OGH 1Ob23/82

OGH1Ob23/821.9.1982

SZ 55/117

Normen

ABGB §1189
ABGB §1189

 

Spruch:

Wurde ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne sein Zutun von einem Dritten für eine behauptete Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen, die nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis nur den anderen Gesellschafter betrifft, hat dieser ersterem den in Anspruch genommenen Betrag ohne Rücksicht darauf zu ersetzen, ob der Betrag der Gesellschaft vom Dritten zu Recht angelastet wurde

OGH 1. September 1982, 1 Ob 23/82 (OLG Linz 1 R 28/82; LG Salzburg 6 Cg 454/80)

Text

Die Streitteile gingen im Jahre 1977 zwecks Durchführung des Bauvorhabens "Neugestaltung des Mirabellplatzes/Schrannenplatzes" in Salzburg eine Arbeitsgemeinschaft ein. Dem Auftraggeber (der Stadtgemeinde Salzburg) gegenüber wurde gemeinsam abgerechnet, im Innenverhältnis vereinbarten die Streitteile aber eine Leistungstrennung: Für Gewährleistungs-, Schadenersatz- und sonstige Ansprüche hatte jeweils der Gesellschafter zu haften, der die Leistungen erbracht hatte. Zur selben Zeit wurde unter dem Mirabellplatz von Ing. B als Bauherrn von der Firma U-Baugesellschaft als beauftragtem Generalunternehmer eine Tiefgarage errichtet. Für Arbeiten zur Abführung der Tagwässer war im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft ausschließlich die beklagte Partei zuständig. Zur Ableitung der Tagwässer des Mirabellplatzes legte die beklagte Partei in der "langen Fuge" ein PVC-Rohr. In der Folge trat im Bereich dieser "langen Fuge" ein Wassereinbruch in die Tiefgarage ein. Die zur Sanierung erforderlichen Arbeiten erfolgten unter der Bauleitung von Dipl.-Ing. Helmut A durch die Firma U-Baugesellschaft. Dipl.-Ing. Helmut A erstellte nach Durchführung der Sanierungsarbeiten ein Gutachten, wonach 50% der Sanierungskosten die Arbeitsgemeinschaft, 40.5% die Firma U-Baugesellschaft, 7.1% die Stadtgemeinde Salzburg und 2.4% Kommerzialrat Ing. B tragen sollten. Die klagende Partei hatte als Haftrücklaß bei der Stadtgemeinde Salzburg eine Bankgarantie von 253 000 S, die beklagte Partei von 135 700 S erlegt; diese Bankgarantien wurden aus Anlaß der Sanierungsarbeiten von der Stadtgemeinde Salzburg in Anspruch genommen. Die klagende Partei erbrachte über Auftrag der Firma U-Baugesellschaft im Rahmen der Sanierungsarbeiten Leistungen mit einem Rechnungsbetrag von 130 177 S. Unter Berufung auf die durch den Wassereintritt entstandene Schadenersatzverpflichtung der Arbeitsgemeinschaft brachte jedoch die Firma U-Baugesellschaft einen Betrag von 74 877 S von dieser Rechnung aufrechnungsweise in Abzug.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von 327 877 S samt Anhang. Die beklagte Partei habe die den Schaden mitauslösende unsachgemäße Rohrverlegung durchgeführt. Anläßlich einer Besprechung in der Baudirektion der Stadt Salzburg seien alle Mitbeteiligten, darunter auch die beklagte Partei, übereingekommen, daß die Sanierungskosten vom Schuldigen getragen werden und daß das Ergebnis des neutralen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. Helmut A anerkannt werde.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe zwar im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft ein von der Firma U-Baugesellschaft zur Verfügung gestelltes PVC-Rohr einbetoniert, hiebei jedoch nur nach den Anordnungen des Bauleiters der Firma U-Baugesellschaft gehandelt. Sie hätte sich auch nicht einem Schiedsgutachten des Dipl.-Ing. Helmut A unterworfen. Der Haftungszurechnung durch dieses Gutachten sei von der Arbeitsgemeinschaft nachdrücklich widersprochen worden, die Haftungszurechnung sei unrichtig. Der Wassereinbruch sei vielmehr auf kapitale Gestaltungs- und Ausführungsmängel der Haupttrennfuge zurückzuführen. Diese Mängel seien von der beklagten Partei nicht zu vertreten. Dipl.-Ing. Helmut A sei bei Erstellung des Schiedsgutachtens von einer unrichtigen Information des Magistrates der Stadt Salzburg ausgegangen. Die von der Firma U-Baugesellschaft anteilsmäßig mit 532 529.87 S in Rechnung gestellten Sanierungskosten seien überhöht. Die Streitteile seien übereingekommen, gegen die Stadt Salzburg wegen ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Bankgarantie gerichtlich vorzugehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Wegen der Schadensbehebung und Kostentragung hätten unter Vorsitz des Stadtbaudirektors der Stadt Salzburg Dipl.-Ing. Rudolf R am 7. 12. 1977 und 22. 6. 1978 alle Beteiligten verhandelt. Ing. Walter A habe für die beklagte Partei anläßlich der Besprechung vom 22. 6. 1978 erklärt, er werde sich, wenn Dipl.-Ing. Helmut A den Schuldigen festgestellt habe, daran halten und das Ergebnis seines Gutachtens anerkennen. Er sei auch einverstanden, daß die Firma U-Baugesellschaft die Arbeiten zur Sanierung des Rohrkanals durchführe.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, es stehe unzweifelhaft fest, daß die Einbehaltung nicht aus Gründen erfolgt sei, die im Innenverhältnis im Haftungsbereich der klagenden Partei lägen. Es sei daher unabhängig von der Frage, ob die beklagte Partei aus eigenem oder über ausdrückliche Anweisung der Firma U-Baugesellschaft das Rohr verlegt habe, Angelegenheit der beklagten Partei, die klagende Partei haftungsfrei zu stellen und ihr die Beträge von 253 000 S und 74 877 S zu bezahlen. Es würde dann Sache der beklagten Partei sein, die von ihr behauptete Unrechtmäßigkeit des Einbehalts zu beweisen und das Risiko einer Rückforderung gegenüber der Stadtgemeinde und der Firma U-Baugesellschaft zu übernehmen. Darüber hinaus habe sich die beklagte Partei auch noch ausdrücklich der Verschuldensaufteilung durch Dipl.-Ing. Helmut A unterworfen und sich einer allfälligen Einrede gegen eine solche Verschuldensaufteilung selbst begeben. Diese könne sie daher keinesfalls der klagenden Partei entgegenhalten.

Mit dem angefochtenen Beschluß, dem es einen Rechtskraftvorbehalt beisetzte, hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Wenn keine Sondervereinbarungen bestunden, könne ein allfälliger Kapitalzuwachs oder ein Abgang sowie eine Gewinnentnahme bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erst nach Abwicklung der einzelnen Geschäfte feststehen, sodaß der Verrechnung im Innenverhältnis die Geltendmachung der Ansprüche im Außenverhältnis vorausgehen müsse. Erst wenn die für die Gewinnberechnung maßgebenden Elemente feststunden, könne iS des § 1192 ABGB der Saldo gezogen werden. Es müsse daher in diesem Regreßprozeß geklärt werden, ob die beklagte Partei als Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft gegenüber der Stadtgemeinde Salzburg für die Sanierungskosten haftbar sei. Durch den Schiedsgutachtervertrag könne die Arbeitsgemeinschaft nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie iS einer Gesamtschau ein Verschulden oder eine sonstige Haftung, insbesondere aus dem Titel der Gewährleistung, treffe. Der Schiedsgutachter würde der übernommenen Verpflichtung, den jeweils Schuldigen festzustellen, nicht entsprechen, wenn nach Erfüllung der Schuldanteile zwischen den Beteiligten noch Ausgleichsansprüche offen wären. Wer als Schuldiger festgestellt würde, sei auch gehalten, die anteiligen Kosten der von der U-Baugesellschaft durchgeführten Sanierungsarbeiten zu tragen, wobei die U-Baugesellschaft die Stadtgemeinde wiederum nur iS ihres Haftungsanteiles von 7.1% in Anspruch nehmen könne. Daß die Stadtgemeinde Salzburg den Haftungsanteil der Arbeitsgemeinschaft für die U-Baugesellschaft eingelöst hätte, sei nicht festgestellt worden. Der Einbehalt durch den Magistrat der Stadt Salzburg könne nicht etwa unabhängig von der Einlösung der Forderung der Firma U-Baugesellschaft als Geltendmachung eines Verbesserungsaufwandes durch den ursprünglichen Auftraggeber angesehen werden, weil durch das Abkommen, ein Schiedsgutachten einzuholen, bestimmt worden sei, daß die Firma U-Baugesellschaft unmittelbar die Verbesserung vornehme und sodann die Schuldigen iS des Gutachtens zur Zahlung der Kosten heranzuziehen habe. Die Rechtsverbindlichkeit eines Schiedsgutachtens finde ihre Grenze in der Billigkeit ihres Ergebnisses. Es dürften keine groben Verstöße gegen allgemeine Rechtsgrundsätze vorliegen, zumal ein gänzlicher Verzicht auf die Rechtsdurchsetzung auch den guten Sitten widersprechen würde. Es müsse daher der beklagten Partei eine Beweisführung in der Richtung eröffnet werden, daß sie die Rohre im Auftrag der Firma U-Baugesellschaft verlegt habe, wobei allerdings auch zu klären sein werde, ob sie wirklich nur Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt habe, die unter Aufsicht des Bauleiters der Firma U-Baugesellschaft eingesetzt worden seien, oder ob es der beklagten Partei und ihren Technikern nicht doch hätte auffallen müssen, daß der Rohrstrang nicht blind enden könne. Hätte der Sachverständige die tatsächlichen Voraussetzungen offenkundig nicht beachtet, dh. widersprächen die tatsächlichen Verhältnisse in entscheidenden Belangen den seinem Gutachten zugrunde gelegten Prämissen, werde es sodann dem Gerichte obliegen, eine angemessene Verschuldensquote festzusetzen. Im fortgesetzten Verfahren werde daher der Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern, vor allem aber zu klären sein, ob die Stadtgemeinde Salzburg den Anspruch der U-Baugesellschaft auf Bezahlung der Sanierungskosten eingelöst habe und ob gegebenenfalls besondere Bedingungen des Gesellschaftsvertrages bestunden, wonach ein Regreß im Innenverhältnis der Inanspruchnahme der Gemeinde im Außenverhältnis vorauszugehen hätte.

Über Rekurs der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Arbeitsgemeinschaften, die zwei oder mehrere Bauunternehmen zum Zwecke der gemeinsamen Herstellung eines Bauprojektes eingehen, sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts (JBl. 1982, 93; SZ 46/15;

Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts[3] 43;

Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft, 1 f.; Keßler in Staudinger[12], Rdz. 178 der Vorbemerkungen zu § 705 BGB; Ulmer in Münchener Kommentar, Rdz. 20 vor § 705 BGB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes handelt es sich nicht darum, daß die klagende Partei als Gesellschafter dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts geklärt wissen will, wer von den Gesellschaftern endgültig einen Verlust zu tragen habe. Die klagende Partei wurde vielmehr persönlich für eine die Gesellschaft treffende Schuld, die, sollte sie zu Recht bestehen, im Innenverhältnis allein von der beklagten Partei zu tragen wäre, in Anspruch genommen. Bezahlt ein Gesellschafter aus seinem Privatvermögen Gesellschaftsschulden, braucht er zur Hereinbringung dieser privat aufgewendeten Mittel nicht die Liquidation der Gesellschaft abwarten, sondern kann, sofern dieser Aufwand aus seiner Geschäftsführungstätigkeit nicht aus Gesellschaftsmitteln abgedeckt wurde und im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, von den anderen Gesellschaftern die auf sie entfallende Quote begehren (GesRZ 1979, 116; Rsp. 1932/366; Rsp. 1931/216; Wahle in Klang[2] V 612 f.; vgl. Keßler aaO, Rdz. 77 zu § 705 BGB; von Gamm in BGB-RGRK[12], Rdz. 25 zu § 705 BGB; Thomas in Palandt[41] 715) Nach der Regelung des Gesellschaftsvertrages war im vorliegenden Fall nun aber anderes bestimmt; im Innenverhältnis war Leistungstrennung vereinbart: Jeder Gesellschafter sollte Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, die aus seiner Tätigkeit entstanden sind, unbeschadet der Haftung des anderen Gesellschafters Dritten gegenüber im Innenverhältnis allein tragen. Auf Grund dieser Vereinbarung und als Ausfluß der gesellschaftlichen Treuepflicht traf die beklagte Partei sodann nicht nur die Verpflichtung zur endgültigen Tragung derartiger Ansprüche Dritter;

auf Grund dieser Regelung war sie vielmehr auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß bei der klagenden Partei als Gesellschafterin eine Verpflichtung zur Zahlung nach außen hin gar nicht entstand bzw., wenn dies nicht vermeidbar war, der klagenden Partei direkt vollen Ersatz zu leisten (Welser in Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft 95). Der klagenden Partei kam daher schon aus dem Gesellschaftsvertrag grundsätzlich die Befugnis zu, von der beklagten Partei zu begehren, von einer nach außen auch sie treffenden Schuld befreit zu werden; sie hatte schon vor der Bezahlung der Gesellschaftsschulden gegen die beklagte Partei einen Ausgleichsanspruch in Form eines Befreiungsanspruches (vgl. BGHZ 47, 157, 166; BGH LM § 278 BGB Nr. 24; Keßler aaO, Rdz. 81 zu § 705 BGB). War dies aber nicht möglich, konnte die klagende Partei begehren, vermögensrechtlich so gestellt zu werden, als wäre die beklagte Partei der Befreiungsverpflichtung nachgekommen. Ein Verschulden, das den Anspruch eventuell beeinträchtigen könnte, kann außer Betracht bleiben, weil die klagende Partei strittige Gesellschaftsschulden gar nicht durch freiwillige Zahlung tilgte; es wurde vielmehr ohne ihr Zutun in einem Fall eine von ihr beigebrachte Bankgarantie in Anspruch genommen, im anderen Fall mit einer ihr zustehenden Privatforderung kompensiert. Die beklagte Partei kann daher dem Klagebegehren nicht wirksam entgegensetzen, die der klagenden Partei angelasteten Gesellschaftsschulden bestunden nicht zu Recht.

Wurde also ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne sein Zutun von einem Dritten für eine behauptete Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen, die nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis nur den anderen Gesellschafter betrifft, hat dieser ersterem zunächst den in Anspruch genommenen Betrag ohne Rücksicht darauf zu ersetzen, ob der Betrag vom Dritten der Gesellschaft zu Recht angelastet wurde. Daran würde nichts ändern, wenn die Streitteile übereingekommen wären, gegen die Stadtgemeinde Salzburg wegen Inanspruchnahme der Bankgarantie mit gerichtlicher Klage vorzugehen. Selbstverständlich ist die klagende Partei im Außenverhältnis verpflichtet, alles zu tun, damit die beklagte Partei allenfalls zu Unrecht einbehaltene Beträge ersetzt bekommt (vgl. Fischer in Großkomm HGB[3], Anm. 5 zu § 110 HGB). Aus dieser behaupteten Vereinbarung allein kann aber noch nicht der Schluß gezogen werden, die klagende Partei hätte damit auf die Geltendmachung der ihr aus dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Rechte bis zur Klärung im Außenverhältnis verzichtet.

Aus rechtlichen Gründen bedarf es daher nicht der vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen; die Rechtssache ist vielmehr iS einer Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes spruchreif.

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