OGH 7Ob531/84

OGH7Ob531/8422.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans Christian Kollmann, Rechtsanwalt in Lambach, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des W***** E*****, wider die beklagte Partei R*****, registrierte Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Rechtsanwalt in Eferding, wegen 524.657 ATS sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. November 1983, GZ 5 R 216/83‑24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 16. August 1983, GZ 2 Cg 20/83‑20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00531.840.0322.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 30.396,45 ATS bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 5.200 ATS Barauslagen und 2.099,75 ATS USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

Mitte des Jahres 1979 führte die A*****‑Bank, für die bereits zwei Zwangspfandrechte ob der Liegenschaft des Gemeinschuldners EZ 395 KG N***** im Betrage von 368.913 ATS und 393.640 ATS begründet worden waren, Zwangsvollstreckung auf diese Liegenschaft sowie Fahrnisexekution gegen den Gemeinschuldner. Die offene Forderung der A*****‑Bank gegen den Gemeinschuldner betrug rund 500.000 ATS. Um dem Gemeinschuldner den beabsichtigten Verkauf dieser Liegenschaft an die Gemeinde N***** zu ermöglichen, gewährte die beklagte Partei dem Gemeinschuldner laut Schuld‑ und Pfandbestellungsurkunde vom 5. 7. 1979 ein bis längstens 30. 6. 1980 rückzahlbares Darlehen von 515.000 ATS zur Schuldablöse bei der A*****‑Bank. Das Darlehen sollte im Range der Zwangspfandrechte der A*****‑Bank ob der Liegenschaft des Gemeinschuldners sichergestellt werden. Mit Kaufvertrag vom 20. bzw 23. 8. 1979 verkaufte der Gemeinschuldner die Liegenschaft an die Gemeinde N***** um 2,6 Mio ATS. Ein Kaufpreisteilbetrag von 1,7 Mio ATS war binnen 8 Tagen nach Rechtswirksamkeit des Vertrags zu bezahlen. Die Käuferin erteilte dem Urkundenverfasser Notar Dr. N***** den unwiderruflichen Auftrag, mit dem Kaufpreisteilbetrag die Lastenfreistellung der Liegenschaft durchzuführen und den Rest an den Gemeinschuldner auszuzahlen oder darüber nach dessen Weisungen zu verfügen. Der Gemeinschuldner erteilte spätestens im August 1979 dem Notar den Auftrag, aus der ersten Kaufpreisrate das Darlehen an die beklagte Partei zurückzuzahlen. Der Notar teilte der Beklagten mit, dass mit der gemeindeaufsichtsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrags etwa Mitte September zu rechnen sei. Er übernahm die persönliche Haftung dafür, dass das Darlehen aus dem bei ihm treuhändig zu erlegenden Kaufpreis zur Gänze bezahlt werde. Aufgrund dieser Haftungsübernahme verzichtete die beklagte Partei aus Gebührengründen auf die Verbücherung der Pfandbestellungsurkunde. Der Darlehensbetrag wurde von der beklagten Partei im Auftrag des Gemeinschuldners an die A*****‑Bank überwiesen. Der Kaufvertrag wurde am 13. 11. 1979 aufsichtsbehördlich genehmigt. Nach Einlangen der ersten Kaufpreisrate beim Notar überwies dieser am 10. 12. 1979 524.657 ATS an die beklagte Partei. Am 14. 5. 1980 wurde über das Vermögen des Gemeinschuldners der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger ficht die Zahlung vom 10. 12. 1979 gestützt auf die Anfechtungstatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 und 3 und des § 31 Abs 1 Z 2 KO an. Der Gemeinschuldner sei im Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig gewesen. Der beklagten Partei sei die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen, jedenfalls aber hätte ihr die Zahlungsunfähigkeit aufgrund der in den letzten Jahren gegen den Gemeinschuldner geführten zahlreichen Exekutionen bekannt sein müssen.

Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, dass die Zahlung keine Rechtshandlung des Gemeinschuldners sei. Die Zahlung sei aufgrund eines unwiderruflichen Auftrags des Gemeinschuldners erfolgt, der überdies bereits mehr als 6 Monate vor der Konkurseröffnung erteilt worden sei. Die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners sei der beklagten Partei weder bekannt gewesen, noch hätte sie diese kennen müssen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatten die Geschäftsbeziehungen der beklagten Partei mit dem Gemeinschuldner nur einen sehr geringen Umfang. Der Gemeinschuldner hatte bei der beklagten Partei lediglich ein Konto, das als Durchlaufkonto für Schecks diente. Die beklagte Partei führte anlässlich der Darlehensgewährung mit dem Gemeinschuldner keine Gespräche über dessen Vermögensverhältnisse, weil ihr eine Hypothek im Range der Pfandrechte der A*****‑Bank ausreichend erschien. Die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners war ihr nicht bekannt. Der Gemeinschuldner war bereits zum 31. 12. 1975 objektiv zahlungsunfähig. Die folgenden Jahre bis zur Konkurseröffnung waren durch zunehmende Inanspruchnahme von Fremdkapital sowie durch Klagen und Exekutionen gekennzeichnet. Im Jahre 1979 waren 21 Exekutionsverfahren gegen den Gemeinschuldner beim Bezirksgericht Schwanenstadt anhängig.

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, dass die allenfalls nach § 31 Abs 2 Z 2 erster Fall KO anfechtbare Rechtshandlung des Gemeinschuldners nicht die Zahlung vom 10. 12. 1979, sondern der spätestens im August 1979 erteilte Auftrag an den Notar sei, die Zahlung zu leisten. Dieser Auftrag sei aber bereits mehr als 6 Monate vor der Konkurseröffnung erteilt worden und daher von der Anfechtung ausgeschlossen. Der beklagten Partei habe aber auch die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners nicht bekannt sein müssen. Die beklagte Partei sei mit dem Gemeinschuldner nur in loser Geschäftsverbindung gestanden. Aus der Darlehensaufnahme zur Abwehr der Exekution der A*****‑Bank hätte die beklagte Partei noch keine Schlüsse auf die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners ziehen müssen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens ab. Eine Rechtshandlung des Gemeinschuldners sei auch eine Handlung seines gesetzlichen Vertreters, seines Bevollmächtigten und anderer Personen, soweit sie der Gemeinschuldner genehmigt habe. Da der Notar Treuhänder und Beauftragter des Gemeinschuldners gewesen sei, habe er die Zahlung für den Gemeinschuldner geleistet. Die Erfüllung sei für sich selbständig anfechtbar. Die Anfechtung führe höchstwahrscheinlich zu einer Erhöhung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger, sodass die Voraussetzung der Gläubigerbenachteiligung gegeben sei. Die beklagte Partei habe die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners kennen müssen. Dieses Erfordernis sei gegeben, wenn die Unkenntnis auf der Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruhe, wobei leichte Fahrlässigkeit genüge. Gerade weil die beklagte Partei nicht in ständiger Geschäftsbeziehung mit dem Gemeinschuldner gestanden sei, hätte sie bei der Darlehensgewährung besondere Sorgfalt aufwenden müssen. Dann hätte ihr aber aufgrund der zahlreichen Klagen und Exekutionen gegen den Gemeinschuldner dessen Zahlungsunfähigkeit nicht verborgen bleiben können.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach § 43 Abs 2 KO muss die Anfechtung durch Klage bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs binnen Jahresfrist nach der Konkurseröffnung geltend gemacht werden. Es handelt sich hiebei um eine materiell‑rechtliche Ausschlussfrist, mit deren Ablauf der Anfechtungsanspruch erlischt. Der Ablauf der Frist ist daher von Amts wegen zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Anfechtungsrechts durch Klagserweiterung ist für die Beurteilung der Einhaltung der Frist nicht der Tag der auf einen anderen Anfechtungsgrund gestützten Klagseinbringung, sondern der Tag der mündlichen Verhandlung, an dem der neue Anfechtungsgrund geltend gemacht wurde, entscheidend (SZ 46/57 mwN). Der Kläger kann sich daher, wie bereits das Erstgericht richtig dargelegt hat, nicht mehr auf die erst in der mündlichen Streitverhandlung vom 6. 10. 1981 geltend gemachten Anfechtungstatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 und 3 KO berufen. Zu prüfen sind daher lediglich die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 KO Danach sind nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen, durch die ein anderer Konkursgläubiger eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat und alle vom Gemeinschuldner mit andern Personen eingegangenen, für die Gläubiger nachteiligen Rechtsgeschäfte anfechtbar, wenn dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein musste. Diese Bestimmung enthält zwei Tatbestände, die Befriedigung oder Sicherstellung eines Konkursgläubigers und den Abschluss von Rechtsgeschäften durch den Gemeinschuldner mit anderen Personen, die in sich selbständig und nur durch die subjektive Anfechtungsvoraussetzung untereinander verknüpft sind. Nach dem ersten Fall ist die Deckung eines anderen Konkursgläubigers, das heißt einer Forderung anfechtbar, die mangels Tilgung bei Konkurseröffnung Konkursforderung gewesen wäre ( Hoyer , Zu den Anfechtungstatbeständen des § 31 Abs 1 Z 2 KO in ÖJZ 1982, 376 f, insbesondere 382). Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers nach § 30 Abs 1 KO nur dann anfechtbar, wenn die betreffende Forderung zur Zeit ihrer Deckung bereits bestanden hat. Eine Deckung, die gleichzeitig mit der Begründung der Schuld gewährt wird und daher einen Teil des die Schuld begründenden Rechtsgeschäfts bildet, wie etwa bei einem Barkauf, bei einem Kreditkauf mit gleichzeitigter Sicherstellung des Kaufpreises oder bei Einräumung eines Kredits gegen Sicherstellung, unterliegt nicht der Anfechtung nach dieser Bestimmung, weil hier der Gläubiger nur das erhält, was ihm der Schuldner aufgrund der Vereinbarung leisten musste, um das Schuldverhältnis begründen zu können (SZ 32/127; SZ 29/55; SZ 10/236; SZ 9/146; Bartsch‑Pollak ³ I 202 Anm 16; Petschek‑Reimer‑Schiemer , Das österreichische Insolvenzrecht 314). Diese Erwägungen gelten, wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat, auch für die Anfechtung der Befriedigung oder Sicherstellung eines Konkursgläubigers nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO (1 Ob 747/78; 4 Ob 651/75). Diese Auffassung wird auch im neueren Schrifttum vertreten und die gesonderte Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO dann abgelehnt, wenn durch das vom Gemeinschuldner eingegangene Rechtsgeschäft erst ein Gläubiger entstand und dieser sogleich durch dasselbe Rechtsgeschäft zu seiner Deckung gelangt ist. Solche Rechtsgeschäfte sind in ihrer Gänze nur nach dem zweiten Fall als „nachteiliges Rechtsgeschäft“ anfechtbar ( Koziol , Der Begriff des „nachteiligen Rechtsgeschäfts“ in § 31 Abs 1 Z 2 KO in JBl 1982, 57 f, insbesondere 66; vgl auch Hoyer aaO 383).

Wie sich aus dem unbestrittenen Sachverhalt und den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, erfolgte im vorliegenden Fall die Darlehensgewährung nur, um einen andrängenden Gläubiger zu befriedigen und dem Gemeinschuldner den Verkauf der Liegenschaft zu ermöglichen, wobei die beklagte Partei aus dem Verkaufserlös befriedigt werden sollte und die Darlehensgewährung von der Sicherstellung der beklagten Partei abhängig war. In dem einseitigen Versprechen des Notars, der beklagten Partei aus dem treuhändig bei ihm zu erlegenden Kaufpreis Zahlung zu leisten, liegt eine Annahme der Anweisung des Gemeinschuldners, wodurch diese unwiderruflich wurde ( Koziol‑Welser , Grundriß 6 I 250). Aufgrund der unwiderruflichlichen Anweisung wurde von der Begründung einer Hypothek, von der die Darlehensgewährung abhängig war, Abstand genommen. Die Anweisung bildet dann aber einen Teil des die Schuld begründenden Rechtsgeschäfts. Der Vollzug dieser Anweisung, die mit der Anweisung einen Gesamttatbestand bildet (vgl König in ÖJZ 1982, 229), kann aber nach den obigen Darlegungen nicht gesondert angefochten werden, weil die Begründung des Schuldverhältnisses von der Deckung der beklagten Partei abhängig war. Anfechtbar ist daher lediglich das gesamte Rechtsgeschäft nach dem zweiten Fall des § 31 Abs 1 Z 2 KO. Eine solche Anfechtung erfolgte aber mit der vorliegenden Klage nicht.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte