OGH 5Ob220/63

OGH5Ob220/6327.6.1963

SZ 36/95

Normen

ABGB §918
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 21
ABGB §918
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 21

 

Spruch:

Zur Anwendbarkeit des Art. 8 der 4. EVzHGB. auf Tauschverträge, die im Rahmen des Handelsgewerbes abgeschlossen wurden.

Entscheidung vom 27. Juni 1963, 5 Ob 220/63.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Beide Parteien befassen sich mit dem Handel von Kraftfahrzeugen. Im August 1959 erwarb der Beklagte einen bei der Firma W. in G. zur Reparatur befindlichen PKW Marke Lloyd 600, Baujahr 1957. Die klagende Partei hatte damals einen Gebrauchtwagen Marke Opel Rekord zum Verkauf. Da der Beklagte Händler mit Opel-Fahrzeugen ist, während sich die Klägerin mit dem Verkauf von Fahrzeugen der Marke Lloyd befaßt, vereinbarten die Streitteile einen Fahrzeugtausch, wonach die klagende Partei dem Beklagten den PKW Opel Rekord im Werte von 19.600 S übergab, wogegen sich der Beklagte verpflichtete, den bei W. in Reparatur befindlichen PKW Marke Lloyd nach Durchführung der Reparatur der Klägerin zu übergeben und außerdem noch einen Barbetrag von 3000 S zu zahlen. Der Bargeldbetrag wurde bezahlt, die Übergabe des Kraftwagens Lloyd an die Klägerin ist jedoch unterblieben; der Beklagte hat die Übergabe erst nach erfolgtem Rücktritt der Klägerin am 22. Juli 1960 angeboten.

Auf Grund dieses Sachverhaltes verurteilte das Erstgericht, weil es den Rücktritt der Klägerin vom Vertrag als begrundet ansah, den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 16.600 S, das ist der Wert des Kraftwagens Opel Rekord abzüglich des vom Beklagten geleisteten Bargeldbetrages von 3000 S. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und wies die Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Art. 8 Nr. 21 der 4. VO. zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich steht dem Verkäufer dann, wenn er dem Käufer die Ware übergeben und den Kaufpreis gestundet hat, ein Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB. nicht zu. Der Grund dieser, der Bestimmung des § 454 des DBGB. nachgebildeten Bestimmung liegt darin, daß der Käufer, der die Sache zur Verwendung oder zum Verbrauch erwirbt, durch die Rückgängigmachung unbillig belastet werden würde und daß es naheliegt, in der Stundung des Kaufpreises einen Verzicht des Verkäufers auf das Rücktrittsrecht zu erblicken, weil sie den bei Zug-um-Zug-Leistungen sonst bestehenden Zusammenhang zwischen Leistung der Ware und Zahlung des Preises auflöst (RGKomm.[11] zu § 454 BGB., S. 137, Staudinger, Kommentar zum BGB.[11], S. 216). Auch im Kommentar Soergel - Siebert wird in den Ausführungen zu § 454 BGB. der Standpunkt eingenommen, daß die Stundung als ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht aufzufassen sei. Der Käufer solle vor der Gefahr geschützt werden, den von ihm umgestalteten oder weitergegebenen Gegenstand dem Verkäufer rückverschaffen zu müssen.

Diese Regelung bedeutet für das österreichische Recht nichts neues. Denn auch Art. 354 des AHGB. machte den Rücktritt des Verkäufers wegen Zahlungsverzug des Käufers davon abhängig, daß die Ware noch nicht übergeben war. Hiezu hat Staub - Pisko, Komm. zum HGB. S. 639 ähnliche Argumente gebracht wie die deutschen Kommentatoren zu § 454 BGB., nämlich, daß ein Rücktrittsrecht, welches dem Verkäufer auch nach Lieferung der Ware zustehe, für den säumigen Käufer eine große Härte bedeuten würde, wenn dieser - was ja gerade beim Handelskauf die Regel bildet - die Ware bereits veräußert oder verarbeitet hat (im gleichen Sinne auch SZ. VIII 298). Darüber hinaus hat die österreichische Judikatur den Standpunkt vertreten, daß die Regel des Art. 354 AHGB. nicht nur für Handelskäufe, sondern für alle Käufe gelte, weil der Rücktritt eben zur Voraussetzung habe, daß der Gläubiger seinerseits den Vertrag nicht erfüllen wollte. Habe der Gläubiger durch Erfüllung der eigenen Verpflichtung gezeigt, daß er auf Erfüllung des gegenseitigen Vertrages bestehe, so könne er nach § 918 nur diese und daneben den Schadenersatz wegen Verspätung der Gegenleistung verlangen (SZ. III 123, JBl. 1933, S. 191, Ehrenzweig, System[7] II/1, § 320).

Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die deutsche Literatur, insbesondere auf den Reichsgerichtsrätekommentar, den Standpunkt vertreten, daß Art. 8 Nr. 21 der Einführungsverordnung nur für Handelskäufe, aber nicht für Tauschverträge gelte. Nun ist es zwar richtig, daß in der zitierten deutschen Literatur eine enge Auslegung des § 454 BGB. gefordert wird und daß der Reichsgerichtsrätekommentar unter Berufung auf eine deutsche Entscheidung erklärt, daß er auf Tauschverträge nicht anwendbar sei. Dazu ist zu sagen, daß aus den Ausführungen im Reichsgerichtsrätekommentar der Sachverhalt, welcher der deutschen Entscheidung zugrunde lag, nicht zu entnehmen ist und daß die Begrenzung der Auslegung des Gesetzes nicht soweit gehen kann, daß die Anwendung des Gesetzes auf einen Sachverhalt abgelehnt wird, auf den alle Grundsätze, die für den gesetzlichen Ausschluß des Rücktrittsrechtes maßgebend waren, zutreffen. Es ist darauf zu verweisen, daß gerade im Bereich des Autohandels die Grenzen zwischen einem Handelskauf und einem im Rahmen des Autohandelsgewerbes abgeschlossenen Tausch ineinanderfließen. Der Oberste Gerichtshof hat immer den Standpunkt vertreten, daß in dem Falle, als für einen Neuwagen auf Rechnung des Kaufpreises ein alter Wagen gegeben wird, nicht ein Tauschvertrag, sondern ein Doppelkauf vorliegt (vgl. auch SZ. XXVII 307). Der vorliegende Fall ist wohl etwas anders gelagert; es liegt zwar ein Tauschvertrag vor, der aber doch sehr nahe an der Grenze eines Doppelhandelskaufes steht. Auf jeden Fall trifft all das, was zur Begründung des gesetzlichen Ausschlusses des Rücktrittsrechtes gesagt wurde, auch hier zu. Die Klägerin war sich bei Abschluß des Vertrages bewußt, daß der Beklagte den Wagen nicht behalten, sondern ihn als Händler, der sich speziell mit dem Handel von Opel-Kraftfahrzeugen befaßt, weiterverkaufen werde. Sie mußte sich daher auch dessen bewußt sein, daß sie auch bei Verzug des Beklagten in der Lieferung des Lloyd-Kraftfahrzeuges durch eine Erklärung des Rücktrittes nie mehr wieder in den Besitz des Opel-Kraftwagens werde gelangen können. Es kann also aus der bedingungslosen Lieferung des Opel-Kraftfahrzeuges in der Erwartung der späteren Gegenlieferung des Lloyd-Kraftwagens nur der Schluß gezogen werden, daß sie das Geschäft mit der Absicht getätigt hat, auf der Erfüllung des Vertrages zu bestehen. Der Oberste Gerichtshof ist daher der Meinung, daß auch in diesem Falle ein Rücktritt der Klägerin vom Vertrage im Sinne des Art. 8 Nr. 21 der Einführungsverordnung ausgeschlossen ist und daß diese nur befugt ist, Erfüllung, das heißt, die Lieferung des Lloyd-Kraftwagens und allenfalls Schadenersatz wegen der Verspätung zu fordern.

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