OGH 1Ob544/84

OGH1Ob544/842.5.1984

SZ 57/85

Normen

ABGB §1055
ABGB §1055

 

Spruch:

Wird bei Ankauf eines Kfz. ein anderes in Zahlung genommen, kann ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegen; das Gericht darf aber ein solches nicht annehmen, wenn beide Parteien vom Vorliegen zweier Kaufverträge ausgehen

OGH 2. 5. 1984, 1 Ob 544/84 (OLG Graz 3 R 271/83; LGZ Graz 7 Cg 421/83)

Text

Die klagende Partei begehrt die Bezahlung von 243 000 S sA und brachte vor, sie habe vom Beklagten einen PKW Marke Alfa Romeo Alfetta 1.6 gekauft; dabei sei vereinbart worden, daß anstelle des serienmäßigen 1.6-l-Vierzylindermotors ein fabriksneuer 2.5-l-Sechszylindermotor mit Vergaserausführung eingebaut werde. Zwischen den Streitteilen sei der Eintausch eines PKWs Alfa Romeo Giulietta 2.0 sowie eine Baraufzahlung von letztlich 133 000 S vereinbart worden. Der Eintauschwagen sei auf Wunsch des Beklagten buchmäßig mit 65 000 S bewertet worden, obwohl sein tatsächlicher Zeitwert mindestens 110 000 S betragen habe. Damit errechne sich der Kaufpreis des Neuwagens mit 243 000 S. Der Beklagte habe nicht, wie vereinbart, einen fabriksneuen, sondern einen gebrauchten Motor eingebaut; die klagende Partei trete daher vom Vertrag zurück und begehre die Rückerstattung der von ihr erbrachten Leistungen in der Höhe des Klagsbetrages. Der vom Beklagten gelieferte PKW stehe ihm Zug um Zug gegen Erfüllung der Klagsforderung zur Verfügung.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Nach der mit der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung sollte der serienmäßige Vierzylindermotor durch einen gebrauchten Sechszylindermotor, der von der klagenden Partei besichtigt worden sei, ersetzt werden. Der Gebrauchtwagen der klagenden Partei sei mit 65 000 S auf den Gesamtkaufpreis des von ihm gelieferten Fahrzeuges in der Höhe von 205 000 S verrechnet worden. Der Rücktritt vom Vertrag sei nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte vereinbarungsgemäß geliefert habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Der Rücktritt vom Vertrag bewirke, daß beide Teile das jeweils Empfangene zurückzustellen haben. Die klagende Partei könne demnach nur die Zahlung des geleisteten Betrages von 133 000 S und die Herausgabe des Eintauschfahrzeuges Alfa Romeo Giulietta 2.0 Zug um Zug gegen Übergabe des Neuwagens Alfa Romeo Alfetta 1.6 begehren. Das Klagebegehren auf Zuspruch von 243 000 S sei schon auf Grund der Klagsangaben nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision für zulässig erklärt werde. Beim Erwerb eines Neuwagens gegen Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens fehle es nach der zutreffenden neueren Lehre an der für den Doppelkauf charakteristischen Interessenlage, daß jeder Teil mit der Warenveräußerung einen besonderen Umsatzzweck verfolge. Mit der Veräußerung des gebrauchten Fahrzeuges werde kein selbständiger Umsatzzweck verfolgt. Die Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens solle nur das eine Umsatzziel, den Kauf des Neuwagens, ermöglichen bzw. erleichtern. Haben die Parteien nicht ausdrücklich Gegenteiliges vereinbart, müsse in einem solchen Fall von der Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäftes ausgegangen werden. Werde dieses einheitliche Geschäft durch den Rücktritt ex tunc aufgehoben, so komme es zur Rückabwicklung des Geschäftes iS des § 877 ABGB. Im Rahmen der Rückabwicklung habe die klagende Partei aber nur Anspruch auf das von ihr Geleistete. Nach ihrem Vorbringen sei dies ein Barbetrag von 133 000 S und der von ihr in Eintausch gegebene Gebrauchtwagen Alfa Romeo Giulietta 2.0. Im Verfahren sei nicht behauptet worden, daß diese Rückabwicklung in natura nicht bzw. nicht mehr möglich sei. Die klagende Partei sei demnach aber nicht berechtigt, anstelle der Herausgabe des gebrauchten Eintauschwagens eine Geldsumme zu begehren.

Über Revision der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH liegt im Regelfall ein Doppelkauf vor, wenn beim Ankauf eines Fahrzeuges ein anderes Fahrzeug in Zahlung genommen wird. Mangels eines festgestellten abweichenden Parteiwillens berührt der Wegfall des einen Kaufvertrages die Gültigkeit des anderen nicht (SZ 53/37; JBl. 1974, 574; SZ 36/95; SZ 27/307; Mayer-Maly in Klang Komm.[2] IV/2, 247). Nur bei festgestelltem abweichendem Parteiwillen, der auf den unmittelbaren Austausch von Sachleistungen gerichtet war, wird ein einheitliches Rechtsgeschäft angenommen (vgl. SZ 36/95; SZ 26/185). In der neueren Literatur (Aicher in Rummel, ABGB, Rdz. 10 zu § 1055) wird hervorgehoben, daß die Lösung der Frage, ob ein einheitliches Geschäft oder ein Doppelkauf vorliege, durch Vertragsauslegung zu ermitteln sein; entscheidend komme es dabei auf den Parteiwillen an, der vielfach nur aus der Interessenlage zu erschließen sei. Im Regelfall werde die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäftes sachgerecht sein, weil der mit dem Verkauf des Neuwagens verfolgte Umsatzzweck im Vordergrund stehe. Für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäftes sprechen sich auch Koziol-Welser, Grundriß[6] I 268, aus. Hingegen billigt Mayer-Maly aaO 247 im wesentlichen die herrschende Rechtsprechung, hält jedoch in Anlehnung an BGHZ 46, 338, 340 auch die rechtliche Beurteilung als einheitliches Rechtsgeschäft mit Ersetzungsbefugnis des Käufers (des Neuwagens) für gerechtfertigt. Herbst, Zur Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen, ÖJZ 1982, 477, führt aus, daß die Qualifikation als Doppelkauf mit Verrechnungsabrede in der Mehrzahl der praktischen Fälle problematisch sei. Doppelkauf könne bei richtiger Bewertung der Parteiinteressen nur angenommen werden, wenn mit jeder der beiden Warenveräußerungen ein besonderer Umsatzzweck verfolgt werde, sodaß vermutlich die eine auch ohne die andere erfolgt wäre. Dies sei in der Regel bei Inzahlungnahme eines gebrauchten Kfzs. nicht der Fall. Sachgerecht sei demnach nur die Lösung, die von einem (einzigen) Vertrag ausgehe, der in aller Regel als Kaufvertrag (über den Neuwagen) zu qualifizieren sei (aaO 481).

Die Vorinstanzen wichen von der herrschenden Rechtsprechung des OGH, die die klagende Partei ersichtlich ihrem Begehren zugrunde gelegt hatte, ab und gelangten zur Abweisung des Klagebebegehrens. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH darf ein Gericht die Partei nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet hat und auf die sie vom Gericht nicht aufmerksam gemacht wurde (SZ 54/181; SZ 50/35; JBl. 1983, 316; SZ 42/28 ua.). Das Erstgericht hätte demnach in Entsprechung der ihm obliegenden Pflicht zur materiellen Prozeßleitung (§ 182 ZPO) seine von der herrschenden Rechtsprechung abweichende Rechtsansicht mit den Parteien erörtern und der klagenden Partei Gelegenheit geben sollen, das Klagebegehren zu ändern oder ein Eventualbegehren zu stellen.

Auf diese Mangelhaftigkeit des Verfahrens muß aber nicht eingegangen werden. Auch nach der nun wohl herrschenden Lehre ist für die Frage, ob ein einheitliches Geschäft oder aber ein Doppelkauf vorliegt, der Parteiwille entscheidend. Es wird nur hervorgehoben, daß dieser Parteiwille im Regelfall auf ein einheitliches Geschäft gerichtet sein wird. Die Annahme eines Doppelkaufs liegt aber gerade dann nicht fern, wenn der Veräußerer des Neuwagens (und Erwerber des Altwagens) ein Kfz.-Händler ist, der den Eintauschwagen rasch weiter veräußern will. Die Möglichkeit (und Pflicht) der Rückstellung des Eintauschwagens bei Anfechtung des Vertrages über den Erwerb des Neuwagens wird dann in aller Regel nicht der (vermuteten) Parteiabsicht entsprechen.

Im vorliegenden Fall läßt das Klagsvorbringen entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes eine Beurteilung dahin, daß nach dem Standpunkt der klagenden Partei ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliege, nicht zu. Die klagende Partei geht vielmehr davon aus, daß sie den PKW Alfa Romeo Alfetta 1.6 (in den ein neuer 2.5-l-Motor einzubauen war) um den Preis von 243 000 S erworben habe. Diesem Prozeßstandpunkt der klagenden Partei ist der Beklagte nur mit der Behauptung entgegengetreten, der Einbau eines fabriksneuen Sechszylindermotors sei nicht vereinbart worden, der Gesamtkaufpreis des Neuwagens habe nicht 243 000 S, sondern nur 205 000 S betragen. Nicht einmal der Beklagte hat demnach geltend gemacht, daß nach dem Parteiwillen ein einheitliches Rechtsgeschäft geschlossen worden wäre, sodaß die klagende Partei nur die Rückgabe des von ihr geleisteten Barbetrages von 133 000 S und des Eintauschwagens Alfa Romeo Giulietta begehren könne. Beide Streitteile gehen vielmehr vom Vorliegen zweier Kaufverträge aus; es ist dann nicht gerechtfertigt, entgegen dem Prozeßstandpunkt beider Streitteile ein einheitliches Rechtsgeschäft anzunehmen und die klagende Partei auf die Herausgabe ihres Altwagens zu verweisen, den der Beklagte möglicherweise bereits weiterverkauft hat und nicht herausgeben kann.

Die Abweisung des Klagebegehrens allein auf Grund des Klags- bzw. des Parteienvorbringens ist jedenfalls nicht gerechtfertigt.

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