OGH 2Ob254/64

OGH2Ob254/6429.10.1964

SZ 37/156

Normen

ABGB §879 (1)
ABGB §879 (1)

 

Spruch:

Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines Wettbewerbsverbots.

Entscheidung vom 29. Oktober 1964, 2 Ob 254/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Wie unbestritten feststeht, nahm der Beklagte als Bergsteiger an der Schweizerischen Himalaya-Expedition 1960 (Dhaulagiri) teil, deren Leiter der Kläger war. Die über diese Teilnahme am 25. Februar 1960 zwischen den Streitteilen abgeschlossene, als "Dienstvertrag" bezeichnete Vereinbarung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

I/3: Der Teilnehmer verpflichtet sich, vor, während und nach der Expedition sämtliche Anordnungen des Leiters genau und sofort zu . befolgen. Dies betrifft insbesondere alle Vorbereitungs- und Liquidationsarbeiten sowie die Tätigkeit für Publizität in Wort, Bild und Schrift.

II/1: Alle finanziellen Belange der Expedition sind alleinige Angelegenheit des Leiters. Der Leiter garantiert die Finanzierung der Expedition, haftet allein für deren Schulden und finanziellen Verpflichtungen und ist allein über das gesamte Expeditionsvermögen verfügungsberechtigt.

III/1: Sämtliche Rechte zur Veröffentlichung in Wort, Bild und Schrift oder in irgendeiner anderen Form gehören ausschließlich dem Leiter.

III/4: Der Teilnehmer verpflichtet sich, sämtliche die Expedition betreffenden Veröffentlichungen - sei es in Wort, Bild oder Schrift oder in irgendeiner anderen Form - nur bei schriftlicher Erlaubnis durch den Leiter vorzunehmen.

Nach Beendigung der Expedition ließ der Beklagte ohne Erlaubnis des Klägers im Buch "Berg und Mensch, Internationales Alpines Jahrbuch 1961" eine Abhandlung über die Dhaulagiri-Expedition erscheinen. Auch hielt er an verschiedenen Orten Lichtbildervorträge, die ebenfalls diese Expedition zum Gegenstand hatten.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, in Hinkunft Veröffentlichungen in Wort, Bild und Schrift über die gegenständliche Expedition ohne seine (des Klägers) Einwilligung sofort zu unterlassen. Hilfsweise beantragt er ein Feststellungsurteil gleichen Inhalts.

Der Beklagte wandte u. a. Sittenwidrigkeit des Vertrages ein.

Das Erstgericht gab der Leistungsklage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof wies das Leistungs- und das Feststellungsbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist begrundet.

Die eingangs angeführten Vertragsbestimmungen lassen den Zweck des den Teilnehmern auferlegten Veröffentlichungsverbotes erkennen. Dieser bestand offensichtlich darin, dem Kläger das finanzielle Ergebnis einer publizistischen Auswertung der Expedition zu sichern, deren finanzielles Risiko er allein zu tragen hatte. Dieses Veröffentlichungsverbot stellt seiner Natur nach ein Wettbewerbsverbot dar.

Die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes ist nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen es gesetzlich ausdrücklich geregelt ist (§ 26 HAgG., § 36 AngG.). Ebenso wie vor der Erlassung dieser Gesetze diesfalls mit dem Begriff der guten Sitten operiert wurde, muß dieser auch heute noch in jenen Gebieten herangezogen werden, wo diese Gesetze nicht einschlagen. Gilt dies in der Praxis vorzüglich für Wettbewerbsklauseln bei Geschäftsveräußerungen und - verpachtungen, so sind die gleichen Grundsätze auch im Fall eines Vertrages sui generis wie des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen anwendbar (die Vereinbarung, als Bergsteiger an einer Expedition teilzunehmen, kann jedenfalls nicht ohne weiteres als Dienstvertrag im Sinne des § 1151 (1) ABGB. beurteilt werden). Es kann also eine vereinbarte Konkurrenzklausel im Sinne des § 879

(1) ABGB. sittenwidrig sein. Dies kann dann zutreffen, wenn eine derartige Klausel in übergroßem Umfang ohne zeitliche oder örtliche Begrenzung auferlegt wurde oder ein auffallendes Mißverhältnis zwischen den durch das Verbot zu schützenden Interessen des einen Vertragsteiles und der dem anderen Teil auferlegten Beschränkung besteht. In diesen Fällen muß nicht der ganze Vertrag für nichtig erklärt werden, vielmehr kann der Richter das Verbot auf ein billiges Maß einschränken. Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist im einzelnen Fall durch Abwägung der beiderseitigen Interessen zu prüfen. Im Zweifel wäre zugunsten der Vertragsfreiheit zu entscheiden.

Wird von diesen rechtlichen Erwägungen ausgegangen, so ergeben sich hieraus für den gegebenen Fall folgende Schlußfolgerungen:

Der Kläger macht mit dem primär erhobenen Unterlassungsbegehren den Anspruch auf eine dem Beklagten ihm gegenüber obliegende negative Leistung geltend. Es ist in der Rechtslehre unbestritten, daß solche Ablassungsklagen zulässig sind, solange das behauptete Verhalten vom Vertragsgegner fortgesetzt wird. Nach den Feststellungen der Untergerichte hat der Beklagte den Vertrag verletzt. Damit wäre auch das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers gegeben, zumal das bisherige Verhalten des Beklagten nicht nur die Besorgnis einer weiteren künftigen Vertragsverletzung, sondern auch eines dauernden Schadens rechtfertigte. Im Vordergrund steht jedoch für den Kläger die wirtschaftliche Schädigung durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten. Nun fand die Expedition im ersten Halbjahr 1960 statt. Noch im September 1960 erschien das vom Kläger verfaßte Buch "Erfolg am Dhaulagiri". Es ist allgemein bekannt, daß selbst solche sportliche Ereignisse, die zunächst ganz allgemein das Interesse der breiten Öffentlichkeit erregen, nach verhältnismäßig kurzer Zeit an Bedeutung verlieren. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz - das Unterlassungsgebot kann nur für die Zukunft wirksam sein -, Ende Oktober 1962, also mehr als zwei Jahre nach Beendigung der Expedition, bestand kein begrundeter Anlaß mehr, den Beklagten in der vom Kläger geforderten Weise in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, zumal wenn erwogen wird, daß dieses unbeschränkte Veröffentlichungsverbot über das mögliche Interesse des Klägers hinausgeht. Der Beklagte zählt zu den bekanntesten Bergsteigern Mitteleuropas. Mag ihn auch das vertragliche Verbot in seinem aktenkundigen Beruf als Kaufmann ebensowenig beeinträchtigen wie in seiner alpinistischen Tätigkeit als solcher, so verstößt doch eine Bindung des Beklagten über mehr als zwei Jahre hinaus gegen die guten Sitten.

Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die Mängel- und Aktenwidrigkeitsrüge der Revision einzugehen.

Ob und welche Schadenersatzansprüche dem Kläger aus dem festgestellten vertragswidrigen Verhalten des Beklagten zustunden, ist hier nicht zu erörtern.

Ebenso wie das Leistungs-(Unterlassungs-)begehren ist aber auch das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren nicht berechtigt. Ein solches liegt überhaupt nur der Form, nicht aber dem Inhalt nach vor. Überdies hat der Kläger nichts vorgebracht, um das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung darzutun. Ein solches ist auch nicht erkennbar.

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