OGH 3Ob56/84

OGH3Ob56/8423.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. Wilhelm E***** Gesellschaft mbH, 2. Ingrid E*****, beide vertreten durch Dr. Reinhold Möbius, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Karin K*****, wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. August 1983, GZ 33 R 563/83-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 3. August 1983, GZ 30 Hc 701/83-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss mit Ausnahme seines abweisenden Teiles und die Entscheidung des Gerichts erster Instanz werden aufgehoben.

Dem Gericht erster Instanz wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Rekurs- und Revisionsrekurskosten sind weiteren Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung des Landesgerichts Salzburg vom 13. 7. 1983, GZ 5 Cg 296/83, wurde zur Sicherung der Ansprüche der Wilhelm E***** Gesellschaft mbH und Ingrid E*****s wider Karin K***** auf Zahlung von 421.135,20 S und 509.493,70 S je samt Nebengebühren die Verwahrung eines zur Deckung der behaupteten Ansprüche hinreichenden Teiles der in der Karin K***** gehörenden „Wohnung Top. 12, Haus B 1 der Liegenschaft EZ ***** KG *****“, befindlichen beweglichen körperlichen Sachen, sofern sie nicht der Exekution entzogen sind, angeordnet und Karin K***** die Veräußerung und Verpfändung dieser Sachen verboten.

Um den Vollzug dieser einstweiligen Verfügung wurde das Bezirksgericht Salzburg ersucht. Gleichzeitig wurde verfügt, dass die Verwahrung durch Übergabe der oben bezeichneten Gegenstände an einen vom Vollstrecker gegen nachträgliche gerichtliche Genehmigung zu bestimmenden Verwahrer zu geschehen habe.

Mit Beschluss vom 21. 7. 1983, GZ 5 Cg 296/83, ordnete das Landesgericht Salzburg nach Erlag der den gefährdeten Parteien aufgetragenen Sicherheiten von insgesamt 100.000 S und der Vollzugskostenvorschüsse von insgesamt 40.000 S den Vollzug der einstweiligen Verfügung an und ersuchte das Bezirksgericht Salzburg um denselben.

Dieses ordnete am 21. 7. 1983 zu 30 Hc 701/83 durch die im § 551 Abs 1 Geo vorgeschriebenen Worte „zum Vollzug“ die Übergabe des Aktes an die mit den Geschäften des Exekutionsvollzuges betraute Geschäftsabteilung an. In der Übergabe des Aktes lag nach der zitierten Geschäftsordnungsbestimmung der Auftrag, alle in den Befugnissen des Vollstreckers liegenden, zur Durchführung des Beschlusses notwendigen Amtshandlungen vorzunehmen (Vollzugsauftrag).

Dieser Vollzugsauftrag wurde von Fachinspektor Erich G***** am 22. 7. 1983 zwischen 10 Uhr und 12:20 Uhr nach dem über die Amtshandlung aufgenommenen Protokoll in S***** in Gegenwart Wilhelm und Ingrid E*****s, ihres Vertreters Dr. Karl-Heinz G*****s und des Rechtspraktikanten Dr. Herbert S*****, jedoch in Abwesenheit Karin K*****s ausgeführt, weshalb Dr. Karl-Heinz G***** und Dr. Herbert S***** als Zeugen bestimmt wurden. Nach Öffnung der versperrten Wohnung durch den Schlosser wurden die in der Liste ON 4 (AS 21) verzeichneten 42 Postleitzahlen mit einem Bleistiftwert von 79.200 S von zwei von den gefährdeten Parteien zur Verfügung gestellten Transportarbeitern auf einen ebenfalls von den gefährdeten Parteien beigestellten LKW verladen, in die Städtische Schranne gebracht und dort um 11:50 Uhr deren Leiterin zur Verwahrung übergeben. Nach Beendigung der Amtshandlung wurde die Wohnung wieder ordnungsgemäß verschlossen. Am 1. 8. 1983 stellte das Bezirksgericht Salzburg den Rechtshilfeakt nach Entsprechung dem Landesgericht Salzburg zurück.

Am 29. 7. 1983 überreichte Rechtsanwalt Dietmar L***** als Vertreter Margarethe S*****s, Hausfrau, ***** eine als „Beschwerde gem. § 68 EO gegen den zuständigen Vollstrecker der Exekutionsabteilung des BG Salzburg“ bezeichnete, an den Vorsteher des genannten Gerichts adressierte Eingabe. Darin wird behauptet, dass die Beschwerdeführerin die Mutter Karin K*****s sei. Diese lebe seit 20 Jahren in den USA und sei Eigentümerin der Top 12 im Hause B 1 der Liegenschaft *****, die allerdings nicht im Haus *****, sondern im Haus ***** liege und seit Jahren von der Beschwerdeführerin bewohnt werde. Dieser und teilweise auch ihrem Sohn Dr. Otto S***** gehöre auch das Wohnungsinventar. Dazu legte die Beschwerdeführerin einen Meldezettel vor, aus dem hervorgeht, dass sie sich am 4. 1. 1978 in der Unterkunft S*****, angemeldet hat, dass diese Unterkunft aber nicht ihren ordentlichen Wohnsitz darstellt, der in W***** war. Weiters legte sie eine Auskunft des Meldeamtes der Bundespolizeidirektion S***** vom Juli 1983 vor, nach der Karin K***** in S***** nicht gemeldet ist. Die Beschwerdeführerin, die sich damals in W***** befunden habe, habe von den Ehegatten P*****, die damals die Wohnung bewohnt hätten, erfahren, dass die Wohnung ausgeräumt worden sei. „Unten“ (wohl beim Eingang ins Haus *****) am Türschild sei nur der Name „S*****“ angeführt. Nirgends scheine der Name „Karin K*****“ auf. Da die Ehegatten P***** in der Wohnung wohnten, Prof. Mario P***** spiele bei den Wiener Philharmonikern und befinde sich während der Sommermonate in S*****, habe dieser auch seine Visitenkarte „vorne bei der Tür“ über das Wort „S*****“ gesteckt. Der Vollstrecker hätte bei „gewisser“ Aufmerksamkeit daher davon ausgehen können, „daß diese Wohnung nicht ... Karin K***** betreffe“. Eine Meldeauskunft hätte klargestellt, dass Karin K***** unter der Anschrift ***** nicht gemeldet sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei die Vorgangsweise des Vollstreckers gesetzwidrig gewesen. Dass die betroffene Wohnung Karin K***** gehöre, habe keinen Einfluss darauf, ob durch einen solchen Vollzug in die Gewahrsame Dritter eingegriffen werde. Die Wohnung werde während der Sommermonate von den Ehegatten P*****, im Übrigen von der Beschwerdeführerin bewohnt. Die genannten Personen hätten mit dem Rechtsstreit der Parteien nichts zu tun. Der Vollstrecker hätte auch nicht aufgrund der die Wohnung Top 12 im Haus ***** betreffenden einstweiligen Verfügung einen Vollzug in der an sich gemeinten Wohnung Top 12 im Haus ***** vornehmen dürfen. Die in Verwahrung genommenen Sachen seien nicht in der Gewahrsame Karin K*****s sondern in der der damals nicht anwesenden Beschwerdeführerin gestanden und hätten daher ohne ihre Zustimmung nicht in Verwahrung genommen werden dürfen. Ein Teil der Gegenstände gehöre sogar den Ehegatten P*****. Auch der Umstand, dass die einstweilige Verfügung gegen die in den USA wohnende Karin K***** erlassen worden sei, hätte darauf schließen lassen müssen, dass diese in der S***** Wohnung wahrscheinlich keine Gewahrsame besitze. Bei Zweifeln über den Gewahrsamsinhaber wäre durch Erhebung an Ort und Stelle, insbesondere durch Nachfrage bei Nachbarn und dergleichen festzustellen gewesen, wer die Gegenstände tatsächlich benütze. Die Beschwerdeführerin ersuchte um rasche Abhilfe, Rückgängigmachung der Vollzugsanordung und Rückführung der abtransportierten Gegenstände bzw Wiederherstellung des früheren Zustandes.

Der Stellvertreter des Leiters der Gerichtsabteilung 30 des Bezirksgerichts Salzburg vernahm aufgrund der ihm vom Vorsteher des Bezirksgerichts zur Erledigung übermittelten Beschwerde am 3. 8. 1983 den Fachinspektor Erich G***** und den Rechtspraktikanten Dr. Herbert S*****.

Sodann wies der stellvertretende Leiter der Gerichtsabteilung 30 des Bezirksgerichts Salzburg die Beschwerde Margarethe S*****s ab.

Aufgrund der Einsicht in das B-Blatt der EZ ***** KG *****, des Akteninhalts und der Aussagen des Fachinspektors Erich G***** und des Rechtspraktikanten Dr. Herbert S***** wurde im Wesentlichen folgender Sachverhalt festgestellt:

Ob der Liegenschaft EZ ***** KG ***** ist unter B-LNr 17 (Anteil 744/103776) das Wohnungseigentum für Karin S*****, Adresse ***** an der Wohnung 12 im Haus B 1 einverleibt. Die EZ ***** umfasst die Grundstücksadressen *****. Die Wohnungen werden in dieser Grundbuchseinlage durch Top-Nummern, die einzelnen Häuser durch Großbuchstaben so bezeichnet, dass in dieser Anlage nur eine Wohnung mit der Bezeichnung W 12, Haus B1 vorkommt, die sich im Haus ***** befindet.

Am 22. 7. 1983 erwarteten Wilhelm und Ingrid E***** und ihr Vertreter den Fachinspektor Erich G***** und den Rechtspraktikanten Dr. Herbert S***** vor dem Haus *****, wo bereits ein von den gefährdeten Parteien bereitgestellter LKW abgestellt war. Am Türschild der Wohnung W 12, Haus B 1, *****, war der Name „Karin S*****“ angeschrieben, aber kein Hinweis auf Margarethe S***** oder das Ehepaar P***** angebracht. Fachinspektor G***** wurde von Wilhelm und Ingrid E***** und deren Vertreter erklärt, dass es sich beim Namen „S*****“ um den Mädchennamen Karin K*****s handle. Fachinspektor G***** fiel beim Vollzug die Divergenz zwischen den Hausnummern 35 und 37 nicht auf. Aufgrund des auf dem Türschild aufscheinenden Namens und der Tatsache, dass den gefährdeten Parteien die Wohnung von einem oder mehreren Besuchen bekannt war, tauchten keine Zweifel über den richtigen Vollzugsort auf. Der Vollzug fand in der im Spruch der einstweiligen Verfügung bezeichneten Wohnung der Gegnerin der gefährdeten Parteien statt. Während des Vollzuges fiel den dabei anwesenden Personen auf, dass die Wohnung derzeit offensichtlich von Gästen bewohnt wurde. Ingrid E***** äußerte die Vermutung, dass die Wohnung bei den Festspielen beschäftigten Personen überlassen worden sei. Deshalb ließ der Vollstrecker das Schlafzimmer (abgesehen von den Teppichen und den Bildern) und die offensichtlich den Gästen gehörenden Gegenstände unberührt. Nur aus dem Kabinett der aus Vorzimmer, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Kabinett bestehenden Wohnung wurde ein Beleuchtungskörper entfernt. Fachinspektor G***** zweifelte während des Vollzuges nicht an der Gewahrsame der Gegnerin der gefährdeten Parteien an den in Verwahrung genommenen Gegenständen. Er versuchte zwar, den Hausbesorger zu den Wohnungsverhältnissen am Vollzugsort zu befragen, traf ihn aber nicht an. Da das Türschild den Namen der Gegnerin der gefährdeten Parteien aufwies und Wilhelm und Ingrid E***** auch erzählten, dass sie bei Karin K***** in dieser Wohnung eingeladen gewesen seien, ging Fachinspektor G***** von der Gewahrsame Karin K*****s an den verwahrten Gegenständen aus. Die Beschwerdeführerin ist seit 4. 1. 1978 unter der Adresse *****, gemeldet. Karin K***** ist derzeit in S***** nicht gemeldet, wird aber in der Hausliste des Hauses ***** als Wohnungseigentümerin geführt. Der Vollzugsort wurde von Fachinspektor G***** im Vollzugsbericht irrtümlich mit ***** statt richtig mit ***** bezeichnet.

Nach Ansicht des Erstgerichts ist die Beschwerde beim festgestellten Sachverhalt unbegründet. Der tatsächliche Vollzugsort sei mit dem in der einstweiligen Verfügung genannten ident. Der Vollstrecker habe von der Gewahrsame der Gegnerin der gefährdeten Parteien an den verwahrten Gegenständen ausgehen dürfen. Das Türschild, das in erster Linie über die Person des Wohnungsinhaber Aufschluss geben solle, habe nämlich in keiner Weise auf eine fremde Gewahrsame hingewiesen. Daraus, dass Karin K***** in der einstweiligen Verfügung als in den USA wohnend bezeichnet worden sei, habe für den Vollstrecker kein Hinweis auf eine mangelnde Gewahrsame an den in ihrer Wohnung befindlichen Gegenständen entstehen können. Sie habe ihre Gewahrsame nicht dadurch verloren, dass sie die Wohnung nicht bewohne, anderen Personen überlassen oder ins Ausland übersiedelt sei. Für eine Gewahrsame der Beschwerdeführerin habe sich kein Indiz ergeben, sodass der Vollstrecker keinen Anlass gehabt habe, sich wie in zweifelhaften Fällen über die Gewahrsame der Gegnerin der gefährdeten Parteien zu vergewissern. Der Vermieter behalte an den in einem vermieteten Zimmer befindlichen Gegenstände seine Gewahrsame. Die Mieter hätten nur an den von ihnen eingebrachten Gegenständen Gewahrsame. Deshalb habe der Umstand, dass die Wohnung derzeit von den Ehegatten P***** bewohnt würden, die sich der Beschwerde nicht angeschlossen hätten, an den Gewahrsameverhältnissen nichts geändert.

Gegen diesen Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg erhob die Beschwerdeführerin Rekurs, in dem sie die Abänderung im Sinn ihrer Beschwerdeanträge, allenfalls die Aufhebung zwecks neuerlicher Entscheidung nach Verfahrensergänzung beantragte.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs (teilweise) Folge, hob die am 22. 7. 1983 vorgenommene Verfahren auf, wies aber das Begehren auf Anordnung durch Rückführung der verwahrten Gegenstände bzw der Wiederherstellung des früheren Zustandes ab. Es sprach aus, dass der von der Stattgebung betroffene Wert des Beschwerdegegenstands 15.000 S übersteige und dass „der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig“ sei.

Es führte im Wesentlichen aus, dass der Vollstrecker beim aufgetragenen Vollzug der Verwahrung nach P 160 Abs 4 DV unter Beachtung der sinngemäß anzuwendenden Vorschriften über die Pfändung und Verwahrung von beweglichen körperlichen Sachen und über die Abnahme von Bargeld vorzugehen gehabt habe (P 63 bis 100 DV). Er hätte daher nur in der Gewahrsame der Gegnerin der gefährdeten Parteien oder einer zur Herausgabe bereiten dritten Person befindliche bewegliche Sachen verwahren dürfen. Aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Zusammenhalt mit den Angaben des Fachinspektors G***** ergebe sich unter anderem, dass die Gegnerin der gefährdeten Parteien zur Zeit des Vollzuges in ihrer Eigentumswohnung weder gewohnt habe, noch gemeldet gewesen sei. Diese Wohnung und alle darin befindlichen Gegenstände würden vielmehr nach ihren unwiderlegten Behauptungen mit Zustimmung ihrer Tochter von der Beschwerdeführerin benützt, die dadurch die tatsächliche Verfügungsgewalt über die in der Wohnung befindlichen Gegenstände erlangt habe. Nach der Aktenlage habe die Gegnerin der gefährdeten Parteien nicht nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder aus geschäftlichen Gründen ihre Wohnung verlassen und diese der Beschwerdeführerin zur Beaufsichtigung übergeben; es sei „davon auszugehen“ dass die Gegnerin die gefährdeten Parteien die Gewahrsame über die Wohnung und die darin befindlichen Gegenstände jedenfalls zur Zeit des Vollzuges bereits aufgegeben gehabt habe. Weil die Beschwerdeführerin die alleinige tatsächliche Verfügungsgewalt über die in der Wohnung befindlichen Fahrnisse erlangt habe, hätte deren Verwahrung nicht ohne ihre Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Da der Vollzug in ihrer Abwesenheit vorgenommen worden sei, sei ihr die Möglichkeit zu einer Erklärung genommen worden. Die rechtsunwirksame Verwahrung sei daher aufzuheben gewesen. Hingegen könne das Exekutionsgericht die bereits durchgeführte Übergabe nicht selbst rückgängig machen.

Die Nichtzulassung des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit der Entscheidung SZ 14/11, nach der gegen die Pfändung (hier Verwahrung) in fremder Gewahrsame befindlicher Sachen weder eine Klage nach § 37 EO erhoben werden könne, noch die Verweisung auf den Rechtsweg zulässig sei, sondern nur eine Beschwerde nach § 68 EO eingebracht werden könne.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Parteien. Diese führen zunächst nach § 78 EO und § 528 ZPO in sinngemäßer Anwendung des § 506 Abs 1 Z 5 ZPO gesondert folgende Gründe an, warum entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO der Revisionsrekurs für zulässig erachtet werde:

1. habe das Gericht zweier Instanz völlig übersehen, dass nach Lehre und Rechtsprechung auch eine gemeinsame Gewahrsame der Beschwerdeführerin (und der Gegnerin der gefährdeten Parteien) möglich sei. In diesem Fall sei eine Beschwerde nach § 68 EO unzulässig und nur eine Exsindierungsklage möglich;

2. hätten die gefährdeten Parteien erst durch die Rekursentscheidung vom Vorbringen der Beschwerdeführerin Kenntnis erhalten und daher keine Möglichkeit gehabt, dazu Stellung zu nehmen und Beweise anzubieten. Dadurch sei der Grundsatz des beiderseitigen Gehörs gröblichst verletzt worden. Nur so habe es passieren können, dass das Gericht zweiter Instanz zur Ansicht gelangen habe können, dass die Beschwerdeführerin nach ihren unwiderlegten Behauptungen alle Räume der Eigentumswohnung benützt habe;

3. sei das Gericht zweiter Instanz unzulässigerweise von den Festellungen des Erstgerichts abgegangen und habe sich auf „unwiderlegte“ Behauptungen gestützt.

Diesen Rechtsfragen komme erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu.

Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, ist der Revisionsrekurs entgegen der Ansicht des Rekursgerichts deshalb zulässig, weil das Gericht zweiter Instanz von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Mitgewahrsame, bei deren Vorliegen die Pfändung bzw hier die Verwahrung gegen jeden Inhaber vorgenommen werden kann (SZ 16/171; EvBl 1962/275; 8 Ob 586/78), abgewichen ist (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Befinden sich die nach § 379 Abs 3 Z 1 EO zu verwahrenden Sachen nicht in der Gewahrsame des Gegners der gefährdeten Partei, sondern in der Gewahrsame eines Dritten, dann kommt es für die Vollbarkeit der einstweiligen Verfügung darauf an, ob der Dritte zur Herausgabe bereit ist. Ist er es, dann können die Sachen ohne weiteres verwahrt werden. Ist der Dritte jedoch nicht herausgabebereit, dann kann eine solche einstweilige Verfügung nicht weiter vollzogen werden (§§ 262 und 402 EO; Rintelen, Die Einstweilige Verfügung 106 f und 201 f; Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht, 232; Heller-Berger-Stix III 2711).

Wurden im letzteren Fall dennoch Sachen aus der Gewahrsame des Dritten abgenommen und verwahrt, so kann sich insbesondere dieser durch das vom Vollstreckungsorgan bei der Amtshandlung beobachtete gesetzwidrige Verfahren für beschwert erachten und nach den §§ 68 und 402 EO Abhilfe verlangen (Rintelen aaO 107 f; Petschek-Hämmerle-Ludwig aaO 236; Heller-Berger-Stix I 470 und 672 f sowie III 2893; Holzhammer 2 311; SZ 14/11, JBl 1956, 531; EvBl 1962/275 ua).

Der Richter hat über die Vollzugsbeschwerde ohne vorherige mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden (§§ 55 Abs 1 und 62 EO). Die Einvernehmung der Parteien oder sonstigen Beteiligten vor dieser Beschlussfassung ist in der Exekutionsordnung nicht angeordnet, sodass die Unterlassung einer solchen Einvernehmung die Entscheidung nicht iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig macht (§ 55 Abs 1 EO; Heller-Berger-Stix I 625 f und 673 f). Das Gericht kann aber zur Feststellung der erheblichen Tatsachen die mündliche oder schriftliche Einvernehmung einer oder beider Parteien oder sonstiger Beteiligten anordnen und diese zur Beibringung der nötigen Urkunden und anderen Beweise auffordern (§ 55 Abs 2 EO). Das Gericht kann jedoch die ihm nötig erscheinenden Aufklärungen auch ohne Vermittlung der Parteien oder sonstigen Beteiligten einholen und zu diesem Zweck von Amts wegen alle hiezu geeigneten Erhebungen pflegen und nach Maßgabe der Vorschriften der Zivilprozessordnung die erforderlichen Bescheinigungen oder Beweisaufnahmen anordnen (§ 55 Abs 3 EO). Diese Befugnis wird zur Verpflichtung, wenn es um die Klärung auch von Amts wegen zu berücksichtigender Tatsachen geht (vgl § 61 EO; Heller-Berger-Stix I 625 f).

Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die von Fachinspektor Erich G***** am 22. 7. 1983 aus der Eigentumswohnung der Gegnerin der gefährdeten Parteien in S*****, weggebrachten und dann der Städtischen Schranne zur Verwahrung übergebenen Fahrnisse tatsächlich der alleinigen oder Mitgewahrsame der Gegnerin der gefährdeten Parteien oder der alleinigen Gewahrsame der Beschwerdeführerin entzogen wurden, ohne dass es dabei auf die subjektiven Annahmen des Vollstreckungsorganes während des Vollzuges ankäme.

Gewahrsame an einer Sache (Macht über eine Sache oder Innehabung einer Sache; § 309 Satz 1 ABGB) ist ein tatsächlicher Zustand ohne Rücksicht auf das Recht zum Gebrauch und die Art des Erwerbs. Sie ist nicht bloß räumlich-körperlich zu verstehen, sondern als äußere Erscheinung der Herrschaft über den Gegenstand nach Maßgabe der Verkehrsauffassung. Sie kann auch durch abhängige Gehilfen (sogenannte Besitzdiener: Familienangehörige, Hausgehilfen etc) ausgeübt und durch Partner aus solchen Rechtsverhältnissen vermittelt werden, die eine Anerkennung der Oberherrschaft bedeuten (sogenannte Besitzmittler: Verwahrer, Entlehner, Bestandnehmer, Fruchtnießer) (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 309; Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts6 II 15; Schey, Klang in Klang 2 II 59; Heller-Berger-Stix II 1686 f).

Neben der ausschließenden Gewahrsame einer Person ist die gleichzeitige Gewahrsame mehrerer Personen an einer Sache (Mitgewahrsame) möglich, bei der die Pfändung (im vorliegenden Fall Verwahrung) gegen jeden Inhaber vorgenommen werden kann (Heller-Berger-Stix II 1687; SZ 16/171; EvBl 1962/275; 8 Ob 586/78).

In der Gewahrsame des Haushaltsvorstandes, gleichviel, ob er Eigentümer oder nur Bestandnehmer, Fruchtnießer oder Bittleiher des Grundtstücks ist, stehen alle Sachen in der Wohnung und in sonstigen Räumlichkeiten, außer wenn sie von Dienstnehmern in den ihnen ausschließlich zugewiesenen Räumen oder von Untermietern in den an sie vermieteten Räumen untergebracht oder von Personen, die sich auf Besuch dort aufhalten, mitgebracht sind. Die Abwesenheit des Haushaltsvorstandes und die Verwahrung durch andere Personen, die nur als seine Vertreter in der Gewahrsame anzusehen sind, ändert an der Fortdauer seiner Gewahrsame nichts (P 66 Abs 5 DV). In der Gewahrsame des verpflichteten Haushaltsvortstandes befinden sich auch jene Sachen, die in den dem Untermieter in Bestand gegebenen Räumen vom Haushaltsvorstand untergebracht und dem Untermieter zur Benützung übergeben worden sind. Demgemäß genügt die Mitbenützung der ganzen Wohnung des Mieters durch einen Dritten, sei sie vertragsgemäß oder ohne Rechtsgrund, nicht, um die alleinige Gewahrsame des Dritten an allen Gegenständen der Wohnung zu begründen. Dem Untermieter zur Benützung überlassene, im Untermietraum untergebrachte Sachen des Hauptmieters stehen in der Mitgewahrsame des Hauptmieters und des Untermieters (SZ 16/171; gegenteilig Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht2 194, der die Ansicht vertritt, dass der Mieter allein Gewahrsame an den ihm mietweise überlassenen Sachen habe). Hingegen sind die vom Untermieter mitgebrachten Gegenstände, insbesondere wenn das Zimmer oder die Wohnung unmöbliert weitervermittelt wurden, in der Alleingewahrsame des Untermieters. Mitgewahrsame liegt beispielsweise noch vor, wenn der verpflichtete Hauptmieter der Wohnung ist, in der die Pfändung vorgenommen wurde, sein Namensschild angebracht ist, er die Wohnungsschlüssel besitzt und die Wohnung bei aufrechter Ehe nur wegen ehelicher Auseinandersetzungen nicht betritt (EvBl 1962/275) (Heller-Berger-Stix II 1687 f).

Aus diesen Rechtsausführungen folgt für den zu entscheidenden Fall:

Dass die Gegnerin der gefährdeten Parteien Wohnungseigentümerin der Wohnung in S***** ist und dass an der Wohnungstür ihr Mädchenname angeschrieben war, schließt nicht aus, dass sie an den in dieser Wohnung befindlichen Fahrnissen, insbesondere an den am 22. 7. 1983 in Verwahrung genommenen, nicht einmal mehr Mitgewahrsame hatte, entweder, weil sie - was bisher nicht erwiesen ist - die Gewahrsame an dieser Wohnung und den darin befindlichen Gegenständen schon früher aufgegeben haben könnte, oder weil diese Gegenstände von Dritten, etwa Mietern oder Untermietern, in diese Wohnung eingebracht worden sein könnten. Dass Karin K***** in S***** nicht gemeldet ist, sich in den USA aufhält und am 22. 7. 1983 nicht in ihrer Eigentumswohnung wohnte, schließt andererseits nicht aus, dass sie an den am genannten Tag aus ihrer Eigentumswohnung entfernten Fahrnissen Gewahrsame oder Mitgewahrsame hatte. Dass die Beschwerdeführerin seit 4. 1. 1978 in der genannten Wohnung polizeilich gemeldet ist und diese möglicherweise mit Zustimmung ihrer Tochter benützt - was ebenfalls noch nicht erwiesen ist - bedeutet noch nicht, dass sie an den am 22. 7. 1983 aus dieser Wohnung entfernten Fahrnissen Alleingewahrsame und nicht allenfalls bloß Mitgewahrsame mit der Gegnerin der gefährdeten Parteien gehabt hat.

Die bisherigen Feststellungen reichen daher für eine Beurteilung der oben erwähnten entscheidungswesentlichen Gewahrsamsfragen nicht aus.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, die Entscheidung der zweiten Instanz mit Ausnahme des abweisenden Teiles und die Entscheidung der ersten Instanz waren aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidung in diesem Zwischenstreit zwischen Beschwerdeführerin und gefährdeten Parteien beruht auf dem nach den §§ 78 und 402 Abs 2 EO anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.

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