OGH 8Ob6/84

OGH8Ob6/8410.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmgard S*****, vertreten durch Dr. Erich Aichinger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei D***** Versicherungs‑AG, *****, vertreten durch Dr. Hans Maxwald, Rechtsanwalt in Linz, wegen 100.666 S (Revisionsstreitwert 70.650,90 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Oktober 1983, GZ 2 R 157/83‑35, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 5. Mai 1983, GZ 4 Cg 291/82‑28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00006.840.0510.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.153,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 1.200 S und Umsatzsteuer von 268,50 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Der Antrag des Nebenintervenienten auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

 

Begründung:

Am 8. 12. 1979 ereignete sich gegen 5:45 Uhr im Ortsgebiet von Kammer am Attersee auf der Kreuzung der Seeleiten‑Bundesstraße mit der Bahnhofstraße ein Verkehrsunfall, an dem Rita H***** als Lenkerin des PKW der Klägerin mit dem Kennzeichen ***** und Eva M***** als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen ***** beteiligt waren. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Rita H***** fuhr mit dem von ihr gelenkten PKW auf der Seeleiten‑Bundesstraße in Richtung Weyregg; Eva M***** näherte sich der Kreuzung mit dem von ihr gelenkten Fahrzeug auf der Bahnhofstraße und beabsichtigte, in die Seeleiten‑Bundesstraße nach links (in Richtung Seewalchen) einzubiegen. Im Kreuzungsbereich kollidierten die beiden Fahrzeuge. Die beiden Lenkerinnen und ein Mitfahrer in dem von Eva M***** gelenkten PKW wurden verletzt, beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde zu U 2578/79 des Bezirksgerichts Vöcklabruck ein Strafverfahren gegen die beiden beteiligten Lenkerinnen eingeleitet. Gegen Rita H***** wurde es gemäß § 90 StPO eingestellt. Eva M***** wurde mit Urteil vom 23. 6. 1981 (ON 51 des Strafakts) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 3 (§ 81 Z 2) StGB schuldig erkannt. Es wurde ihr im Spruch dieses Urteils zur Last gelegt, dass sie, ohne auf den Vorrang des von links auf der Seeleiten‑Bundesstraße herankommenden von Rita H***** gelenkten PKW zu achten, in die Seeleiten‑Bundesstraße einfuhr und dabei gegen den von Rita H***** gelenkten PKW stieß; überdies wurde ihr angelastet, dass sie sich vor der Tat fahrlässig durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzte, obwohl sie vorhersehen konnte, dass ihr die Lenkung eines Kraftfahrzeugs bevorstand. Ein von Eva M***** gegen dieses Strafurteil erhobenes Rechtsmittel blieb erfolglos.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall von der Beklagten die Zahlung von 100.666 S (Fahrzeugschaden und Wechselspesen). Der Höhe nach ist der Klagsbetrag nicht mehr strittig. Dem Grunde nach stützte die Klägerin ihr Begehren im Wesentlichen auf die Behauptung, Eva M***** treffe das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall, weil sie in betrunkenem Zustand den der Lenkerin des PKW der Klägerin zukommenden Vorrang missachtet habe.

Die Beklagte wendete dem Grunde nach im Wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe Rita H*****. Zur Unfallszeit sei die Bahnhofstraße gegenüber der Seeleiten‑Bundesstraße nicht abgewertet gewesen, sodass Eva M***** der Rechtsvorrang zugekommen sei, den die Lenkerin des PKW der Klägerin verletzt habe. Rita H***** habe das von ihr gelenkte Fahrzeug auch nicht abgebremst und verspätet reagiert.

Das Erstgericht sprach der Klägerin, ausgehend vom Alleinverschulden der Eva M*****, den Betrag von 70.650,90 S (Fahrzeugschaden) zu; das auf Zahlung eines weiteren Betrags von 30.015,10 S (Wechselspesen) gerichtete Mehrbegehren wies es ab.

Es stellte bezüglich des Unfallshergangs im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Bahnhofstraße mündet in einem Winkel von ca 145 Grad in die Seeleiten‑Bundesstraße. Diese verläuft in Annäherung an die Kreuzung mit der Bahnhofstraße über 100 m gerade; im Bereich der Kreuzung beschreibt sie eine Linkskurve. Die Seeleiten‑Bundesstraße ist 0,9 m breit. 50 m vor dem Kreuzungsmittelpunkt befindet sich in Fahrtrichtung des PKW der Klägerin eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h. Lenker von Fahrzeugen, die sich auf der Seeleiten‑Bundesstraße und der Bahnhofstraße der Kreuzung nähern, können sich zum ersten Mal aus einer Entfernung von ca 52 m sehen.

Die Seeleiten‑Bundesstraße ist eine Bundesstraße ohne Vorrang. Die Bahnhofstraße ist ihr gegenüber abgewertet. Ca 10 m vor der Einmündung der Bahnhofstraße in die Seeleiten‑Bundesstraße befindet sich seit dem 23. 9. 1965 an der rechten Seite der Bahnhofstraße (in Fahrtrichtung des von Eva M***** gelenkten Fahrzeugs gesehen) das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“. Dieser Umstand war auch Eva M*****, die seit ca 10 Jahren die Bahnhofstraße benützt (im Sommer sogar ca drei‑ bis viermal wöchentlich), bekannt. Eva M***** wusste auch zum Unfallszeitpunkt, dass ihr gegenüber dem Verkehr auf der Seeleiten‑Bundesstraße der Nachrang zukam, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ nicht mehr angebracht war. Auch Rita H***** befuhr diese Kreuzung zuvor schon Jahre hindurch und wusste vom Nachrang der Bahnhofstraße.

Rechts der Fahrbahn der Bahnhofstraße war zur Unfallszeit die Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin mit Erdbewegungsarbeiten befasst. Der Baustellenbereich war mit rot‑weißen Plastikfähnchen abgesichert; im Baustellenbereich waren auch Baumaschinen im Einsatz. Die Gehsteigarbeiten der bauausführenden Firma veranlassten diese das Vorschriftszeichen zu entfernen, um einen Gehsteig entlang der Bahnhofstraße errichten zu können. Eva M***** nahm das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“, welches neben der Fahrbahn mit anderen Verkehrszeichen gebündelt lag, wahr, als sie sich der Kreuzung näherte.

Sie hatten im Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,8 %o.

Während sich Rita H***** auf der Seeleiten‑Bundesstraße der Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h näherte, hielt Eva M***** mit dem von ihr gelenkten PKW auf der Bahnhofstraße eine Geschwindigkeit von 25 bis 30 km/h ein. Sie fuhr, ohne anzuhalten, nach links in die Seeleiten‑Bundesstraße ein. Obwohl Rita H*****, um den Unfall zu verhindern, ihr Fahrzeug noch auf die linke Fahrbahnhälfte der Seeleiten‑Bundesstraße verlenkte, konnte sie nicht mehr verhindern, dass es auf dieser Fahrbahnhälfte zum Zusammenstoß zwischen den beiden Fahrzeugen kam. An beiden Fahrzeugen war zum Unfallszeitpunkt das Licht eingeschaltet. Die Lenkerinnen konnten einander beziehungsweise die Lichter der von ihnen gelenkten Fahrzeuge ungefähr 3 Sekunden lang sehen. Rita H***** hatte einen Anhalteweg von 17 m, den sie ungebremst in einer Zeit von 1,7 Sekunden durchfuhr. Hätte also Rita H***** 1,7 Sekunden oder länger erkennen können, dass Eva M***** in die Seeleiten‑Bundesstraße einfährt, dann hätte sie noch vor der Fahrlinie des von Eva M***** gelenkten PKW anhalten können. Eva M***** legte mit ihrem PKW auf der Seeleiten‑Bundesstraße bis zum Zusammenstoß noch eine Strecke von 8 bis 10 m zurück, was bei der von ihr eingehaltenen Geschwindigkeit einer Zeit von ca 1 bis 1,2 Sekunden entspricht. Die Bremsstrecke für Eva M***** hätte 4 m betragen. Über diese ganze Strecke hätte man aber nicht erkennen können, ob das Fahrzeug nun gebremst wird, sodass ungefähr eine Zeit von 1,4 bis 1,5 Sekunden angenommen werden kann, in der Rita H***** erkennen konnte, dass Eva M***** vor der Seeleiten‑Bundesstraße nicht anhalten werde.

Die von Rita H***** durchgeführten Verhinderungsmaßnahmen, nämlich ihr Versuch, noch nach links auszuweichen, nahmen eine Zeit von 0,3 bis 0,5 Sekunden in Anspruch, sodass sich daraus ergibt, dass sich Rita H***** zu einer Abwehrhandlung entschloss, als sie tatsächlich erkennen konnte, dass Eva M***** vor der Seeleiten‑Bundesstraße nicht mehr anhalten wird. Rita H***** wäre es durch ein Abbremsen ihres Fahrzeuges nicht gelungen, dieses vor Erreichen der Fahrlinie des von Eva M***** gelenkten PKW gänzlich zum Stillstand zu bringen.

Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass durch die Entfernung des Vorschriftszeichens „Vorrang geben“ seitens des bauausführenden Unternehmens ohne behördliche Genehmigung die diesbezügliche Verordnung zumindest Eva M***** gegenüber nicht unwirksam geworden sei. Dabei seien die besonderen Umstände dieses Verkehrsunfalls, nämlich dass Eva M***** mit den örtlichen Verhältnissen bestens vertraut war, von der arbeitsbedingten Entfernung des Vorschriftszeichens wusste und ihr überdies bewusst war, dass sie weiterhin gegenüber dem Verkehr auf der Seeleiten‑Bundesstraße als benachrangter Verkehrsteilnehmer anzusehen war, zu berücksichtigen. Eva M***** habe aufgrund ihrer Alkoholisierung die Vorsicht und Aufmerksamkeit, die sie als Wartepflichtige anwenden hätte müssen, unterlassen. Im Fahrverhalten in Rita H***** sei ein Mitverschulden nicht zu erblicken, da sie versucht habe, den Zusammenstoß durch ein Linksausweichen zu verhindern, was ihr aber auch durch ein sofortiges Abbremsen nicht gelungen wäre. Überdies hätte angesichts des gekennzeichneten Nachrangs der Bahnhofstraße gegenüber der Seeleiten‑Bundesstraße seit dem Jahr 1965 erwartet werden dürfen, dass für den Fall einer behördlichen Änderung der Vorrangverhältnisse eine entsprechende Anzeige für die bisher im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmer erfolgt.

Dieses Urteil wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft. Mit den angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht beiden Berufungen kein Folge. Es sprach aus, dass die Revision hinsichtlich Punkt 1) des angefochtenen Urteils (im Umfang der Bestätigung des Urteils des Erstgerichts in seinem klagsstattgebenden Teil) gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist.

Das Berufungsgericht führte rechtlich im Wesentlichen aus, die Frage, wie im vorliegenden Fall der vom Strafgericht festgestellte Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Straßenverkehrsordnung rechtlich zu qualifizieren sei, unterliege als Rechtsfrage der selbständigen rechtlichen Beurteilung des Zivilgerichts.

Auf der Grundlage der vom Strafgericht bei seinem Schuldspruch angenommenen tatsächlichen Fahrweise und des festgestellten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass gemäß § 44 Abs 1 StVO die im § 43 StVO bezeichneten Verordnungen grundsätzlich durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen sind und mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft treten. Demgemäß könnten derartige Vorschriften auch wieder nur auf dem Verordnungsweg beseitigt werden, was wiederum eine Entfernung der angebrachten Zeichen durch die Behörde nach sich ziehe. Eine ohne Zutun der Behörde erfolgte Beseitigung eines Verkehrszeichens, sei es durch Unfall oder eine andere Gewalteinwirkung, könne aber keine derartige Wirkung, nämlich das Außerkrafttreten einer nach § 43 StVO erlassenen Verordnung, auslösen. In einem derartigen Fall werde aber jedenfalls zu prüfen sein, ob die unverschuldete Unkenntnis der fraglichen Verordnung den Täter zu entschuldigen vermöge.

Im vorliegenden Fall könne die Beklagte aus dem Fehlen des Vorschriftszeichens „Vorrang geben“ keine für sie günstigen Folgen ableiten. Eva M***** habe von der Existenz dieses seit 23. 9. 1965 angebrachten Vorschriftszeichens gewusst, weil sie die Bahnhofstraße seit ca 10 Jahren, im Sommer sogar drei‑ bis viermal wöchentlich, benützt habe. Sie habe auch zum Unfallszeitpunkt gewusst, dass ihr gegenüber dem Verkehr auf der Seeleiten‑Bundesstraße der Nachrang zugekommen sei, obgleich zur Unfallszeit das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ nicht mehr angebracht gewesen sei. Sie habe dieses Vorschriftszeichen, das mit anderen Verkehrszeichen gebündelt neben der Fahrbahn gelegen sei, wahrgenommen. Irgendwelche Umstände, die sie zur Meinung bringen hätten können, die Behörde habe eine Änderung der Vorrangverhältnisse veranlasst, seien nicht vorgelegen.

Wenngleich in der Rechtsprechung wiederholt der Standpunkt vertreten worden sei, die Verkehrsteilnehmer dürften darauf vertrauen, dass eine behördliche Verfügung nicht mehr bestehe, wenn ein früher aufgestelltes Verkehrszeichen nicht mehr vorhanden sei, treffe dies im vorliegenden Fall nicht zu. Es gelte, das Vertrauen eines Verkehrsteilnehmers in die objektiven Gegebenheiten (zum Beispiel Verkehrszeichen) zu schützen und unverschuldete Unkenntnis der wahren Vorrangsituation zu entschuldigen. Der vorliegende Fall sei dadurch charakterisiert, dass Eva M***** wusste, dass sie gegenüber Rita H***** benachtrangt war. Der Schutz eines Vertrauens wider besseres Wissen widerspreche den Intentionen der Rechtsprechung.

Dem gegenüber könne Rita H***** kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie davon ausgegangen sei, es stehe ihr gemäß § 19 Abs 4 StVO der Vorrang zu. Als sie tatsächlich erkennen habe können, dass Eva M***** nicht mehr anhalten werde, habe sie versucht, durch ein Linksausweichen den Zusammenstoß zu verhindern. Da es ihr auch durch sofortiges Abbremsen nicht gelungen wäre, den Zusammenstoß mit dem von Eva M***** gelenkten PKW zu verhinden, könne ihr weder ein schuldhaftes Fehlverhalten noch mangelnde Aufmerksamkeit angelastet werden. Wollte man angesichts des Umstands, dass sich niemand darauf verlassen dürfe, dass sich seit dem letzten Befahren einer Straße hinsichtlich der Vorrangregelung nichts geändert habe, ein Verschulden der Rita H***** annehmen, dann wäre dieses jedenfalls so gering, dass es im Vergleich zum Verschulden der Eva M***** zu vernachlässigen sei.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass die Entscheidung angesichts teilweise voreinander abweichender oberstgerichtlicher Entscheidungen von einer zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit bedeutenden Rechtsfrage abhänge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie in ihrem klagsstattgebenden Teil aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung iSd § 503 Abs 2 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der vollinhaltlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin und der Nebenintervenient auf Seiten der Klägerin haben Revisionsbeantwortungen erstattet. Die Klägerin beantragt primär die Zurückweisung der Revision der Beklagten wegen Unzulässigkeit; hilfsweise beantragt sie, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Der Nebenintervenient stellt nur den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 508a ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden.

Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit, dass es an der für ihre Bejahung erforderlichen Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO mangelt, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

Streitentscheidend ist die Frage, ob im vorliegenden Fall Eva M***** eine Vorrangverletzung iSd § 19 Abs 4 StVO angelastet werden kann, obwohl das in ihrer Anfahrtsrichtung vor der Kreuzung befindliche Vorschriftszeichen nach § 52 lit c Z 23 StVO (ohne behördliche Verfügung) entfernt worden war.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich zu 8 Ob 218/82 mit einem gleich gelagerten Fall zu befassen. Die dort angestellten Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Gemäß § 43 StVO hat die Behörde unter den in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen den Straßenbenützern durch Verordnung ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben. Dazu gehört auch die Anordnung, dass an einer Kreuzung dem Querverkehr Vorrang zu geben ist (MGA StVO6 § 43 Anm 7). Gemäß § 44 Abs 1 StVO sind derartige Verordnungen (von im vorliegenden Fall nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen) durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk festzuhalten. Mit der Anbringung des entsprechenden Straßenverkehrszeichens ist die Kundmachung begrifflich abgeschlossen; damit tritt die Verordnung in Kraft (vgl JBl 1977, 256).

Wird ein solcherart ursprünglich ordnungsgemäß aufgestelltes Verkehrszeichen ohne Zutun der Behörde beseitigt, tritt damit nicht die der Aufstellung des Verkehrszeichens zugrundeliegende Verordnung außer Kraft (Dittrich‑Veit-Schuchlenz StVO3 § 43 Anm 14). Allerdings ist es in einem solchen Fall möglich, dass ein Verkehrsteilnehmer unverschuldet keine Kenntnis von der erlassenen Verordnung hat und dass ihm daher wegen der Übertretung dieser Verordnung kein Verschulden angelastet werden kann.

Ist aber dem betroffenen Verkehrsteilnehmer trotz der Besichtigung des Verkehrszeichens die aufgrund der nach wie vor aufrecht bestehenden Verordnung der Behörde geltende Vorrangregelung bekannt, dann kann er sich nicht darauf berufen, dass er ohne sein Verschulden keine Kenntnis vom Inhalt der von ihm zu befolgenden Verordnung hatte.

Aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich die sachliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts. Das der Anbringung des Verkehrszeichens nach § 52 lit c Z 23 StVO vor der Einmündung der Bahnhofstraße in die Seeleiten-Bundesstraße eine entsprechende Verordnung der Behörde zugrundelag und dass dieses Verkehrszeichen ursprünglich entsprechend den dafür bestehenden gesetzlichen Bestimmungen angebracht wurde, ist im vorliegenden Fall nicht strittig. Die oberstgerichtlichen Entscheidungen, auf die die Beklagte in ihrer Revision verweist (ZVR 1980, 343; ZVR 1981/263) betreffen ebenso wie andere (ZVR 1974/87; ZVR 1976/45 ua). Fälle, in denen ein Kraftfahrer von der von ihm zu befolgenden Verordnung wegen Beseitigung des entsprechenden Verkehrszeichens keine Kenntnis hatte. Allein ein derartiger Fall liegt hier nicht vor, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen Eva M***** trotz der Beseitigung des Verkehrszeichens nach § 52 lit c Z 23 StVO zur Unfallszeit wusste, dass sie gegenüber dem Verkehr auf der Seeleiten-Bundesstraße wartepflichtig war. Unter diesen Umständen kann aber keine Rede davon sein, dass sie ohne ihr Verschulden keine Kenntnis vom Inhalt der von ihr zu befolgenden Verordnung, nämlich ihrer Verpflichtung, dem Verkehr auf der Seeleiten‑Bundesstraße den Vorrang einzuräumen, gehabt hätte.

Rita H***** befand sich daher gegenüber Eva M***** iSd § 19 Abs 4 StVO im Vorrang und Eva M***** hat durch ihre von den Vorinstanzen festgestellte Fahrweise ihre im § 19 Abs 7 StVO normierte Wartepflicht gegenüber der Lenkerin des PKW der Klägerin schuldhaft verletzt.

Dass dieser Vorrangsverletzung der Eva M***** kein haftungsbegründendes Mitverschulden der Lenkerin des PKW der Klägerin gegenübersteht, haben die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt. Dass Rita H*****, abgesehen von der ihr zu Unrecht angelasteten Vorrangsverletzung, in anderer Weise ein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall treffe, wird in der Revision auch gar nicht behauptet.

Da das Berufungsgericht somit bei der Lösung der entscheidenden Rechtsfrage, ob Eva M***** trotz der Beseitigung des entsprechenden Verkehrszeichens vor der Einmündung der Bahnhofstraße in die Seeleiten-Bundesstraße eine Vorrangverletzung anzulasten ist, durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt ist, von einer Uneinheitlichkeit dieser Rechtsprechung in der hier entscheidenden Frage keine Rede sein kann und auch kein Anlass besteht, von dieser Rechtsprechung abzugehen, kommt dieser Rechtsfrage nicht die im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorausgesetzte Bedeutung zu Unrecht zu. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Zulässigkeit der Revision iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ausgesprochen. Die Revision der Beklagten war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kosten ihres unzulässigen Rechtsmittels hat die Beklagte selbst zu tragen. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der erstatteten Revisionsbeantwortung, weil sie den vorliegenden Zurückweisungsgrund geltend gemacht hat. Für den Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin trifft dies nicht zu, weil er in seiner Revisionsbeantwortung den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend machte (§§ 40, 41, 50 ZPO).

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