OGH 10Os148/83

OGH10Os148/8318.10.1983

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof.

Dr. Brustbauer als weitere Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 1983, GZ. 3 a Vr 13.932/

81-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehung der dem Angeklagten gemäß den Punkten A. und B. zur Last fallenden Taten und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung derselben als Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach § 148 (erster Fall) StGB und des schweren gewerbsmäßigen Diebstahles nach § 130 (erster Fall) StGB sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches nach § 38 StGB) aufgehoben; die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19. August 1948 geborene - zuletzt beschäftigungslose - Bäcker Michael A der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 (zu ergänzen: erster Fall) StGB (Pkt. A. des Urteilssatzes) und des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4, 130 (wiederum zu ergänzen: erster Fall) StGB (Pkt. B.) sowie der Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (Pkt. C.) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1

StGB (Pkt. D.) schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, er habe A.) mit dem 'Vorsatz', sich durch das Verhalten der Getäuschten gewerbsmäßig unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche diese am Vermögen schädigten, und zwar:

I.) im September 1981 in Wien Hanna B zur Gewährung eines Darlehens in der Höhe von 6.000 S, wobei er behauptete, er werde diesen Geldbetrag binnen drei Tagen zurückzahlen;

II.) am 9. Dezember 1981 in Wien den Gastwirt Johann C durch übergabe eines ungedeckten Schecks der D, lautend auf Michael A, über einen Geldbetrag von 300 S zur Verabreichung von Getränken und zur Herausgabe eines Restgeldbetrages von 258 S;

III.) durch die Vorgabe, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Hotelgast zu sein, nachgenannte Hotelbetriebe zur Gewährung von Unterkunft und zur Verabreichung von Frühstücken, und zwar:

a) am 26. November 1981 in Wien Verfügungsberechtigte des Hotels 'X', Schaden 730 S, b) am 2. März 1982 in Wien Verfügungsberechtigte des Hotels 'Y', Schaden 720 S, B.) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert anderen gewerbsmäßig mit dem 'Vorsatz' weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

I.) in der Zeit zwischen dem 18. Mai 1981 und 26. Oktober 1981 in Wien der Hanna B (in wiederholten Angriffen) verschiedene - im Spruch des Ersturteils detailliert bezeichnete und bewertete - Gegenstände im Gesamtwert von mindestens 28.200 S;

II.) am 8. April 1982 in Wien seinem Auftraggeber Oswald E einen Geldbetrag von 480 S, und einen Arbeitsmantel im Wert von 200 S, wobei er eine Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit als Schaustellergehilfe geschaffen wurde, ausnützte; C.) am 9. Oktober 1981 in Karlstein als Lenker des PKW Ford-Granada W 459.631 dadurch, daß er ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein und in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand sowie mit einer weit überhöhten Geschwindigkeit mit seinem Wagen zunächst ins Schleudern geriet, dann gegen die Straßenböschung fuhr, wobei das Fahrzeug schwer beschädigt wurde, sohin unter besonders gefährlichen Verhältnissen, fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit der Maria B und der Hanna B, welche sich im PKW befanden, herbeigeführt;

D.) im Zeitraum vom 1. April 1982 bis 24. November 1982 seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seinen ehelich geborenen Kindern Natascha, geb. am 27. Februar 1972, Gerald, geb. am 9. September 1973 und Thomas, geb. am 14. August 1975 gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten gegen die Punkte A. - C. aus der Z 4, 5, 9 lit. a und 9 lit. c - sachlich auch Z 10 -

des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Unbegründet sind zunächst sämtliche gegen die Punkte A. I.) und B. I.) (Betrug und Diebstahl zum Nachteil der Hanna B) aus der Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Beschwerdeeinwände, mit denen er in sachverhaltsmäßiger Beziehung den Nachweis einer zu den Tatzeiten bestandenen Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs. 2 StGB) und in rechtlicher Hinsicht die Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 166 StGB anstrebt und - mangels Vorliegens der erforderlichen Privatanklage - aus der des weiteren relevierten Z 9 lit. c des § 281 Abs. 1 StPO ein Freispruch begehrt.

Der Beschwerdeführer übergeht hiebei nämlich - ebenso wie übrigens auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde - die vom Erstgericht unter Hinweis auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten getroffene Feststellung, daß sich dieser - wie schon früher bei anderen Frauen - (auch) an B mit der Absicht heranmachte, ihr in der Folge unter Ausnützung des von ihm angestrebten Vertrauensverhältnisses Schmuck und andere Gegenstände zu stehlen (S 215) bzw. sie an ihrem Vermögen zu schädigen (S 212 - 213).

Geht man aber - wie das Erstgericht - davon aus, daß der Angeklagte eine auf eine gewisse Dauer ausgerichtete und ihrem Wesen nach der Beziehung verheirateter Personen gleichkommende - echte Lebensgemeinschaft gar nicht eingehen, sondern der Zeugin B eine solche lediglich zur Erreichung seiner kriminellen Zwecke vortäuschen wollte (JBl. 1981 S 330 f.; 12 Os 194/81), dann betrifft es keine entscheidende Tatsache, ob zwischen ihm und der Genannten neben der - allerdings ohnedies nur kurzfristigen - Wohnungsgemeinschaft (S 180) auch noch eine Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft bestand oder nicht.

Demzufolge konnte der Angeklagte durch die Abweisung des zum Nachweis darauf, daß in der Wohnung der B nur eine einzige gemeinsame Schlafmöglichkeit, nämlich ein französisches Doppelbett vorhanden sei, abzielenden Beweisantrages auf Vornahme eines Ortsaugenscheins in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt werden. Im übrigen haben die vom Obersten Gerichtshof gemäß § 285 f. StPO veranlaßten polizeilichen Erhebungen ergeben, daß seither die Wohnung der - mittlerweile verehelichten - B vollkommen umgestaltet und damit die Aufnahme dieses Beweises unmöglich geworden ist. Ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen in Ansehung dieser beiden Schuldspruchfakten erübrigt sich, da in der Mängelrüge bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft und in Ansehung der Rechtsrügen nicht von den erstgerichtlichen - das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft verneinenden - Feststellungen ausgegangen wird, die Beschwerde sohin diesbezüglich einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung ermangelt.

Mit dem gegen die Schuldsprüche zu A. II.) und III.) sowie B. II.) erhobenen Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe sich mit seiner Angabe, als Gelegenheitsarbeiter 4.500 S monatlich verdient zu haben, nicht auseinandergesetzt und demnach zu Unrecht Täuschungund Schädigungsvorsatz bei der Begehung der vorangeführten Betrugshandlungen, bzw. ein Handeln mit Bereicherungstendenz beim Diebstahl zum Nachteil des Oswald E als erwiesen angenommen, bringt der Beschwerdeführer den in diesem Zusammenhang angerufenen Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er diesbezüglich nicht am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt festhält und diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht. Ebensowenig vermag er in der Beschwerde diesen Schuldsprüchen anhaftende Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufzuzeigen: denn es wurde in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ohnehin angeführt (und vom Gericht somit erkennbar in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen), daß der Angeklagte zeitweilig nicht gänzlich einkommenslos war, sondern Gelegenheitsarbeiten mit einem monatlichen Einkommen von 4.500 S verrichtete (S 207, 209). Die diesbezüglich relevierte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung liegt somit nicht vor. Zudem läßt sich selbst beim Vorliegen von Einkünften ein Täuschungs- und Schädigungsvorsatz des Angeklagten bei der Begehung der oben genannten Betrugshandlungen ebensowenig ausschließen wie ein Bereicherungsvorsatz beim Diebstahl zum Nachteil des Oswald E.

Bei seinem weiteren, den Schuldspruch Punkt B. II.) betreffenden Beschwerdevorbringen, das Erstgericht hätte erheben müssen, ob ihm im Zeitpunkt der Begehung des bezüglichen Diebstahls gegen Oswald E eine Dienstnehmerforderung zugestanden wäre, übersieht der Angeklagte, daß die Unterlassung einer Beweisaufnahme nur dann als Nichtigkeitsgrund mit Erfolg hätte geltend gemacht werden können, wenn das Gericht über einen vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrag nicht oder abschlägig entschieden hat (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO). Zudem hat er nach seiner Verantwortung den Geldbetrag von 480 S und den Arbeitsmantel seinem Dienstgeber weggenommen, weil dieser ihm einen (angeblich dringend benötigten) Vorschuß verweigerte (S 95, 176) und gar nicht behauptet, sich das Geld zugeeignet zu haben, um sich für eine ihm zustehende (oder vermeintliche) Lohnforderung schadlos zu halten. Von einer - in der Beschwerde behaupteten - 'Kompensationseinrede' kann demnach nicht die Rede sein. Im übrigen wurde vom Erstgericht auf Grund der Zeugenaussage des Oswald E mit mängelfreier Begründung als erwiesen angenommen (S 213 - 214), daß er für die tatsächlich geleistete Arbeit ohnedies den ihm zustehenden Lohn erhalten hat.

Gegen den Schuldspruch zum Pkt. C. führt der Angeklagte aus der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO ins Treffen, das Gericht hätte ihm nicht global Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit vorwerfen dürfen, sondern durch Vernehmung eines Sachverständigen aus dem Verkehrsfach ermitteln müssen, mit welcher Geschwindigkeit er tatsächlich gefahren sei und welche Geschwindigkeit an Ort und Stelle zulässig gewesen wäre; nur auf diese Weise hätte geklärt werden können, ob überhöhte Geschwindigkeit oder andere Ursachen für den Unfall maßgeblich gewesen seien.

Damit behauptet der Angeklagte - der hier die zur Annahme einer relativ überhöhten Geschwindigkeit führenden Feststellungen des Erstgerichtes betreffend seine (alkoholbedingte) Fahruntüchtigkeit und seine (daraus resultierende unsichere) Fahrweise negiert und insoweit den relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund von vornherein nicht zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung bringt - bloß einen Verfahrensmangel; dies jedoch zu Unrecht: um aus der Unvollständigkeit möglicher Beweisquellen den (hier allein in Betracht kommenden) Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO ableiten zu können, fehlt es nämlich schon an der formellen Voraussetzung einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung (und eines unterbliebenen oder gegen einen solchen Antrag des Beschwerdeführers gefällten Zwischenerkenntnisses des Gerichtes).

Insoweit ermangelt die Nichtigkeitsbeschwerde somit in Ansehung der Punkte A., B. und C. einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weshalb sie gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war.

Berechtigung kommt diesem Rechtsmittel lediglich insoweit zu, als - der Sache nach aus der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO - die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit beim Betrug und beim Diebstahl bekämpft wird; denn es hat die Annahme derselben auf der subjektiven Tatseite jeweils die Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) des Täters zur Voraussetzung, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien und Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wogegen sich das Erstgericht im Urteilsspruch auf die Aussage beschränkte, daß der Angeklagte - jeweils - mit Vorsatz (schlechthin) 'gewerbsmäßig' gehandelt hat. In den Urteilsgründen fehlt dazu überhaupt jedwede, die Annahme dieser Qualifikation sowohl beim Betrug als auch beim Diebstahl deckende Konstatierung. Der bloße - wiederholte - Hinweis im Ersturteil darauf, daß der Angeklagte keine dauernde Beschäftigung und keine nennenswerten Einkünfte hatte und er seinen Lebensunterhalt 'auf diese Weise' (gemeint: durch Betrügereien und Diebstähle) zu fristen suchte, enthält keine zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung in Ansehung der (für die Annahme einer Gewerbsmäßigkeit des Diebstahls und des Betruges - §§ 70, 130 erster Fall, 148 erster Fall StGB - maßgebenden) Fragen nach Art und Zielrichtung des Tätervorsatzes ausreichenden Tatsachenfeststellungen.

Insoferne war demnach, da sich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde zeigt, daß eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine sofortige Entscheidung in der Sache selbst jedoch noch nicht getroffen werden kann, mit einer (teilweisen) Aufhebung gemäß § 285 e StPO vorzugehen. Da demgemäß das Urteil auch im Strafausspruch (einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches nach § 38

StGB) aufgehoben werden mußte, war der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a Abs. 1 erster Fall StPO.

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