OGH 1Ob1504/85

OGH1Ob1504/8527.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Hofmann, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta A, Private, Wien 23, Amstergasse 3/16/3, vertreten durch Dr.Johann Werth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz A, Pensionist, Wien 15, Jadengasse 2, vertreten durch Dr.Ernst Wukowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhatlserhöhung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1984, GZ.43 R 2088/84-57, den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile ist aus beiderseitigem Verschulden rechtskräftig geschieden. Im Scheidungsstreit schlossen die Parteien für den Fall der Scheidung einen Vergleich, mit dem sich der Beklagte zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 30 % seines jeweiligen Nettoeinkommens an die Klägerin ab 10.3.1978 verpflichtete. Als Vergleichsgrundlage hielten die Parteien die Sorgepflicht des Beklagten für die am 29.1.1960 geborene eheliche Tochter Herta und das monatliche Einkommen der Klägerin als Hausbesorgerin von S 1.850 fest.

Die Klägerin begehrt die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten von 30 auf 33 1/3 % seines jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens ab dem Klagstag (d.i. 3.6.1982). Die Vergleichsgrundlage habe sich insofern geändert, als die Unterhaltspflicht des Beklagten für seine Tochter weggefallen und die Klägerin nur noch im Haushalt tätig und deshalb ohne eigenes Einkommen sei.

Der Beklagte wendete insbesondere ein, die Klägerin lebe mit Josef B in Lebensgemeinschaft und werde von diesem finanziell unterstützt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin lebe zwar nicht in Lebensgemeinschaft, doch dürfe der auf § 68 EheG gestützte Unterhaltsanspruch nicht das Ausmaß des angemessenen Unterhalts erreichen.

Das Berufungsgericht gab dem Unterhatlserhöhungsbegehren statt und ließ die Revision nicht zu. Das Erstgericht übersehe die im Vordergrund stehende Vertragsgestaltung. Selbst nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen stehe es frei, den Unterhalt mit seinem Gläubiger vertraglich zu regeln; den Vorstellungen der Vertragsteile über die Höhe und die Auswahl der Zumessungskriterien seien keine gesetzlichen Schranken auferlegt. Vor allem könnten sie zu von den von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätzen abweichenden Ergebnissen gelangen. Gemäß § 914 ABGB könnten unter der vereinbarten Vergleichsgrundlage nur die Unterhaltsverpflichtung mindernde Umstände verstanden werden. Die Anhebung der Unterhaltsverpflichtung um die begehrten 3 1/3 % entspreche dem hypothetischen Willen der Streitteile.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist nicht zulässig. Der Zulässigkeitsprüfung ist vorauszuschicken, daß die Klägerin das Erhöhungsbegehren - entgegen der Ansicht des Erstgerichts - nicht auf die Bestimmung des § 68 EheG, sondern auf den Vergleich vom 23.2.1978 und die von ihr behauptete önderung der dort festgehaltenen Vergleichsgrundlage gestützt. Verpflichtet sich der Beklagte im Zuge des Rechtsstreites über eine auf § 49 EheG gestützte Klage für den Fall der Scheidung und für die Zeit danach zu einer Unterhaltsleistung an die Klägerin und wird die Ehe in der Folge auf Grund eines Mitschuldantrages des Beklagten aus gleichteiligem Verschulden geschieden, beruht der Unterhaltsanspruch der Klägerin ausschließlich auf dem Vergleich, weil dieser zwar von (der Rechtskraft) der Scheidung, nicht aber von einem bestimmten Verschuldensausspruch abhängig gemacht wurde. Spätere önderungen in den Voraussetzungen für die Unterhaltsgewährung nach § 68 EheG haben auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin nur insoweit Einfluß, als dies vereinbart wurde. Eine sinngemäße oder auch nur hilfsweise Anwendung des § 68 EheG muß daher außer Betracht bleiben (5 Ob 80/68; vgl. hiezu auch SZ 54/140).

Da die Klägerin somit vertragliche und nicht gesetzliche Unterhaltsansprüche geltend macht, trifft der im § 502 Abs.2 Z 1 ZPO angeordnete Revisionsausschluß nicht zu; im übrigen ist nicht der Bemessungskomplex, sondern der Anspruchsgrund betroffen, wenn die Bemessung des Unterhaltsanspruchs - wie hier - von der Wirksamkeit und Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt (JB.60 neu; ÖA 1984, 14 u.a.). Allerdings gelten auch für Unterhaltsstreitigkeiten, bei welchen die Revision nicht schon nach § 502 Abs.2 Z 1 ZPO ausgeschlossen ist, die Rechtsmittelbeschränkungen nach § 502 Abs.2 Z 2 und Abs.4 Z 1 ZPO (ÖA 1983, 110; 1 Ob 731/83 u.a.). Der Streitwert errechnet sich dabei nach der Vorschrift des § 58 Abs.1 JN; wird die Erhöhung des Unterhalts begehrt, bildet nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung den Streitwert (ÖA 1983, 110 u.a.). Auch der Streitwert von Unterhaltsklagen, die auf einen Bruchteilstitel abzielen (EvBl.1972/182; RZ 1968, 109 u.a.) oder mit welchen die Erhöhung dieses Bruchteils begehrt wird, ist nach dieser Vorschrift zu berechnen, weil der Streitgegenstand auch in diesen Fällen in einer wenngleich aus dem Titel nicht ziffernmäßig ersichtlichen Geldsumme besteht. Auszugehen ist dann von den Feststellungen der Vorinstanzen über die Höhe des Nettoeinkommens des Beklagten und mangels solcher Feststellungen von den Klagsbehauptungen (EvBl.1972/182). Im vorliegenden Fall fehlt es zwar auch an derartigen Behauptungen, doch hat der Beklagte in seiner Parteiaussage seinen monatlichen Nettopensionsbezug - unwidersprochen - mit S 12.300 beziffert (AS 120); diese Bekundung kann daher der Streitwertberechnung zugrunde gelegt werden. Demnach beträgt das dreifache Jahreseinkommen unter Bedachtnahme auf die Sonderzahlungen S 516.600 (S 12.300 x 14 x 3) und der dreifache Jahresbetrag der begehrten Unterhaltserhöhung (3 1/3 % hievon) S 17.220. Da das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil zur Gänze abgeändert hat, der Beschwerdegegenstand zwar nicht S 300.000, wohl aber S 15.000 übersteigt und die Revision daher auch nicht aus dem Grunde des § 502 Abs.2 Z 2 ZPO ausgeschlossen ist, bleibt zu prüfen, ob die vom Berufungsgericht nicht zugelassene Revision eine im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts geltend macht.

Der Beklagte erblickt die erhebliche Rechtsfrage darin, daß der nach § 68 EheG zu bemessende Unterhalt nicht erhöht werden dürfe, wenn schon das in einem Unterhaltsvergleich vereinbarte Ausmaß des Unterhaltsanspruchs den nach der genannten Gesetzesstelle zuzubilligenden Unterhalt bei weitem übersteige. Damit zeigt er aber keine für die Entscheidung des Unterhaltsstreits bedeutsame erhebliche Rechtsfrage auf, weil der Unterhalt - wie schon dargelegt - ausschließlich auf dem Vergleich und nicht auf § 68 EheG beruht und diese Bestimmung daher bei der Beurteilung des Unterhaltserhöhungsbegehrens auch nicht analog oder subsidiär angewendet werden darf.

Auch mit der erst in den Rechtsmittelgründen ausgeführten Erwägung, daß sich der Beklagte nach der Auslegungsregel des § 915 ABGB im Zweifel eher die geringere Last habe aufbürden wollen, wird keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO ins Treffen geführt. Abgesehen davon, daß es der Beklagte unterlassen hat, anzuführen, inwiefern das Gericht zweiter Instanz bei Beurteilung des vorliegenden Falls von den von der Rechtsprechung allgemein erarbeiteten Grundsätzen abgewichen sein soll (5 Ob 1535/84), hängt die Auslegung eines Vergleichs und die Frage, ob die önderung der Verhältnisse die Erhöhung des vereinbarten Unterhalts nicht rechtfertige, in der Regel von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 1535/84). Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht, die önderung der von den Parteien vereinbarten Vergleichsgrundlage rechtfertige eine Unterhaltserhöhung, ein unvertretbares Ergebnis zeitigte, sodaß der Oberste Gerichtshof trotz der besonderen Einzelfallgestaltung auch im Zulassungsbereich korrigierend eingreifen müsse (1 Ob 795/83 ua). Wird Unterhaltsvergleichen die Umstandsklausel im allgemeinen schon stillschweigend zugrunde gelegt (SZ 34/78; SZ 26/222 u.v.a.), muß dies umsomehr gelten, wenn die Parteien die Vergleichsgrundlage ausdrücklich festlegen. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist deshalb gemäß § 508 a Abs.2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zurückzuweisen.

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