OGH 5Ob38/81

OGH5Ob38/811.2.1983

SZ 56/17

Normen

WWG §19 Abs2 lit
WWG §19 Abs2 lit

 

Spruch:

Der Wohnhaus-Wiederaufbaufonds ist vor dem Ausspruch der Darlehenskündigung nach § 19 Abs. 2 lit. f WWG gegenüber der noch bücherlich eingetragenen Vertragspartnerin, wenn diese das im Wohnungseigentum stehende Geschäftslokal bereits verkauft und der Käufer das Lokal einem Dritten vermietet hat, nach Treu und Glauben verpflichtet, durch Einräumung einer angemessenen Frist die Möglichkeit zur Bewirkung der Eigentumsübertragung an den Käufer zu geben, damit sie aus dessen Gläubigerverzug nicht Schaden leidet

OGH 1. 2. 1983, 5 Ob 38/81 (OLG Graz 1 R 100/81; LGZ Graz 10 Cg 200/80)

Text

Der klagende Wohnhaus-Wiederaufbaufonds gewährte der beklagten Wohnbaugemeinschaft zum Zwecke der Errichtung von zwei Wohnhäusern in Graz in den Jahren 1964 bis 1970 in mehreren Teilbeträgen ein nach dem Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz begünstigtes Darlehen von rund 13 Mio. S. Nach der Herstellung der beiden Häuser, in denen sich Wohnungen und Geschäftslokale befinden, verkaufte die Beklagte mit Vertrag vom 30. 12. 1967 den ihr gehörigen ideellen 36/3120 Anteil der Liegenschaft mit der Anwartschaft auf Begründung von Wohnungseigentum an einem Geschäftslokal an Franz R; sie erteilte ihre ausdrückliche Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an diesen Anteilen - zu deren allenfalls im Zuge der Parifizierung notwendig werdenden Veränderung der Käufer seine Zustimmung gab - für den genannten Käufer. Am 26. 2. 1979 wurden an dem Geschäftslokal Wohnungseigentum für die Beklagte begrundet; die Übertragung des bei der Parifizierung mit 36/3065 festgesetzten Miteigentumsanteiles an den Käufer Franz R unterblieb bisher. Franz R hat das gekaufte Geschäftslokal einem Dritten vermietet. Mit seinem Schreiben vom 20. 4. 1979 forderte der klagende Fonds die Beklagte auf, ihm die Art der Verwendung dieses Geschäftslokales bekanntzugeben; er sprach gleichzeitig aus, daß er der Beklagten für den Fall einer nicht dem Gesetz entsprechenden Verwendung des Geschäftslokales vor Aufkündigung des Darlehens die Möglichkeit zum Verkauf dieses Lokales einräume. Die Beklagte antwortete am 3. 5. 1979, daß sie das Geschäftslokal bereits am 30. 12. 1967 an Franz R veräußert habe. Auf das weitere Schreiben des klagenden Fonds vom 6. 11. 1979, in dem mit der Begründung, daß das außerbücherlich an Franz R veräußerte Geschäftslokal weder von der Beklagten noch vom außerbücherlichen Eigentümer iS des § 19 Abs. 2 lit. f WWG benützt werde, sondern vermietet sei, die Darlehenskündigung in Aussicht gestellt wurde, weil bei Richtigkeit dieses Sachverhaltes ein Kündigungsgrund gegeben sei, entgegnete die Beklagte am 19. 11. 1979 schriftlich, daß sie nach der Veräußerung des Geschäftslokales samt dem dazugehörigen Miteigentumsanteil nicht den geringsten Einfluß darauf habe, in welcher Form dieses Geschäftslokal nunmehr benützt wird. Der klagende Fonds sprach daraufhin am 22. 11. 1979 die Kündigung des auf den Liegenschaftsanteil der Beklagten entfallenden Darlehensteilbetrages von 135 334 S gemäß § 19 Abs. 2 lit. f WWG mit der Begründung aus, daß das Geschäftslokal weder von der Beklagten noch vom außerbücherlichen Eigentümer Franz R iS der angeführten Gesetzesstelle verwendet werde, sondern an die Familie S, Papierhandlung, vermietet sei, sich aber noch immer im bücherlichen Eigentum der Beklagten befinde, die sohin auch alleiniger Vertragspartner und Schuldner des WWF sei; er - der klagende Fonds - habe einem Verkauf der Liegenschaftsanteile auch nicht zugestimmt; es sei auch bei ihm ein diesbezügliches Ansuchen nicht eingebracht worden (§ 31a WWG). Auf Grund der Darlehensaufkündigung begehrte der klagende Fonds die Verurteilung der beklagten Wohnbaugemeinschaft zur Zahlung von 135 334 S samt stufenweise berechneter Zinsen von

5.25 bzw. 6.75% p. a.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein: Infolge der Veräußerung des Geschäftslokales an Franz R habe sie nicht die Möglichkeit, das Lokal selbst zu benützen oder den Käufer zur widmungsgemäßen Verwendung zu verhalten. Eine Verpflichtung, in dem Geschäftslokal selbst eine regelmäßige Geschäftstätigkeit zu entfalten oder dem Wohnungseigentümer eine solche vertraglich aufzuerlegen, habe sie dem klagenden Fonds gegenüber nicht übernommen. Eine Verbücherung des mit dem Käufer Franz R geschlossenen Kaufvertrages sei bis heute nicht erfolgt, weil der Käufer die Einverleibung seines Eigentumsrechtes nicht wünsche und der Beklagten gegenüber vorläufig auf dieses Recht ausdrücklich verzichtet habe.

Der klagende Fonds entgegnete, daß die Beklagte die Möglichkeit habe, auf die bücherliche Eigentumsübertragung zu dringen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es erachtete den Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 lit. f WWG als gegeben und äußerte die Ansicht, daß es nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur auf den objektiven Tatbestand ankomme, weshalb es bedeutungslos sei, aus welchem Gründe es bisher nicht zur Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer Franz R gekommen ist und ob bzw. inwieweit die Beklagte einen Einfluß auf die Verwendung des Geschäftslokales durch den Käufer habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Bestimmung des § 19 Abs. 2 lit. f WWG liege der Gedanke zugrunde, die Darlehensbegünstigungen jenen Darlehensnehmern zu entziehen, die Geschäftsräume im Wohnungseigentum erworben haben und diese nicht zur Befriedigung ihrer "eigenen" geschäftlichen Betätigung verwendeten, wobei die nahen Angehörigen und der Pächter des eigenen Unternehmens dem Wohnungseigentümer gleichgestellt werde. Dieser erst durch die Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz-Nov. 1967 eingeführte erweiterte Kündigungstatbestand betreffe auch die Rechtsbeziehungen der Streitteile auf Grund des zeitlich früher geschlossenen Darlehensvertrages. Der Gesetzgeber habe nämlich ausdrücklich in § 19 Abs. 3 WWG die Rückwirkung dieser Bestimmung auf alle schon bestehende Darlehensverträge angeordnet; dem Gesetzestext sei unmißverständlich zu entnehmen, daß die Kündigung auf Grund der neu geschaffenen Tatbestände nach Abs. 2 lit. e und f nicht vor dem 1. 1. 1968 ausgesprochen werden dürfe, wenn an einer Wohnung bzw. an einem Geschäftsraum vor dem 1. 2. 1967 Wohnungseigentum begrundet wurde. Dadurch sei den Wohnungseigentümern Gelegenheit gegeben worden, den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck durch geeignete Maßnahmen innerhalb einer Übergangsfrist zu entsprechen. Dazu komme, daß Dauertatbestände (Dauerschuldverhältnisse) - und ein solcher liege während der Laufzeit des Darlehens vor - bei Gesetzesänderungen nach dem neuen Gesetz zu beurteilen seien, soweit sie in dessen Geltungszeitraum hinüberreichen. Die Beklagte träfen deshalb jene Verpflichtungen, die ihr durch die Neufassung des § 19 WWG auferlegt worden seien. Trotz Veräußerung ihres Miteigentumsanteiles sei die Beklagte Darlehensnehmerin geblieben und habe als solche auf die Einhaltung der ihr obliegenden Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag in Verbindung mit dem WWG zu achten. Da sie als Veräußerer mangels einer allgemeinen Regelung der Antragslegitimation im Grundbuchgesetz nach den allgemeinen Anordnungen des Außerstreitgesetzes legitimiert sei, den Verbücherungsantrag selbst zu stellen (Dittrich, Zur Antragslegitimation im Grundbuchsverfahren, ÖJZ 1953, 60 ff.; RpflSlgG 173/1959), falls der Erwerber ihn, aus welchen Gründen immer, nicht stellen will, könne sich die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht mit dem Hinweis entziehen, daß sie auf die Verwendung des Geschäftslokals durch den Käufer Franz R keinen Einfluß habe. Sie habe jedenfalls auch das den Zweck der Gewährung von begünstigten Darlehen zuwiderlaufende Verhalten des außerbücherlichen Eigentümers gegenüber dem klagenden Fonds zu vertreten. Da die zweckwidrige Verwendung des Geschäftslokals iS des § 19 Abs. 2 lit. f WWG unbestritten sei, habe das Erstgericht zutreffend das Kündigungsrecht des klagenden Fonds angenommen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und änderte die Urteile der Vorinstanzen iS der Abweisung des Klagebegehrens ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Auffassung der Beklagten, ihre Rechtsbeziehungen zum klagenden Fonds seien ausschließlich durch den Bescheid des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds bestimmt, mit dem ihr die Gewährung des beantragten Darlehens bewilligt wurde, und der dadurch geschaffene gesetzliche Kündigungstatbestand des § 19 Abs. 2 lit. f WWG sei auf ihre Rechtsbeziehungen zum klagenden Fonds nicht anwendbar, kann nicht gebilligt werden. Der Bescheid schafft nur den Rechtsanspruch auf Gewährung eines Darlehens, die Darlehensgewährung selbst erfolgt durch privatrechtliches Rechtsgeschäft, das den Regeln des Privatrechtes unterliegt. Richtig hat schon das Berufungsgericht dargelegt, daß Dauerrechtsverhältnisse bei Gesetzesänderung nach dem neuen Gesetz zu beurteilen sind, soweit sie in dessen Geltungszeitraum hinüberreichen. Der Darlehensvertrag stellt jedenfalls ein Dauerrechtsverhältnis dar (Koziol - Welser, Grundriß[5] I 292). Der erst nach Abschluß eines Darlehensvertrages geschaffene gesetzliche Kündigungstatbestand des § 19 Abs. 2 lit. f WWG wirkt auch auf das bereits bestehende Dauerrechtsverhältnis. Der klagende Fonds kann deshalb, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, das Darlehen entsprechend der Anordnung des § 19 Abs. 2 lit. f WWG, die nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers auch auf zur Zeit des Inkrafttretens dieser Vorschrift bereits bestamdene Darlehensverträge Anwendung finden soll, auch dann kundigen, wenn dieser Kündigungstatbestand im Darlehensvertrag der Parteien nicht vorgesehen war.

Die Darlehenskündigung durch den klagenden Fonds ist jedoch in dem hier zur Entscheidung gestellten Fall unwirksam. In seinem Schreiben vom 20. 4. 1979 hat der klagende Fonds gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, daß er ihr für den Fall einer nicht dem Gesetz entsprechenden Verwendung des Geschäftslokales vor der Aufkündigung des Darlehens die Möglichkeit zum Verkauf dieses Lokales einräume. Dadurch hat der klagende Fonds für den Fall des Verkaufes des Geschäftslokales auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Tatsächlich hatte - dies war dem klagenden Fonds offenbar nicht bekannt - die Beklagte zu dieser Zeit bereits das Geschäftslokal und den dazugehörigen Liegenschaftsanteil an Franz R verkauft. Dieser Verkauf war auch ohne Zustimmung des klagenden Fonds wirksam, weil ihm das Veräußerungsverbot nach der Vorschrift des § 31a WWG in Ermangelung der (damaligen) Begründung von Wohnungseigentum - dieses wurde erst am 26. 2. 1979 begrundet, der Kaufvertrag aber wurde bereits am 30. 12. 1967 geschlossen - nicht hindernd entgegenstehen konnte. Freilich ist die Eigentumsübertragung, die infolge des herrschenden Eintragungsprinzips (§ 431 ABGB) der Verbücherung bedarf, bisher nicht durchgeführt worden. Den Vorinstanzen ist nun zwar zuzugestehen, daß der objektive Kündigungstatbestand nach der Anordnung des § 19 Abs. 2 lit. f WWG gegenüber der Beklagten als Wohnungseigentümerin an dem Geschäftslokal (und Miteigentümerin der Liegenschaft) erfüllt ist, weil das Geschäftslokal nicht von ihr zur Befriedigung regelmäßiger geschäftlicher Betätigung verwendet wird und sie auch nicht ein darin betriebenes eigenes Unternehmen verpachtet hat; in Hinblick auf den bereits erfolgten Verkauf des Geschäftslokales und des damit verbundenen Liegenschaftsanteiles durch die Beklagte an Franz R - der es einem Dritten vermietet hat - wäre jedoch der klagende Fonds nach Aufklärung dieser Sachlage gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet gewesen, der Beklagten als Vertragspartner vor Ausspruch der Darlehenskündigung durch Einräumung einer angemessenen Frist die Möglichkeit zur Bewirkung der Eigentumsübertragung an den Käufer Franz R zu geben, damit sie aus dessen Gläubigerverzug nicht Schaden erleidet. Die Beklagte wäre dann infolge des Gläubigerverzuges des Käufers Franz R in der Lage gewesen, zur Vermeidung der Darlehenskündigung ihr gegenüber die Verbücherung des Eigentums des Käufers zu beantragen; dazu ist sie jedenfalls dem Käufer Franz R gegenüber materiellrechtlich zufolge seines Gläubigerverzuges berechtigt, weil sie in Ermangelung einer dem § 1425 ABGB entsprechenden Vorschrift für Liegenschaften auf diese Weise die einzige Möglichkeit hat, sich der geschuldeten Leistung zu entledigen. Die formalrechtliche Legitimation zur Antragstellung beim Grundbuchgericht wird in der jüngeren Literatur (Feil, Österreichisches Grundbuchsrecht 288 f. und der dort zitierte Aufsatz von Dittrich in der ÖJZ 1953, 60 ff.) und Rechtsprechung (vgl. die bei Feil aaO 288 und bei Dittrich aaO 61 sowie bei Dittrich - Angst - Auer, Das Österreichische Grundbuchsrecht[3] zu § 77 unter E 1 angeführten Entscheidungen; ferner RZ 1973/91; in diesem Sinne auch 5 Ob 584/81 und 5 Ob 567/82) dem Liegenschaftsverkäufer ohnedies übereinstimmend zugebilligt.

Der klagende Fonds hat zwar im Verfahren erster Instanz auf diese Möglichkeit der Beklagten hingewiesen, er konnte aber dadurch nicht nachträglich seine ohne vorherige Einräumung dieser Möglichkeit und ohne Setzung einer angemessenen Frist dazu ausgesprochene und deshalb unwirksam gewesene Kündigung sanieren.

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