Spruch:
Eine auf die nebenberufliche Tätigkeit im Geschäftszweige des Geschäftsherren und auf die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eines "freien Handelsvertreters" beschränkte Konkurrenzklausel ist zulässig und wirksam, wenn der Geschäftsherr nicht schuldhaft begrundeten Anlaß zum vorzeitigen Austritt des Vertreters gegeben hat
OGH 5. März 1981, 7 Ob 529/81 (OLG Graz 7 R 141/80; LG Klagenfurt 20 Cg 195/80)
Text
Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden kurz Klägerin) macht gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden kurz Beklagten), der in ihrem Vermögensberatungsunternehmen als freier Handelsvertreter tätig war, mit Unterlassungsbegehren und Antrag auf einstweilige Verfügung eine vertragliche Konkurrenzklausel geltend, deren Wirksamkeit der Beklagte bestreitet.
Der Erstrichter bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung längstens bis 31. Juli 1981 auf Grund der Feststellung, daß der Beklagte noch vor seiner Vertragskündigung vom 3. Juli 1980 Mitarbeiter der Klägerin zu einem Konkurrenzunternehmen abzuwerben versucht habe, ohne daß er andererseits bescheinigen konnte, wegen rückständiger Provisionen zu der nach Klagszustellung mit Schreiben vom 16. Juli 1980 erklärten sofortigen Vertragsauflösung berechtigt gewesen zu sein. § 26 HVG über die Unwirksamkeit einer vertraglichen Konkurrenzklausel gelte nach § 30 HVG nicht für die Vermittlung und Abschließung von Versicherungsgeschäften, die hier in den Rahmen der Tätigkeit des Beklagten fielen.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne der Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Konkurrenzklausel für die zum Aufgabenbereich des Beklagten gehörende Anlage- und Vermögensberatung nach § 26 HVG unwirksam sei und daß das Verbot bei Beachtung des Schutzzweckes dieser Norm auch nicht auf den nicht absonderbaren Tätigkeitsbereich des Abschlusses oder der Vermittlung von Versicherungsgeschäften beschränkt werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht eine neue Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Vorauszuschicken ist, daß die Frage einer allfälligen Arbeitnehmerähnlichkeit des Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbGG in diesem Rechtsmittelverfahren nicht zu prüfen ist, weil für einstweilige Verfügungen jedenfalls die ordentlichen Gerichte zuständig sind (SZ 25/309 u. a.; vgl. auch EvBl. 1967/326) und aus Anlaß eines bloß gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurses über eine allfällige Nichtigkeit nicht abgesprochen werden könnte (2 Ob 64/75 im Sinne der Entscheidung SZ 38/27).
In der Sache selbst bestreitet der Revisionsrekurswerber die Anwendbarkeit des Handelsvertretergesetzes überhaupt mit dem Hinweis, der Beklagte sei nicht selbständig, sondern bloß nebenberuflich Handelsvertreter gewesen. Tatsächlich steht außer Streit, daß der Beklagte "freier Handelsvertreter" war, ohne daß die näheren Einzelheiten der Tätigkeit untersucht worden wären. Neben den (klassischen) Formen des meist für mehrere Auftraggeber tätigen und durch unternehmerische Selbständigkeit, eigene Betriebsorganisation und Unternehmerrisiko bei Fehlen von Weisungsgebundenheit charakterisierten selbständigen Handelsvertreters und des in den Betrieb des Dienstgebers integrierten, weisungsgebundenen und demnach auch persönlich abhängigen angestellten Handelsvertreters wird im Rahmen des allgemeinen Begriffes des "freien Dienstvertrages" (ArbSlg. 6087, 6487 u. a.), der dadurch charakterisiert ist, daß infolge weitgehend freier zeitlicher und inhaltlicher Gestaltung der Tätigkeit die persönliche Abhängigkeit eines Dienstnehmers fehlt (EvBl. 1977/112 mit weiteren Nachweisen und Besprechung von Buchsbaum in ZAS 1978/8), der Typus des "freien Handelsvertreters" anerkannt; auch dessen Arbeitsbedingungen werden so frei als möglich gestaltet, er ist aber von dem meist einzigen Geschäftsherrn, auch bei nebenberuflicher Tätigkeit, wirtschaftlich abhängig und demnach in ähnlicher Weise wie ein Angestellter schutzbedürftig und mangels wirtschaftlicher Selbständigkeit nicht Unternehmer oder Kaufmann (Martinek - Schwarz, Angestelltengesetz[3], 30, 32 f; Zedtwitz, HVG[2], 15 f; SozM I A/e 264; HS 6679; vgl. auch EvBl. 1974/65; Arb. 9400; RZ 1979/37 und Beuthien - Wehler, RdA 1978, 1, 9). Daß der Beklagte zu dieser Gruppe gehört, ist für das Verfahren über die einstweilige Verfügung schon deshalb als hinreichend bescheinigt anzusehen, weil beide Parteien entsprechend der Benennung im vorliegenden Vertrag von einer Beschäftigung des Beklagten als "freiem" Vertreter ausgehen und der Beklagte ebenso unbestritten Berufsoffizier ist, eine Vertretertätigkeit anscheinend nur für die Klägerin ausübte und offensichtlich keinen eigenen Betrieb führt. In diesem Zusammenhang kann daher unerörtert bleiben, ob der Beklagte im Sinne der §§ 1 und 30 HVG Versicherungsverträge im Namen und auf Rechnung gerade der Klägerin vermittelte oder abschloß oder Subvertreter war, auf den das Handelsvertretergesetz nicht unmittelbar anzuwenden wäre (SZ 28/36; HS 1/36, 7/23), und ob eine analoge Anwendung des § 26 HVG für selbständige Versicherungsvertreter trotz § 30 HVG in Betracht kommt (vgl. Auer, DRdA 1975, 21; EvBl. 1979/3).
Die Rechtsstellung der freien Dienstnehmer ist im Gesetz nicht geregelt und daher im einzelnen strittig. Nach herrschender Ansicht sind aber jene arbeitsrechtlichen Normen anwendbar, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgehen und den sozial Schwächeren schützen wollen (Floretta - Spielbüchler, Arbeitsrecht I, 11; Buchsbaum a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Konkurrenzklauseln sind nun im allgemeinen nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit bei den verschiedensten Rechtsgeschäften erlaubt und nach § 879 ABGB nur durch die Grenze der Sittenwidrigkeit beschränkt, die z. B. in zeitlicher oder örtlicher Unbegrenztheit oder sonstigem auffallendem Mißverständnis zwischen den schützenden Interessen des einen Vertragsteiles und der dem anderen Teil auferlegten Beschränkung liegen kann (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 210; HS 5459; SZ 37/156; EvBl. 1971/317 u. a.). Diese Wertung findet in den Bestimmungen der §§ 36 f. AngG eine besondere Ausformung. Mehr als den dortigen Schutz eines Angestellten kann der freie Handelsvertreter keinesfalls in Anspruch nehmen; die Beschränkung ist daher im Geschäftszweig des Vertragspartners auf den hier nicht überschrittenen Zeitraum eines Jahres zulässig (vgl. § 36 Abs. 2 Z. 1 AngG), und es kann auch nicht gesagt werden, daß eine solche Beschränkung der bloßen Nebenbeschäftigung eines Berufsoffiziers für sich eine unbillige Erschwerung des Fortkommens (im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 AngG) enthält. Es bedarf daher keiner abschließenden Prüfung, ob diese Bestimmungen auf den freien Handelsvertreter zur Gänze analog angewendet werden könnten. Die Konkurrenzklausel ist in dem hier strittigen Umfang grundsätzlich wirksam. Rechtliche Bedeutung kann nur noch der Behauptung des Beklagten zukommen, daß ihm der Kläger durch schuldbares Verhalten begrundeten Anlaß zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages gegeben habe. Eine solche Sachlage, die nach § 37 Abs. 1 AngG einer Geltendmachung der durch die Konkurrenzklausel begrundeten Rechte gegen einen Angestellten entgegenstunde, müßte auch als sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB ins Gewicht fallen, weil die bezogene Sondervorschrift des Angestelltengesetzes insofern bloß die Grundwertung zum Ausdruck bringt, daß derjenige, der selbst schuldhaft einen Grund für die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses setzt, das künftige berufliche Fortkommen des seinerseits vertragstreuen Teiles nicht hindern darf.
Nach der dargestellten Rechtslage kommt der Feststellung des Erstrichters entscheidende Bedeutung zu, daß der Kläger entgegen der Behauptung des Beklagten seine Vertragspflichten nicht verletzt hat. Das Rekursgericht wird diese vom Beklagten bekämpfte Feststellung zu überprüfen haben. Im Fall ihrer Übernahme ist der erstgerichtliche Beschluß mit der Einschränkung auf die (vereinbarte) Zeit eines Jahres ab der Austrittserklärung des Beklagten, womit das Vertragsverhältnis beendet wurde, zu bestätigen, zumal allein die Tatsache, daß der Beklagte noch während des aufrechten Vertragsverhältnisses Mitarbeiter zu seinem neuen Vertragspartner abgeworben und andere abzuwerben versucht hat, die Gefährdung des Unterlassungsanspruches erweist. Der OGH kann die Bescheinigungsfrage nicht selbst prüfen, weil dadurch der gesetzliche Instanzenzug verändert werden könnte (vgl. SZ 49/88 u. v. a.).
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