European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00580.840.0918.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung
Mit der am 6. 6. 1983 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, gestützt auf den mit dem Beklagten über ihre Eigentumswohnung im Haus *****, am 10. 3. 1983 abgeschlossenen Mietvertrag und § 1118 ABGB, die Verurteilung des Beklagten, ihr 1. den für Mai 1983 rückständigen Mietzins von 4.300 S samt Anhang zu bezahlen und 2. die genannte Wohnung von seinen Fahrnissen geräumt zu übergeben.
Das Erstgericht fällte am 30. 6. 1983 ein klagestattgebendes Versäumungsurteil. Am 25. 8. 1983 bewilligte es die zwangsweise Räumung der Wohnung. Diese wurde am 14. 12. 1983 vollzogen.
Am 3. 1. 1984 gab der Beklagte beim Erstgericht den Antrag zu Protokoll, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil und der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen die Bewilligung der Räumungsexekution sowie die Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung der Berufung gegen das Versäumungsurteil zu bewilligen.
Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten mit Beschluss vom 31. 1. 1984 ab und bewilligte ihm die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts am 1. 2. 1984.
Das Berufungsgericht verwarf die vom Verfahrenshelfer des Beklagten gegen das erstgerichtliche Versäumungsurteil erhobene, auf § 477 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte und am 29. 3. 1984 zur Post gegebene Berufung als verspätet. Es nahm aufgrund der vom Erstgericht im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten durchgeführten Vernehmung der Auskunftspersonen Karl W*****, Ilse P*****, Olga O***** und Candidus O***** sowie des Beklagten folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Dem Beklagten wurde die Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung nach vorhergehender Aufforderung vom 10. 6. 1984 (richtig 1983) am 13. 6. 1984 (richtig 1983) „durch postamtliche Hinterlegung in ***** (laut Rückschein richtig beim Postamt 1110 Wien), zugestellt“. Das Versäumungsurteil wurde dem Beklagten am 30. 6. 1983 (laut Rückschein richtig am 8. 7. 1983) „durch postamtliche Hinterlegung (bei demselben Postamt) zugestellt“. In beiden Fällen wurde im Hausbrieffach des Beklagten eine Hinterlegungsanzeige zurückgelassen und das zuzustellende Schriftstück noch am selben Tag beim Postamt zur Abholung bereitgehalten. Dass der Beklagte während der Abholfrist länger als einige Tage von der Abgabestelle *****, abwesend war, kann nicht festgestellt werden.
Zur Würdigung der Bescheinigungsmittel führte das Berufungsgericht aus, es habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der beiden Postzusteller (Karl W***** und Candidus O*****) gehabt, während der Beklagte den Eindruck erweckt habe, dass er ‑ ohne dafür eine überzeugende Erklärung liefern zu können ‑ bei seinen wiederholten Vernehmungen versucht habe, die zunächst nur mit wenigen Tagen angegebene Abwesenheit von seiner Wohnung immer weiter auszudehnen; es habe ihm daher kein Glauben geschenkt werden können.
In rechtlicher Hinsicht erwog das Berufungsgericht: Gemäß § 17 Abs 3 ZustG gälten hinterlegte Sendungen nicht als zugestellt, wenn sich ergebe, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis habe erlangen können, doch werde die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte, also innerhalb der Abholfrist. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgehe, dass er im Zeitpunkt des Zustellversuchs hinsichtlich des Versäumungsurteils von seiner Wohnung abwesend gewesen sei, so sei er doch noch während der (mindestens 14‑tägigen) Abholfrist zurückgekommen. Der vom Beklagten am 3. 1. 1984 gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung einer Berufung gegen das Versäumungsurteil sei daher nach Ablauf der vierwöchigen Berufungsfrist erfolgt.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Was zunächst die Zulässigkeit des Rekurses betrifft, so gelten zwar für Rekurse gegen Beschlüsse des Berufungsgerichts nicht nur die Rechtsmittelbeschränkungen des § 519 ZPO, sondern auch jene des § 528 Abs 1 ZPO (arg.: Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz); die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 ZPO greift hingegen nicht Platz, weil kein Beschluss des Rekursgerichts vorliegt. Es bedarf demnach im Falle eines Beschlusses des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nicht eines Ausspruchs über den Wert des Streitgegenstands im Sinne des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO und über die Zulässigkeit eines Rekurses gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, wohl aber ‑ im Hinblick auf § 528 Abs 1 Z 5 ZPO ‑ grundsätzlich eines Ausspruchs darüber, ob der Wert des Beschwerdegegenstands 15.000 S übersteigt ( Petrasch in ÖJZ 1983, 203; Fasching , Lehr‑ und Handbuch, Rz 1980; 7 Ob 58/83, 4 Ob 396/83, 3 Ob 156/83, 7 Ob 570/84 ua). Da gemäß § 500 Abs 2 letzter Satz ZPO die im § 49 Abs 2 Z 5 JN genannten Streitigkeiten jedenfalls mit einem 15.000 S übersteigenden Betrag zu bewerten sind, kann hier jedoch ‑ auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklagen fallen unter § 49 Abs 2 Z 5 JN: Fasching , Kommentar I 305 ‑ dieser an sich auch bei Zurückweisungsbeschlüssen des Berufungsgerichts erforderliche Ausspruch über den Wert des Streitgegenstands entbehrt werden (3 Ob 502, 503/84). Der Rekurs ist sowohl hinsichtlich des Zahlungsbegehrens als auch hinsichtlich des Räumungsbegehrens zulässig, weil beide Begehren aus demselben Vertrag abgeleitet werden, also in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang miteinander stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 Abs 4 JN; ebenso schon ‑ zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrensnovelle 1983 ‑ 5 Ob 534/83).
Zu den die Rechtzeitigkeit der Berufung betreffenden Rekursausführungen ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Die vom Beklagten gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 528a ZPO in Verbindung mit § 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht war insbesondere berechtigt, den von ihm zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung als bescheinigt angenommenen Sachverhalt auf die vom Erstgericht im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten durchgeführte Vernehmung von Auskunftspersonen zu stützen. Welches dem Beklagten günstigere Ergebnis die von ihm vermisste Prüfung der „relevanten Postzustellunterlagen“ gebracht hätte, wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
Auf die die Richtigkeit des vom Berufungsgericht als bescheinigt angenommene Sachverhalts bekämpfenden Rekursausführungen einzugehen, ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt, weil er nur Rechts‑ und nicht auch Tatsacheninstanz ist. Der Entscheidung ist daher zugrundezulegen, dass der Beklagte von der postamtlichen Hinterlegung des Versäumungsurteils am 8. 7. 1983 durch Zurücklassung einer Hinterlegungsanzeige verständigt wurde sowie, dass er zumindest innerhalb der 14‑tägigen Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt ist und das hinterlegte Versäumungsurteil beheben hätte können. (Noch im Rekurs weist der Beklagte darauf hin, dass er nie den Einwand erhoben habe, die Zustellung durch Hinterlegung sei deshalb ungesetzlich erfolgt, weil er mehr als zwei Wochen ortsabwesend gewesen sei, sondern die Ungesetzlichkeit des Zustellvorgangs darin erblickt habe, dass er von der Hinterlegung des Versäumungsurteils niemals verständigt worden sei.)
Geht man aber von diesem Sachverhalt aus, dann ist die am 8. 7. 1983 durch postamtliche Hinterlegung erfolgte Zustellung des Versäumungsurteils an den Beklagten gemäß § 17 Abs 3 ZustG ‑ wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist ‑ zumindest an dem innerhalb der 14‑tägigen Abholfrist gelegenen Tag wirksam geworden, an dem der Beklagte das hinterlegte Versäumungsurteil nach seiner Rückkehr an die Abgabestelle beheben hätte können (vgl Berchtold , ZustellG 37; Walter‑Mayer , Zustellrecht 106 Anm 39 und 41). Da dieser Tag jedenfalls mehr als vier Wochen vor dem 3. 1. 1984 gelegen ist, an dem der Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung einer Berufung gegen das Versäumungsurteil beantragt hat, wurde die Berufung somit vom Berufungsgericht zu Recht als verspätet verworfen (zurückgewiesen).
Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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