Normen
JN §8
JN §45
KO §30 Abs1 Z1
ZPO §477 Abs1 Z2
JN §8
JN §45
KO §30 Abs1 Z1
ZPO §477 Abs1 Z2
Spruch:
Keine Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 2 ZPO., wenn ein Gerichtshof ein Urteil zu Unrecht mit dem Beisatz, "in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit" gefällt und das Berufungsgericht bei seiner bestätigenden Entscheidung einen fachmännischen Laienrichter beigezogen hat.
Eine nach der im § 30 Abs. 1 KO. angeführten Frist einem Gläubiger zugleich mit der Begründung des Schuldverhältnisses eingeräumte Sicherstellung ist nicht nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. anfechtbar.
Entscheidung vom 15. Oktober 1959, 6 Ob 323/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Die klagende Partei stellte das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Auszahlung des Entschädigungsbetrages von 13.354 S zum Versicherungsschein Nr. 296.647/HF, Versicherungsnehmer Edwin G., durch die W.-Versicherungsanstalt an die Konkursmasse im Konkurs des Franz Edwin G. einzuwilligen. Sie stützte ihre Klage ausdrücklich nur auf den Anfechtungstatbestand des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. und führte aus, daß die beklagte Partei bei der Finanzierung eines Autokaufes des Gemeinschuldners eine Sicherstellung durch Sperre der Entschädigungssumme (Ausstellung des Sicherungsscheines vom 29. September 1958) erlangt habe, die sie nicht beanspruchen könne. Die Beklagte sei dadurch vor den anderen Konkursgläubigern begünstigt, weil die Konkursgläubiger der dritten Klasse leer ausgehen würden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:
Zwischen dem Gemeinschuldner und der Beklagten hätten am 29. August 1958 die ersten Kreditverhandlungen stattgefunden, und es sei am gleichen Tag der Kreditvertrag ausgearbeitet, dem Gemeinschuldner zugeschickt und von diesem retourniert worden. Mit dem mit 30. August 1958 datierten Kreditvertrag sei dem Gemeinschuldner ein Kredit von 22.000 S eingeräumt worden, welcher Betrag nach Erledigung aller Formalitäten am 10. September 1958 von der Beklagten ausgezahlt worden sei. Im Kreditvertrag habe sich der Gemeinschuldner verpflichtet, die Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung bei der W.-Versicherungsanstalt abzuschließen und die Vollkaskoversicherung zugunsten der beklagten Partei sperren zu lassen. Der Abschluß der Vollkaskoversicherung und die damit verbundene Sperre seien in Erfüllung der vom Gemeinschuldner unterfertigten Kreditbedingungen der beklagten Partei geschehen. Nach Erfüllung aller Voraussetzungen habe die W.- Versicherungsanstalt die Versicherungskarte, die zur Anmeldung des Fahrzeuges erforderlich war, womit aber auch gleichzeitig die Deckung für den Versicherungsfall gegeben war, ausgestellt. Die Polizze und der Sicherungsschein samt Begleitbrief seien von der W.- Versicherungsanstalt am 29. September 1958 ausgestellt und der Beklagten zugesandt worden. Die Vollkaskoversicherung sei vom Gemeinschuldner mit Versicherungsbeginn 1. September 1958 abgeschlossen worden. Auf der Versicherungspolizze finde sich der Vermerk "vinkuliert zugunsten der H.-Bank" (Beklagten). Schon am 26. September 1958 sei das Fahrzeug beschädigt und vom Sachverständigen der Versicherungsgesellschaft mit 14.354 S bewertet worden. Die von der Versicherung an den Begünstigten zu zahlende Entschädigungssumme betrage daher abzüglich des Selbstbehaltes 13.354 S. Dieser Betrag sei von der W.-Versicherungsanstalt gemäß § 1425 ABGB. zu Gericht erlegt worden.
Auf Grund dieser Feststellungen erachtete das Erstgericht den Anfechtungstatbestand des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. nicht als vorliegend, da eine inkongruente Deckung nicht anzunehmen sei. Im Gegenstand handle es sich um eine Sicherstellung, die gleichzeitig mit der Begründung der Schuld bestellt worden sei. Es sei also nichts anderes geschehen, als daß der Gemeinschuldner Zug um Zug gegen die Gewährung eines Kredites von 22.000 S sich der Beklagten gegenüber verpflichtet habe, die Vollkaskoversicherung zugunsten der Beklagten sperren zu lassen, was uno actu mit Unterfertigung des Kreditvertrages und des Antrages auf Versicherung geschehen sei. Da durch die Kreditgewährung der Gegenwert in Form des vom Gemeinschuldner um den Kreditbetrag gekauften Autos in das Vermögen des Gemeinschuldners gelangt sei, könne von einer Benachteiligung der Konkursgläubiger nicht gesprochen werden. Es liege somit nicht der Fall einer objektiven Begünstigung vor.
Der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Berufung wurde in der Hauptsache nicht Folge gegeben, wobei das Berufungsgericht die Tatsachenfeststellungen und die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes übernahm. Es führte in rechtlicher Hinsicht ergänzend aus, daß der Begriff der "abweichenden Deckung" für Sicherstellungen nicht anwendbar sei, die gleichzeitig mit der Begründung der Schuld gewährt würden, die also einen Teil des die Schuld begrundenden Rechtsgeschäftes darstellten. Das Gesetz setze voraus, daß die nicht gebührende Deckung einem Gläubiger erst im nachhinein gewährt werde, dessen Forderung also zur Zeit der Deckung bereits, wenn auch bedingt oder betagt, bestanden haben müsse. Durch eine in einem Akt mit der Begründung der Schuld gewährte Sicherstellung erhalte aber der Gläubiger durch die Einräumung der Sicherstellung nicht etwas, worauf er keinen Anspruch habe, sondern nur das, was ihm der Schuldner geben müsse, um das Schuldverhältnis überhaupt erst begrunden zu können. Daraus ergebe sich, daß für die Frage der kongruenten Deckung nicht die Durchführung eines abgeschlossenen Kreditgeschäftes und die sich daraus häufig ergebende Verschiedenheit des Tages der Auszahlung des Kredites und der Entstehung des erworbenen Pfandrechtes maßgebend sei, sondern vielmehr der einheitliche Krediteinräumungsvertrag selbst und die Gleichzeitigkeit der darin für den zugesagten Kredit bestellten Sicherheit. Im vorliegenden Fall sei aber schon im Kreditvertrag vom 30. August 1958 dem Gemeinschuldner von der beklagten Partei ein Kredit unter der vom Gemeinschuldner noch am gleichen Tag erfüllten Bedingung zugesagt worden, daß er bei der W.-Versicherungsanstalt einen Haftpflicht- und Vollkaskoversicherungsvertrag abschließe und die Polizzen zugunsten der beklagten Partei vinkulieren, also verpfänden lasse. Die auf § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. gestützte Anfechtung des Rechtsgeschäftes sei daher auch bei Vorliegen der zeitlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 KO. zufolge einer anzunehmenden kongruenten Sicherstellung ausgeschlossen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wenn die klagende Partei den Nichtigkeitsgrund des § 503 Z. 1 (477 Abs. 1 Z. 2) ZPO. dahin geltend macht, daß das Berufungsgericht in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit anders besetzt war, als es in Ausübung der allgemeinen Gerichtsbarkeit besetzt sein mußte, so kommt der Nichtigkeitsrüge schon aus folgenden Erwägungen keine Berechtigung zu.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz hat das Klagebegehren in Ausübung der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelssachen abgewiesen. Da zwischen der Ausübung der Gerichtsbarkeit desselben Gerichtshofes in Rechtssachen der allgemeinen Gerichtsbarkeit einerseits und der Gerichtsbarkeit in Handelssachen andererseits das Verhältnis der Unzuständigkeit besteht, so daß bei unrichtig adressierter Klage nach § 43 Abs. 1 JN. vorzugehen ist (s. auch §§ 46 Abs. 2, 61, 62 JN.), hat der Gerichtshof erster Instanz über seine sachliche Zuständigkeit zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen eine bindende Entscheidung in bejahendem Sinn getroffen, wenngleich diese nicht ausdrücklich erfolgt ist, sondern in der Sachentscheidung enthalten war (ZBl. 1934 Nr. 224, AnwZ. 1933 S. 460, SZ. XI 221, Rspr. 1927 Nr. 99). Da diese Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz über seine sachliche Zuständigkeit gemäß §§ 45 Abs. 1 JN., 462 Abs. 2 ZPO. jeder Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen war, erscheint das Vorgehen des Berufungsgerichtes bei seiner Entscheidung über das in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen gefällte Urteil des Erstgerichtes der Vorschrift des § 8 Abs. 2 JN. entsprechend. Selbst wenn das Erstgericht nicht durch den Einzelrichter, sondern in nicht vorschriftsmäßiger Besetzung entschieden hätte (§§ 7 Abs. 1 JN., 477 Abs. 1 Z. 2 ZPO.), wäre eine amtswegige Überprüfung der bejahenden Zuständigkeitsentscheidung durch das Rechtsmittelgericht im Sinne der §§ 471, 477 ZPO. im Hinblick auf § 45 Abs. 1 JN. ausgeschlossen. Eine Nichtigkeit liegt demnach nicht vor.
Da die Anfechtungsklage ausdrücklich nur auf § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. gestützt wurde (die Anfechtung nach § 31 Abs. 1 Z. 2 KO. wurde fallengelassen), war lediglich zu prüfen, ob dieser bestimmt geltend gemachte Anfechtungstatbestand vorliegt. Nun ist jedoch eine Sicherstellung dann als gebührende Deckung anzusehen, wenn sie in einer Art gewährt wird, auf die der Gläubiger den Anspruch, sei es durch Vertrag oder Gesetz, vor Beginn der kritischen Zeit erworben hatte. Hingegen soll der Gläubiger, der sich zur Zeit der Begründung des Schuldverhältnisses Sicherstellung nicht bedungen hat, als begünstigt angesehen werden, wenn er nach Eintritt der kritischen Zeit (§ 30 Abs. 1 KO.) eine Sicherstellung erlangt hat. Er hat dadurch etwas erhalten, was ihm nicht gebührt, was er nicht "zu beanspruchen hatte", nämlich eine in der ursprünglichen Vereinbarung nicht vorgesehene, sogenannte "abweichende" Deckung. Wenn sich aber ein Gläubiger gleichzeitig mit der Zusicherung seiner Leistung, sei es vor oder nach Eintritt der kritischen Zeit, Sicherstellung bedingt, dann ist er, wenn ihm die Sicherstellung eingeräumt wird, nicht begünstigt; er erhält nur das, wovon er seine eigene Leistung abhängig gemacht hat. Das Gesetz verbietet nicht Rechtshandlungen nach Eintritt der zeitlichen Voraussetzungen der nach § 30 Abs. 1 KO. anfechtbaren Handlungen schlechtweg, sondern nur solche Rechtshandlungen, die nach diesem Zeitpunkt eine Veränderung der früher schon bestehenden Rechtsverhältnisse, und zwar in der Richtung der Begünstigung eines Gläubigers, herbeiführen. Gerade dadurch erreicht das Gesetz die Gleichberechtigung der Gläubiger. Wenn daher § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. von der Sicherstellung eines Gläubigers spricht, die dieser nicht zu beanspruchen hatte, so wird vorausgesetzt, daß diese Sicherstellung zugunsten einer Person erfolgt, die in diesem Zeitpunkt bereits Gläubiger gewesen ist. Es scheiden somit aus dem Bereich der fraglichen Gesetzesbestimmung solche Akte der Sicherstellung aus, von welchen die Begründung des Schuldverhältnisses unter einem abhängig gemacht wurde und die sich daher als ein Teil des die Schuld begrundenden Rechtsgeschäftes darstellen. In diesen Fällen erhält der Gläubiger nur das, was ihm auf Grund der mit dem Schuldner getroffenen Abrede gegeben werden mußte, um das Schuldverhältnis überhaupt zu begrunden (vgl. SZ. X 236; SZ. IX 146; ZBl. 1930 Nr. 312). Wenn die klagende Partei ausführt, daß der Krediteinräumungsvertrag vom 30. August 1958 als Zusicherung einer Darlehenszuzählung nicht verbindlich sei, das Schuldverhältnis somit erst mit der Auszahlung des Darlehens am 10. September 1958, die Sicherstellung aber schon mit dem Krediteinräumungsvertrag vom 30. August 1958, somit nicht gleichzeitig begrundet wurde, so ist vor allem darauf zu verweisen, daß mit dem Kreditvertrag, welcher entgegen der Auffassung der klagenden Partei hinsichtlich der Zusicherung eines Darlehens von 22.000 S nach Maßgabe des § 936 ABGB. bereits verbindlich war (§ 983 ABGB.), unter einem die Bestellung einer Sicherheit durch Sperre der Polizze vereinbart wurde. Es wurde daher das Schuldverhältnis schon durch Abschluß eines in allen wesentlichen Stücken bestimmten und daher verbindlichen Vorvertrages begrundet, so daß dem Umstand, daß die Darlehensschuld des Gemeinschuldners erst mit Auszahlung des Darlehens am 10. September 1958 entstanden sein konnte, keine Bedeutung zukommt. Desgleichen ist es unerheblich, wann das unbestrittenermaßen erworbene Pfandrecht der beklagten Partei an der Forderung des Gemeinschuldners aus dem Versicherungsvertrag tatsächlich zur Entstehung gelangt ist, da es hinreicht, daß mit einheitlichem Vertrag die Zusicherung des Darlehens von der Bestellung der dort genannten Sicherheiten, u. a. der Vinkulierung der Polizze, abhängig gemacht wurde, somit das Schuldverhältnis nur unter der schon im Vorvertrag vorgesehenen Bedingung der Bestellung bestimmter Sicherheiten begrundet werden konnte. Es liegt daher ein Sicherstellungsakt vor, der sich als ein Teil des die Schuld begrundenden Rechtsgeschäftes darstellt und somit nicht als Tatbestand einer objektiven Begünstigung im Sinn des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. gewertet werden kann.
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