OGH 2Ob6/84

OGH2Ob6/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria S*****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Rolf Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Z*****, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. April 1983, GZ 16 R 76/83-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 8. Februar 1983, GZ 2 a Cg 479/82-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der beklagten Partei die mit 4.022,32 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 268,32 S Umsatzsteuer und 400 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 3. 1. 1978 in Korneuburg als Fußgängerin von einem von Ewald K***** gelenkten, bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW angefahren und schwer verletzt. Das Alleinverschulden des Ewald K***** am Unfall ist unbestritten.

Mit der am 12. 2. 1979 beim Erstgericht eingelangten Klage machte die Klägerin Schadenersatzansprüche in der Höhe von 107.020 S geltend und erhob weiters ein Feststellungsbegehren, wonach ihr die beklagte Partei für alle zukünftigen Unfallsfolgen im Rahmen des Versicherungsvertrags zu haften habe.

Zu dem für den 23. 2. 1979 anberaumten Termin der ersten Tagsatzung trat Ruhen des Verfahrens ein. Am 25. 11. 1982 stellte die Klägerin den Antrag auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens und schränkte das Klagebegehren in der ersten Tagsatzung vom 14. 12. 1982 auf das Feststellungsbegehren ein.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Feststellungsbegehrens wegen Verjährung. Die Klägerin entgegnete, die beklagte Partei habe auf den Verjährungseinwand, der auch gegen Treu und Glauben verstoße, verzichtet.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhebt die Klägerin eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Entscheidungserheblich sind folgende unterinstanzliche Sachverhaltsfeststellungen: Im Zuge von Vergleichsverhandlungen machte Dr. Erhard Mach als Beistand der Klägerin gegenüber der beklagten Partei mit Schreiben vom 28. 12. 1978 zunächst eine Schmerzengeldforderung von 101.500 S geltend und begehrte die Anerkennung der Haftung der beklagten Partei für die künftigen Unfallsfolgen der Klägerin. Am 16. 1. 1979 schlug er sodann vor, hinsichtlich des Feststellungsbegehrens einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen. Die beklagte Partei übersandte ihm mit Schreiben vom 8. 2. 1979 hinsichtlich des Leistungsbegehrens einen Abfindungsvorschlag, hielt dabei ausdrücklich fest, dass das Feststellungsbegehren hievon ausgenommen sei und erklärte sich bereit, diesbezüglich einen gerichtlichen Vergleich zu schließen. Am 15. 2. 1979 antwortete Dr. Mach, dass bereits die vorliegende Klage erhoben und die erste Tagsatzung für den 23. 2. 1979 anberaumt worden sei. Gleichzeitig stellte er weitere Leistungsansprüche, worauf die beklagte Partei am 22. 2. 1979 einen neuerlichen Abfindungsvorschlag erstattete, von welchem das Feststellungsbegehren wiederum ausdrücklich ausgenommen und auf welchem der Vermerk angebracht worden war, „außer der Feststellung wird für die beim Kreisgericht Korneuburg eingebrachte Klage ewiges Ruhen vereinbart“ (s Beilage ./2). Dr. Mach nahm diesen Abfindungsvorschlag noch am 22. 2. 1979 an; die Tagsatzung vom 23. 2. 1979 blieb sodann aber unbesucht, sodass Ruhen des Verfahrens eintrat. Warum Dr. Mach diese Tagsatzung unbesucht gelassen hatte, ist nicht mehr feststellbar. Im Zuge der Vergleichsverhandlungen war zu einem ebenfalls nicht mehr feststellbaren, nach dem 12. 2. 1979 gelegenen Zeitpunkt die Berechtigung des Feststellungsbegehrens von der beklagten Partei ausdrücklich anerkannt worden. Eine Vereinbarung der Streitteile über die nach Übersendung des letztgenannten Abfindungsvorschlags durchzuführende weitere Vorgangsweise wurde nicht getroffen. Erstmals nach dem 14. 9. 1982 „lehnte die Beklagte das Feststellungsbegehren ab“. Am 25. 11. 1982 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens und schränkte sodann in der Tagsatzung vom 14. 12. 1982 die Klage auf das Feststellungsbegehren ein.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die beklagte Partei habe schon durch ihr Schreiben vom 8. 2. 1979 das Feststellungsbegehren der Klägerin anerkannt. Dieses Anerkenntnis stelle gemäß § 1497 ABGB hinsichtlich der Verjährung einen Unterbrechungsgrund dar. Erst durch die am 14. 9. 1982 von der beklagten Partei aufgestellte Behauptung, sich an das Anerkenntnis des Feststellungsbegehrens nicht gebunden zu fühlen, sei dieser Unterbrechungsgrund weggefallen. Innerhalb der von diesem Zeitpunkt an neu zu rechnenden Verjährungsfrist habe die Klägerin aber ihren Fortsetzungsantrag gestellt, sodass der Klagsanspruch nicht verjährt sei. Abgesehen davon habe die beklagte Partei nach dem Inhalt der Korrespondenz und den Vergleichsverhandlungen auch ein Verhalten gesetzt, aus welchem die Klägerin annehmen habe dürfen, dass ihrem Anspruch zukünftig nur sachliche Einwendungen entgegengesetzt würden, wie dies bei Abwicklung von Versicherungsangelegenheiten nach Treu und Glauben zu erwarten sei. Letztlich stehe der Verjährung auch die Bestimmung des § 63 Abs 2 KFG 1967 entgegen, weil die Beklagte erst mit 14. 9. 1982 den Klagsanspruch abgelehnt habe, sodass unter Bedachtnahme auf die in der vorgenannten Bestimmung normierte Fortlaufshemmung die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Stellung des Fortsetzungsantrags noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Das Berufungsgericht wertete die im Schreiben der beklagten Partei vom 8. 2. 1979 erklärte Bereitschaft, hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Klägerin einen gerichtlichen Vergleich zu schließen, ebenfalls als Anerkenntnis des Feststellungsbegehrens. Anders als das Erstgericht war es jedoch der Rechtsansicht, dass durch dieses Anerkenntnis zwar die Verjährungsfrist gemäß § 1497 ABGB unterbrochen worden sei, jedoch sogleich wieder eine neue zu laufen begonnen und somit bereits vor dem 25. 11. 1982, dem Zeitpunkt der Einbringung des Fortsetzungsantrags, geendet habe. An der solcherart eingetretenen Verjährung ändere auch die Bestimmung des § 63 KFG 1967 nichts. Diese Bestimmung sollte lediglich verhindern, dass während schwebender Verhandlungen mit dem Versicherer Verjährung eintritt, bezwecke aber nicht eine Hemmung der Verjährung trotz erfolgten Anerkenntnisses. Ein Verzicht der beklagten Partei auf die Verjährungseinrede sei nicht erfolgt. Auch habe sie in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie sich bei einer erst mehr als drei Jahre nach der Anerkennung des Feststellungsbegehrens erfolgten Verfahrensfortsetzung lediglich auf sachliche Einwendungen beschränken würde.

In der Revision wird der Standpunkt vertreten, aus der erstgerichtlichen Feststellung „expressis verbis wurde auf die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die beklagte Partei nicht verzichtet“, ergebe sich, dass die beklagte Partei über ihr unbestrittenes Anerkenntnis hinaus auch einen schlüssigen Verjährungsverzicht abgegeben habe. Ein solcher sei in der Verhandlungspraxis der Versicherungsanstalten üblich, die spätere Einwendung der Verjährung verstoße demgemäß gegen Treu und Glauben. Weiters sei dem Erstgericht darin zu folgen, dass der Unterbrechungsgrund erst mit 14. 9. 1982 weggefallen sei, als die beklagte Partei erklärt habe, sich an das Anerkenntnis und „den schlüssigen Verjährungsverzicht“ nicht mehr gebunden zu fühlen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Verjährungszeit neu zu laufen begonnen. Schließlich diene die im Verhältnis zu den Normen des ABGB jüngere Bestimmung des § 63 Abs 2 KVG 1967 dem Zwecke, zu verhindern, dass die Liquidierung berechtigter Schadenersatzansprüche durch die Einrede der Verjährung unterbunden werde. Vorliegendenfalls sei unbestritten geblieben, dass der Feststellungsanspruch bei der beklagten Partei angemeldet und von dieser niemals abgelehnt worden sei. Mangels früherer Ablehnung sei die Verjährungsfrist somit bis zum 14. 9. 1982 gehemmt gewesen, der Fortsetzungsantrag demgemäß aber rechtzeitig gestellt worden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

An der ursprünglichen Dauer der Verjährungsfrist - hier gemäß § 1489 ABGB von drei Jahren - ändert sich auch durch die Anerkennung der Schuld nichts (SZ 36/55; Arb 9196; 2 Ob 74/77 ua), denn die Anerkennung der Schuld nach § 1497 ABGB wirkt nicht als Neuerungsvertrag (2 Ob 74/77, 6 Ob 578/81 ua). Wird die Verjährung durch ein Anerkenntnis unterbrochen, dann liegt nicht, wie das Erstgericht rechtsirrtümlich annahm, ein dauernder Unterbrechungsgrund vor, sondern es beginnt nach der Unterbrechung sogleich wiederum eine neue dreijährige Verjährungsfrist zu laufen (Arb 9196; 7 Ob 203/75, 2 Ob 511/76; 2 Ob 74/77; 7 Ob 750/79 ua).

Davon ausgehend war vorliegendenfalls mit dem unbestritten am 8. 2. 1979 erfolgten Anerkenntnis der beklagten Partei der Beginn des Laufs einer neuen dreijährigen Verjährungsfrist verbunden, welche mit 8. 2. 1982 und somit vor Fortsetzung des Verfahrens endete.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hat die beklagte Partei niemals einen ausdrücklichen Verzicht auf die Verjährungseinwendung abgegeben. Im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts wurde von der beklagten Partei nach ihrem Anerkenntnis aber auch keinerlei Verhalten gesetzt, aus welchem schlüssig abgeleitet werden könnte, sie habe auf den nach Ablauf der neuerlichen dreijährigen Verjährungsfrist möglich werdenden Verjährungseinwand verzichten wollen. Tatsächlich ist sie vom 22. 2. 1979 bis zum 14. 9. 1982, als sie sich sodann auf die zwischenzeitige Verjährung des Feststellungsanspruchs berief, somit praktisch während der gesamten Verjährungszeit, überhaupt völlig untätig geblieben, ebenso aber auch die Klägerin, welche den Verhandlungstermin vom 23. 2. 1979 unbesucht ließ und erst am 25. 11. 1982 einen Fortsetzungsantrag einbrachte. Das Erstgericht stellte im Übrigen ausdrücklich fest, dass zwischen den Streitteilen nach der Übersendung des Abfindungsvorschlags der beklagten Partei vom 22. 2. 1979 auch keinerlei Vereinbarungen über die durchzuführende weitere Vorgangsweise getroffen worden waren.

Auf der gegebenen Feststellungsgrundlage versagt aber auch der Einwand der Klägerin, die Verjährungseinrede der beklagten Partei verstoße gegen Treu und Glauben. Von einem solchen Verstoß kann nach der Judikatur nämlich nur die Rede sein, wenn das Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten des Gegners zurückgeht (SZ 28/149; SZ 47/17; SZ 47/104; ZVR 1969/89; EvBl 1971/20 uva; zuletzt 7 Ob 61/82). Da es, wie bereits dargelegt, zwischen den Streitteilen praktisch während der gesamten Verjährungszeit keinen Kontakt gab, kann die Versäumung der neuerlichen dreijährigen Verjährungsfrist durch die Klägerin keinesfalls einem Verhalten der beklagten Partei zugeschrieben werden.

Die Behauptung der Revisionswerberin über eine „in der Versicherungsbranche übliche, gegenteilige Verhandlungspraxis“ wurde in erster Instanz nicht aufgestellt und ist daher als unzulässige Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO) von vornherein unbeachtlich.

Schließlich kann aber auch der Ansicht, die Verjährungsfrist sei nach § 63 Abs 2 KFG 1967 vorliegendenfalls bis zum 14. 9. 1982 gehemmt gewesen, nicht gefolgt werden. Der zweite Satz dieser Bestimmung sichert den Geschädigten vor einer Verkürzung der Verjährungszeit durch mangelnde abschließende Stellungnahme des Versicherers zum angemeldeten Schadenersatzanspruch, welche Verkürzung bei schließlicher Ablehnung dieses Anspruchs droht. Wird eine abschließende Stellungnahme des Versicherers in Form eines - nicht widerrufenen - Anerkenntnisses des angemeldeten Ersatzanspruchs abgegeben, dieser also nicht abgelehnt, sondern ausdrücklich zugegeben, dann fehlt es an den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle. Der Geschädigte hat in diesem Falle im Sinne der oben stehenden Ausführungen eine volle dreijährige Verjährungszeit zur Verfügung.

Somit erweist sich die angefochtene berufungsgerichtliche Entscheidung frei von Rechtsirrtum. Der Revision konnte demnach kein Erfolg zuteil werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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