OGH 11Os110/83

OGH11Os110/8314.9.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 127 ff StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Martin B und die Berufung der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich des Angeklagten Gerhard A, Martin B, Robert C und Josef D) gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 7. April 1983, GZ 11 a Vr 858/82-39, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Stolarz, Dr. Stegmüller und Dr. Preissecker und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Bezeichnung der vom Angeklagten Martin B sowie vom Angeklagten Werner A (§ 290 Abs 1 StPO) in gewerbsmäßiger Absicht begangenen Diebstähle als 'überwiegend schwere (§ 128 StGB) oder durch Einbruch (§ 129 StGB) verübte', ferner in der rechtlichen Unterstellung der diesen Angeklagten unter A des Urteilssatzes angelasteten Taten sowie demgemäß auch in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Werner A zu den Fakten A I, II und III des Schuldspruches und Martin B zu den Punkten A I und II des Schuldspruches haben das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 erster Satz und 15 StGB begangen und werden hiefür sowie für das ihnen weiterhin zur Last fallende Vergehen der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (Punkt D des Schuldspruches) nach dem § 128 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Werner A im Ausmaß von 15 (fünfzehn) Monaten und Martin B im Ausmaß von 2 (zwei) Jahren verurteilt. Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens, über die Anrechnung der Vorhaftzeiten (soweit sie die Angeklagten Werner A und Martin B betreffen) und über die bedingte Strafnachsicht nach dem § 43 Abs 2

StGB hinsichtlich Werner A werden aus dem Ersturteil übernommen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten Werner A und Martin B sowie der letztgenannte Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Martin B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Angeklagten Robert C und Josef D betrifft, wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 18. Mai 1960 geborene Bankangestellte Gerhard A und der am 17. Jänner 1963 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Martin B des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 'dritter und vierter Fall' und § 15 StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit von September bis November 1982 in mehr als dreißig Fällen Kfz-Bestandteile und andere Gegenstände im Gesamtwert von etwa 170.000 S gestohlen bzw zu stehlen versucht und am 20. August 1982 einen PKW-Reifen zerstochen hatten (Schaden ca 1.600 S).

Überdies wurden der am 10. November 1957 geborene Robert C des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch (teils als Beteiligter) nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 und 3, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, §§ 12 und 15 StGB, und der am 26. Mai 1957 geborene Josef D des Vergehens des schweren Diebstahls als Beteiligter nach den §§ 12, 127

Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB und des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB schuldig erkannt. Robert C liegen siebzehn Diebstahlsfakten mit einer Schadenssumme von rund 85.000 S, Josef D die Bestimmung der beiden erstgenannten Angeklagten zum Diebstahl einer PKW-Türe und einer Motorhaube und die Ansichnahme von vier gestohlenen bereiften Alufelgen im Wert von 13.462 S zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wird vom Angeklagten Martin B mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, in welcher er geltend macht, daß die ihm - neben anderen - laut den Punkten A I 2, A I 3 lit b, A I 6 lit d, e und f, A II 1, A II 2 lit c und d, A II 3 lit a, A II 4 und A II 5 lit a, c und d des Schuldspruches angelasteten Tathandlungen weder nach dem § 129 Z 1 StGB noch nach dem § 128 (Abs 1 Z 4) StGB qualifiziert seien und deren Unterstellung unter diese Bestimmungen ebenso wie die Beurteilung der Diebstähle als gewerbsmäßig begangen rechtsirrig sei. Die Beschwerde ist zum Teil begründet.

Der Beschwerdeführer übersieht allerdings, daß zufolge § 29 StGB die Werte der gestohlenen Sachen aus mehreren selbständigen Diebstählen ohne Rücksicht auf die jeweilige Begehungsform zusammenzurechnen und alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammenzufassen sind (vgl ÖJZLSK 1978/58 ua). Ein Täter, der mehrere diebische Angriffe unternommen hat, verantwortet daher immer nur das eine Delikt des Diebstahls, dessen Qualifikationen nicht bei jedem einzelnen Diebstahl gegeben sein müssen; es genügt, wenn diese sich aus der Summierung der Werte (§ 128 Abs 1 Z 4 und Abs 2 StGB) ergeben oder auch nur bei einem von mehreren zu einer rechtlichen Einheit zusammengefaßten Diebstähle vorliegen. Demgemäß würde selbst die bei einem Faktum irrige Annahme eines Qualifikationsmerkmales, das jedoch bei einem anderen Faktum gegeben ist, keine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO begründen (vgl ÖJZ-LSK 1976/372).

Dem Angeklagten Martin B wurden demnach die strafsatzändernden Umstände der §§ 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB frei von Rechtsirrtum zugerechnet, weil sie zwar nicht (auch) bei den von ihm in Beschwerde gezogenen Urteilsfakten, wohl aber in anderen, ebenfalls Gegenstand des Schuldspruches bildenden Fällen vorlagen. Im Zusammenhang mit der Urteilsannahme gewerbsmäßiger Begehung wurden bei Martin B die Voraussetzungen des ersten Strafsatzes des § 130 StGB zutreffend bejaht; daß dieser Angeklagte die inkriminierten Tathandlungen in der Absicht verübte, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wurde vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt und auch mängelfrei begründet (vgl Band I, S 478 f, 480 f d.A). Für den Eintritt erhöhter Strafbarkeit nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB wäre jedoch erforderlich, daß die für gewerbsmäßiges Handeln begriffsessentielle Tendenz des Täters im besonderen auch die wiederkehrende Begehung für sich allein schwerer oder nach dem § 129 StGB qualifizierter Diebstähle umfaßt; daß schwerer Diebstahl (nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB) erst durch wiederkehrende Begehung und Zusammenrechnung zustande kommt, reicht dafür nicht aus (vgl SSt 47/63 = ÖJZ-LSK 1976/387 ua). Wie der Beschwerdeführer aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO im Ergebnis zutreffend aufzeigt, traf das Erstgericht keine Konstatierungen dahingehend, daß die Absicht des Angeklagten Martin B auf die Verübung von Diebstählen mit einer jeweils 5.000 S übersteigenden Beute oder in einer der Begehungsformen des § 129 StGB gerichtet war, sich also im besonderen auf die Begehung für sich allein schwerer Diebstähle oder auf die Begehung von Diebstählen durch Einbruch (oder mit Waffen) bezog. Nur unter dieser Voraussetzung wäre jedoch die Heranziehung des zweiten Strafsatzes des § 130 StGB gerechtfertigt gewesen. Der im Urteilstenor enthaltene Ausspruch, Martin B (und Werner A) hätten die 'überwiegend schweren (§ 128 StGB) oder durch Einbruch (§ 129 StGB) verübten Diebstähle' in der im § 70 StGB genannten Absicht begangen, vermag die für die Prüfung auf Rechtsrichtigkeit erforderlichen Tatsachenfeststellungen in den Urteilsgründen nicht zu ersetzen (vgl ÖJZ-LSK 1979/336, 1982/132 ua). Daß ein Täter neben schweren Diebstählen durch Einbruch oder mit Waffen auch nicht qualifizierte Diebstähle begeht, stünde zwar an sich der Anwendung des höheren Strafsatzes des § 130 StGB nicht entgegen (vgl 11 Os 67/83). Da aber der Angeklagte B durch Abmontieren von Fahrzeugen oder aus Fahrzeugen auf (zum Teil frei zugänglichen) Abstellplätzen gewerbsmäßig Diebstähle von Autobestandteilen verübte, von denen isoliert betrachtet nur ein Teil zufolge eines 5.000 S übersteigenden Wertbetrages der Diebsbeute als schwere Diebstähle oder/und als auf die im § 129 Z 1 StGB bezeichnete Weise begangene Diebstähle durch Einbruch zu beurteilen sind, während es sich bei zahlreichen Deliktsakten, wie vom Beschwerdeführer zutreffend dargetan wird, um 'einfache', durch keinen Umstand erhöhter Strafbarkeit beschwerte Diebstähle handelt, und überdies das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht als erwiesen annahm, daß der Angeklagte B die wiederkehrende Begehung nicht bloß von Diebstählen schlechthin, sondern im besonderen (zumindest auch) von qualifizierten Diebstählen beabsichtigte, erscheint die Heranziehung des höheren Strafsatzes des § 130 StGB nicht gedeckt. Dieselben Gründe, auf denen die Verfügung zu Gunsten des Angeklagten Martin B beruht, kommen auch dem Angeklagten Werner A zustatten, der ebenfalls ua des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 (dritter und vierter Fall) und 15 StGB (A I, II und III) schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, gegen seinen Schuldspruch aber keine Nichtigkeitsbeschwerde erhob. Insoweit war aus Anlaß der Beschwerde des Angeklagten B zu seinen Gunsten eine Maßnahme gemäß dem § 290 Abs 1 StPO zu treffen. Bei der in Ansehung der Angeklagten Werner A und Martin B infolge Aufhebung des erstgerichtlichen Strafausspruches erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend bei beiden Angeklagten die Wiederholung der Straftaten (vgl ÖJZ-LSK 1983/120), das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die mehrfache Qualifikation, beim Angeklagten B überdies die einschlägige Vorstrafe, als mildernd bei beiden Angeklagten das Geständnis, die Schadensgutmachung sowie überdies bei A den bisher ordentlichen Lebenswandel und bei B das Alter unter 21 Jahren.

Freiheitsstrafen im Ausmaß von fünfzehn Monaten (A) bzw zwei Jahren (B) werden daher dem Unrechtsund Schuldgehalt der Taten gerecht. Aus den schon vom Erstgericht angeführten Erwägungen können beim Angeklagten A auch die qalifizierten Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB noch bejaht werden, weswegen der Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht aus dem Ersturteil zu übernehmen war. Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft (in Ansehung dieser beiden Angeklagten) und der Angeklagte B auf diese Entscheidung zu verweisen.

über die Angeklagten Robert C und Josef D verhängte das Schöffengericht - jeweils bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafen, und zwar bei C nach dem § 129 StGB im Ausmaß von acht Monaten und bei D nach dem § 128 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB im Ausmaß von drei Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend bei C die Faktenvielzahl und die mehrfache Qualifikation, bei D das Zusammentreffen zweier Vergehen und zog als mildernd bei beiden Angeklagten ihren bisher ordentlichen Lebenswandel sowie bei C überdies das reumütige Geständnis und die Schadensgutmachung in Betracht.

Mit ihrer Berufung strebt die Staatsanwaltschaft eine Straferhöhung

an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollständig angeführt. Bedenkt man, daß die Delinquenz der Angeklagten C und D zu ihrem bisherigen Verhalten in auffallendem Gegensatz steht und zumindest zum Teil auf Initiativen der Mitangeklagten zurückzuführen ist, dann bedarf es nicht der geforderten Anhebung des Strafausmaßes, um Unrechts- und Schuldgehalt der von C und D verübten Straftaten voll zu erfassen. Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenaussprüche beruhen auf den zitierten Gesetzesstellen.

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