OGH 3Ob594/80

OGH3Ob594/8025.3.1981

SZ 54/41

Normen

ABGB §1295
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1295
ABGB §1299
ABGB §1300

 

Spruch:

Ein Autofahrerverein haftet seinem Mitglied für fachmännische Auskunft seines Pannendienstfahrers

OGH 25. März 1981, 3 Ob 594/80 (OLG Wien 11 R 184/79; LGZ Wien 16 Cg 332/73)

Text

Am 6. April 1972 lenkte Armin H, persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter der klagenden Partei, einen von dieser gehaltenen PKW auf der Autobahn von Salzburg nach Wien. Da er im Motor ein verdächtiges Geräusch hörte, nahm er den Pannendienst der beklagten Partei in Ybbs in Anspruch. Der Pannendienstfahrer Leopold G erteilte ihm die Auskunft, daß er mit dem PKW noch ohne Gefahr bis Wien weiter fahren könne. In der Folge kam es zu einer Motorexplosion.

Die Pannenhilfe gehört nach den Statuten der beklagten Partei zu den Zielen des Vereines. Ein bestimmtes Leistungsprogramm steht grundsätzlich den einzelnen Mitgliedern zu, gleichgültig ob diese Eigentümer des betreuten Fahrzeuges sind oder nicht. Im Jahr 1972 waren solche Leistungen für Mitglieder bis zu einem Gegenwert von 120 S pro Jahr unentgeltlich, was durch eine entsprechende Lochung der Mitgliedskarte überprüft wurde. Auch Nichtmitglieder werden von der beklagten Partei aus Kulanzgrunden betreut, aber immer nur nach Mitgliedern und gegen separate Verrechnung der Leistungen. Die beklagte Partei verlangte von der klagenden Partei bzw. von Armin H kein Entgelt.

Die klagende Partei begehrte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes Zahlung von 29 712 S samt Anhang (Reparaturkosten) und brachte im wesentlichen vor, die Auskunft des Pannendienstfahrers der beklagten Partei sei unsachgemäß und unrichtig gewesen. Die beklagte Partei, bei der zwar nicht die klagende Partei, wohl aber Armin H Mitglied sei, betreibe den Pannendienst für Mitglieder und Nichtmitglieder und habe der klagenden Partei gegenüber für das Verschulden ihres Dienstnehmers einzustehen. Hilfsweise werde die Klage auch darauf gestützt, daß Armin H seine Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer dadurch verletzt habe, daß er sich des Pannendienstfahrers der beklagten Partei bedient habe, so daß der klagenden Partei ein Ersatzanspruch gegen Armin H zustehe, während diesem wiederum ein Rückgriffsanspruch gegen die beklagte Partei zustehe, den Armin H an die klagende Partei abgetreten habe; ein direkter Ersatzanspruch der klagenden Partei ergebe sich auch daraus, daß im Vertrag zwischen Armin H und der beklagten Partei eine Schutzwirkung zugunsten der klagenden Partei enthalten gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt ein Verschulden ihres Pannendienstfahrers. Leopold G habe nur aus Gefälligkeit und unentgeltlich einen Rat erteilt, so daß eine Haftung nur bei wissentlicher Erteilung eines falschen Rates bestunde. Als Nichtmitglied habe der klagenden Partei eine Pannenhilfe nicht zugestanden.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen ausging:

Die Ursache des Geräusches, das Armin H veranlaßte, den Pannendienst der beklagten Partei in Anspruch zu nehmen, war ein Pleuellagerschaden, der etwa 2 bis 3 km vor Ybbs aufgetreten war. Der Pannendienstfahrer der beklagten Partei vermutete jedoch lediglich eine Motorüberhitzung und meinte, daß das Geräusch von einer abgenutzten Duplexrollenkette herrühre. Eine solche Ursache ist bei einem PKW dieses Alters an sich möglich, doch hätte Leopold G die wahre Ursache feststellen können, wenn er das vom Pleuellagerschaden stammende Geräusch nicht überhört hätte, wenn er den Ölstand, die Wassertemperatur und den Öldruck im Leerlauf kontrolliert hätte oder wenn er durch Kurzschließen der einzelnen Kerzen die für einen Pleuellagerschaden typische Frequenzverdoppelung festgestellt hätte.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß der klagenden Partei als Nichtmitglied keine Leistungen der beklagten Partei zugestanden seien. Der nur unentgeltlich aus bloßer Gefälligkeit erteilte Rat des Pannendienstfahrers der beklagten Partei rechtfertige keinen Schadenersatzanspruch der klagenden Partei. Die Konstruktion, daß Armin H den Schaden der klagenden Partei wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflicht geltend machen könne, sei verfehlt.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führt im wesentlichen aus, die beklagte Partei hafte der klagenden Partei gegenüber als Sachverständiger gemäß § 1299 ABGB, gleichgültig ob sie ein Entgelt verlangt habe oder nicht, weil sie im Rahmen eines Schuldverhältnisses tätig geworden sei, für jedes Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen. Nach ihren Statuten sei die beklagte Partei nämlich verpflichtet gewesen, ihrem Mitglied Armin H Pannenhilfe zu gewähren. Daß der Pannendienstfahrer der beklagten Partei von Armin H die Vorlage eines Mitgliedsausweises nicht verlangt habe und diesen nicht gelocht habe, besage nichts, da im Zweifel davon ausgegangen werden müsse, daß die beklagte Partei den Pannendienst auf Grund der Mitgliedschaft des Armin H geleistet habe. Der zwischen der beklagten Partei und Armin H sohin zustandegekommene Vertrag habe Schutzwirkungen zugunsten der klagenden Partei erzeugt, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung vorhersehbar war und ihr nahegestanden sei. Die beklagte Partei hafte daher der klagenden Partei gegenüber unmittelbar für ihren Schaden.

Die Sache sei aber deshalb noch nicht spruchreif, weil es noch ergänzender Feststellungen zur Höhe des Klagsanspruches bedürfe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, weil er die vom Berufungsgericht angeführten Verfahrensergänzungen zur Höhe des Klagsanspruches für entbehrlich hielt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zutreffend, daß die beklagte Partei für die unfachmännische Auskunft ihres Bediensteten Leopold G haftet.

Nach den Statuten der beklagten Partei und ihrem für das Jahr 1972 veröffentlichten Leistungsprogramm war nämlich die beklagte Partei verpflichtet, ihrem Mitglied Armin H ihren Pannendienst zur Verfügung zu stellen. Dabei konnte es nicht darauf ankommen, ob Armin H auf seine Mitgliedschaft ausdrücklich hinwies oder nicht, tatsächlich war er Mitglied und im Zweifel ist daher anzunehmen, daß er die Einrichtungen seines Vereines als solches in Anspruch nahm. Belanglos ist auch, ob Armin H im Jahr 1972 noch Anspruch auf kostenlose Dienstleistungen bei den Stützpunkten der beklagten Partei hatte oder nicht oder ob seine Mitgliedskarte schon entsprechend oft gelocht war; denn die beklagte Partei mußte ihm auch dann Hilfe leisten, durfte freilich ein besonderes Entgelt verlangen. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß die im § 1300 ABGB verwendeten Worte "gegen Belohnung" nur die Fälle einer Raterteilung aus bloßer Gefälligkeit ausschließen sollen, daß aber unter "Belohnung" nicht eine unmittelbare Geldleistung zu verstehen ist, sondern eine verantwortliche Raterteilung schon dann anzunehmen ist, wenn sie innerhalb eines Verpflichtungsverhältnisses erfolgt (SZ 28/57 u. a.), was aber nach dem Gesagten jedenfalls der Fall war. Daß die beklagte Partei als Sachverständiger im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB anzusehen ist, weil sie sich öffentlich u. a. zur Pannenhilfe bekennt, wird von der beklagten Partei in ihrem Rekurs nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen; es ist der Begründung des Berufungsgerichtes auch nichts hinzuzufügen.

Aber auch die Annahme des Berufungsgerichtes, daß wegen des Naheverhältnisses der zwischen Armin H und der beklagten Partei vereinbarten Vertragsleistungen zur Interessensphäre der klagenden Partei der beklagten Partei als Nebenverpflichtung eine Schutzpflicht gegenüber der klagenden Partei oblag, ist frei von Rechtsirrtum (SZ 43/236 u. a.; Koziol, Haftpflichtrecht II, 153; Bydlinski in JBl. 1960, 359 ff. und JBl. 1965, 321).

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