Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate erhöht.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 20jährige beschäftigungslose Winfried A des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (1.) sowie der Vergehen der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB (2.) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (3.) schuldig erkannt. Darnach hat er 1. am 2. Dezember 1983 in Salzburg dadurch, daß er Herta B die Handtasche entriß, wodurch die Genannte zu Sturz kam und sich leichte Verletzungen, nämlich eine Schädelprellung mit einem kleinapfelgroßen Bluterguß, eine stecknadelkopfgroße blutende Hautwunde an der Kopfschwarte und eine Prellung an der linken Hüfte zuzog, der Herta B mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen, 2. in der Zeit von Anfang bis Ende November 1983 in Wien mit einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Personen männlichen Geschlechts gewerbsmäßig gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben und 3. im November 1983 in Wien den österreichischen Reisepaß Nr. M 0337702, lautend auf den Namen Jochanan C, geboren am 2.8.1966, sohin eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes gebraucht werde.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Gegen seine Verurteilung wegen Raubes wendet der Beschwerdeführer zunächst ein, das Urteil sei unvollständig begründet (Z 5), weil seine Verantwortung, er habe die Aussichtslosigkeit seiner Situation eingesehen und sei stehengeblieben, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, davon zu laufen (S 166), unrichtig wiedergegeben und nur festgestellt werde, er habe die Unmöglichkeit einer weiteren Flucht eingesehen (S 189). Der solcherart unterlaufene Begründungsmangel sei für die Frage der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch von Bedeutung und daher relevant.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge betrifft indes keine Tatsache von entscheidender Bedeutung im Sinne des behaupteten Nichtigkeitsgrundes. Denn mit der (festgestellten) überwältigung des Raubopfers und Wegnahme der Handtasche war der Raub bereits vollendet, sodaß ein Rücktritt vom Versuch schon begrifflich nicht in Betracht kommt.
In rechtlicher Hinsicht (Z 10) strebt der Beschwerdeführer die Beurteilung der Sachwegnahme als Vergehen des Diebstahls an, weil die Zeugin Herta B die Tasche 'nur im Unterbewußtsein' gehalten habe. Dabei gibt er allerdings die Aussage dieser Zeugin nur unvollständig wieder, denn diese hat erklärt, sie habe die Tasche scheinbar im Unterbewußtsein gehalten, sonst hätte es sie nicht so weit mitgerissen (S 171), und negiert im übrigen (und vor allem) die - mängelfrei begründete - Urteilsannahme, wonach Herta B der Wegnahme ihrer Handtasche, wenn auch mehr oder weniger instinktiv, so doch jedenfalls willentlich (und keinesfalls unbewußt) durch (weiteres) Festhalten derselben Widerstand entgegensetzte (S 188, 191, 193 f).
Davon ausgehend haftet aber der Tatbeurteilung als Raub ein Rechtsirrtum nicht an.
Den Schuldspruch wegen Vergehens nach § 210 StGB hält die Beschwerde deshalb für verfehlt (Z 9 lit a), weil der Angeklagte nicht gewerbsmäßig gehandelt habe; die von ihm angestrebte fortlaufende Einnahme habe nicht in Geld, sondern in Naturaleinkünften bestanden, die keine Einnahme im Sinne des § 70 StGB darstellen. überdies habe er auch deshalb nicht gewerbsmäßig gehandelt, weil er nur einen vorübergehenden wirtschaftlichen Engpaß überbrücken wollte. Auch damit ist sie nicht im Recht.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen nahm der Beschwerdeführer die gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen mit etwa zehn Männern im November 1983 in der Absicht vor, auf diese Weise, nämlich durch die Gegenleistungen der Männer, die teilweise in Geld, teilweise in Essen, Getränken und freier Unterkunft bestanden, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Damit sind aber die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns im Sinne des § 210 StGB erfüllt. Denn entgegen der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Meinung Pallins (Wiener Kommentar RN 5 zu § 210 StGB) muß die angestrebte Einnahme auch bei diesem Delikt nicht in Geld bestehen. Kommt es doch bei Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit (§ 70 StGB) generell nicht darauf an, ob die auf wiederkehrende Einnahmen abzielende innere Tendenz des Täters auf Geldzuwendungen oder auf die fortlaufende Beschaffung zur unmittelbaren Befriedigung von Lebensbedürfnissen dienender Sachwerte, wozu auch Kost und Quartier zählen, gerichtet war (ÖJZ - LSK 1977/8; 12 Os 149/78; 12 Os 52/80;
11 Os 111/82; vgl auch die weiteren bei Mayerhofer/Rieder StGB 2 E Nr 34, 35
zu § 70 zitierten Entscheidungen). Das gilt, da das Gesetz insofern keinen Unterschied macht, nicht nur für jene Fälle, in denen die gewerbsmäßige Tatbegehung strafschärfend wirkt, sondern auch dann, wenn gewerbsmäßiges Handeln strafbegründend ist, somit auch für den Begriff der Gewerbsmäßigkeit beim Delikt des § 210 StGB, dessen kriminalpolitisches Ziel es ist, einer Lebensweise entgegenzuwirken, die auf die Erlangung wirtschaftlicher Vorteile (als fortlaufender Einnahme) aus gleichgeschlechtlicher Unzucht zur gänzlichen oder teilweisen Deckung des Unterhalts des Täters abzielt. Der Tatbildlichkeit steht auch nicht entgegen, daß die Tatbegehung nach der Verantwortung des Beschwerdeführers der Deckung des notdürftigen Unterhalts des Täters diente (9 Os 93/77, 11 Os 129/82). Auf Dauer muß das gewerbsmäßige Handeln nicht gerichtet sein, es genügt vielmehr die auf wiederkehrende Begehung der Taten innerhalb eines noch unbestimmten Zeitraumes gerichtete Absicht, wie sie vom Erstgericht auch festgestellt wurde. Für die vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung einer von vornherein nur als vorübergehende überbrückungsmaßnahme gedachten Tätigkeit bot dessen eigene Verantwortung vor Polizei (S 21 f), Untersuchungsrichter (S 43 a) und in der Hauptverhandlung (S 163, 167), keine Grundlage. Schließlich setzt § 210 StGB auch ein ausdrückliches Fordern einer finanziellen Gegenleistung nicht voraus (9 Os 114/82), so daß auch die Darstellung des Angeklagten, er habe Geldzuwendungen von seinen Unzuchtspartnern erhalten, ohne sie vorher verlangt zu haben, der rechtlichen Relevanz entbehrt.
Gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung bringt der Beschwerdeführer schließlich (aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO) vor, die Begründung des Erstgerichtes für seine Feststellung, der Angeklagte sei sich des Umstandes bewußt gewesen, daß der unbekannte Paßverkäufer nicht der rechtmäßige Besitzer dieses Dokumentes war, sei mangelhaft und widersprüchlich. Hätte er nämlich den Paß bei Erwerb näher geprüft, so hätte er nicht nur die fehlende Identität des Verkäufers mit dem Inhaber, sondern auch die Unbrauchbarkeit für eigene Zwecke zufolge des eigenen Geburtsdatums (2.August 1966) erkannt. Damit wird jedoch nur die erstgerichtliche Beweiswürdigung in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Weise bekämpft, wobei die Argumentation des Beschwerdeführers auch insoferne versagt, als bekanntlich Reisepässe gelegentlich zum Zweck späterer Verfälschung erworben werden.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 142 Abs. 1
StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr; dabei wertete es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen und die keineswegs zu bagatellisierende Verletzung des Raubopfers, als mildernd hingegen das teilweise abgelegte Geständnis, das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren, die (objektive) Schadensgutmachung (im Fakutm I) und eine beim Angeklagten vorliegende Persönlichkeitsabnormität. Gegen den Strafausspruch haben sowohl der Angeklagte als auch der öffentliche Ankläger Berufung ergriffen; während ersterer (allein) die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, begehrt letzterer die schuldangemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe. Was zunächst die Berufung des Angeklagten betrifft, so kann ihr deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil angesichts der Vorstrafe des Angeklagten wegen eines (vorsätzlichen) Körperverletzungsdelikts, der Deliktshäufung und des nicht unbeträchtlichen Grades der Schuld des Angeklagten nicht mit Grund angenommen werden kann, daß die bloße Androhung der Strafe genügen werde, um den Rechtsbrecher von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Damit fehlt es aber an einer wesentlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1
StGB, weshalb der Berufung des Angeklagten nicht Folge zu geben war. Berechtigt ist hingegen die Berufung der Staatsanwaltschaft. Das Schöffengericht hat zwar die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend erfaßt, bei deren Gewichtung aber dem Umstand, daß der Angeklagte wegen § 83 Abs. 1 StGB vorbestraft ist und daß ihm außer dem Raub (an einer Greisin, die dadurch nicht unbeträchtlich verletzt wurde) auch noch zwei weitere strafbare Handlungen zur Last liegen, zu wenig Bedeutung beigemessen. Die aktenkundigen Umstände, unter denen die gegenständlichen Straftaten verübt wurden, lassen in Verbindung mit dem Vorleben erkennen, daß der Angeklagte zu einer asozialen, kriminellen Lebensweise neigt. All dies zeigt, daß die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe der Schwere der personalen Täterschuld und dem Unwert der verschuldeten Tat nicht gerecht wird. In Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Berufung war daher die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu erhöhen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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