OGH 8Ob281/70

OGH8Ob281/7022.12.1970

SZ 43/236

Normen

ABGB §881
ABGB §1295
ABGB §1299
ABGB §881
ABGB §1295
ABGB §1299

 

Spruch:

Zur Frage der Haftung eines Wirtschaftstreuhänders gegenüber einem Dritten für die Richtigkeit einer von ihm erstellten vorläufigen Bilanz, auf Grund derer der Dritte dem Besteller der Bilanz Kredit gewährte

OGH 22. Dezember 1970, 8 Ob 281/70 (OLG Wien 3 R 205/70; HG Wien 15 Cg 234/70)

Text

Die klagende Partei hat der offenen Handelsgesellschaft Dr H & HP (in der Folge kurz Firma P genannt), über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, Darlehen gewährt und in deren Rahmen gegenüber dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und dem Getreideausgleichsfonds Garantieerklärungen abgegeben, aus denen sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch in Anspruch genommen wurde. Die beklagte Partei war seit 1963 von der Firma P u a mit der Erstellung der Jahresbilanzen beauftragt gewesen. Ein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen bestand nie.

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung eines Betrages von 50.000 S s A. Die beklagte Partei habe für die Firma P eine Bilanz zum 31. Dezember 1967 erstellt, die ein Eigenkapital von 10.429.000 S ausgewiesen habe. Im Vertrauen auf dieses Eigenkapital, das rund 23% der Bilanzsumme ausgemacht habe, habe die klagende Partei die Kredite eingeräumt bzw verlängert, zumal auch die Bilanz zum 31. Dezember 1966 ein überaus günstiges Bild gezeigt habe. Erst spät im Jahre 1969 sei ihr eine Bilanz der Firma P zum 31. Dezember 1968 vorgelegt worden, die ein Passivkapital von rund 9.000.000 S ausgewiesen habe. Die Schlußbilanz des Jahres 1967 und die Eröffnungsbilanz des Folgejahres 1968, die nach dem Grundsatz der formellen Bilanzkontinuität zusammenfallen hätten müssen, ergäben eine Abweichung von rund 16.300.000 S. Dies sei umso unbegreiflicher, als die beklagte Partei von der Firma P den ausdrücklichen Auftrag gehabt habe, für die Jahre 1966, 1967 und 1968 ordnungsgemäße Handelsbilanzen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu erstellen. Es sei der beklagten Partei auch bekannt gewesen, daß die von ihr erstellten Bilanzen unter anderem zur Vorlage an eine Bank zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Auftraggeberin verwendet werden sollten. Die beklagte Partei hafte gemäß §§ 1299, 1300 ABGB für die ihr durch die Wirtschaftstreuhänderordnung auferlegte Verpflichtung zur Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt. Zur Sorgfaltspflicht habe gehört, daß die beklagte Partei offenbare Fehler wie ein derart eklatantes Abweichen der Bilanzziffern wahrnehmen und beheben hätte müssen. Die klagende Partei habe sich hingegen darauf verlassen können, daß die von einem Wirtschaftstreuhandunternehmen erstellten, auf dessen Firmenpapier ausgefertigten und von einem Organ der Wirtschaftstreuhändergesellschaft unterschriebene Bilanz zum 31. Dezember 1967 richtig sei; eine nochmalige Kontrolle habe ihr nicht oblegen. Die klagende Partei habe im Konkurs der Firma P bereits zumindestens einen Ausfall von 50.000 S erlitten.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, seit 1965 vom Firmengesellschafter Dr Herbert P auch beauftragt gewesen zu sein, zu seiner Information über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens vorläufige Informationsbilanzen auf Grund von ihm zur Verfügung gestellter, von der beklagten Partei nicht näher zu prüfender, noch unvollständiger Unterlagen im Februar oder März jeden Jahres zu erstellen. Diese Informationsbilanzen seien auf 1000 S-Beträge abgerundet und auf Grund besonderer Weisungen des Dr Herbert P anders als die Steuerbilanzen erstellt worden, indem angeblich nicht mehr existierende Verbindlichkeiten an Firmen in der Schweiz und Liechtenstein nicht aufgenommen, aber auch der Verkehrswert der Liegenschaften mit anderen Beträgen eingesetzt gewesen sei.

Auch die Informationsbilanzen seien nach dem Grundsatz der formellen Bilanzkontinuität aufgebaut gewesen. Wenn die klagende Partei im Vertrauen auf eine von der beklagten Partei nur für firmeninterne Zwecke erstellte Informations- und Rohbilanz Kredite eingeräumt, bzw verlängert habe, habe sie dies auf ihr eigenes Risiko getan.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Ein Schadenersatzanspruch könne nur von dem dem Geschädigten unmittelbar gegenüberstehenden Schädiger begehrt werden. Das gelte insbesondere bei Anwendung der Bestimmungen der §§ 1299, 1300 ABGB, da diese Gesetzesstellen grundsätzlich nur das Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und seinem Auftraggeber regelten. Anders wäre es nur, wenn der Sachverständige in doloser Weise oder im Einverständnis mit dem Auftraggeber ein falsches Gutachten abgegeben hätte oder wenn sonst ein sittenwidriges Zusammenspiel vorläge, in welcher Richtung aber keine Behauptungen aufgestellt worden seien. Da außer Streit stehe, daß zwischen den Parteien kein wie immer geartetes Rechtsverhältnis bestanden habe, könne die klagende Partei selbst aus fehlerhaft erstellten Bilanzen keine Ansprüche gegen die beklagte Partei ableiten.

Das Berufungsgericht hob mit Beschluß das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht mit dem Beisatz zurück, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen sei. Für Buchprüfer und Steuerberater gelte wegen ihrer besonderen Stellung der Grundsatz, daß aus einer Vertragsverletzung nur der Vertragspartner Schadenersatzansprüche geltend machen könne, nicht. Die Tätigkeit eines Buchprüfers und Steuerberaters sei etwa der eines Sachverständigen, der sein Gutachten als Hilfsorgan einer öffentlichen Behörde abgebe, gleichzustellen. Wenn die beklagte Partei ein Elaborat verfaßt und als Bilanz und Hauptabschluß bezeichnet, Firmenpapier und Rundsiegel verwendet sowie durch einen Mitarbeiter unterfertigt habe, genieße dieses Schriftstück grundsätzlich das erhöhte Vertrauen, das einer Bilanz und einem Hauptabschluß eines Buchprüfers und Steuerberaters entgegenzubringen sei. Ergäben sich Mängel, die auf Verschulden beruhen, hafte der Buchprüfer und Steuerberater nicht nur dem Auftraggeber, sondern auch der Öffentlichkeit und damit einem geschädigten Dritten. Das gelte auch für Privatgutachten, besonders wenn sie zur Vorlage an dritte Personen bestimmt seien, aber auch, wenn dem beauftragten Buchprüfer und Steuerberater schon aus der Natur und dem Inhalt des erteilten Auftrages bewußt habe sein müssen, daß sein Elaborat die Grundlage bedeutsamer Entschlüsse seitens des Unternehmers bilden sollte und weitergegeben werden würde. Es müsse daher geprüft werden, ob die Behauptung der klagenden Partei, daß die erstellte Bilanz u a auch zur Vorlage an eine Bank zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Auftraggeberin verwendet werden sollte, richtig sei. Selbst wenn dies aber nicht so sei, hafte die beklagte Partei dennoch, wenn die klagende Partei darauf vertrauen habe dürfen, daß die beklagte Partei ohne Rücksicht, welchen Auftrag sie von Dr Herbert P gehabt habe, für den Inhalt hafte; das Erstgericht werde allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen zu überprüfen haben, ob die klagende Partei nach dem Inhalt der sogenannten Bilanz für das Jahr 1967 annehmen habe können, daß es sich um eine ordnungsgemäße Bilanz gehandelt habe. Auch der Inhalt der früheren Bilanzen, insbesondere für das Jahr 1966, und ihre Kenntnisnahme durch die klagende Partei werde festzustellen sein.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs, dessen Antrag insoweit verfehlt ist, als der Oberste Gerichtshof nicht in der Lage wäre, über einen Rekurs selbst in der Sache zu entscheiden und das erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen, ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Es ist unbestritten, daß zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestand oder besteht. Die klagende Partei macht ihren Schadenersatzanspruch vielmehr aus einem zwischen der Firma P und der beklagten Partei bestandenen Vertrag geltend, wonach letztere mit der Erstellung der Jahresabschlüsse der Firma P beauftragt gewesen war. Die beklagte Partei ist Wirtschaftstreuhänderin i S des § 2 Abs 1 Wirtschaftstreuhänderberufungsordnung (WTBO), BGBl 1955/125, in der derzeit geltenden Fassung und war bei Erstellung der Jahresbilanz der Firma P i S des § 33 Abs 1 lit d WTBO ("... Abschluß kaufmännischer Bücher für ihre Auftraggeber") tätig. Die beklagte Partei arbeitete hiebei nicht, wie das Berufungsgericht meint, als Prüfer oder Gutachter, sondern im weiteren Sinne als Berater der Firma P auf vertraglicher Grundlage (Leifer, Das Berufsrecht der Wirtschaftstreuhänder, 112), wozu auf Grund von Sonderaufträgen auch die Erstellung von Bilanzen gehört (Leifer, Wirtschaftstreuhänder, 113). Prüfer oder Gutachter wäre, wie dem Rekurse beizupflichten ist, die beklagte Partei hingegen nur gewesen, wenn sie z B einen Prüfungsbericht, eine Prüfungsbescheinigung oder einen Prüfungsvermerk ausgestellt oder ein Gutachten verfaßt hätte (Leifer, Wirtschaftstreuhänder, 116); das kann von der Erstellung von Jahresabschlüssen i S der §§ 124, 125 BAO, § 4 EStG 1967, aber auch von der Erstellung von vorläufigen Bilanzen auf Grund besonderen Auftrages eines Unternehmers, im allgemeinen nicht gesagt werden.

Für ihre Tätigkeit war die beklagte Partei gemäß § 20 Abs 1 WTPO bestellt und ernannt, sie hatte sie gemäß §§ 25, 26, 28 WTPO mit Gewissenshaftigkeit und Eigenverantwortlichkeit auszuüben. Deren Mangel hat sie als Sachverständige gemäß §§ 1299, 1300 ABGB, auf welche Bestimmungen sich auch die klagende Partei beruft, zu vertreten. Entgegen der von Wolff in Klang[2] VI 49 (bei FN 29 zu § 1299 ABGB) geäußerten Rechtsauffassung schränkt nun aber, wie dem Rekurse grundsätzlich beizupflichten ist, die herrschende Lehre und Rechtsprechung die Ersatzpflicht des Sachverständigen im allgemeinen auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten ein, versagt daher einem durch mangelhafte Erfüllung eines Auftrages mittelbar geschädigten Dritten einen Klagsanspruch, weil die Bestimmungen der §§ 1299, 1300 ABGB keinen über den Umfang der aus § 1295 ABGB ableitbaren Ansprüche hinausgehenden Schutz statuieren. Diese Gesetzesstellen regeln vielmehr grundsätzlich nur das Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und seinem Auftraggeber (SZ 9/76), sodaß der Sachverständige aus seinem zum Auftraggeber begrundeten Rechtsverhältnis nur dem anderen Teil, nicht aber jedermann (der "Öffentlichkeit") gegenüber haftet (EvBl 1967/112, 124; 1965/321, 486 u a, zuletzt 5 Ob 97/70; Ehrenzweig[2] II/1, 665, § 398 FN 5). Wenn eine Vertragsverletzung durch einen Schädiger ihn grundsätzlich nur seinem Gläubiger gegenüber ersatzpflichtig macht, so wäre es nämlich unbegreiflich, warum dies anders sein sollte, wenn der Schuldner zufällig ein Sachverständiger ist (Bydlinski in JBl 1965, 320). Die weitergehende, nur unter Heranziehung "natürlicher Rechtsgrundsätze (§ 7 ABGB)" und mit dem Hinweis auf Bedürfnisse des Verkehrs gestützte - allerdings ohnehin nur die Haftung des Sachverständigen für ein Gutachten betreffende - Lehre Scheuchers in ÖJZ 1961, 228 ff wurde vom Obersten Gerichtshof (EvBl 1965/321, 486; in diesem Sinne auch Bydlinski in JBl 1965, 320) bereits ausdrücklich abgelehnt. Von dieser Auffassung abzugehen, besteht auch dann kein Anlaß, wenn der Sachverständige ein Wirtschaftstreuhänder ist. Auch der vom Berufungsgericht geteilten, allerdings ohnehin wiederum nur für die Haftung für eine von der beklagten Partei nicht entfaltete Prüfer- und Gutachtertätigkeit entwickelten Lehre Leifers, Wirtschaftstreuhänder, 116 kann daher nicht im weiteren Sinne, als eben dargelegt wurde, beigetreten werden. Bydlinski in JBl 1965, 321 hat vielmehr bereits überzeugend ausgeführt, daß ein Sachverständiger stets damit rechnen muß, daß sein Gutachten auch die Beschlüsse eines Dritten beeinflussen könnte; darauf kann es aber nicht ankommen, denn der Vertragspartner des Sachverständigen bleibt immer noch Herr seiner Entschlüsse. Das muß umsomehr gelten, wenn kein Gutachten erstattet, sondern nur ein buchhalterischer (vorläufiger) Jahresabschluß erstellt wurde.

Die herrschende Lehre und Rechtsprechung anerkennen allerdings - und insoweit ist dem Berufungsgericht beizupflichten - in gewissen Sonderfällen Ausnahmen; insbesondere dann, wenn dem Vertragspartner als vertragliche Nebenpflicht eine Schutzpflicht solchen dritten Personen gegenüber, die der Vertragsleistung nahestehen, ohne selbst Vertragspartner zu sein, oblag, wird den dritten Personen die Geltendmachung eines eigenen Schadens aus dem fremden Vertrag zuerkannt (EvBl 1969/216, 323; JBl 1963, 570 u a, in diesem Sinne auch Bydlinski JBl 1960, 363). Die Rechtsprechung beruft sich zur Stützung dieses Standpunktes insbesondere auf die Lehre Gschnitzers in Klang[2] IV/1, 236 zu § 881 ABGB (P VI Z 15). Es handelt sich hiebei um Fälle, bei denen die Verbindung mit Verträgen zugunsten Dritter naheliegt, in denen also ein Dritter, auch wenn er nicht Vertragspartner ist, erkennbar begünstigt erscheint. Klageberechtigt ist so etwa derjenige, der eine technische Anlage, die für ihn bestimmt war, benützt (EvBl 1969/216, 323), der Hauseigentümer, dessen Schaden durch einen Vertrag zwischen einem Mieter und einem Rauchfangkehrermeister vermieden werden sollte (SZ 34/39), derjenige, zu dessen Gunsten ein anderer einen Beförderungsvertrag abgeschlossen hatte oder der auf Grund eines solchen Beförderungsvertrages von den Vertragsparteien mitgenommen worden war (Bydlinski in JBl 1960, 362) usw. Es haftet aber auch der Sachverständige, der als Hilfsorgan einer öffentlichen Behörde ein Gutachten abgab, den Prozeßparteien gegenüber, weil ihm auch eine Sorgfaltspflicht ihnen gegenüber oblag (SZ 11/225 u a, zuletzt 5 Ob 164/67), oder ein Sachverständiger, von dem ein Anwalt im eigenen Namen, aber erkennbar für einen bestimmten Klienten, ein wissenschaftliches Gutachten einholte (Bydlinski in JBl 1965, 321). In allen diesen Fällen wird die Haftung gegenüber dem Dritten bejaht, weil der Besteller, für den Sachverständigen erkennbar, gerade die Interessen des Dritten mitverfolgte (Bydlinski in JBl 1965, 321).

Eine Bilanz ist die in übersichtlicher Weise aufgegliederte, zu einem bestimmten Stichtag erfolgende bewertende Aufzeichnung des Vermögens eines Unternehmens durch Gegenüberstellung der Aktiven und der Passiven unter Hinzurechnung des Saldos auf der Seite der geringeren Gesamtsumme, der sodann Gewinn oder Verlust zum Ausdruck bringt (Brüggemann in Groß-KommHGB[3] Anm 3 vor § 38 I, 441). Sie dient in erster Linie der Vermögensübersicht durch den Auftraggeber und steuerlichen Zwecken. Sie kann aber auch dazu dienen, allfällige Kreditgeber von der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens zu überzeugen. In der Klage wurde nun ausdrücklich behauptet, der beklagten Partei sei bekannt gewesen, daß die von ihr erstellten Bilanzen u a zur Vorlage an eine Bank zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Auftraggeberin verwendet werden sollten. Die klagende Partei hat auch durch die Beilage D belegt, daß die Firma P tatsächlich auch die vorläufige Bilanz für das Jahr 1967, Beilage B, aus der die klagende Partei ihre Schadenersatzansprüche ableitet, dieser übermittelte. Wäre es nun aber richtig, daß der Auftrag zur Erstellung der vorläufigen Bilanz für das Jahr 1967, für die beklagte Partei erkennbar, auch deswegen gegeben worden wäre, um das Kreditinstitut über die Vermögenslage des Unternehmens der Firma P zu informieren, wäre es für die beklagte Partei auch erkennbar gewesen, daß die Firma P die Interessen der klagenden Partei mitverfolgte. Die beklagte Partei hätte dann auch der klagenden Partei gegenüber schuldhaft gehandelt, wenn sie, wie sie zugibt, der Firma M eine Bilanz ausgefolgt hätte, von der sie auch nach ihrem eigenen Prozeßstandpunkt wußte, daß ihre Angaben über den Stand des Kapitalkontos für das Jahr 1967 wesentlich und entscheidend von ihrem Jahresabschluß für das Jahr 1966 abwichen. Es lägen dann etwa die gleichen Voraussetzungen wie in den oben bereits erwähnten Fällen vor, in denen ein Klagerecht des Dritten anerkannt worden war, sodaß auch der klagenden Partei ein solcher Anspruch zuzuerkennen wäre. Daß die Firma P in Wahrheit gar nicht beabsichtigte, auch die Interessen der klagenden Partei zu wahren, sondern im Gegenteil die klagende Partei über die wahre Finanzlage des Unternehmens listig irreführen wollte, könnte die beklagte Partei nicht einwenden, da sie dann, wenn sie dies gewußt hätte, in doloser Weise und im Einverständnis mit dem Auftraggeber eine falsche Bilanz erstellt hätte hätte und daher schon aus diesem deliktischen Verhalten auch der klagenden Partei gegenüber haften müßte (EvBl 1965/321, 486 ua; Bydlinski in JBl 1965, 320; vgl auch JBl 1970, 627; SZ 41/45; EvBl 1969/58, 100 u a).

Die beklagte Partei hat allerdings die erwähnte Prozeßbehauptung der klagenden Partei bestritten und behauptet, über ausdrückliche Weisung des Dr Herbert P eine von der steuerlichen Bilanz abweichende Aufstellung gemacht zu haben, die ausschließlich betriebsinternen Zwecken dienen sollte. Wäre dies richtig, wäre nach den weiter oben gemachten Ausführungen eine Haftung der beklagten Partei auszuschließen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes käme also eine Haftung der beklagten Partei, nur weil die vorläufige Bilanz als Bilanz und Hauptabschluß des Wirtschaftsjahres 1967 bezeichnet, auf Firmenpapier der beklagten Partei verfaßt und mit Rundstampiglie und Unterschrift versehen worden war, noch nicht in Betracht. Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Erstgericht aber aufgetragen, die Beweise zum erwähnten Vorbringen der klagenden Partei über das Wissen von der Verwendung der vorläufigen Bilanz einem Bankinstitut gegenüber aufzunehmen.

Wäre die Haftung der beklagten Partei grundsätzlich zu bejahen, wird, wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist, auch noch zu klären sein, inwieweit die klagende Partei ohne eigenes Verschulden überhaupt ihre Entschlüsse auf Grund einer vorläufigen Bilanz, die nicht im Sinne des § 39 Abs 1 HGB genaue Zahlenangaben enthielt, fassen durfte. Das wird vor allem davon abhängen, ob der klagenden Partei nicht bereits aus der endgültigen Bilanz für das Jahr 1966 die mangelnde Bilanzkontinuität der vorläufigen Bilanz 1967 auffallen hätte müssen. Es wird auch zu berücksichtigen sein, daß die klagende Partei die Möglichkeit hatte, Ende 1968 die wahre wirtschaftliche Lage der Firma P aus der endgültigen Jahresbilanz 1967, Beilage 2, festzustellen. Entgegen der Ansicht des Rekurses ist es hingegen von untergeordneter Bedeutung, daß es erkennbar war, daß die Beilage B kein ordnungsgemäßer Jahresabschluß 1967 sein konnte. Auch bei Erstellung einer solchen vorläufigen Zusammenstellung hätte sich nämlich die Bank, wenn die vorläufige Bilanz auch für sie erstellt worden wäre, zumindest darauf verlassen können, daß der eingesetzte Kapitalkontostand per 31. Dezember 1967 nicht auf Grund unüberprüfter Angaben der Firma P, sondern, vom wahren Kapitalkontostand per 31. Dezember 1966 aus der steuerlichen Jahresbilanz für 1966 ausgehend, auf Grund der Unterlagen des Betriebes für das Jahr 1967, wie es auch bestätigt worden war, errechnet worden sei. Die beklagte Partei gibt in ihrer Klagebeantwortung aber selbst zu, daß der wahre Stand des Kapitalkontos am 31. Dezember 1967 minus 5.885.904.19 S und bereits am 31. Dezember 1966 minus 5.526.067.50 S gewesen war, woraus sich per 31. Dezember 1967 niemals ein Kapitalstand von plus 10.429.000 S mehr oder weniger, wie er in der Beilage B ausgewiesen wurde, ergeben hätte können. Wäre der beklagten Partei bekannt gewesen, daß diese vorläufige Bilanz einer Bank übergeben wird, hätte sie auf die erhebliche und entscheidende Diskrepanz der Ziffern über den Kapitalstand unbedingt bereits in der vorläufigen Bilanz Beilage B hinweisen müssen. Diese Unterlassung müßte sie auch der klagenden Partei gegenüber vertreten. Zur Höhe des Schadens hat die klagende Partei ausdrücklich behauptet, daß das Konkursverfahren bereits ergeben habe, daß sie mindestens 50.000 S einbüße, und hiefür Beweise angeboten. Eine Abweisung des Klagebegehrens mangels Behauptung eines konkreten Schadens ist daher nicht möglich.

Der Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher im Ergebnis beizutreten, sodaß dem Rekurse ein Erfolg zu versagen ist.

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