Spruch:
Rückersatzansprüche für zuviel bezahlte Frachtkosten gegen den Frachtführer verjähren im internationalen Straßengüterverkehr binnen einem Jahr
OGH 2. April 1982, 7 Ob 575/82 (OLG Wien 11 R 209/81; LGZ Wien 32 Cg 136/79)
Text
Die Firma D in München beauftragte im Jahre 1976 die Klägerin, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, die Versendung von zirka 500 t Tiefkühlfleisch aus Österreich nach Portugal zu besorgen. Die Klägerin hat die Beklagte im März 1976 durch Annahme eines ihr übermittelten Offerts als Spediteur für feste Spesen iS des § 413 Abs. 1 HGB eingeschaltet, die ihrerseits die Firma A in Frankreich mit der Durchführung des Transportes betraute. Diese beauftragte die Schweizer Firma B. Die Firma D hatte außerdem die Firma W mit der Durchführung anderer Transporte betraut, wobei von dieser Firma ebenfalls die Firma B eingeschaltet worden war.
Nach Durchführung der Transporte stellte die Klägerin an Hand der ihr von der Beklagten übermittelten Unterlagen ihre Leistungen der Firma D in Rechnung und erhielt diese Rechnungen auch bezahlt. Darunter befanden sich vier Transporte, die nach der Mitteilung der Beklagten in Ausführung des Auftrages der Klägerin durchgeführt worden waren. Diesbezüglich hatte die Beklagte Unterlagen der Firma B über die Firma A erhalten. Die Firma B hatte diese vier Transporte jedoch auch der Firma W verrechnet, die ihrerseits der Firma D darüber Rechnung legte und diese auch bezahlt erhielt.
Nachdem die Firma D die Doppelzahlung bemerkt hatte, verlangte sie von der Klägerin den Rückersatz von 24 230 DM mit der Begründung, diese vier Transporte seien von der Firma A nicht in Ausführung des der Klägerin, sondern auf Grund des der Firma W erteilten Auftrages getätigt worden. Da die Verhandlungen zwischen der Firma D und der Klägerin nicht zu einem raschen Ende geführt werden konnten und daher der Ablauf der Verjährungsfrist drohte, verzichtete die Klägerin gegenüber der Firma D auf die Geltendmachung der Verjährung im Falle einer Prozeßführung. Von diesem Verzicht wurde die Beklagte nicht verständigt. Sie hat ihrerseits nie auf die Geltendmachung der Verjährung verzichtet.
Da die Verhandlungen zwischen der Firma D und der Klägerin zu keinem Ergebnis führten, brachte die Firma D nach Ablauf der Verjährungsfrist beim Landgericht München I eine Klage gegen die nunmehrige Klägerin auf Zahlung von 24 230 DM samt 7.5% Zinsen seit 20. 1. 1977 sowie 11% Mehrwertsteuer aus den Zinsen ein. Auf seiten der nunmehrigen Klägerin trat die Beklagte dem Verfahren als Nebenintervenientin bei. Da das Landgericht München I als erwiesen annahm, daß die strittigen Transporte nicht in Ausführung des der Klägerin erteilten Auftrages durchgeführt worden waren, gab es dem Klagebegehren statt und verurteilte die Klägerin auch zur Zahlung von Prozeßkosten in der Höhe von 3480.10 DM. Außerdem wurde die Klägerin zum Ersatz der Kosten der auf seiten der Firma D als Nebenintervenientin beigetretenen Firma W in der Höhe von 3444.51 DM verurteilt. Das Urteil des Landgerichtes München I erwuchs am 13. 3. 1978 in Rechtskraft.
Mit der vorliegenden, am 13. 8. 1979 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin den Ersatz von 24 230 DM und 9641.39 DM je samt Anhang, wobei es sich hiebei um jene Beträge handelt, zu deren Zahlung sie durch das Urteil des Landgerichtes München I verhalten wurde, sowie von 2716.78 DM an Kosten ihres Anwaltes in dem genannten Verfahren. Bezüglich letzterer Kosten stützt die Klägerin ihr Begehren auf den Titel des Schadenersatzes.
Die Beklagte wendete unter anderem Verjährung ein.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren wegen Verjährung abgewiesen. Dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Ebenso wie das Erstgericht vertrat auch das Berufungsgericht den Standpunkt, die in Art. 32 Abs. 1 CMR genannte Verjährungsfrist gelte für sämtliche Ansprüche aus einem diesem Abkommen unterliegenden Beförderungsvertrag, und zwar auch für solche, die gar nicht aus der CMR selbst abgeleitet werden. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um einen Bereicherungsanspruch wegen einer nicht ausgeführten Beförderung. Demnach sei auf diesen Anspruch die CMR nicht anzuwenden. Dem Urteil des Landgerichtes München I komme in Österreich Tatbestandswirkung zu, so daß die Beklagte nicht mehr mit Erfolg einwenden könne, sie habe die strittigen Transportleistungen erbracht. Demnach bestehe der noch nicht verjährte Anspruch der Klägerin dem Gründe nach zu Recht. Es müsse daher noch seine Höhe geprüft werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nicht strittig ist, daß der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin die Stellung eines Frachtführers zukommt und daß der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag den Bestimmungen der CMR unterliegt. Nach Art. 32 Z 1 dieses Übereinkommens verjähren Ansprüche aus einer ihm unterliegenden Beförderung in einem Jahr, wobei, wenn es sich nicht um Ansprüche aus Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist handelt, die Verjährung nach Art. 32 Z 1 lit. c CMR mit dem Ablauf einer Frist von drei Monaten nach dem Abschluß des Beförderungsvertrages beginnt. Die genannte Bestimmung wollte die Verjährung aller Ansprüche aus einer der Konvention unterliegenden Beförderung, und zwar auch solcher, die gar nicht auf Bestimmungen der CMR gestützt werden, regeln und die Durchführung von Reklamationen aus grenzüberschreitenden Beförderungsverträgen gegenüber den allgemeinen Verjährungsbestimmungen verkürzen. Es handelt sich hiebei um eine Schutzbestimmung für den Frachtführer (Muth, Leitfaden zur CMR[4] 122; Precht - Endrigkeit, CMR-Handbuch[3] 119; Helm, Großkomm. HGB[3] V 12, Anh. III D 515; SZ 49/3; für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland VersR 1972, 873). Daraus wurde, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, vom OGH abgeleitet, daß auch Ansprüche gegen den Frachtführer auf Rückzahlung zuviel bezahlter Fracht der Verjährungsbestimmung nach § 32 CMR unterliegen (SZ 49/3; RZ 1978/99).
Das Berufungsgericht erklärt nun, sich der Entscheidung des OGH vom 14. 1. 1976 (SZ 49/3) anzuschließen, vertritt jedoch den Standpunkt, der vorliegende Fall sei dem der genannten Entscheidung zugrunde gelegenen nicht gleich. Dies ist zwar richtig, doch kommt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes, dem Unterschied keine entscheidende Bedeutung zu. Im Falle der SZ 49/3 wurde zuviel bezahlte Fracht zurückverlangt, wobei strittig war, ob für die Beförderung eines mengenmäßig feststehenden Gutes mehr oder weniger Transportleistungen erforderlich waren. Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Klägerin den Transport einer bestimmten Gütermenge durchgeführt hat. Strittig ist, ob sich die von ihr gelegten Rechnungen nur auf diese Gütermenge oder auch auf weitere Güter, die zwar befördert worden sind, nicht jedoch von ihr, erstreckt haben. In beiden Fällen ist also die Grundlage für die Berechnung der Frachtkosten strittig. Die Höhe der Frachtkosten kann sich entweder aus dem Umfang der Transportleistungen oder aus der Menge des transportierten Gutes ergeben. Letzten Endes geht der Streit über die Höhe der Frachtkosten. Die genannten Umstände sind lediglich Grundlagen für deren Errechnung. Ebenso wie im Verfahren SZ 49/3 geht es im vorliegenden Fall um die Höhe der Frachtkosten, bezüglich deren aber, wie bereits ausgeführt wurde, die Verjährungsfrist des Art. 32 CMR gilt. Wie bereits dargestellt wurde, unterliegt der kurzen Verjährung nicht nur das Begehren des Frachtführers auf Zahlung von Frachtkosten, sondern auch das Begehren des Auftraggebers auf Rückersatz zuviel bezahlter Frachtkosten. Letzteres wird in der Regel ein Bereicherungsanspruch sein, der in der Mehrzahl der Fälle auf eine Zahlung für eine nicht erbrachte Beförderungsleistung zurückgeht. Gerade ein solcher Fall ist hier gegeben.
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Bestimmung des Art. 32 Z 1 CMR um eine Schutzbestimmung zugunsten des Frachtführers.
Dieser soll, sieht man von dolosem Vorgehen, das hier nicht einmal behauptet worden ist, ab, gegen Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag nach Ablauf einer gewissen Frist gesichert werden. Gerade Bereicherungsansprüche zeigen die Notwendigkeit einer solchen Schutzbestimmung auf, weil sie nach österreichischem Recht erst nach dreißig Jahren verjähren würden. Würde man daher Bereicherungsansprüche nicht ebenfalls der kurzen Verjährung der CMR. unterstellen, käme man zu dem im Frachtgeschäft untragbaren Ergebnis, daß der Frachtführer über Jahrzehnte die Kontrolle über sämtliche seiner Geschäfte aufrechterhalten müßte. Dies sollte durch die Bestimmung des Art. 32 CMR vermieden werden.
Bei der gegebenen Rechtslage kommt es sohin nicht mehr darauf an, ob die Entscheidung des Landgerichtes München I 2 in Österreich Tatbestandswirkung erzielen kann oder nicht. Dies berührt nämlich lediglich den materiellen Bestand der klägerischen Forderung, der jedoch bei Vorliegen der Verjährung nicht zu prüfen ist.
Abgesehen von der Frage, ob die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch bezüglich der Kosten des in München abgeführten Verfahrens überhaupt vorliegen, ist ein solcher Anspruch hier schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin von der Beklagten den Ersatz der Kosten eines Prozesses, den sie nur durch Unterlassen einer zielführenden Einwendung verloren hat, nicht aus dem Titel des Schadenersatzes verlangen kann.
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