes nach § 16 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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