OGH 3Ob126/83 (3Ob127/83)

OGH3Ob126/83 (3Ob127/83)14.12.1983

SZ 56/188

Normen

EO §37
IPRG §31
EO §37
IPRG §31

 

Spruch:

Ein im Ausland wirksam erworbenes Sicherungseigentum an beweglichen Sachen besteht nach deren Verbringung ins Inland nicht mehr, wenn die zu seinem Weiterbestehen im Inland geforderten Publizitätserfordernisse fehlen

OGH 14. 12. 1983, 3 Ob 126, 127/83 (LG Salzburg 32 R 447, 448/82; BG Oberndorf C 101/82 ) = JBl 1984, 550 (Schwimann; Hoyer 543)

Text

In dem zwischen Annegret P und Edith-Maria S beim BG O zu E 643/82 anhängigen Fahrnisexekutionsverfahren wurden am 26. 5. 1982 ua. die PZ 1 bis 17, 19 bis 25, 28 bis 41, 43 bis 48 sowie 50 und 51 gepfändet.

In den gegen die betreibende Partei am 6. 7. 1982 eingebrachten Exszindierungsklagen behaupten die Kläger, bei denen es sich um die Schwiegertochter und den Sohn der Verpflichteten handelt, daß sie Eigentümer der genannten Pfandgegenstände seien, und zwar der Kläger hinsichtlich der PZ 51, die Klägerin hinsichtlich aller übrigen Postzahlen. Die PZ 1 bis 10, 12 bis 16, 20 bis 25, 28 bis 41, 43 bis 48 und 50 seien der Klägerin von der Verpflichteten am 25. 9. 1980 in der Bundesrepublik Deutschland sicherungsübereignet worden. Die den Wert der gepfändeten Gegenstände übersteigende Forderung der Klägerin gegen die Verpflichtete sei nach wie vor aufrecht. Die exszindierten Gegenstände seien im Auftrag der Klägerin in die von ihr gemietete Wohnung in N gebracht worden. Die Postzahlen 11 und 19 seien der Verpflichteten nur leihweise zur Verfügung gestellt worden; auch die Postzahl 17 sei nach wie vor Eigentum der Klägerin. Der unter Postzahl 51 gepfändete PKW sei der Stadtsparkasse B sicherungsübereignet gewesen. Der Kläger habe die gesicherte Forderung durch Zahlung von 1000 DM eingelöst und Forderung und Eigentumsrecht übertragen erhalten, sodaß er Eigentümer dieser Postzahl sei.

Die Exszindierungsklage der Klägerin wurde von dieser mit 30 000 S, die des Klägers von ihm mit 15 000 S bewertet.

Das Erstgericht wies das Exszindierungsbegehren der Klägerin hinsichtlich der Postzahlen 1 bis 10, 12 bis 17, 20 bis 25, 28 bis 41, 43 bis 48 und 50 ab und erklärte die Exekution nur hinsichtlich der Postzahlen 11 und 19 für unzulässig. Das Exszindierungsbegehren des Klägers wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß die Postzahlen 1 bis 10, 12 bis 16, 20 bis 25, 28 bis 41, 43 bis 48 und 50 der Klägerin von der Verpflichteten am 25. 9. 1980 in München zur Besicherung einer Forderung sicherungsübereignet wurden, ohne daß es zu einer körperlichen Übergabe der Gegenstände kam, die bei der Verpflichteten verblieben und von ihr im Sommer 1981 bei ihrer Übersiedlung nach N (Österreich) mitgenommen wurden. Die Postzahlen 11 und 19 gehören der Klägerin und wurden der Verpflichteten nur geliehen. Die Postzahl 17 stehe im Eigentum der Verpflichteten. Die Postzahl 51 wurde dem Kläger von der Stadtsparkasse B durch Ausfolgung des Typenscheins sicherungsübereignet, nachdem er 1000 DM gezahlt hatte.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß eine in der Bundesrepublik Deutschland gültig zustande gekommene Sicherungsübereignung durch Besitzkonstitut nach Überbringung der Sachen nach Österreich nicht mehr aufrecht sei.

Der stattgebende Teil des erstgerichtlichen Urteils und die Abweisung hinsichtlich der Postzahl 17 erwuchsen in Rechtskraft. Gegen den übrigen abweisenden Teil richtete sich die Berufung der Kläger, der das Berufungsgericht nicht Folge gab. Dabei sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes in jedem der verbundenen Verfahren 60 000 S, nicht jedoch 300 000 S übersteige und daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei, weil diesbezüglich eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Das Berufungsgericht ging davon aus, daß die Sicherungsübereignung durch die Verpflichtete an die Kläger (in der Bundesrepublik Deutschland) rechtswirksam erfolgt sei. Der Nichtrückwirkungsgrundsatz des § 31 Abs. 1 IPRG sei aber bei Mobiliarsicherheiten, zu denen das Sicherungseigentum zähle, durchbrochen. Dabei hänge die Wirksamkeit des Sicherungsrechtes zur Gänze von der jeweiligen lex rei sitae ab, richte sich also nach Statutenwechsel sowohl mit heilender als auch mit vernichtender Wirkung nach dem neuen Lageort. Der Fortbestand eines unter der Herrschaft des früheren Belegenheitsrechtes wirksam begrundeten Sicherungseigentums hänge daher nach einem Lageortwechsel des Sicherungsgutes allein von der Anerkennung durch die neue lex rei sitae ab, die hiefür in der Regel die Einhaltung ihrer grundlegenden Publizitätserfordernisse verlange. Diese Regel beruhe auf einer Sonderanknüpfung von Zugriffsnormen in Form der Publizitätsvorschriften zum Schutz der Gläubigerordnung des Belegenheitsstaates, deren Anwendungswille Beachtung verlange. Demnach sei auch die für den Rechtsbereich der Bundesrepublik Deutschland gültige Sicherungsübereignung für den österreichischen Rechtsbereich unwirksam. Im Bereich des Sachenrechts fehle jedes Motiv dafür, die Rechtswirksamkeit von Verfügungen auf die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz der Beteiligten abzustellen. Es sei auch kein sachlicher Grund für eine verschiedene Behandlung von Ausländern und Inländern zu erkennen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte an körperlichen Sachen einschließlich des Besitzes sind nach § 31 Abs. 1 IPRG nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrunde liegenden Sachverhalts befinden. Die rechtliche Gattung der Sachen und der Inhalt der im Abs. 1 genannten Rechte sind nach dem zweiten Absatz der zitierten Gesetzesstelle nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen befinden. Die nachträgliche Änderung der für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden Voraussetzungen hat nach dem den Statutenwechsel regelnden § 7 IPRG auf bereits vollendete Tatbestände keinen Einfluß.

Der Inhalt der dinglichen Rechte ist nach § 31 Abs. 2 IPRG nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem sich die Sachen befinden. Im Unterschied zum ersten Absatz der zitierten Gesetzesstelle wird hier nicht auf einen bestimmten Anknüpfungszeitpunkt abgestellt. Die Wirkungen des allenfalls nach dem Recht eines anderen Staats erworbenen dinglichen Rechts richten sich daher nach dem Recht des jeweiligen Lageortes. Gelangt eine Sache ins Inland, so kann das im Ausland entstandene dingliche Recht hier - wie die EB zur RV des IPRG 47 unter Hinweis auf Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts, 267 und 278 ausführen - nur dann dingliche Wirkungen entfalten, wenn es mit der inländischen Sachenrechtsordnung vereinbar ist (so auch Duchek - Schwind, IPR, 79; Köhler - Gürtler, IPR, 100 f.).

Damit bejahen die Materialien zum IPRG ausdrücklich die ganz ü berwiegende in- und ausländische Lehre (zB Schwind, aaO; Staudinger - Stoll, Kommentar zum EGBGB[10/11] nach Art. 12, Rdz. 407, 411, 440, 451 ff.) und die herrschende Rechtsprechung (HS VII/41; JBl. 1974, 97 ua.; Landesgericht Innsbruck, 2 R 44/72, ZfRV 1973, 49 ff., mit ausführlicher Besprechung durch Martiny, gegen die vereinzelt gebliebene Entscheidung RZ 1964, 220). Der Grundsatz der Anerkennung im Ausland entstandener dinglicher Rechte gilt nämlich nicht ausnahmslos, insbesondere nicht bei besitzlosen Pfandrechten.

Von jeher gab es diesbezüglich international-privatrechtliche Schwierigkeiten zwischen Staaten, die die Begründung von Pfandrechten durch bloßen Vertrag zulassen, und jenen, die dem Faustpfandprinzip folgen. Schon Unger formulierte 1868: "Wenn jemand im Ausland an einer beweglichen Sache durch bloßen Vertrag ein Pfand erwirbt und die Sache kommt später ins Inland, so wird zum Fortbestehen des Pfandnexus als eines absolut wirksamen erfordert, daß der Pfandgläubiger die Sache innehabe" (System des österreichischen allgemeinen Privatrechts[3], I 179). Er konnte sich dabei auf Savigny (System des heutigen römischen Rechts VIII, 1848, 196 ff.) und Wächter (Über die Collision der Privatrechtsgesetze verschiedener Staaten, AcP 25, 1842, 361, 387 ff.) stützen. Auch von Bar kam zu demselben Ergebnis (Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts I, Neudruck der zweiten Auflage 1889 von 1966, 611 ff., 655 f.). Auch die deutsche Rechtsprechung ging in dieselbe Richtung (vgl. Martiny aaO 54 Anm. 37).

Wächter stellte generell darauf ab, ob das neue Sachstatut bestimmte Erfordernisse nicht bloß zum Entstehen, sondern auch für den Fortbestand des Pfandrechts aufstelle. Daran knüpfte Zitelmann an, der als erster von der "Dauervoraussetzung" des Besitzes sprach (Internationales Privatrecht I, 1897, 156; II, 1898 bis 1912, 339). Sie besteht, wenn "das neue Gesetz zwar ein Recht dieses Inhalts, wie es ihn nach altem Statut hat, ebenfalls kennt, zugleich aber nicht bloß für den erstmaligen Erwerb dieses Rechts, sondern auch für sein Bestehenbleiben eine bestimmte Voraussetzung aufstellt, also einen andauernden Zustand erfordert, während das alte Gesetz eine solche Dauervoraussetzung nicht gemacht hat".

Dem schloß sich die Literatur weitgehend an, in Österreich insbesondere Walker, IPR[5], 346, 352; Walker - Verdroß - Droßberg - Satter in Klang[2], I/1, 234 f.; Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts (1975) 278, Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts (1982) 186 f. Hinsichtlich der deutschen und Schweizer Literatur sei insbesondere auf die Literaturangaben des letztgenannten Autors sowie bei Martiny aaO 55 hingewiesen.

Diese für das besitzlose Pfandrecht entwickelten Grundsätze können auch auf das hier zur Entscheidung stehende Sicherungseigentum übertragen werden. Im Gegensatz zur Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland, in der die Sicherungsübereignung das Hauptanwendungsgebiet des das Besitzkonstitut regelnden § 930 BGB bildet, ist nach österreichischer herrschender Lehre (zB Klang in Klang[2] II 303 f.; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[6] II 116; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz. 3 zu § 360 und Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz. 1 zu § 451) und Rechtsprechung (SZ 8/200; SZ 9/279; SZ 10/26; SZ 20/24; SZ 25/138; SZ 27/18; SZ 28/72; JBl. 1958, 309; EvBl. 1967/357; EvBl. 1972/37; SZ 48/2; JBl. 1980,

435) das Besitzkonstitut als Erwerbsart für das Sicherungseigentum ausgeschlossen, weil wegen des pfandrechtsähnlichen Zwecks dieser Rechtseinrichtung und zur Vermeidung von Umgehungsgeschäften die strengen Publizitätsregeln der §§ 451 bis 453 ABGB entsprechend eingehalten werden müssen.

Daher hängt auch die Wirksamkeit des Sicherungsrechts von der jeweiligen lex rei sitae ab, ist also nach einem Statutenwechsel dem neuen Lageortsrecht sowohl mit heilender als auch mit vernichtender Wirkung ausgeliefert. Der Fortbestand eines unter der Herrschaft des früheren Belegenheitsrechtes wirksam begrundeten Sicherungsrechtes hängt daher nach Lageortwechsel des Sicherungsgutes allein von der Anerkennung durch die neue lex rei sitae ab, die hiefür in der Regel die Einhaltung ihrer grundlegenden Publizitätserfordernisse verlangt.

Nach österreichischem Recht ist nicht nur zur Begründung, sondern auch zum Weiterbestehen des Pfandrechts und des Sicherungseigentums eine gewisse Publizität notwendig, die zum Schutz der Gläubigerordnung im Inland festgesetzt wurde und deren eigener Anwendungswille Beachtung verlangt (Schwimann aaO 186 f.). Die von der Revision zitierte Entscheidung RZ 1964, 220 ist vereinzelt geblieben und setzt sich auch mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht näher auseinander.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß das in der Bundesrepublik Deutschland wirksam erworbene Sicherungseigentum der Klägerin an den Postzahlen 1 bis 10, 12 bis 16, 20 bis 25, 28 bis 41, 43 bis 48 und 50 und des Klägers an der Postzahl 51 nach Verbringen dieser Gegenstände nach Österreich die Fahrnisexekution darauf nicht unzulässig macht.

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