Spruch:
Bei einer Gesamtsache (Werkstätteneinrichtung) ist die Übergabe durch Zeichen (z. B. Übergabe des Schlüssels oder Änderung des Schlosses) im Falle einer Sicherungsübereignung zulässig.
Entscheidung vom 21. Mai. 1952, 2 Ob 31/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger hat mit Wilhelm K. eine Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht errichtet, in die er einen Barbetrag von 20.000 S, Wilhelm K. sein Spenglerunternehmen, die Gewerbeberechtigung, die Mietrechte an dem Geschäftslokal und die Betriebseinrichtung eingebracht haben. Als in der Folge Wilhelm K. dem Kläger die Auflösung des Gesellschaftsvertrages in Aussicht stellte und dieser die Rückzahlung seiner Bareinlage verlangte, übermittelte ihm Wilhelm K. mit einem Begleitschreiben vom 27. September 1947 die Schlüssel zur Werkstätte, die Urkunde über den Mietvertrag sowie den Meldezettel und erklärte ihm, die Werkstätte in sein Eigentum zu übertragen. Der Kläger bestätigte den Empfang dieser Gegenstände mit Vorbehalt, womit er zum Ausdruck bringen wollte, daß mit der Übergabe dieser Gegenstände seine Forderung noch nicht zur Gänze gedeckt sei, und ergriff von der Werkstätteneinrichtung dadurch Besitz, daß er das Schloß an der Werkstätte ändern ließ und Wilhelm K. einen neuen Schlüssel nicht ausfolgte. Am 14. Oktober 1947 kam es zwischen dem Kläger und Wilhelm K. zu einer Aussprache, in der der Gesellschaftsvertrag ergänzt und berichtigt wurde; eine Rückgängigmachung der Sicherheit wurde jedoch nicht besprochen. Als in der Folge vom Beklagten gegen Wilhelm K. auf die Werkstätteneinrichtung Exekution geführt wurde, begehrte der Kläger ihre Unzulässigerklärung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Unter dem Gesichtspunkte der unrichtigen rechtlichen Beurteilung verweist der Beklagte darauf, daß der Kläger die mit dem Schreiben vom 27. September 1947 angebotene Sicherungsübereignung infolge des Vorbehaltes nicht angenommen habe und daß die nachträgliche Änderung des Schlosses durch den Kläger daher eine einseitige Handlung sei. Der Kläger habe den Wilhelm K. später sogar aufgefordert, die Arbeit in der Werkstätte wieder aufzunehmen. In dem am 14. Oktober 1947 verfaßten Entwurf sei die Sicherungsübereignung nicht erwähnt worden. Der Beklagte läßt hiebei außer acht, daß das Berufungsgericht festgestellt hat, daß sich der Vorbehalt des Klägers nur darauf bezog, daß er seine Forderung durch die übergebenen Fahrnisse noch nicht als hinreichend gedeckt ansehe. Die auf Grund des ergänzten Beweisverfahrens vorgenommenen Feststellungen des Willens der Parteien bei Abschluß des Vertrages sind tatsächlicher Art und können in dritter Instanz nicht angegriffen werden. Bei der Verfassung des Vertragsentwurfes vom 14. Oktober 1947 war von einer Aufhebung der Sicherungsübereignung keine Rede. Der Kläger hat vielmehr durch seinen Anwalt mit Schreiben vom 29. Oktober 1947 dem Wilhelm K. die Geltendmachung der vereinbarten Sicherheit angedroht. Wenn aber der Kläger die ihm angebotene Sicherheit trotz des von ihm gemachten Vorbehaltes in einer dem Wilhelm K. erkennbaren Weise angenommen hat, so hätte es eines besonderen Aktes bedurft, um die Sicherheit wieder aufzuheben. Die Sicherungsübereignung muß mit Rücksicht auf die Konkurs- und Ausgleichsordnung (§ 10) als ein genügender Rechtstitel für die Übertragung des Eigentumsrechtes angesehen werden. Sie kann wirksam durch eine Gewahrsamsänderung, nicht aber durch Erklärung, vollzogen werden. Unter dieser Voraussetzung kann sie auch die Grundlage einer Entwährungsklage bilden (Neumann, Kommentar zur EO. I, S. 183). Bei einer Gesamtsache, wie sie die Werkstätteneinrichtung darstellt, ist die Übergabe durch Zeichen zulässig (§ 427 ABGB.). Der Inhalt versperrter Behältnisse wird durch die Ausfolgung des Schlüssels übergeben. Der Kläger hat von der Werkstätteneinrichtung durch die Übernahme der Schlüssel und die Änderung des Schlosses Besitz ergriffen.
Es ergibt sich noch die Frage, ob durch die am 14. Oktober 1947 anläßlich der Neufassung des Gesellschaftsvertrages getroffenen Vereinbarungen das dem Kläger eingeräumte Sicherungseigentum aufgelassen wurde. Wenn in diesem Vertrage davon die Rede ist, daß Wilhelm K. die Werkstätteneinrichtung in die zu errichtende Gesellschaft einbringt, so ist damit noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger das ihm eingeräumte Sicherungseigentum aufgebe. Durch die Einräumung des Sicherungseigentums wurde der Kläger lediglich mit der persönlich wirkenden Beschränkung Eigentümer, von der Eigentumsbefugnis nur zur Sicherung, seiner Forderung Gebrauch zu machen. Im Verhältnis zwischen Wilhelm K. und dem Kläger blieb der über das Sicherungseigentum hinausgehende Gebrauch des Eigentums dem Wilhelm K. vorbehalten. Diese Gebrauchsrechte konnte Wilhelm K. in die Gesellschaft einbringen. Der Bestand eines Sicherungseigentums des Klägers an den Gegenständen der Werkstätteneinrichtung war daher mit den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vereinbar. Da bei den Besprechungen vom 14. Oktober 1947 von einer Rückgängigmachung der Sicherheiten nichts gesprochen wurde, ist das dem Kläger eingeräumte Sicherungseigentum noch wirksam. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
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