Spruch:
Ein vertragliches Zessionsverbot muß der Zessionar jedenfalls dann gegen sich gelten lassen, wenn er davon wußte und kein berechtigtes Interesse, es nicht gegen sich gelten lassen zu müssen, behauptet, das Interesse des Schuldners an der Vereinbarung aber auf der Hand lag
OGH 15. Juli 1981, 1 Ob 619/81 (OLG Linz 3 R 27/81; LG Linz 10 Cg 280/79)
Text
Die beklagte Partei beauftragte die Firma A GesmbH & Co. KG (kurz: Firma A) im Jahre 1976, Estricharbeiten durchzuführen. Die Firma A nahm den Auftrag zu den allgemeinen Vertragsbedingungen der beklagten Partei an, deren Punkt IX wie folgt lautet:
"Entsprechend dem Verlauf der Bauausführungen wird die Bezahlung sämtlicher ausgeführter Leistungen wie folgt festgelegt: Sie können allmonatlich eine Teilrechnung legen, worauf Sie 85% der Rechnungssumme erhalten. Alle Teilrechnungen haben die Leistungen ab Arbeitsbeginn zu enthalten. Wir machen Sie darauf aufmerksam, daß die Teilrechnungen bis spätestens 25. jeden Monats im Baubüro einlangen müssen, damit wir einheitlich alle Professionistenrechnungen prüfen können. Falls Ihre Rechnung später eintreffen sollte, so wird sie erst im darauffolgenden Monat geprüft. Sie verpflichten sich, für o. a. Bauvorhaben keine wie immer gearteten Zessionen zu tätigen ..."
Trotz Vereinbarung dieses Zessionsverbotes trat die Firma A ihre Werklohnforderungen gegen die beklagte Partei an die klagende Partei, eine Factoring-Bank ab. Dieser war das Zessionsverbot bekannt.
Die klagende Partei begehrt als Zessionar der Firma A den Rechnungsbetrag von 171 139.49 S. Die beklagte Partei beantragt Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß zwischen ihr und der Zedentin ein Zessionsverbot vereinbart worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat, gestützt auf die Entscheidung des OGH SZ 41/16, die Ansicht, daß dem Zessionsverbot absolute Wirkung zukomme. Die Abtretung an die klagende Partei sei daher nicht gültig zustande gekommen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei zwar richtig, daß in den letzten Jahren in der Lehre die Auffassung überwiege, daß dem Abtretungsverbot nur relative Wirkung zukomme. Der Diskussionsstand zu dieser Frage sei aber noch nicht so weit gediehen, daß eine Abkehr von der bisherigen, die absolute Wirkung des vereinbarten Abtretungsverbotes bejahenden Rechtsprechung zu erwägen wäre. Unter den Gründen, die für eine bloß relative Wirkung des Abtretungsverbotes sprächen, führe Koziol (JBl. 1980, 113 ff.) in erster Linie die Regelung des § 364c ABGB an. Diese dem Sachenrecht angehörende Bestimmung betreffe jedoch nur körperliche Sachen und dingliche Rechte und könne nicht ausdehnend auf bloß obligatorische Rechtsverhältnisse angewendet werden. Auch der Einwand Koziols, daß die Möglichkeit einer Umgehung des absolut wirkenden Zessionsverbotes bestehe, bringe gegenüber der Rechtslage der Entscheidung SZ 41/16 keine neuen Gesichtspunkte. Die Abwägung der Interessenlage sei nicht nur an einem allgemeinen Maßstab, sondern zugleich auch an der jeweiligen konkreten Situation auszurichten. Da die klagende Partei als Zessionarin vom Zessionsverbot Kenntnis gehabt habe und trotzdem mit der verbotenen Abtretung einverstanden gewesen sei, verschiebe sich die Interessenlage zu ihren Ungunsten; sie erscheine keineswegs in einem solchen Maße schutzwürdig, daß dadurch die Interessen der Beklagten als Schuldnerin hintanzustellen wäre. Auch das Argument, daß Belange der Verkehrssicherheit in zunehmendem Maße gewichtiger geworden seien und dem der Gesetzgeber im § 12 KSchG Rechnung getragen habe, sei nicht zwingend. Bei dieser Regelung handle es sich um ein aus Gründen des Schutzes des Verbrauchers ergangenes Verbot. Es obliege dem Gesetzgeber, die Einhaltung seiner Anordnungen durch ihm ausreichend erscheinende zivil-, straf- oder verwaltungsrechtliche Folgen abzusichern. Aus dem Folgenkatalog lasse sich noch nicht auf Tendenzen des Gesetzgebers schließen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Lehre wurde bis vor etwa zehn Jahren mit nur wenigen Ausnahmen (Wolff in Klang[2] VI, 295; Kainz - Pfaff, System II/1,
178) die Ansicht vertreten, daß dem Zessionsverbot absolute Wirkung zukomme (Hasenöhrl, Obligationenrecht[2] II, 183; Stubenrauch, Kommentar[8] II, 805; Krasnopolski, Obligationenrecht, 268; Pfersche, Zur Revision des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, Jur. Vierteljahresschrift 1912, 176; Gellner, Das vertragsmäßige Zessionsverbot, ZBl. 1913, 1; Ehrenzweig[2] II/1, 255; Gschnitzer in Klang[2] II, 184; derselbe, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 100 und Sachenrecht, 138; Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechtes, 227). Die Rechtsprechung hatte sich mit der Frage nur selten zu befassen. Sie gelangte, gestützt auf die weitaus überwiegende Ansicht im Schrifttum, fast ausnahmslos zum Ergebnis, daß die Vereinbarung eines vertraglichen Zessionsverbotes zulässig und auch Dritten gegenüber wirksam sei (SZ 41/16; vgl. auch ZBl. 1912/6 und GlUNF 6043; entgegengesetzt GlUNF 4363). Im jüngeren Schrifttum wurden der Frage einige ausführliche Untersuchungen gewidmet, die überwiegend zum gegenteiligen Ergebnis gelangten (Raber, Zum vertraglichen Abtretungsverbot, JBl. 1971, 441 ff.; Aicher, Zur Wirkung des vertraglichen Zessionsverbotes, ÖJZ 1972, 309 ff.; Hoyer, Absolute Wirkung eines vertraglichen Zessionsverbotes? JBl. 1972, 511 ff.; Koziol, Das vertragliche Abtretungsverbot, JBl. 1980, 113 ff.; in diesem Sinne auch Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[5] I, 242; Koziol, Rechtsfragen beim Factoring-Geschäft, QuHGZ 1972, 324; Strasser - Grillberger Probleme des Zessionskredites, 65 ff., wogegen nur Mayrhofer, Abtretung von Bestandrechten und Abtretungsverbot, ÖJZ 1973, 169 ff. die absolute Wirkung des Abtretungsverbotes lehrt).
Die Vertreter der absoluten Wirkung des Abtretungsverbotes berufen sich auf die Privatautonomie der Vertragspartner, denen es freistehen müsse, ein Recht von vornherein als unveräußerlich zu schaffen (Hasenöhrl a.a.O., 183; Mayrhofer a.a.O., 170; ebenso SZ 41/16); § 364c ABGB gelte nur für körperliche Sachen und dingliche Rechte, aber nicht für Forderungen (Ehrenzweig[2] II/1, 255; Klang in seinem Komm.[2] II, 184; Wolff in Klang[2] VI 295; Mayrhofer a. a.O.), die grundsätzlich unabtretbar seien (Ehrenzweig a.a.O.). Da es für den Erwerb von Forderungen keinen Gutglaubensschutz gebe, sei der Erwerber auch nicht in seinem Vertrauen auf die Verkehrsfähigkeit der erworbenen Forderung zu schützen; für die Abtretung von Forderungen gelte vielmehr § 1396 ABGB, der es dem Schuldner ermögliche, dem Zessionar das Zessionsverbot so wie alle anderen Einwendungen aus dem Schuldverhältnis entgegenzuhalten (Swoboda, ABGB III, 138 f.; Bericht der Kommission für Justizgegenstände zur III. TN mit Materialien, 166); dasselbe Ergebnis könne auch durch die Vereinbarung der auflösenden Bedingung erreicht werden, daß die Forderung im Falle der (vereinbarungswidrigen) Zession an einen anderen Gläubiger erlöschen solle; das Interesse des Schuldners, den Gläubigerwechsel auszuschließen, sei schutzwürdig; auch § 399 BGB normiere die absolute Wirkung des Abtretungsverbotes.
Die Vertreter der relativen Wirkung des Abtretungsverbotes wollen hingegen aus der - zumindest analog anwendbaren - Bestimmung des § 364c ABGB ableiten, daß sich der Gesetzgeber prinzipiell für den Verkehrsschutz und gegen die - Dritte treffende - Privatautonomie entschieden habe (Koziol, JBl. 1980, 118; Raber a.a.O., 450 ff.; Aicher a.a.O., 313 f.); außerdem bestehe die Möglichkeit, das absolute Zessionsverbot mit Hilfe der Bestimmungen der §§ 896, 1358 und 1422 ABGB zu umgehen (Hoyer a.a.O., 519; Koziol, QuHGZ 1972, 326; anderer Meinung jetzt JBl. 1980, 119 f.); es liege im Interesse des Zedenten und des Zessionars, die Verkehrsfähigkeit von Forderungen zu erhalten, während die rechtliche Stellung des Schuldners durch eine Zession nicht verschlechtert werde (§ 1396 ABGB), sodaß er nicht genügend schutzwürdig sei. Die Abwägung der Interessen spreche daher für eine bloß relative Wirkung des Abtretungsverbotes; die schützenswerten Belange des Schuldners könnten ausreichend durch Gewährung von Schadenersatzansprüchen gegen den Zedenten und allenfalls auch gegen den Zessionar (wegen Beeinträchtigung eines fremden Forderungsrechts) gesichert werden (Koziol, JBl. 1980, 121 ff.; Raber a.a.O., 458 f.; Aicher a.a.O., 315 ff.).
Eine umfassende Auseinandersetzung mit den dargestellten gegensätzlichen Standpunkten, bei denen es letztlich um die Wertung geht, ob ein vereinbartes Zessionsverbot zu den dem Schuldner gemäß § 1396 ABGB verbleibenden Einwendungen gehört, ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil dieser wesentlich dadurch gekennzeichnet ist, daß die Forderungsübernehmerin das Abtretungsverbot kannte. Für diesen Fall wird auch in der die Gültigkeit der Einwendung vereinbarten Zessionsverbots dem Zessionar gegenüber verneinenden Lehre der Standpunkt vertreten, daß die bei Forderungen fehlende Offenkundigkeit durch die tatsächliche Kenntnis im Einzelfall ersetzt werde und dann der absolute Schutz von Forderungsrechten gerechtfertigt sei (Koziol, Haftpflichtrecht II, 43; derselbe, Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 178 ff.). Auch wenn die Vereinbarung eines Zessionsverbotes nicht zu den unter § 1396 ABGB fallenden "Einwendungen gegen die Forderung" gehören sollte, weil diese Bestimmung nur die Einwendungen des Schuldners gegen den Zedenten und nicht die Einrede der Ungültigkeit der Zession beträfe (so Koziol, JBl. 1980, 116), erscheint doch der absolute Schutz des Schuldners gegen eine Inanspruchnahme durch den Zessionar dann grundsätzlich gerechtfertigt, wenn dieser das Zessionsverbot im Zeitpunkt des Erwerbes der Forderung kannte (vgl. die Regelungen des Art. 1260 Abs. 2 Codice civile und des Art. 164 SchwOR, wiedergegeben bei Raber a.a.O., 441). Das Interesse des Zedenten, der die Forderung vereinbarungswidrig abtritt, und das Interesse des Zessionars, der davon Kenntnis hat und damit bewußt in ein fremdes, wenn auch möglicherweise nur relativ wirkendes Recht eingreift, kann in aller Regel nicht schutzwürdiger sein als das vom Zedenten immerhin anerkannte Interesse des Schuldners am Unterbleiben eines Gläubigerwechsels. Es besteht dann kein Grund, den Schuldner nur auf Schadenersatzansprüche gegen den Zedenten (und allenfalls auch gegen den Zessionar) zu verweisen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es ausnahmsweise auch Fälle geben kann, in denen ein berechtigtes Interesse des Zessionars an der Durchsetzbarkeit der Forderung gegen den Schuldner trotz Kenntnis vom vereinbarten Abtretungsverbot anzuerkennen wäre, weil die klagende Partei besondere Gründe, die für ein solches schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Forderung gegen die beklagte Partei sprächen, nicht behauptete; die bloße Tatsache, daß sie das Factoring-Geschäft betreibt, genügt nicht; ein bloßes Hinwegsetzen über eine bekannte Verfügungsbeschränkung bedarf aber keines Schutzes. Das muß besonders in einem Fall gelten, in dem ein Interesse an einem Abtretungsverbot auf Seite des Schuldners auf der Hand liegt. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß die vereinbarungswidrig abgetretene Forderung aus einem Werkvertrag stammt; bei diesem ist die Zurückbehaltung der dem Unternehmer zustehenden Gegenleistung gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger, der die erforderlichen Fachkenntnisse besitzt, oft das einzige wirksame Druckmittel, um diesen zur umgehenden Verbesserung des mangelhaften Werkes zu veranlassen. Die klagende Partei muß sich daher das ihr im Zeitpunkt des Forderungserwerbes bekannte Zessionsverbot entgegenhalten lassen.
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