OGH 7Ob691/84

OGH7Ob691/8413.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Rudolf R*****, und 2.) Maria ***** R*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Mayer, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei Helga H*****, vertreten durch Dr. Helmut Werthner, Rechtsanwalt in Linz, wegen 77.777,77 S sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. September 1984, GZ 3 b R 94/84‑13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 27. April 1984, GZ 10 Cg 6/84‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00691.840.1213.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichts werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

 

Begründung:

Mit Schenkungsvertrag vom 3. 10. 1973/24. 7. 1974 schenkte Karl L***** der Zweitklägerin, seiner Stieftochter, die Grundstücke Nr 112/28 und 112/27 je der KG ***** im Gesamtausmaß von 1.711 m 2 und räumte ihr das immerwährende Geh- und Fahrtrecht über sein Grundstück 112/1 ein. In der Folge wurde das Grundstück 112/1 parzelliert und daraus unter anderem das Grundstück 112/34 gebildet, dessen Eigentümerin die Beklagte – Tochter des Karl L***** – wurde. Die Kläger als Miteigentümer der herrschenden Grundstücke haben über das Grundstück 112/34 eine Schotterstraße angelegt, die zu ihrer Liegenschaft führt.

Mit der am 5. 1. 1984 eingelangten Klage begehren die Kläger 77.777,77 S sA als anteilige Kosten der Straßenerrichtung und bringen vor, die im Jahre 1974 erfolgte Anlage der 180 m langen und 4 m breiten Straße habe 200.000 S gekostet. Vorher habe nur eine Fahrmöglichkeit über Wiesen bestanden. Seit April 1983 benütze die Beklagte eine 140 m lange Teilstrecke der Zufahrtsstraße immer häufiger. Durch LKW- und Baggerfahrten erfolge eine beträchtliche Beanspruchung. Die Beklagte beabsichtige, ein Wohnhaus neben der Liegenschaft der Kläger zu errichten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, ihr verstorbener Vater habe die Zweitklägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Zufahrt selbst herstellen müsse. Schon bevor der Erstkläger den Weg angelegt habe, sei dort mehrmals im Jahr mit Traktoren und landwirtschaftlichen Geräten gefahren worden. Die Beklagte selbst benütze den Weg nur in unwesentlichem Ausmaß, wodurch messbare Mehrkosten nicht entstünden. Eine Verpflichtung zur anteilsmäßigen Kostenübernahme hinsichtlich der Errichtung der Straße bestehe nicht; zu einer Beitragsleistung der laufenden Erhaltungskosten sei die Beklagte ohnedies bereit. Es sei richtig, dass die Beklagte ein Wohnhaus errichten wolle; die Beklagte werde auch auf ihre Kosten eine neue Straße errichten lassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, dass die Klägerin die Kosten der erstmaligen Errichtung der Baulichkeit von der Beklagten als der mitbenützenden Eigentümerin gemäß § 483 ABGB nicht verlangen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht schloss sich der Meinung des Erstgerichts an; es ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der Bestimmung des § 494 ABGB, in der nur von der „Erhaltung“ des Wegs die Rede sei, dass unter „Erhaltung und Herstellung der Sache“ iSd § 483 ABGB nur die der Errichtung nachfolgenden Instandsetzungs- und Wiederinstandsetzungsarbeiten zu verstehen seien. Die Wortfolge hätte sonst „Errichtung (Herstellung) und Erhaltung“ zu lauten, da die Errichtung der Anlage deren Instandhaltung vorangehe. Das Wort „Herstellung“ könne allenfalls, wie sich aus einem Vergleich mit § 495 ABGB ergebe, die Bedeutung des Wortes „Wiederherstellung“ haben. Bestehe aber keine Verpflichtung der Beklagten, zu den Kosten der Errichtung des Dienstbarkeitswegs beizutragen, hätten die Kläger auch keinen Ersatzanspruch iSd § 1042 ABGB. Ein Anspruch nach § 1041 ABGB scheide aus, weil die Beklagte als Eigentümerin der dienstbaren Sache nach dem Gesetz berechtigt sei, den Servitutsweg mitzubenützen.

Die Kläger bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichts aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragten, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Kläger vertreten die Ansicht, es ergebe sich unmissverständlich aus dem Wortlaut des § 483 ABGB, dass der Dienstbarkeitsverpflichtete, wenn er die Sache mitbenütze, auch die Herstellungskosten anteilig zu tragen habe. Es wäre inkonsequent, dem Verpflichteten, der die Sache mitbenütze, nur die Kosten der Wiederherstellung, nicht hingegen jene der ursprünglichen Errichtung aufzubürden.

Der Oberste Gerichtshof pflichtet dieser Ansicht bei.

Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage, ob unter dem „Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache“ iSd § 483 ABGB auch die Neuherstellung zu verstehen ist, ob dem Begriff „Herstellung“ im Hinblick auf den Wortlaut des § 495 ABGB, in dem von einer „Herstellung in den vorigen Stand“ die Rede ist, die Bedeutung „Wiederherstellung“ oder ob ihm überhaupt keine eigene Bedeutung zukommt, sondern auch damit lediglich „Instandsetzung“ gemeint ist, bisher nicht beschäftigt (so etwa die Entscheidungen 5 Ob 705/78 und 1 Ob 580/81).

Die Lehre hat in der Bedeutung des ersten Satzes des § 483 ABGB und insbesondere des Begriffs „Herstellung“ offensichtlich keine Schwierigkeiten gesehen.

Klang geht sowohl in der ersten (I, 380), als auch in der zweiten Auflage (II, 563) seines Kommentars über den Wortlaut des § 483 ABGB kaum hinaus. Seinen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, dass unter dem Wort „Herstellung“ etwas anderes als „Neuherstellung“ zu verstehen wäre. Als ein Beispiel dafür, dass der Eigentümer der dienstbaren Sache, benützt er diese mit, verhältnismäßig zu dem Aufwand für die Sacherhaltung beizutragen hat, erwähnt er die Bestimmung des § 55 BWG idF der WRN 1947, BGBl Nr 144/1947, § 1 Art V = § 68 WRG, wonach dem Eigentümer eines mit der Dienstbarkeit der Wasserleitung belasteten Grundstücks die Mitbenützung gegen einen angemessenen Beitrag zu den Herstellungs- und Erhaltungskosten insoweit zu gestatten ist, als hiedurch der Zweck der Anlage nicht erheblich beeinträchtigt oder gefährdet wird.

Gschnitzer , Sachenrecht 139, erwähnt nur, dass der mitbenützende Eigentümer verhältnismäßig zur Instandhaltung beitragen muss. Nicht ausführlicher nimmt Ehrenzweig 2 I/2, 306, zu dem vorliegenden Problem Stellung.

Petrasch in Rummel , ABGB, Rdz 1 zu § 483, führt es als eine Ausnahme des allgemeinen Grundsatzes, dass der Dienstbarkeitsberechtigte den „Herstellungs- und Erhaltungsaufwand“ (allein) zu tragen hat, an, dass im Fall einer Mitbenützung durch den Eigentümer dieser einen verhältnismäßigen Beitrag zu leisten habe. Seine Erläuterungen weisen nicht darauf hin, dass das Wort „Herstellung“ im § 483 ABGB nicht im Sinn von „Neuherstellung“, sondern von „Wiederherstellung“ oder „Instandsetzung“ zu verstehen sei.

Koziol-Welser , Grundriss des bürgerlichen Rechts 6 , erwähnen weder die Bestimmung des § 483 ABGB, noch auch jene des § 494 ABGB.

Ofner , Sachenrecht, 101, spricht wie Petrasch von den Kosten der Herstellung und Erhaltung, an denen sich der Servitutsverpflichtete, wenn auch er die Sache benützt, (wie bei einer „Zufallsgemeinschaft“) zu beteiligen hat.

In undifferenzierter Weise führt Pfersche , Grundriss des Sachenrechts, 98, aus, dass der Belastete, soweit er die Anlage mitbenützt, auch verhältnismäßig „zu den Kosten“ beizutragen hat.

Krainz-Pfaff , System des österreichischen Privatrechtes 3 I 717, und Mayr , Lehrbuch des bürgerlichen Rechts I/1, 489, erwähnen, dass der Eigentümer, wenn auch er den zur Dienstbarkeit bestellten Gegenstand benützt, im Verhältnis seiner Benützung „zur Erhaltung“ beitragen muss.

Die Sitzungsberichte in Ofner , Bürgerliches Gesetzbuch, Urentwurf und Beratungsprotokolle, I 304 f und 306 f tragen zum besseren Verständnis der Gesetzesstelle wenig bei, und auch Zeiller , Commentar über das bürgerliche Gesetzbuch II/1, 304 f, spricht nur in allgemeiner Form vom „Aufwand“, der zwischen dem Berechtigten und Verpflichteten nach Verhältnis des Nutzanteils zu teilen sei.

Konkret zu dem vorliegenden Problem Stellung nimmt Stubenrauch 8 I 690 f. Die Dienstbarkeit bestehe nur in einem Dulden oder Unterlassen, keineswegs auch in einem Geben oder Tun. Eine Folge dieses Prinzips sei es, dass im Allgemeinen der Aufwand für die Erhaltung und Herstellung der dienstbaren Sache, zB des Fußsteigs oder Fahrwegs, von dem Dienstbarkeitsberechtigten und nicht von dem Eigentümer getragen werden müsse. Dass der Eigentümer der dienstbaren Sache, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Servitutsinhabers möglich sei, berechtigt sei, dieselbe mitzubenützen, sei zwar im Gesetz nicht insbesondere ausgesprochen, gehe aber mit Zuverlässigkeit aus den §§ 494, 502, 508 und 522 ABGB hervor. Sei dies der Fall, müsse er auch billigerweise zu dem Aufwand für die Erhaltung und Herstellung der Sache beitragen, und zwar verhältnismäßig, das heiße nach dem Maße seines Genusses oder, wenn dieses nicht zu ermitteln wäre, mit dem Servitutsberechtigten zu gleichen Teilen (Analogie aus § 839 ABGB). Habe der Servitutsberechtigte die Kosten der Herstellung ganz aus Eigenem bestritten, so könne er ohne Zweifel teilweisen Ersatz dafür fordern, da § 1042 ABGB ausdrücklich verfüge, dass derjenige, welcher für einen anderen einen Aufwand mache, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, das Recht habe, Ersatz zu fordern.

Bemerkt sei, dass Klang aaO mehrfach auf die Ausführungen Stubenrauchs verweist und sie zum Teil wörtlich wiedergibt. Nach seinem Hinweis auf die Bestimmung des § 55 WRG idF der WRN 1947, in der von einem Beitrag zu den Herstellungs- und Erhaltungskosten die Rede ist, versteht Klang unter dem „Aufwand zur Sacherhaltung“ offensichtlich auch die Herstellungskosten, die von Stubenrauch besonders hervorgehoben werden, was Klang aus dem dargestellten Grund augenscheinlich nicht für erforderlich angesehen hat.

Sieht man aber auch von der Darstellung Stubenrauchs ab, findet sich in keiner einzigen Lehrmeinung ein Hinweis dafür, dass unter „Herstellung“ iSd § 483 ABGB etwas anderes zu verstehen sei als die diesem Wort nach allgemeinem Sprachgebrauch zukommende Bedeutung einer Neuherstellung bzw Neuerrichtung. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass dem Begriff „Herstellung“ nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers eine andere Bedeutung wie etwa eine Gleichstellung mit „Erhaltung“ oder eine Einschränkung auf „Wiederherstellung“ zugekommen wäre. Dies kann auch nicht aus dem § 495 ABGB geschlossen werden, wo von einer „Herstellung in den vorigen Stand“ die Rede ist, wenn Wege und Steige unbrauchbar geworden sind. Gerade deshalb, weil § 495 ABGB die Herstellung in den vorigen Stand erwähnt, ist klar, dass „Herstellung“ auch nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers nicht gleichbedeutend war mit „Wiederherstellung“. Allein aus dem Umstand aber, dass im § 483 ABGB nicht ein Aufwand zur „Herstellung und Erhaltung“, sondern zur „Erhaltung und Herstellung“ angeführt wird, kann noch nicht auf eine veränderte Bedeutung des Wortes „Herstellung“ geschlossen werden. Der Umstand, dass § 494 ABGB noch einmal – und zwar nach einhelliger Meinung der Lehre, vgl etwa Klang in Klang 2 II 572, in überflüssiger Weise – die Kosten der Erhaltung des Weges usw erwähnt, vermag am Inhalt des § 483 ABGB nichts zu ändern.

Es ist deshalb auch nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht zweifelhaft, dass der Eigentümer der dienstbaren Sache, wenn er diese mitbenützt, nicht nur zu deren Erhaltung, sondern auch zu deren Herstellung verhältnismäßig beizutragen hat.

Feststellungen über die Kosten der Herstellung des Servitutsweges wurden bisher nicht getroffen. Es fehlen auch Anhaltspunkte über das Verhältnis der Benützung des Weges durch die Streitteile, sieht man davon ab, dass die Beklagte nur eine Teilstrecke des gesamten Weges benützt. Bei der Ausmittlung des Verhältnisses werden auch die Bestanddauer des von den Klägern errichteten Weges und– außer der Intensität der derzeitigen Benützung – der Umstand zu berücksichtigen sein, dass die Beklagte den Weg bis zum Jahr 1983 kaum benützt hat.

Es war deshalb der Revision Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

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