Spruch:
Das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 22.April 1976, 7 Vr 440/75-25, verletzt durch den Ausspruch über die Unterbringung des Ewald A gemäß § 21 Abs. 2 StGB. in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher das Gesetz in dieser Bestimmung.
Es werden das bezeichnete Urteil, welches ansonsten unberührt bleibt, insoweit sowie alle auf dem angeführten Ausspruch beruhenden Verfügungen aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfange an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
I.) Aus den angeschlossenen Akten 7 Vr 440/75 des Kreisgerichtes Steyr und 30 Ns 110/76 des Landesgerichtes Linz ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der am 22.März 1953 geborene Hilfsarbeiter Ewald A wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 22.April 1976, GZ. 7 Vr 440/75-25, des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach §§ 8, 171, 174 I lit. d, 176 I lit. b StG. und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. schuldig erkannt, weil er am 9.November 1974 in Kematen nach zweimaliger Bestrafung wegen Diebstahls und innerhalb von fünf Jahren seit Verbüßung der letzten Strafe dem Josef B durch Einbruch (Einschlagen von zwei Fenstern und Eindrücken einer Tür eines Bauernhauses) Sachen im Wert von nicht mehr als 2.500 S zu stehlen versuchte, sowie am 21. und 26.Jänner 1975 in Achleithen das Moped des Johann C ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch nahm, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Aufreißen einer Tür, sohin durch eine der im § 129 StGB. geschilderten Handlungen, verschaffte.
Hiefür wurde Ewald A nach §§ 28, 41 StGB., § 178 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Außerdem wurde er gemäß § 21 Abs. 2 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen; die Anlaßtat bildete der zweimalige unbefugte Gebrauch eines Fahrzeuges unter den Voraussetzungen des § 136 Abs. 2 StGB. (§ 1 Abs. 1 StGB.; s. auch S. 137 d.Akten 7 Vr 440/75 des Kreisgerichtes Steyr).
Das Urteil ist zufolge beiderseitigen Rechtsmittelverzichts sofort in Rechtskraft erwachsen.
Zum Zeitpunkt des Strafverfahrens hatte Ewald A vierzehn Vorverurteilungen erlitten, (von denen mehrere zueinander im Verhältnis des § 265 StPO. - alt - stehen und eine bloß die nachträgliche Festsetzung einer Strafe gemäß §§ 13 Abs. 2, 46 Abs. 4 JGG. betrifft) und zwar vier wegen Diebstahls, vier nach dem Vagabundengesetz (einmal in Verbindung mit §§ 129 I b, 516, 98 StG.), zwei nach § 411 StG. sowie solche nach §§ 98 lit. b, 99, 153; 467 a; 467 b und (zweimal) 468 StG. im Gesamtausmaß von über 17 Monaten auf, wobei die höchste Einzelstrafe sechs Monate schwerer Kerker (wegen §§ 98 lit. b, 99, 153 StG. im Jahre 1973) betrug. Vor der letzten Verurteilung war Ewald A keiner Beschäftigung nachgegangen; er hatte keinen ständigen Aufenthaltsort, nächtigte in Abbruchhäusern, konsumierte häufig Alkohol und fristete seinen Lebensunterhalt durch zweimal wöchentliches Blutspenden. Am 9.Mai 1975 wurde Ewald A in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz eingeliefert, nachdem er auf der Autobahn aufgegriffen worden war, weil er angeblich mit Steinen auf vorbeifahrende Autos geworfen hatte. In dem zu AZ. 22 L 1061/75
des Bezirksgerichtes Linz durchgeführten Verfahren wurde seine Anhaltung wegen Debilität und Alkoholmißbrauchs für zulässig erklärt. Das Entmündigungsverfahren war zunächst beim Bezirksgericht Eferding unter dem AZ. L 8/75
anhängig. Dieser Akt wurde am 7.Oktober 1976 dem Bezirksgericht Linz gemäß § 12 (2) EntmO. abgetreten und dort unter dem AZ. 22 L 1586/76 weitergeführt (S. 114 ff.).
Letzteres sprach dann mit Beschluß vom 28.Dezember 1976, GZ. 22 L 1586/76-39 wegen Geistesschwäche die beschränkte Entmündigung aus. Maria A wurde am 2.Mai 1977 vom Bezirksgericht Eferding unter der GZ. P 6/77-12 (= 22 L 1586/76 des Bezirksgerichtes Linz) zum Beistand des (beschränkt) Entmündigten bestellt.
In dem im Zuge des Strafverfahrens eingeholten schriftlichen Gutachten des Instituts für Gerichtliche Medizin Paris Lodron Universität/Abteilung Linz vom 5.Dezember 1975 über den Geisteszustand des Ewald A kam (der Sachverständige) Univ.-Prof. Dr. Klaus D zunächst zum Ergebnis, daß Ewald A an einem organisch durch einen hirnatrophischen Prozeß begründeten Schwachsinn leide und nicht zurechnungsfähig sei. Beim Untersuchten handle es sich um einen Dauerfall für die Bewahrabteilung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses; auf Grund seines Schwachsinns und seiner Haltlosigkeit sei er nicht in der Lage, sich sozial angepaßt zu verhalten;
Rückfälle in krimineller Hinsicht seien mit Sicherheit zu erwarten. Wegen der schlechten Rückfallsprognose sei seine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt im Sinne des § 21 Abs. 1 StGB. geboten. In der Hauptverhandlung vom 22.April 1976 bekundete der Sachverständige, daß ein Grenzfall vorliege: Es seien Gesamtpersönlichkeitsdefekte vorhanden, die medizinisch gesehen die Unterbringung gemäß § 21 StGB. erforderlich machen. Der Schwachsinn gehe nicht so weit, daß er allein die Zurechnungsfähigkeit aufheben würde. Eine Abartigkeit höheren Grades liege auf jeden Fall vor, nur begründe diese 'in bezug auf die Intelligenz' noch keine Zurechnungsunfähigkeit. Vom rein intellektuellen Standpunkt sei der Angeklagte zurechnungsfähig; es sei aber von ihm nicht zu erwarten, daß er sich in die Gesellschaft integriere. Wegen der bestehenden Alkoholunverträglichkeit habe sich das Zustandsbild bei der Einlieferung in das Krankenhaus schlechter dargestellt, als es zur Tatzeit (wirklich) gewesen sei, und auch schlechter als im Zeitpunkt der Hauptverhandlung. Der Angeklagte sei jedoch hochgradig abnorm und es bestehe die Gefahr einer Rückfallstat, weshalb es nach § 21 Abs. 2 StGB. auch nach Verbüßung der Strafe zweckmäßig sei, ihn in einer entsprechenden Anstalt zu belassen; die Prognose sei 'jedenfalls schlecht'.
Auf Grund dieses Gutachtens beantragte der öffentliche Ankläger die Bestrafung des Angeklagten im Sinne der Anklage und dessen Einweisung gemäß § 21 Abs. 2 StGB., in eventu nach § 21 Abs. 1 StGB. Demgegenüber vertrat der Verteidiger die Auffassung, daß wegen Unzurechnungsfähigkeit ein Schuldspruch nicht erfolgen könne; er sprach sich im übrigen für eine Einweisung nach § 21 Abs. 1 StGB. aus.
Rechtliche Beurteilung
Diese vorbeugende Maßnahme gemäß § 21 Abs. 2 StGB.
wird im Urteil damit begründet, daß Ewald A im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlungen und sohin auch der Anlaßtaten sowie im Zeitpunkt der Urteilsfällung (zwar) zurechnungsfähig war, aber eine geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades aufweise und nach seiner Person, seinem Zustand sowie nach Art seiner Taten zu befürchten sei, daß er unter dem Einfluß seiner Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde (S. 137 d.A. 7 Vr 440/75 des Kreisgerichtes Steyr).
Auf Grund der in Rede stehenden Verurteilung wird Ewald A seit 22. April 1976 (auch) gemäß § 21 Abs. 2
StGB. im Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz angehalten. Die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung (§ 25 StGB.) wurde vom Landesgericht Linz (als Vollzugsgericht) zum AZ. 30 Ns 110/76 mit Beschlüssen vom 14.Juni 1977 (ON. 9), vom 16.Oktober 1978 (ON. 17) und vom 22.November 1979
(ON. 21) bejaht.
II.) Nach Ansicht der Generalprokuratur stehen der Ausspruch über
die Einweisung gemäß § 21 Abs. 2 StGB.
im Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 22.April 1976 und die Prüfungstätigkeit des Landesgerichtes Linz gemäß § 25 StGB. betreffend die Frage der Notwendigkeit einer weiteren Anhaltung mit dem Gesetz nicht in Einklang.
In der darum von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird ausgeführt:
'Was zunächst die Anordnung der Unterbringung des Ewald A in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher anlangt, so ist gemäß § 21 Abs. 1 StGB. in eine solche Anstalt einzuweisen, wer eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begeht und nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB.) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Liegt eine solche Befürchtung vor, so ist gemäß § 21 Abs. 2 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher auch einzuweisen, wer, ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine Tat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, in welchem Fall die Unterbringung zugleich mit dem Ausspruch über die Strafe anzuordnen ist.
Der Zustand, der neben der Bestrafung zur Anordnung der Anstaltsunterbringung führt, muß eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegen und so stark ausgesprägt sein, daß er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann (EBRV. 1971, 105; ÖJZ-LSK. 1977/226, 1979/258). Daraus folgt, daß nicht jede - wenngleich beträchtliche - geistige oder seelische Abartigkeit, die das kriminelle Verhalten des Täters beeinflußt, den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 StGB. genügt. Die Anlaßtat muß unter dem Einfluß dieser höhergradigen geistigen oder seelischen Abartigkeit begangen worden sein. Außerdem muß nach der Person des Täters, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat konkret zu befürchten sein, daß der Täter ohne Anstaltsunterbringung unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Von einer Tat mit schweren Folgen kann aber nur dann gesprochen werden, wenn das Maß, das allgemein den Auswirkungen leichter Vorsatzkriminalität entspricht, erheblich überschritten wird, weshalb etwa im Rahmen der durchschnittlichen Kriminalität liegende Diebstähle, wozu unter Umständen auch durch Einbruch in Gebäude oder in Fahrzeuge begangene Diebstähle zählen können, im allgemeinen nicht darunter fallen und bei Vermögensdelikten sich die schweren Folgen - vom Wert her - an der Wertgrenze von etwa 100.000 S orientieren (siehe Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 250 und 252 sowie die dort angeführten Entscheidungen).
Im vorliegenden Fall rechtfertigen die auf den Sachverständigengutachten basierenden Urteilsfeststellungen zwar die Annahme einer geistigen Abartigkeit des Angeklagten von höherem Grad, die konkret befürchten läßt, daß Ewald A unter dem Einfluß dieser Abartigkeit in Hinkunft mit Strafe bedrohte Handlungen begehen werde.
Hingegen ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, daß auch der Anlaß zur Anordnung der Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB. bildende unbefugte Fahrzeuggebrauch vom Angeklagten unter dem Einfluß seiner geistigen Abartigkeit begangen worden ist. Insofern verstößt das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 22.April 1976 daher gegen die Bestimmungen des § 21 Abs. 2 StGB., wobei der dem Urteil anhaftende Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 11 StPO.) eine abschließende Beurteilung der Frage der Anstaltsunterbringung derzeit nicht zuläßt.
Außerdem wird in den Gründen des Urteils nur allgemein unter Verwendung der verba legalia gesagt, nach der Person des Angeklagten, nach seinem Zustand und nach der Art seiner Taten sei zu befürchten, daß er unter dem Einfluß seiner Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Das Gericht unterläßt es aber darzulegen, worauf die Annahme der künftigen Begehung einer solchen strafbaren Handlung konkret gestützt wird und ob insbesondere aus den Anlaßtaten - oder aus welchen sonstigen Taten - eine derartige Befürchtung abgeleitet werden kann, sowie um welche Art von Delikten (mit schweren Folgen) es sich dabei handeln soll.
Demnach mangelt es dem Urteil sowohl an Feststellungen über das Vorliegen einer den Voraussetzungen des § 21 StGB. entsprechenden (unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangenen) Anlaßtat, als auch an ausreichenden und eine Überprüfung der gestellten Gefährlichkeitsprognose (vgl. SSt. 47/32) zulassenden Gründen, denen entnommen werden kann, welche konkreten Umstände im Verfahren hervorgekommen sind, die die Annahme einer naheliegenden, nicht bloß auf einer geringen Wahrscheinlichkeit beruhenden Gefahr rechtfertigen, der Angeklagte werde in Hinkunft eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen (im oben dargelegten Sinn) begehen (siehe Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 250).
Was jedoch die Prüfungstätigkeit des Landesgerichtes Linz anlangt, so hat das Gericht gemäß § 25 Abs. 3 StGB.
von Amts wegen mindestens alljährlich zu prüfen, ob die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher noch notwendig ist.
Dieser Vorschrift zuwider hat das Landesgericht Linz zwar die bezüglichen Erhebungen zeitgerecht eingeleitet, aber erst am 14.Juni 1977, am 16.Oktober 1978 und am 22.November 1979 die Notwendigkeit einer weiteren Anhaltung des seit 22.April 1976 gemäß § 21 Abs. 2 StGB. in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebrachten Ewald A und somit erst nach Ablauf der im § 25 Abs. 3 StGB. normierten Jahresfrist (vgl. § 25 Abs. 4 StGB. 'mindestens alle sechs Monate' und Dokumentation, 80) festgestellt.' Die Generalprokuratur beantragt sohin, die Verletzung des Gesetzes durch das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 22.April 1976, GZ. 7 Vr 440/75-25, im § 21 Abs. 2 StGB. und durch die Beschlüsse des Landesgerichtes Linz vom 14. Juni 1977, vom 16.Oktober 1978, und vom 22.November 1979 (GZ. 30 Ns 110/76-9, 17 und 21) im § 25 Abs. 3 StGB. festzustellen sowie das bezeichnete Urteil im Ausspruch über die Einweisung des Ewald A in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB. aufzuheben und die Sache in diesem Umfange zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Kreisgericht Steyr zu verweisen.
III.) Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur teilweise, nämlich in bezug auf das erwähnte Urteil Berechtigung zu.
1. Es ist (zunächst) - der Beschwerdeauffassung zuwider - schon hinsichtlich der Frage nach dem Bestehen des vom § 21 StGB. vorausgesetzten abnormen (Geistes-) Zustandes des Täters beim Angeklagten mit Feststellungsmängeln behaftet.
Das Urteil verweist in seiner Begründung (S. 137) insoweit nur auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Klaus D. Näher konkretisierende (und damit eine Überprüfung der Rechtsanwendung überhaupt ermöglichende) Tatsachenfeststellungen traf es dazu aber nicht.
Demnach scheint der Schöffensenat davon ausgegangen zu sein, daß bereits die vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (ON. 16), das in der Hauptverhandlung vorgetragen wurde, aufgezeigte seelische und geistige Abartigkeit (organisch durch einen hirnatrophischen Prozeß begründeter Schwachsinn; schwerwiegende allgemeine Persönlichkeitsveränderung - S. 105 f.) allein schon eine Maßnahme nach § 21 Abs. 2 StGB. rechtfertigt. Für die Bejahung einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, also eines - wie von der Generalprokuratur (an sich) im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (vgl. auch Dokumentation, 76) und der Judikatur (13 Os 62/79) zutreffend dargelegt wird - eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegenden und so stark ausgeprägten Zustandes, daß er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann und solcherart über eine - wenn auch beträchtliche - Abartigkeit geistiger oder seelischer Natur, die auf das kriminelle Verhalten des Täters von Einfluß ist, hinausgeht, reicht dieses Gutachten jedoch nicht hin; und dies umso weniger als der Sachverständige die im schriftlichen Gutachten vertretene Ansicht, es liege bei Ewald A eine derartig schwerwiegende Persönlichkeitsveränderung vor, daß sie die Annahme einer Zurechnungsunfähigkeit gestatte (S. 106), später dahin einschränkte, der Schwachsinn des Ewald A gehe nicht so weit, daß er allein die Zurechnungsfähigkeit aufheben würde (S. 127), und die nur allgemein gehaltenen Äußerungen des Sachverständigen Dr. D, die festgestellte Abartigkeit sei höheren Grades, mangels einer entsprechenden Konkretisierung für sich allein nicht genügen, das fragliche gesetzliche Erfordernis als erfüllt anzusehen.
2. Ferner entspricht die Einweisungsanordnung, worin der Generalprokuratur zuzustimmen ist, außerdem deshalb nicht den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 StGB., weil das Urteil keine Konstatierung darüber enthält, ob der Angeklagte die Anlaßtat tatsächlich unter dem Einfluß jener geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grade beging, die das Schöffengericht bei ihm als gegeben annahm.
3. Weiters wurde vom Gericht - in diesem Punkt ist die Generalprokuratur zumindestens im Ergebnis ebenfalls im Recht - nicht konkret darüber abgesprochen, auf Grund welcher in der Person des Angeklagten, seinem Zustand und der Art der Taten gelegenen (in dem Zusammenhang bedeutsamen) Momenten die Verübung (zumindestens) einer strafbedrohten Handlung mit schweren Folgen (unter den Einfluß seiner Abartigkeit) naheliege und welche Delikte es dabei im Auge habe. Ob es sich bei einer zu befürchtenden Tat um eine solche mit 'schweren Folgen' handelt, ist nicht bloß nach dem abstrakten Gewicht des der Strafdrohung entsprechenden Erfolges zu beurteilen, sondern nach dem Gesamtgewicht aller ihrer konkreten Auswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit; deshalb wird im Gesetz nicht vom 'Erfolg', sondern von den 'Folgen' gesprochen, wie sie auch mit einem Formaldelikt verbunden sein können. Kriterien für das Abwägen derart zu besorgender Folgen sind mithin Art, Ausmaß und Wichtigkeit sämtlicher aus der Tat resultierenden (auch außertatbestandsmäßigen) effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, deren Gewicht durch die in der Sozietät bestehenden, insofern normativen (durchschnittlichen) Wertvorstellungen der mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen (§ 10 Abs. 1, § 32 Abs. 2 StGB.) bestimmt wird. Schwere Folgen in diesem Sinn müssen aus (mindestens) einer Einzeltat zu befürchten sein; die Besorgnis einer Mehrzahl geringfügiger Taten ermöglicht eine strafgerichtliche Unterbringung nicht (EvBl. 1977/180).
4. Da sohin das Urteil des Kreisgerichtes Steyr in Ansehung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 StGB. - im Zusammenhang sowohl mit dem dort umschriebenen (abnormen) Zustand des Täters als auch der Kausalität (dieses Zustandes) für die Begehung der Anlaßtaten - mit Feststellungsmängeln behaftet ist und außerdem über für die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose bedeutsame Umstände (im erörterten Belange) keinen Aufschluß gibt und diese (in Stattgebung der begründeten Nichtigkeitsbeschwerde festzustellenden) Gesetzesverletzungen den Angeklagten benachteiligen, war gemäß § 292
letzter Satz StPO. spruchgemäß zu erkennen.
IV. Nicht berechtigt ist der gegen die Beschlüsse in der Strafvollzugssache erhobene Einwand:
1. Um den Angehaltenen 'dagegen zu sichern, daß die Unterbringung sein endgültiges Schicksal und er sozusagen abgeschrieben ist' (EBRV. 1971, 112), gewährleistet § 25 Abs. 3 StGB., daß die Notwendigkeit der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher - ungeachtet dessen, daß das Gericht das Fortbestehen der Anhaltebedürftigkeit auch schon nach kürzerer Zeit neuerlich prüfen kann und der Angehaltene insoweit jederzeit antragsberechtigt ist - mindestens alljährlich von Amts wegen geprüft wird.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung '... zu prüfen' (und nicht 'zu entscheiden'), woraus folgt, daß binnen der im § 25 Abs. 3 StGB.
genannten Frist die Prüfung einzuleiten ist und sie zur Entscheidung (auf Grund abgeschlossener Prüfung) auch überschritten werden darf. Der von Marschall/Vlcek (ÖJZ. 1974 S. 433) - ohne tragfähige Begründung - vertretenen Auffassung, der erstinstanzliche (wenn auch nicht notwendigerweise rechtskräftige) Beschluß des Gerichts über eine weitere Anhaltebedürftigkeit sei bei sonstiger Rechtswidrigkeit einer weiteren Anhaltung unbedingt noch vor dem Ablauf dieser Frist zu fassen, tritt der Oberste Gerichtshof sohin nicht bei. Für das Argument Kunst' s (Strafvollzugsgesetz, Anm. 2 f bei § 162) hingegen, daß der Gesetzgeber wohl eine andere Terminologie (wie etwa in § 193 Abs. 2 StPO.) gewählt haben würde, hätte er eine fristgebundene Entscheidungspflicht statuieren wollen, sprechen auch gewichtige teleologische Gründe: dem Gericht eine Entscheidung binnen bestimmter Frist selbst bei einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgrundlage aufzuzwingen, kann (auch im Interesse des Angehaltenen) schon deshalb nicht sinnvoll sein, weil der Mangel zwangsläufig zur Aufhebung der Entscheidung führen müßte, für den zweiten Rechtsgang aber eine Befristung der Entscheidung aus dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Eine derart formalistische Begünstigung gefährlicher Täter zu Lasten der Gesellschaft kann in der Tat nicht das Ziel der in § 25 Abs. 3 StGB.
normierten Prüfungspflicht sein, die nur eine Überprüfung der Entlassung in angemessenen Zeitabständen gewährleisten soll. Es genügt daher die Einleitung der Prüfung in der in § 25 Abs. 3 StGB. normierten Jahresfrist; insbesondere im Hinblick auf eine allenfalls notwendige Untersuchung durch einen Sachverständigen aus dem Gebiete der Psychiatrie (vgl. JABl. 1975/2 Punkt IV 2. Abs. 3), die - (unter Umständen mehr oder weniger) - zeitaufwendig sein kann, ist es dagegen durchaus denkbar, daß die Entscheidung selbst, auch ohne unnötige Verzögerung, erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 25 Abs. 3 StGB. ergeht; wird sie nicht innerhalb dieser Frist getroffen, so ist darum dessen ungeachtet die Unterbringung in Vollziehung des darauf lautenden Urteils fortzusetzen (vgl. Kunst, Anm. 2 f bei § 162 StVG.). Gegen eine unangemessene Verfahrensverzögerung, für deren wirksame Hintanhaltung das Vollzugsgericht in geeigneter Weise (insbesondere durch Veranlassung rascher Durchführung notwendigen Erhebungen, Überwachung der ungesäumten Erledigung und unverzügliche Entscheidung nach Vorliegen der Erhebungsergebnisse) Sorge zu tragen hat, muß der Verwahrte hier nicht anders geschützt werden als in sonstigen Fällen ungerechtfertigter Verzögerungen;
liegt insoweit nicht geradezu ein Ermessensmißbrauch vor (vgl. 10 Ns 3/80), dann ist insoferne für die Annahme einer (nach § 33 StPO. feststellbaren) Gesetzesverletzung kein Raum.
2. Wird sohin der Zweck des § 25 Abs. 3 StGB. in der Gewährleistung einer regelmäßigen Überprüfung gesehen, dann ist ferner die darin normierte Frist jeweils von der letzten Entscheidung über die Notwendigkeit weiterer Unterbringung an zu berechnen, ohne daß dies den (nur) im vorerwähnten Umfange geschützten Interessen des Angehaltenen zuwiderliefe (vgl. auch JABl. 1975 Nr. 2, wonach die zur Vorbereitung der Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung erforderlichen Erhebungen in dem Monat einzuleiten sind, der dem Ablauf des auf den Beginn der Unterbringung oder auf die letzte Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung folgenden Jahres vorangeht).
3. Da in den von der Generalprokuratur in ihrer Beschwerde angeführten Fällen - wie sie selbst einräumt -
die Prüfung der Notwendigkeit der weiteren Anhaltung i.S.
d. § 25 Abs. 3 StGB. stets innerhalb dieser dort normierten Jahresfrist (gerechnet jeweils von der letzten Entscheidung an) eingeleitet wurde, liegt demnach insoweit kein Verstoß gegen das Gesetz vor; die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war darum in diesem Umfange zu verwerfen.
4. Die auf Grund dieser Prüfung ergangenen drei Beschlüsse (vom 14. Juni 1977, vom 16.Oktober 1978 und vom 22.November 1979, GZ. 30 Ns 110/76-9, 17 und 21) wären allerdings - dies sei, zumal die Generalprokuratur in der Richtung die Feststellung einer Gesetzesverletzung nicht begehrt, nur noch der Vollständigkeit halber festgehalten - nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes in analoger (sinngemäßer) Anwendung der Bestimmungen der §§ 440, 431 StPO. dem Beistand Maria A zuzustellen gewesen.
Zusammenfassend war der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mithin nur teilweise stattzugeben, ihr im übrigen aber ein Erfolg zu versagen.
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