Spruch:
Die gerichtliche Exekution auf Grund eines Titels, der Gegenstand einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde bildet, ist aufzuschieben, wenn der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde
OGH 8. September 1982, 3 Ob 109/82 (LGZ Wien 46 R 8/82; BG Floridsdorf 10 E 7812/81)
Text
Die betreibende Partei führt gegen die verpflichtete Partei die gegenständliche, am 9. 7. 1971 bewilligte Fahrnisexekution auf Grund des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat L, vom 26. 5. 1981, Z. Pst. 14.745-L/80, zur Hereinbringung der Forderung von 16 500 S samt Anhang. Am 14. 8. 1981 brachte die verpflichtete Partei einen Antrag auf Aufschiebung der Exekution ein. Es wurde ua. vorgebracht, gegen die im Titelverfahren ergangene Entscheidung der zweiten Instanz (Bescheid des Landeshauptmannes von Wien) sei seit 23. 7. 1981 beim VfGH eine Beschwerde anhängig; zum Nachweis bezüglich dieses Vorbringens wurden Kopien der Mitteilung des VfGH vom 28. 7. 1981 und der Beschwerde vorgelegt. Die Beschwerde stelle sich als Einwendung iS des § 42. Abs. 1 Z 5 EO dar, es sei somit ein Aufschiebungsgrund nachgewiesen. Das Aufschiebungsinteresse liege vor, weil die Verwertung von Pfandgegenständen einen unersetzlichen Vermögensnachteil mit sich bringen würde. Ein Deckungsnachteil liege für die betreibende Partei nicht vor. Es werde daher ersucht, von einer Sicherheitsleistung Abstand zu nehmen.
Das Erstgericht schob die gegenständliche Exekution bis zur Entscheidung über die beim VfGH zu B 360/81 eingebrachte Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 Z 5 EO gegen Erlag einer Sicherheit von 1 600 S auf.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es den Aufschiebungsantrag gänzlich abwies. Es vertrat zusammenfassend die Ansicht, die Verfassungsgerichtshofbeschwerde sei nicht als Einwendung iS des § 35 Abs. 2 EO zu qualifizieren bzw. einer solchen Einwendung gleichzusetzen. Unabhängig davon, ob der Beschwerde des Verpflichteten vom VfGH aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei oder nicht, liege auch der Aufschiebungsgrund des § 42 Abs. 2 EO nicht vor, weil die Aufschiebung nicht schon dann zu bewilligen sei, wenn gegen den Exekutionstitel ein die Vollstreckbarkeit hemmender Rechtsbehelf erhoben worden sei, sondern erst dann, wenn dies zum Anlaß für einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung im Sinne des § 7 Abs. 3 und 4 EO genommen worden sei. Daß dies im vorliegenden Fall geschehen sei, werde vom Verpflichteten nicht behauptet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß eine gegen einen Verwaltungsexekutionstitel (Bescheid) erhobene Verfassungsgerichtshofbeschwerde - für die Frage der Exekutionsaufschiebung - nicht Einwendungen nach § 35 Abs. 1 EO gleichzusetzen ist. Die Beschwerde stellt auch keinen anderen im § 42 Abs. 1 Z 5 EO angeführten Aufschiebungsgrund dar. Es sind daher auch die Rechtsausführungen im Aufschiebungsantrag, "die Beschwerde stelle sich als Einwendung iS des § 42 Abs. 1 Z 5 EO dar", unrichtig. Dies würde allerdings der aufrechten Erledigung des Aufschiebungsantrages noch nicht entgegenstehen, weil die unrichtige rechtliche Beurteilung eines Aufschiebungsgrundes nicht schadet, wenn an sich ein zulässiger Aufschiebungsgrund - bei Vorliegen aller sonstigen gesetzlichen Voraussetzung für die Exekutionsaufschiebung - geltend gemacht wird. Richtigerweise ist die Verfassungsgerichtshofbeschwerde (betreffend die Bekämpfung eines Verwaltungsexekutionstitels) als eine Aktion anzusehen, die zur Einstellung der Exekution nach § 39 Abs. 1 Z 1 EO - wegen Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels - führen kann. Eine solche Aktion ist an sich als (möglicher) Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs. 1 Z 1 EO zu qualifizieren. Wie die betreibende Partei aber in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß zutreffend ausgeführt hat, ist die Aufschiebung des Vollzuges eines mit Verfassungsgerichtshofbeschwerde angefochtenen Verwaltungsaktes (Exekutionstitel) durch die Spezialbestimmung des § 85 VfGG 1953 (idF BGBl. 351/1981) geregelt. Danach hat die Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (Abs. 1). Der VfGH hat der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der im Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (Abs. 2). Nach Abs. 3 hat im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Behörde den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben. Letztere Bestimmung nimmt zwar nicht ausdrücklich auf den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsbescheides im Wege einer gerichtlichen Exekution (§ 3 Abs. 3 VVG 1950) Bezug, doch es kann kein Zweifel bestehen, daß diese Bestimmung auch für den gerichtlichen Exekutionsvollzug gilt. Das bedeutet, daß die gerichtliche Exekution, die auf Grund eines den Gegenstand einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde bildenden Titels geführt wird, nur dann wegen Erhebung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde aufgeschoben werden kann, wenn der Beschwerde vom VfGH die aufschiebende Wirkung nach § 85 Abs. 2 VfGG 1953 zuerkannt wurde. Ist dies der Fall, so hat das Gericht die Exekution auf Antrag der betreibenden oder verpflichteten Partei aufzuschieben, ohne daß die sonstigen Aufschiebungsvoraussetzungen der Exekutionsordnung, insbesondere des § 44 EO, vorliegen müßten, wobei jedoch alle Exekutionsakte, welche zur Zeit der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung bereits in Vollzug gesetzt waren, aufrecht bleiben, weil die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof nicht zurückwirkt (SZ 47/152 ua.).
Im vorliegenden Verfahren ist in erster Instanz (und im übrigen auch im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens) nicht dargetan worden und auch sonst nicht hervorgekommen, daß der - der begehrten Exekutionsaufschiebung zugrundeliegenden - Verfassungsgerichtshofbeschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. In der dem Aufschiebungsantrag beigelegten Kopie der Mitteilung des VfGH vom 28. 7. 1981 wurde die belangten Behörde zunächst nur aufgefordert, zum Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Stellung zu nehmen.
Aus diesen Erwägungen war es im Ergebnis richtig, den Aufschiebungsantrag der verpflichteten Partei abzuweisen.
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