Spruch:
Rechnungen sind schon ihrer kaufmännischen Funktion nach nicht dazu bestimmt, Anbote eines Vertragspartners auf Änderung eines bereits abgeschlossenen Vertrages aufzunehmen; der allein in Rechnungen aufgenommene Hinweis auf allgemeine Geschäftsbedingungen ist daher selbst bei häufiger Wiederholung wirkungslos und bedarf keines Widerspruches
OGH 7. Juli 1982, 1 Ob 656/82 (OLG Linz 4 R 189/81; KG Ried im Innkreis 1 Cg 36/81)
Text
Die Streitteile standen zwischen 1970 und 1978 in regelmäßigen Geschäftsbeziehungen. Zumindest einmal jährlich fanden zwischen ihnen Rahmengespräche statt, in denen die Geschäftsabwicklung des kommenden Jahres erörtert wurde. Bei diesen Gesprächen wurde jeweils eine grundsätzliche Einigung über die Preise sowie die Zahlungs- und Lieferbedingungen der von der klagenden Partei erzeugten und an die beklagte Partei zu liefernden Produkte erzielt. Diese Einigung wurde von der klagenden Partei jeweils in einem an die beklagte Partei übermittelten "Angebot" festgehalten. Auf der Rückseite dieses "Angebotes" befanden sich die "Verkaufs- und Lieferbedingungen" der klagenden Partei. Auf diese wurde weder auf der Vorderseite hingewiesen noch wurde über ihre Geltung von den Streitteilen jemals bei den mündlichen Verhandlungen gesprochen. Auf Grund der jährlichen Rahmenvereinbarungen tätigte die beklagte Partei schriftlich, fernschriftlich oder telefonisch ihre Bestellungen. Die klagende Partei verwendete Rechnungsformulare, in denen auf der Vorderseite angeführt wird: "Die Lieferung erfolgte auf Ihre Rechnung und Gefahr zu den Ihnen bekannten, auf der Rückseite angegebenen Verkaufs- und Lieferbedingungen." Punkt 6 der auf den Angeboten und den Rechnungen angeführten Verkaufs- und Lieferbedingungen hat folgenden Wortlaut: "Gewährleistung. Eine Haftung für Verwendungseignung übernehmen wir nicht, da wir keinen Einfluß auf die Verarbeitung haben. Gebrauchsanweisungen sind nach bestem Wissen auf Grund von Erfahrungen und Versuchen erstellt. Eine Haftung hieraus ist ausgeschlossen. Der Käufer ist verpflichtet, die Ware sofort nach Empfang, jedenfalls aber vor Verarbeitung zu prüfen. Mängel sind unverzüglich geltend zu machen. Mängelrügen, die nach Weiterverkauf, nach der Verarbeitung oder später bei uns eingehen, können nicht berücksichtigt werden. Sind Mängelrügen berechtigt, so hat der Kunde nach seiner Wahl Anspruch auf Wandlung, Minderung oder entsprechende Ersatzlieferung. Ansprüche auf Ersatz mittelbaren oder unmittelbaren Schadens sind in jedem Falle gleich aus welchem Rechtsgrund ausgeschlossen. Dies gilt nicht, soweit uns Vorsatz nachgewiesen wird. Aus technischen Beratungen haften wir in keinem Fall. Gewährleistungsfristen nach ABGB. Die Geltendmachung eines Zurückbezahlungsrechtes (richtig wohl: Zurückbehaltungsrechtes) sowie Aufrechnung durch den Käufer ist ausgeschlossen. Ansprüche aus dem Kaufvertrag sind ohne unsere schriftliche Zustimmung nicht übertragbar." Die beklagte Partei erhielt jährlich durchschnittlich 20 derartiger Rechnungen.
Die beklagte Partei schuldet für Lieferungen von chemischen Produkten der klagenden Partei einen Betrag von 1 117 916.60 S samt Anhang. Diesen macht die klagende Partei mit der vorliegenden Klage geltend.
Die beklagte Partei wendete ein, der von der klagenden Partei gelieferte Kleber sei für eine gewerbliche Verarbeitung bei Herstellung von Schiern unbrauchbar gewesen. Als Gegenforderung machte sie daher den Betrag von 1 629 620.36 S an Zahlungen für diesen unbrauchbaren Kleber geltend. Tatsächlich belaufe sich aber der dadurch entstandene Schaden der beklagten Partei auf 82 077 564 S. Die klagende Partei replizierte, daß auf Grund der Verkaufs- und Lieferbedingungen die Aufrechnung ausgeschlossen sei. Dabei handle es sich keineswegs um eine unübliche Geschäftsbedingung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bestehe zwischen Geschäftspartnern eine jahrelange Geschäftsverbindung, in deren Rahmen dem Käufer immer wieder Fakturen mit bestimmten Vertragsklauseln übersendet worden seien, so werde in der widerspruchslosen Annahme derartiger Fakturen in der Regel eine stillschweigende Zustimmung zu den in ihnen enthaltenen Vertragsbedingungen für künftige Geschäfte zu erblicken sein. Grundsätzlich binden einzelne Klauseln, deren Abdruck sich auf der Rückseite des Geschäftspapieres befinde, den Partner aber nur dann, wenn er sie kannte oder sie grob fahrlässig nicht kannte bzw. wenn es sich um versteckte oder außerhalb des Üblichen liegende Vertragsbedingungen handle. Ein Aufrechnungsverbot sei aber keine unübliche Vertragsbedingung. Es wäre Aufgabe der beklagten Partei gewesen, zumindest einmal im Laufe der Geschäftsbeziehungen diese Liefer- und Zahlungsbedingungen durchzulesen und allenfalls mit der klagenden Partei zu erörtern. Das Nichtkennen der allgemeinen Zahlungs- und Lieferbedingungen müsse wohl als grob fahrlässig angesehen und von der beklagten Partei verantwortet werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Wohl könnten die Bedingungen nicht schon deshalb als vereinbart angesehen werden, weil sie jeweils auf der Rückseite der freibleibenden Anbote abgedruckt waren. Wenn diese Anbote, mit denen die klagende Partei die Ergebnisse der jährlichen Besprechungen festgehalten habe, auf ihrer Vorderseite keinen entsprechenden Hinweis enthielten, habe die beklagte Partei nicht darauf schließen müssen, daß die Rückseite der Anbotschreiben die Geschäftsbeziehungen zur klagenden Partei berührende Mitteilungen enthalte, zumal bei den mündlichen Verhandlungen die Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei nie erwähnt worden seien. Für die beklagte Partei sei unter diesen Umständen nicht erkennbar gewesen, daß die klagende Partei zum Vertragsabschluß nur unter Zugrundelegung ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen bereit gewesen sei. Darüber hinaus reiche im allgemeinen auch das Stillschweigen eines Bestellers zu Verkaufs- und Lieferbedingungen seines Lieferanten, die auf der Rückseite der dem Besteller übersendeten Fakturen abgedruckt seien, selbst wenn auf der Vorderseite der Faktura ausdrücklich darauf hingewiesen werde, zu der Annahme nicht aus, daß die Bedingungen als vereinbart zu gelten hätten. Es bestehe keine allgemeine Verkehrssitte, die dem Stillschweigen die Bedeutung einer Zustimmung beilegen würde. Ein einseitiger Hinweis der klagenden Partei auf die Geltung ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen habe für sich also nicht genügt, zumal Geschäftsbedingungen nicht auf eine Faktura gehörten. Nur unter besonderen Umständen könne die Entgegennahme einer rechtsgeschäftlichen Erklärung durch den anderen Vertragsteil, sofern keine Beanstandung erfolgt sei, die Bedeutung einer Zustimmung gewinnen, wenn der Partner nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder nach dem Gesetz hätte reden müssen und sein Schweigen daher keine andere Auslegung als die einer Genehmigung zulasse. In diesem Sinn könne es dann freilich nicht mehr als unbeachtlich angesehen werden, daß ein Lieferant im Rahmen einer jahrelangen Geschäftsverbindung seinem gleichfalls dem Handelsstande angehörigen Abnehmer immer wieder Fakturen mit bestimmten Vertragsklauseln übersende und der Abnehmer die Fakturen ohne jeden Einwand hinnehme. Ein solches Verhalten dürfe der Lieferant als Einverständnis zu den von ihm angestrebten Geschäftsverbindungen verstehen. Dieser Erklärungswert werde auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß zwischen den Parteien regelmäßig Verhandlungen stattgefunden hätten, die zu Modifikationen in den vertraglichen Beziehungen geführt haben. Die Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei seien nämlich nicht Gegenstand dieser Verhandlungen gewesen, insbesondere das dort enthaltene Kompensationsverbot sei niemals berührt worden. Sei der klagenden Partei demnach in diesem Zusammenhang keine ablehnende Stellungnahme der beklagten Partei zugekommen, so durfte sie deren Schweigen als Zustimmung zu den Geschäftsbedingungen ungeachtet des Umstandes verstehen, daß zwischen den Streitteilen mehrere aufeinanderfolgende Vertragsverhältnisse bestanden haben. Eine durchgehende Geschäftsverbindung sei dann noch immer vorgelegen, zumal die beklagte Partei praktisch immer wieder die gleichen Produkte bei der klagenden Partei bezogen habe. Soweit jedoch eine konkludente Genehmigung nur für solche Geschäftsbedingungen angenommen werden dürfe, die nicht versteckt seien und die nicht außerhalb des Üblichen lägen, so habe das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, daß Aufrechnungsverbote in der chemischen Industrie üblich seien. Es bestunden aber auch keine Bedenken, daß dieses Verbot in den mit Gewährleistung überschriebenen Abschnitt der Verkaufs- und Lieferbedingungen aufgenommen worden sei, weil Gegenforderungen des Abnehmers am ehesten aus dem Titel der Gewährleistung zu erwarten seien. Es habe auch kein Anlaß bestanden, den Ausschluß der Aufrechnung besonders hervorzuheben, weil hiedurch im Ergebnis nur bewirkt worden sei, daß die beklagte Partei Gegenforderungen gegen Ansprüche der klagenden Partei zwar nicht mehr einredeweise, immerhin aber mit Widerklage geltend machen konnte.
Über Revision der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Durch die unbeanstandete Annahme der "Angebote" durch die beklagte Partei wurden die Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei nicht zum Vertragsinhalt (so schon 7 Ob 592, 593/80, welche Entscheidung dieselben vertraglichen Beziehungen der Streitteile betraf). Dies folgt schon daraus, daß es sich bei den nach mündlicher Vereinbarung der für ein Jahr geltenden Lieferbedingungen übermittelten Angeboten jeweils in Wahrheit um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gehandelt hat. Wie der OGH in seiner Entscheidung SZ 47/83 ausführte, ist Bydlinski, Privatautonomie 194 ff., darin beizupflichten, daß die Verkehrssicherheit in erster Linie fordern muß, daß Vereinbartes gilt und nicht das, was ein Beteiligter einseitig darüber zu schreiben befindet. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann durch Stillschweigen auf ein vom Vereinbarten abweichendes Schreiben eines der Vertragspartner, das dann schon begrifflich kein Bestätigungsschreiben im strengen Sinn dieses Wortes mehr ist, eine Vertragsmodifikation eintreten. Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Vereinbarten die Parteien mündlich die Preise und die Zahlungs- und Lieferbedingungen und wurde nicht ein einziges Mal von der klagenden Partei erwähnt, sie gedenke, soweit nichts anderes vereinbart wurde, nur unter ihren Verkaufs- und Lieferbedingungen zu kontrahieren, muß davon ausgegangen werden, daß die Vertragsparteien, soweit abweichende Regelungen nicht ausdrücklich getroffen wurden, die dispositiven gesetzlichen Regeln zur Anwendung kommen lassen wollten. Durch die Aufnahme eines von diesen dispositiven Regeln abweichenden Aufrechnungsverbotes in das Bestätigungsschreiben konnte daher der schon auch inhaltlich detaillierte Vertragsschluß nicht mehr geändert werden.
Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin gefolgt werden, daß durch die unbeanstandete Annahme der Fakturen, auf deren Rückseite die Verkaufs- und Lieferbedingungen der beklagten Partei abgedruckt waren, eine schlüssige Abänderung des geschlossenen Rahmenvertrages dahin zustande kam, daß zwischen den Parteien ein Aufrechnungsverbot zu gelten hätte. Rechnungen sind schon ihrer kaufmännischen Funktion nach nicht dazu bestimmt, Anbote eines Vertragspartners auf Änderung eines bereits abgeschlossenen Vertrages aufzunehmen. Verlangt daher ein Beteiligter erst nach Abschluß des Vertrages die Anwendung seiner Geschäftsbedingungen, indem er einen Hinweis auf sie in den Rechnungen anbringt, ist dies selbst bei häufiger Wiederholung wirkungslos und bedarf daher keines Widerspruchs (RZ 1962, 21; EvBl. 1951/485; HS 149/46 ua., zuletzt 6 Ob 678/81, 7 Ob 627/81;
Bydlinski, Privatautonomie 210; derselbe in Klang[2] IV/2, 474;
Hannak, Der Geltungsgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen, ÖJZ 1962, 563; Ratz in Großkommentar HGB[3] Anm. 134 zu § 346 HGB;
Baumbach - Duden, HGB[24] 665 f. mwN). Eine Verkehrssitte, die dem Schweigen allgemein die Bedeutung der Zustimmung beilegen würde, besteht weder im bürgerlichen noch im Handelsrecht (SZ 44/90 ua., zuletzt 8 Ob 540/80). Bei vertragsändernden allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren vorherige Bekanntgabe der Verwender unterließ, entfällt dessen Schutzwürdigkeit (Dilcher in Staudinger[12], Rdz. 63 der Vorbemerkungen zu §§ 116 bis 144 BGB).
Wurde aber das Aufrechnungsverbot nicht Bestandteil der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Verträge, so blieb das Verfahren der Vorinstanzen mangelhaft. Die Fällung eines Teilurteiles ist nicht zulässig, weil zwischen der geltend gemachten Forderung und der Gegenforderung zumindest ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der die Durchsetzung des Anspruches ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch als Treu und Glauben widersprechend erscheinen ließe (SZ 52/90 ua.).
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