Normen
KO §30 Abs1 Z1
KO §30 Abs1 Z1
Spruch:
Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO.
Entscheidung vom 8. August 1956, 3 Ob 355/56.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Über das Vermögen des Kaufmannes Ludwig Z. wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg vom 24. Juli 1954, 4 Sa 4/54, das Ausgleichsverfahren, mit Beschluß vom 13. November 1954 desselben Gerichtes, 4 S 7/54, der Anschlußkonkurs eröffnet. Ludwig Z. hatte am 17. November 1953 vor dem Notar Dr. K. in Wien einen Schuldschein und eine Pfandbestellungsurkunde errichtet, inhaltlich welcher er der beklagten Firma Sch. & Co. bestätigte, einen Betrag von 181.739 S 77 g samt 9% Zinsen ab 16. Oktober 1953 für an ihn für seinen Mühlenbetrieb gelieferte landwirtschaftliche Produkte einschließlich aufgelaufener Gerichts- und Prozeßkosten aufrecht schuldig zu sein, und mit welcher er zur Sicherung dieser Forderung und einer bestellten Nebengebührenkaution die ihm gehörige Liegenschaft EZ. 120 Katastralgemeinde B. als Pfand bestellte. Gleichzeitig hatte er um die Rangordnung für die beabsichtigte Eintragung eines Pfandrechtes für eine Forderung im Betrage von 500.000 S samt 9% Zinsen und 10% Nebengebührensicherstellung am 18. November 1953 angesucht. Im Range dieser Anmerkung wurde dann das Pfandrecht für die erwähnte Forderung der Firma Sch. & Co. einverleibt.
Ludwig Z. war Ende Dezember 1953, jedenfalls aber noch vor dem 15. Jänner 1954, zahlungsunfähig. Das ergibt sich aus einer Reihe von in die Liegenschaft geführten Exekutionen mit einem Gesamtforderungsbetrage von zirka 120.000 S und aus anderen, in das bewegliche Vermögen geführten Exekutionen, hier auch wegen verhältnismäßig geringer Forderungen, sowie aus mehrfachen gegen Z. anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten in der Zeit Dezember 1953/Jänner 1954.
Die Firma Sch. & Co. hatte im Zeitpunkte der Errichtung des erwähnten Schuldscheines bzw. der erwähnten Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 gegen Ludwig Z. bereits zwei rechtskräftige Wechselzahlungsaufträge erwirkt, und zwar a) am 25. September 1953 den vollstreckbaren Wechselzahlungsauftrag des Handelsgerichtes Wien, 4 Cg 705/53, lautend auf Zahlung von 85.912 S 17 g samt 6% Zinsen hiefür ab 4. Juli 1953 und Kosten im Betrage von 477 S 32 g,
b) am 12. November 1953 den vollstreckbaren Wechselzahlungsauftrag des gleichen Gerichtes, 4 Cg 845/53, lautend auf Zahlung von 86.390
S 30 g samt 6% Zinsen hiefür ab 4. November 1953 und Kosten im Betrage von 488 S 32 g, daher im Gesamtbetrage von 173.268 S 11 g einschließlich der Kosten.
Gestützt auf diesen von den Untergerichten festgestellten Sachverhalt hatte der Masseverwalter im Konkurse Ludwig Z. unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 30 Abs. 1 Z. 1 und 3 KO. begehrt, daß das von Ludwig Z. auf Grund des Schuldscheins und der Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 der Firma Sch. & Co. eingeräumte Pfandrecht für ihre Forderung im Betrage von 181.739 S 77 g und das Pfandrecht für die Nebengebührensicherstellung bis zum Höchstbetrage von 50.000 S den Gläubigern des Ludwig Z. gegenüber für rechtsunwirksam erkannt werde und die Beklagte schuldig sei, in die Löschung dieses Pfandrechtes einzuwilligen.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren gegen die Firma Sch. & Co. nur teilweise stattgegeben. Es hat das für die Firma einverleibte Pfandrecht gegenüber den Gläubigern des Ludwig Z. nur hinsichtlich eines Forderungsbetrages von 8471 S 66 g samt 9% Zinsen seit 16. Oktober 1953 und der Nebengebührensicherstellung von 50.000 S für rechtsunwirksam erklärt und die Firma Sch. & Co. nur insoweit für schuldig erkannt, in die Löschung des Pfandrechtes zu willigen. Das Mehrbegehren hat es abgewiesen. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß nur hinsichtlich dieses Betrages samt Nebengebühren die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. gegeben seien, nicht aber hinsichtlich eines Betrages von 173.268 S 11 g. Denn für diese Forderung habe die Firma Sch. & Co. Sicherstellung sowohl in der Art als auch in der Zeit, wie sie ihr von Ludwig Z. eingeräumt worden war, beanspruchen können, da sie rechtskräftige und vollstreckbare Wechselzahlungsaufträge hinsichtlich dieser Forderung in Händen gehabt habe und die behauptete Begünstigungsabsicht nach § 30 Abs. 1 Z. 3 KO. nicht erwiesen sei.
Das Urteil des Erstgerichtes ist sowohl vom Masseverwalter als auch von der beklagten Firma mit Berufung angefochten worden.
Die Berufung der beklagten Firma hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat aber über Berufung des Masseverwalters das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß es das für die Firma Sch. & Co. einverleibte Pfandrecht zur Gänze den Gläubigern des Ludwig Z. gegenüber für unwirksam erklärte und die Firma schuldig erkannte, in die Einverleibung der Löschung des ganzen Pfandrechtes zu willigen. Das Berufungsgericht übernahm, wie schon in der im Eingange gegebenen Sachverhaltsdarstellung bemerkt wurde, die erstrichterlichen Feststellungen zur Gänze. In rechtlicher Beziehung vertrat es die Auffassung, daß es keineswegs, wie das Erstgericht annahm, gleichgültig sei, ob der Firma Sch. & Co. auf Grund einer besonderen Pfandbestellung oder im Wege eines Zwangspfandes die Sicherstellung für ihre Forderung gewährt wurde. § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. habe nur privatrechtliche Ansprüche auf Sicherstellung im Auge, für die auf Grund der Vereinbarung ein Klagerecht gewährt sei. Das ergebe sich daraus, daß das Gesetz die Verwirklichung dieses Anspruches als eine Rechtshandlung bezeichne, somit einen Begriff verwende, der dem Privatrechte angehöre. Die rechtskräftigen Wechselzahlungsaufträge gäben keinen privatrechtlichen Anspruch auf pfandrechtliche Sicherstellung, sondern nur die prozessuale Möglichkeit, eine Sicherstellung oder Befriedung zu erzwingen. Durch die beiden Wechselzahlungsaufträge habe die beklagte Firma nur einen gerichtsordnungsmäßig festgestellten Anspruch auf Zahlung, aber keinen aus dem Rechtsverhältnis entspringenden Anspruch auf Sicherstellung erlangt. Die mit der Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 eingeräumte Sicherstellung könne von der Firma Sch. & Co. weder in der Art noch in der Zeit aus den den Forderungen zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen beansprucht werden, so daß auch das Pfandrecht für den Teilbetrag von 173.268 S 11 g sich als eine objektive Begünstigung nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. darstelle. Die beklagte Firma habe wissen müssen, daß von ihr durch die Einräumung des Pfandrechtes für ihre Forderungen etwas begehrt wurde, was sie nicht von vorneherein habe fordern können.
In der Frage der Einhaltung der Fristen, in der Frage des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit bei Ludwig Z. und in der Frage, ob dem am 17. November 1953 abgeschlossenen Vertrage novierende Wirkung zukomme, folgte das Berufungsgericht dem Erstrichter. Im Zusammenhang mit der letzten aufgeworfenen Frage verwies es darauf, daß nach dem außer Streit gestellten Inhalte der Urkunde vom Gemeinschuldner lediglich bestätigt worden sei, daß er für an ihn gelieferte landwirtschaftliche Produkte an die Beklagte Beträge schuldig sei. Das stelle nur ein Anerkenntnis dar, durch welches der Schuldgrund befestigt werde. Es lasse sich aber aus dem Wortlaut der Pfandbestellungsurkunde nicht entnehmen, daß die Wechselforderungen und die gleichfalls einbezogene offene Buchforderung ihre selbständige rechtliche Existenz einbüßen sollten. Ein Neuerungsvertrag sei in dem Schuldscheine und in der Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 nicht gelegen. Die Anfechtbarkeit der Pfandrechtsbestellung sei demnach gegeben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision wendet sich mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung dagegen, daß das Berufungsgericht die Ansicht vertreten hat, die in der Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. enthaltenen Worte "zu beanspruchen hatte" könnten nur in der Richtung eines privatrechtlichen Rechtsanspruches auf Sicherstellung verstanden werden. Auch in diesem Belange ist die Rechtsrüge im Ergebnis unbegrundet. Es ist der Revision zwar darin zuzustimmen, daß eine Anfechtung nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. dann ausgeschlossen ist, wenn dem Gläubiger ein Anspruch auf Sicherstellung zustand. Aber es muß ein Anspruch auf Sicherstellung gewesen sein, und dann ein Anspruch in der Art, wie sie schließlich bewilligt wurde. Weder die erste noch die zweite Voraussetzung ist gegeben. Auf Grund der beiden rechtskräftigen Wechselzahlungsaufträge stand der beklagten Partei zunächst nur ein Anspruch auf Zahlung zu, nicht auf irgendeine Pfandbestellung oder sonstige Sicherung. Sie konnte auf Grund der in ihren Händen befindlichen Exekutionstitel auch nicht im exekutiven Wege Sicherstellung begehren, sondern nur Exekution zur Hereinbringung führen. Daß ihr die Exekutionsordnung zur Hereinbringung ihrer Forderung das Exekutionsmittel der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung zur Verfügung stellt, ändert nichts daran, daß diese Pfandrechtsbegründung nicht der Sicherung der Forderung, sondern der Hereinbringung zu dienen hat.
Es ist daher richtig, daß die rechtskräftigen Wechselzahlungsaufträge der beklagten Partei nur die prozessualen Möglichkeiten, eine Sicherstellung oder Befriedigung zu erzwingen, geben, nicht aber einen Anspruch auf Einräumung eines Pfandrechtes ob der Liegenschaft EZ. 120 Katastralgemeinde B.
Es ist unrichtig, wenn die beklagte Partei meint, sie habe auf Grund der vollstreckbaren Wechselzahlungsaufträge ex lege einen Anspruch auf Sicherstellung in der ihr gewährten Art. Es kann dahingestellt bleiben, ob auf Grund rechtskräftiger und vollstreckbarer Titel statt Befriedigungsexekution Sicherungsexekution geführt werden kann. In keinem Falle hätte die beklagte Partei ein Pfandrecht der Art erlangt, wie es zu ihren Gunsten durch die Pfandbestellungsurkunde begrundet wurde. Im Wege der Sicherungsexekution hätte sie die bücherliche Vormerkung des Pfandrechtes erwirken können; im Wege der Befriedigungsexekution hätte sie wohl ein Pfandrecht für ihre Forderung erhalten, dieses hätte aber nicht der Sicherstellung gedient, sondern wäre ein Zwangsmittel zur Hereinbringung der Forderung gewesen.
Wenn die beklagte Partei demnach mit der Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 zur Sicherung ihrer Forderungen die Einverleibung des Pfandrechtes ob der Liegenschaft EZ. 120 bewilligt erhalten hat, erlangte sie tatsächlich eine Sicherstellung, auf die sie überhaupt keinen Anspruch, jedenfalls aber keinen Anspruch in der Art hatte, wie sie ihr schließlich bewilligt wurde. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, daß der beklagten Partei durch die Pfandrechtseinräumung eine inkongruente Deckung für ihre Forderung gegeben wurde.
Es kann bei dieser Lage der Dinge dahingestellt bleiben, ob § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. tatsächlich nur "von vorneherein begrundete privatrechtliche Ansprüche auf Sicherstellung oder Befriedigung" im Auge hatte. Die Argumentation des Berufungsgerichtes, das seine Ansicht aus dem Gebrauche der Worte "beanspruchen" und "Rechtshandlung" ableitet, ist nicht zwingend. Es gibt auch einen exekutionsrechtlichen Anspruch auf Befriedigung und Sicherstellung, wie es auch Rechtshandlungen gibt, die nicht der Sphäre des Privatrechtes angehören. Es kann der Begriff "Rechtshandlung" nicht nur als ein Begriff des privaten Rechtes angesehen werden.
Es kann aber auch unterlassen werden, auf die historische Entwicklung, die zur derzeit gültigen Fassung des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. geführt hat, einzugehen, deren Darstellung in der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei ein breiter Raum gegeben ist.
Die Revision rügt schließlich in rechtlicher Beziehung, daß das Berufungsgericht dem am 17. November 1953 geschlossenen Vertrag keine novierende Wirkung zuerkannte. Sie meint, daß sich die von der beklagten Partei behauptete Novation daraus ergebe, daß die Wechselforderungen und die einbezogene offene Buchforderung in der Schuldurkunde nicht einzeln angeführt oder etwa hinsichtlich der Summe addiert worden waren, daß der vor Errichtung der Schuldurkunde für die einzelnen Forderungen bestandene verschiedene Zinssatz in einen einheitlichen Zinssatz abgeändert wurde, daß die Wechselforderungen durch die Errichtung der Schuldurkunde erst einen Rechtsgrund erhielten und daß endlich durch die Errichtung der Schuldurkunde die Exekutionstitel verlorengingen.
Es muß dem Revisionsgegner darin beigestimmt werden, daß gleichgültig, ob in dem Schuldschein und der Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 eine Novation erblickt wird oder nicht, jedenfalls die darin bekundeten Rechtshandlungen der Anfechtung nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. unterworfen sind, weil es sich auch dann um eine 60 Tage vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewährte Pfandrechtseinräumung für Forderungen handelt, für welche die beklagte Partei als Gläubigerin Sicherstellung nicht begehren konnte, auch nicht auf Grund der in ihren Händen befindlichen Wechselzahlungsaufträge und jedenfalls nicht in der Art, in der sie ihr dann gewährt wurde.
Die Auffassung der beklagten Partei, daß entscheidend sei, ob sie pari passu mit der Errichtung der Schuldurkunde und der darin abgegebenen Verpflichtungserklärung des Gemeinschuldners Sicherung der in der Urkunde behandelten Forderungen erlangt habe und daß in diesem Falle nicht von einer inkongruenten Deckung gesprochen werden könne, verkennt Sinn und Zweck der Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. Sie will die objektive Begünstigung eines Gläubigers durch die Befriedigung oder Sicherstellung verhindern. Das heißt: der Gläubiger soll nicht etwas erhalten, was er nicht genau so, wie es gegeben wurde, zu fordern hat. Es kommt also auch bei der Novation auf die umgewandelte Schuld an, darauf also, ob der Gläubiger für die frühere Verbindlichkeit jene Sicherstellung oder Befriedigung zu fordern berechtigt war, die er durch die Umwandlung der Hauptschuld erhalten sollte.
Im konkreten Falle ergibt sich aus der Schuldurkunde, daß die Gläubigerin, das ist die beklagte Partei, die Forderung, die in der Schuldurkunde pfandrechtlich gesichert wurde, schon früher zu fordern hatte, allerdings ohne weitere Sicherstellung. Es wurde ihr durch die Einräumung des Pfandrechtes in der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1953 etwas gegeben, worauf sie jedenfalls nicht in der begehrten Art Anspruch hatte.
Im übrigen ist richtig, wie die Gerichte erster und zweiter Instanz ausgeführt haben, daß eine Novation gar nicht vorliegt. Auch den Wechselverbindlichkeiten lag eine causa zugrunde, nämlich die Warenlieferungen der beklagten Partei an den Gemeinschuldner. Der Gemeinschuldner hat gerade diesen Rechtsgrund der Forderung anerkannt. Dieser Rechtsgrund hat eine Änderung nicht erfahren.
Auch der Hauptgegenstand der Forderung hat keine Änderung erfahren, da in der Summierung sämtlicher Schulden aus Warenlieferungen, in der Änderung der Zinsvereinbarung und in der Errichtung einer Schuldurkunde darüber eine Umänderung der Hauptforderung nicht erblickt werden kann (§ 1379 ABGB.).
Daß die Wechselverbindlichkeiten durch die Errichtung der Schuldurkunden erlöschen sollten, dafür findet sich im Vertragsinstrument kein Hinweis.
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